Meine Damen und Herren! Wir haben hier im Hause bereits mehrfach und völlig zu Recht beklagt, dass wir bei Staatsverträgen immer das Problem haben, dass wir eigentlich erst dann tätig werden können, wenn schon alles erledigt ist. Hier haben wir jetzt aber die Möglichkeit, zumindest auf einige Punkte hinzuweisen, die auf der Konferenz der Ministerpräsidenten in der nächsten Woche Berücksichtigung finden mögen. Wir können zudem dazu beitragen, die Regelungen ausgewogener zu machen und sie dahin zu führen, die Wirkungen des Systemwechsels frühzeitig zu überprüfen.
Meine Damen und Herren! Wir sollten unseren Ministerpräsidenten mit einem breiten Votum dieses Plenums für die Beschlussempfehlung unterstützen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Felke, für Ihren Beitrag. - Ich darf nun um den Debattenbeitrag der FDP bitten. Der Abgeordnete Herr Kosmehl hat das Wort. Bitte schön, Herr Kosmehl.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir diese Debatte heute führen. Dies eröffnet noch einmal die Gelegenheit, dem Ministerpräsidenten ein Stimmungsbild mitzugeben.
Herr Ministerpräsident, es ist allerdings ein Stimmungsbild, das auf die Ratifizierung des Staatsvertrages - sofern Sie ihn am 15. Dezember unterschreiben werden - keine Auswirkungen haben wird, weil erst der Landtag der nächsten Wahlperiode in seiner neuen Zusammensetzung und mit seinen Mehrheitsverhältnissen darüber befinden wird, ob der Staatsvertrag ratifiziert wird. Aber ich glaube, dass die grundsätzlichen Probleme im Zuge der Umstellung des Gebührenmodells es wert sind, heute schon deutlich zu machen, wo die Fraktionen im Einzelnen stehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Liberale setzen uns für ein transparentes Verfahren ein. Das meint ein Verfahren, das sowohl die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherstellt als auch vom Bürger akzeptiert wird. Entscheidend ist hierbei die Einhaltung des Grundsatzes der Beitragsgerechtigkeit.
Jeder Mensch, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat Augen und Ohren und sollte folglich nicht mit Gebühren für Wohnung und Betrieb sowie gegebenenfalls auch noch für den Pkw mehrfach belastet werden; denn er kann nur einmal hören und sehen. Deshalb soll er auch nur einmal bezahlen.
Deshalb hat sich die FDP bereits frühzeitig für ein anderes Modell ausgesprochen. Herr Scharf, ich will an dieser Stelle - damit Sie dazu keine Frage stellen müssen - Folgendes sagen: Die FDP ist für eine personenbezogene Medienabgabe, aber nicht so wie die LINKEN, die die Leistungsträger unserer Gesellschaft mehr belasten will; die personenbezogene Medienabgabe soll vielmehr von jedem in gleicher Höhe bezahlt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in der Pflicht, weiterhin für die - wie Herr Felke so schön gesagt hat - Optimie
rung Sorge zu tragen. Allerdings wird das immer schwieriger. Herr Felke, wenn wir hier in Sachsen-Anhalt im Landtag darüber diskutieren, dann lassen Sie uns bitte den Mitteldeutschen Rundfunk in den Blick nehmen.
Seit Jahren sehen wir eine steigende Befreiungsquote. An dieser Stelle muss man sagen, dass die Ministerpräsidenten beim Thema der Befreiungsquote und dem Aspekt des möglichen Ausgleichs über Hartz IV keine Regelung getroffen haben. Das geschah bewusst. Die Quote liegt bei 10 %. Manche sagen sogar, sie läge bei 12 %. Das ist Geld, das dem Mitteldeutschen Rundfunk in jedem Jahr fehlt. Von dem von ihm festgestellten Bedarf hat er ca. 10 % weniger zur Verfügung.
Er muss also nicht nur allgemein sein Programm und sein Personal optimieren, sondern er muss auch noch mit Ausfällen rechnen. Das wird von Jahr zu Jahr schwieriger, weil der Mitteldeutsche Rundfunk seit Jahren Personalabbau betreibt und mit der Programmoptimierung bereits begonnen hat. Das wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Irgendwann ist aber dann das System überoptimiert. Dann stellt sich die Frage, wie wir weiter vorgehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP will das von der Politik unabhängige Feststellungsverfahren der Rundfunkbeiträge durch die KEF. Das soll weiterhin als Baustein erhalten bleiben. Nur das garantiert, dass es eine bedarfsorientierte Festsetzung des Beitrages gibt. Nur dieses System sichert uns die von der Verfassung aufgegebene Staatsferne des Rundfunks.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen in dieser Diskussion - darum bitte ich insbesondere auch die Kollegen von CDU und SPD - die Menschen mitnehmen.
In dem von Ihnen präferierten Modell werden die Menschen teilweise entlastet und teilweise belastet. Belastet werden all diejenigen, die zum Beispiel wie Studenten neuartige Empfangsgeräte haben. Sie bezahlen nämlich derzeit nur den Hörfunkbeitrag von zurzeit weniger als 6 €. Sie müssen zukünftig die volle Gebühr zahlen, weil es die Unterscheidung nicht mehr geben wird. Und es trifft all diejenigen, die bisher nur ein Radiogerät hatten und daher auch nur die Grundgebühr zahlen mussten; auch sie müssen die volle Gebühr zahlen.
