Protocol of the Session on December 9, 2010

Überall, wo man Beiträge kassiert, orientiert man sich am Einkommen der jeweiligen Person.

(Herr Kolze, CDU: Wer reich ist, zahlt!)

Das lässt sich sehr gut mit dem Gesundheitswesen in der Bundesrepublik vergleichen. Beim Krankenkassenbeitrag ist es doch längst einkommensdifferenziert und abhängig von der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Person. Die gleiche Logik würden wir bei der Rundfunkfinanzierung auch anwenden wollen. Warum sollen Beiträge, wenn es um die Gesundheit geht, einkommensabhängig gezahlt werden, bei der Rundfunkfinanzierung aber nicht?

(Herr Borgwardt, CDU: Weil das keine lebens- notwendige Leistung ist!)

Das könnte bei der Rundfunkfinanzierung genauso einkommensabhängig erfolgen.

Etwas anderes ist es bei einer Gebühr; abgesehen davon, dass die Praxisgebühr im Gesundheitswesen von uns grundsätzlich abgelehnt wird. Dahinter steckt die Gebührenlogik: Jeder zahlt die gleiche Gebühr: 10 €. Im Übrigen lehnen wir es auch konsequent ab, dass bei der Kopfpauschale jeder den gleichen Krankenkassenbeitrag unabhängig von seinem Verdienst bezahlen soll.

(Zustimmung bei der LINKEN - Frau Bull, DIE LINKE: Die CDU auch!)

Es würde sich in der Tat erübrigen, wenn man es leistungs- und einkommensabhängig macht. Dann bräuchte man die Wirtschaft unter Umständen nicht mehr mit einzubeziehen, weil diejenigen, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit mehr verdienen, dann auch gegenüber denjenigen, die weniger verdienen, mehr bezahlen müssten. Das wäre nur gerecht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Scharf, Sie haben noch eine Nachfrage.

Es bleibt also erstens bei der Freistellung der Wirtschaft. Können Sie mir zweitens noch erläutern, wie sich diese einkommensabhängige, personengebundene Abgabe noch hinreichend von einer Steuer unterscheidet? - Gerade die EU verbietet es, eine Steuer auf diesem Gebiet zu erheben.

Ich habe Ihnen gerade den Vergleich mit den Krankenkassenbeiträgen gebracht. Ich glaube nicht, dass irgendjemand auf die Idee kommt, die Krankenkassenbeiträge, die die gleiche Grundlogik haben, als eine Steuer zu bezeichnen.

Im Übrigen haben andere Länder längst eine Personenabgabe, zum Beispiel Frankreich. An dieser Stelle hat die EU auch nicht herumgemosert. Man muss gegenüber der EU wahrscheinlich auch einmal ein bisschen konsequent sein und sagen: Wir stehen zu unserer Rundfunkfinanzierung und stehen zu unserem öffentlichrechtlichen Rundfunk - und dann kann die EU mich mal.

(Unruhe bei der CDU)

- Ja. Andere Länder machen das auch.

(Herr Gürth, CDU: Das ist doch Kindergarten- niveau hier! - Herr Borgwardt, CDU: Wir haben doch ein Staatsfernsehen in Frankreich! Was soll das hier? Das ist doch Käse!)

Jetzt hat Herr Graner das Wort, um seine Frage zu stellen. Bitte.

Herr Kollege Gebhardt, ich habe mit Interesse gehört, dass Sie erwähnten, dass eine Erhöhung der Akzeptanz beim Gebührenzahler zu erwarten sei, wenn man das Gebührenmodell verändere und - -

Nein. Herr Graner, darf ich Sie korrigieren: Ich habe gesagt, dass die Ministerpräsidenten erklärt haben, ein Ziel dieser Reform sei es, damit die Akzeptanz bei den Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahlern zu erhöhen. Das war das Ziel der Ministerpräsidenten. Ich habe in Abrede gestellt, dass man dieses Ziel mit dieser Haushaltsabgabe erreichen kann.

Sind Sie der Meinung, dass man mit einer anderen Art der Zahlung der Gebühren die Akzeptanz bei den Zuschauern und Zuhörern erhöht, oder glauben Sie nicht vielmehr, dass sich die Akzeptanz eher durch die Verbesserung der Qualität des Programms erhöhen lässt?

Ich glaube, das eine hat mit dem anderen unmittelbar zu tun.

Vielen Dank. Es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Schulz. - Bitte schön, Herr Schulz, fragen Sie.

Herr Gebhardt, es ist interessant, Ihre Ausführungen darüber zu hören, die Beiträge vom Einkommen abhängig zu machen. Es gibt aber schon einen großen Bevölkerungskreis, der von der Zahlung der Gebühren befreit ist. Reicht Ihnen dieser Katalog aus oder würden Sie ihn gern noch ausweiten, damit noch mehr Menschen unter die Befreiungstatbestände fallen? Das hätte im Endeffekt die Folge, dass immer weniger Bürger die Lasten des gesamten Systems tragen würden.

(Herr Stahlknecht, CDU: Das wollen die doch!)

Ich glaube, mit einer Beitragsstaffelung könnte man auch diesem Problem begegnen. Außerdem war es unser Vorschlag, dass der Staat, wenn Gebühren oder Beiträge ausfallen, weil ich von der Zahlung befreit bin, diese Beiträge oder Gebühren dann auch ersetzen muss, wenn er mich von der Zahlung befreit.

(Zustimmung bei der LINKEN - Unruhe bei der CDU - Herr Borgwardt, CDU: Woher soll er das nehmen?)

Vielen Dank, Herr Gebhardt. Weitere Fragen gibt es nicht. - Wir kommen zum Debattenbeitrag der SPD-Fraktion, für die der Abgeordnete Herr Felke das Wort nehmen wird. Bevor er das tut, möchte ich aber Schülerinnen und Schüler der Müntzer-Sekundarschule Magdeburg auf der Tribüne begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Sie haben das Wort, Herr Felke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war richtig und wichtig, dass sich der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien auf unsere Initiative hin am 26. November 2010 mit dem Entwurf des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages in einer Anhörung auseinandergesetzt hat.

Mit dem ARD-Vorsitzenden Boudgoust, dem ZDF-Intendanten Schächter und dem MDR-Intendanten Reiter sowie mit Vertretern des Blinden- und Sehbehindertenverbandes, mit vielen Gästen von Wirtschafts- und Handwerksverbänden und mit Vertretern der GEZ war die Runde hochkarätig besetzt. Erstaunlich war für mich allerdings, dass diese Anhörung den Medien in unserem Land keine Mitteilung wert war.

(Herr Dr. Eckert, DIE LINKE: Das ist so oft der Fall!)

Meine Damen und Herren! Mit dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag geht es um die große Reform der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ich würde dem Kollegen Gebhardt in diesem Zusammenhang doch widersprechen wollen: Meiner Meinung nach muss ein Kompromiss per se nichts Schlechtes sein und wir reden hier nicht über die Quadratur des Kreises.

Die Notwendigkeit für den Vertrag liegt auf der Hand. Auch wenn die Frage der so genannten PC-Gebühr vor wenigen Wochen höchstrichterlich entschieden wurde, muss es darum gehen, die digitale Zukunft nachvollziehbar und gerecht in die Systematik der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu integrieren. Die bisherige geräteabhängige Bezugsgröße wird den neuen technischen Entwicklungen nicht mehr gerecht.

Mit dem Gutachten von Herrn Professor Kirchhof, das seinen Niederschlag im Entwurf des Vertrages gefunden hat, scheint die Tür für ein neues Finanzierungsmodell weit geöffnet zu sein. Dieser Weg der Wohnungs- und Betriebsstättenabgabe findet unsere ausdrückliche Unterstützung, wenngleich - das hat die Anhörung deutlich gemacht - wichtige Details noch einmal sorgfältig zu überprüfen sind.

Die SPD steht ausdrücklich zu den Grundsätzen eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wir treten dafür ein, dass dieser in seiner Unabhängigkeit und Qualität erhalten bleibt.

Auch wenn man auf die Frage nach der Qualität letztlich immer eine subjektive Antwort findet, teile ich die Auffassung von Professor Böhmer, dass die Einschaltquote nicht ständig als Gradmesser des Erfolges betrachtet werden muss.

(Zustimmung bei der SPD)

Kommen wir zu den finanziellen Folgen des Modellwechsels. Der neue Beitrag muss nach unserer Auffassung eine breite gesellschaftliche und politische Akzeptanz haben, die entsprechend der verfassungsrechtlichen Grundfrage der ausreichenden Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Finanzierung für eine möglichst lange Zeit sichert. Der durch die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, die KEF, festgestellte Finanzbedarf und damit ein Beitrag in der Höhe, die zur Erfüllung des Auftrags notwendig ist, ist sicherzustellen. Das enthebt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach unserer Auffassung jedoch nicht von der Verpflichtung zur weiteren Optimierung seiner Wirtschaftlichkeitsbemühungen.

Die Sicherung des Bestandes und die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind eine gesamtstaatliche Aufgabe, an der sich die Wirtschaft in der Summe aus Industrie, Handwerk, Gewerbe, Handel, Dienstleistungs- und sonstigen Einrichtungen bislang mit der Zahlung von fast einem Zehntel des Gebührenaufkommens beteiligt hat. An der Aufkommensneutralität bei der Verteilung zwischen dem privaten und dem nichtprivaten Bereich wollen wir festhalten. Die privaten Haushalte dürfen unter dem Strich nicht stärker in die Pflicht genommen werden als bisher. Das normale KEF-Verfahren zur Festlegung des Beitrags soll beibehalten werden.

Mit der Ankündigung maßvoller Anmeldungen des Finanzbedarfs für die Beitragsperiode ab 2013 stehen die Intendanten der Anstalten im Wort. Mit dem Anfang 2012 zu erwartenden 18. KEF-Bericht sollte ein Spielraum für die Entscheidung des Gesetzgebers vorhanden sein, den Beitrag bis 2015 stabil zu halten - auch wenn Bedarfsentwicklung und eindeutige Klarheit auf der Einnahmeseite infolge des Modellwechsels derzeit noch nicht völlig erkennbar sind.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auf einige weitere wichtige Punkte eingehen. Begrüßt wird von uns, dass die Privatsphäre künftig besser geschützt wird. Da

keine Überprüfung des Bereithaltens eines Gerätes mehr erfolgt, ist auch kein Betreten der Wohnung mehr erforderlich. Die Reduzierung des Aufwandes der Datenerhebung und der Kontrolle lässt langfristig eine Reduzierung der GEZ und des Beauftragtenwesens erwarten.

Begrüßt wird von uns zudem, dass die einkommensabhängigen Befreiungstatbestände weitgehend beibehalten wurden. Neu ist die der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgende Regelung, dass Behinderte, die finanziell leistungsfähig sind, mit einem Drittel des Rundfunkbeitrags an der Finanzierung beteiligt werden sollen. Nach meiner Einschätzung dürfte das nur einen relativ kleinen Personenkreis betreffen. Es muss aber vornehmste Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bleiben, neben den erhaltenen zweckgebundenen Einnahmen weitere Anstrengungen zur Ausweitung barrierefreier Angebote zu unternehmen.

Meine Damen und Herren! Kommen wir zu einigen problematischen Punkten des Vertragsentwurfs. Auch wenn wir hierzu mit einer Reihe von Modellrechnungen konfrontiert wurden, so ist nicht wegzudiskutieren, dass für viele Unternehmen auch Beitragserhöhungen zu erwarten sind. Zum Teil werden sich diese in Steigerungen um mehrere hundert Prozent auswirken. Auch wenn die Beitragsstaffelung im Entwurf vom 21. Oktober 2010 nochmals verändert wurde, so ist die Benachteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen, die den allergrößten Teil der Unternehmen in unserem Land ausmachen, deutlich.

Hinzu kommt, dass die Erhebung des Kfz-Beitrages einen Bruch innerhalb des Modellwechsels von der Geräteabhängigkeit hin zur Haushalts- bzw. Betriebsstättenabgabe darstellt. Hier stellen wir eine fehlende Systemkonformität fest, die zu überproportionalen Belastungen von Unternehmen mit großem Fuhrpark führt.

Weiterhin kommt hinzu, dass es Gestaltungsmöglichkeiten zur Kostensenkung - wie beispielsweise der Nachweis aus Fahrzeugen ausgebauter Radios - künftig offenbar nicht mehr geben soll. Hohe Belastungen kommen damit insbesondere auf das Kfz-Gewerbe mit seinen - dies wird zum Teil von den Herstellern vorgegeben - vorzuhaltenden Fahrzeugen - zum Beispiel Werkstattwagen, Vorführwagen, Tageszulassungen und ähnliche - zu.

Unklar ist zudem eine Reihe von Definitionen. So ist beispielsweise offen, wie sich die Zahl der Beschäftigten zusammensetzt. Werden hier alle Teilzeitbeschäftigten und Auszubildenden mit herangezogen? Werden alle gewerblich genutzten Fahrzeuge in die Berechnung einbezogen - also auch Sonder- und Spezialfahrzeuge, Baumaschinen und Ähnliches? - Hier sehen wir noch in hohem Maße Bedarf für Konkretisierungen und Änderungen, um nicht eine überproportionale Belastung gerade kleinerer Unternehmen hinnehmen zu müssen.

(Beifall bei der SPD)

Im Rahmen der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden der SPD in dieser Woche spielten gerade diese Probleme eine besondere Rolle. Umso unverständlicher erscheint uns in diesem Zusammenhang aber die Rolle unseres Wirtschaftsministeriums: Entweder hat man es dort gut verborgen, was bei Minister Haseloff wenig wahrscheinlich ist, oder es hat in dieser Sache tatsächlich keine Gespräche mit den Vertretern von Industrie und Handwerk gegeben, um noch etwas in ihrem Interesse zu verändern. Letzteres wäre dann allerdings geradezu ein Affront.

Meine Damen und Herren! Wir haben hier im Hause bereits mehrfach und völlig zu Recht beklagt, dass wir bei Staatsverträgen immer das Problem haben, dass wir eigentlich erst dann tätig werden können, wenn schon alles erledigt ist. Hier haben wir jetzt aber die Möglichkeit, zumindest auf einige Punkte hinzuweisen, die auf der Konferenz der Ministerpräsidenten in der nächsten Woche Berücksichtigung finden mögen. Wir können zudem dazu beitragen, die Regelungen ausgewogener zu machen und sie dahin zu führen, die Wirkungen des Systemwechsels frühzeitig zu überprüfen.