Das kann man auch nicht dadurch ausgleichen, dass Besitzer von Gartenlauben zukünftig von der Gebühr befreit sind. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielmehr muss man den Menschen klar sagen: Mit der Gebührenumstellung und der Aufgabe der Staffelung des Beitrages hin zu einem vollen Beitrag ist auch eine Belastung des einzelnen privaten Bürgers möglich.
Ein zweiter Punkt, den ich an dieser Stelle ansprechen will. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und der SPD, Sie tragen den Beitrag von 17,98 € immer vor sich her. Sie haben hier im Landtag einen entsprechenden Beschluss herbeigeführt. Sie sind auch jetzt bei jeder Rede dabei zu sagen: Der private Beitrag von 17,98 € bleibt gleich.
Ich sage Ihnen: Das ist nicht ehrlich. Es wäre ehrlich zu sagen: Wir streben das vielleicht an, aber die KEF setzt den Bedarf nach den Anmeldungen der Anstalten fest, und erst dann wird man sehen, welcher Beitrag dabei tatsächlich herauskommt.
Dabei hilft es nicht, dass Sie den Beitrag von 17,98 € deklaratorisch im Staatsvertrag festschreiben; denn die Entscheidung, ob der Beitrag in Höhe von 17,98 € tatsächlich bestehen bleibt, steht, wie gesagt, noch aus. Das werden wir frühestens im Jahr 2012 mit dem 18. KEF-Bericht wissen. Diese Aussage gehört eben dazu.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie das nicht ändern und den Menschen nicht sagen, dass Sie nicht voraussagen können, wie hoch die Rundfunkgebühr zukünftig sein wird, dann kommen Sie immer mehr in ein Dilemma; denn am Ende müssen Sie - vielleicht aber auch nicht, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse ändern - den Staatsvertrag ratifizieren. Damit meine ich nicht den jetzigen, sondern den, in dem die neue Beitragshöhe steht.
Sie können es sich natürlich einfach machen. Die Grünen in NRW haben es vorgemacht. Dort gab es Pressemitteilungen, die besagten: Die Grünen sind weiterhin dagegen, aber die Fraktion hat sich aufgrund parlamentarischer Zwänge anders entschieden.
Das ist nicht redlich, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wenn Sie das heute schon wissen, ist das umso schwieriger. Sie sollten das den Menschen im Wahlkampf bzw. in den nächsten Wochen und Monaten, wenn wir darüber reden, sagen.
- Ja, Frau Kollegin Budde, Sie können sich auch dafür einsetzen, dass im Fernsehrat des ZDF gespart wird. Ich weiß nicht, ob es die Menschen tatsächlich verstehen, dass man für einen dreistelligen Millionenbetrag aus Gebührengeldern ein neues Medienzentrum bauen muss, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP - Frau Budde, SPD: Wir wis- sen, wer redlich ist: die FDP! Das ist doch klar! - Zuruf von Herrn Felke, SPD)
Wir werden den Menschen überall erklären müssen, warum es notwendig ist, einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu haben und warum er auch entsprechend finanziert werden muss.
Darüber sind wir uns doch einig, weil wir nicht ein System wie in anderen europäischen Ländern haben wollen, in denen die Meinungsvielfalt und die Informationsfreiheit nicht mehr gewährleistet sind.
(Beifall bei der FDP - Frau Budde, SPD: Das ist doch eine Aussage, na bitte! Die gute Botschaft des Tages!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit bin ich bei der Frage: Wie wollen wir den Systemwechsel hinbekommen? Wir wollen einen echten Modellwechsel. Wir wollen, dass wir einen Modellwechsel vornehmen, bei dem wir wissen, dass das neue Modell den Prämissen, nämlich der Aufkommensfinanzierung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Beitragsstabilität, tatsächlich gerecht wird. Das kann man eigentlich nur, wenn man die Modelle durchrechnet. Das ist die Krux. Man sollte sagen: Lassen Sie uns die Evaluierung vorziehen, weil wir heute nicht genau sagen können, ob der
Beitrag auskömmlich sein wird oder ob vielleicht sogar eine Überzahlung möglich ist, die dann wieder verrechnet wird.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollte man sich Zeit nehmen. Es ist nicht in Stein gemeißelt, dass man im Jahr 2013 mit einem neuen Gebührenmodell starten muss. Die Ministerpräsidenten könnten sich auch die Zeit nehmen, beide Modelle, nämlich das einer Medienabgabe und das der Haushalts- und Betriebsstättenabgabe, noch einmal durchzurechnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss noch zwei kurze Bemerkungen machen. Ich bin den Koalitionären durchaus dankbar dafür, dass sie das Thema mit den Kfz aufgenommen haben. Deren Einbeziehung ist im Haushalts- und Betriebsstättensystem systemwidrig. Sie sollte dringend gestrichen werden.
Aber, liebe Kollegen von der CDU und der SPD, was soll denn der Ministerpräsident am 15. Dezember 2010 machen, wenn es nicht zu einer Streichung kommt? - Das haben Sie in Ihrem Antrag offen gelassen. Soll er unterschreiben oder soll er nicht unterschreiben?
Eine Stellungnahme des Landtags könnte natürlich auch dahin gehen, dass man dem Ministerpräsidenten rät, dann nicht zu unterschreiben. So weit wollten Sie wahrscheinlich nicht gehen.
Ich hoffe, dass es Ihnen, Herr Staatsminister Robra und Herr Ministerpräsident Böhmer, gelingt, einen weiteren Baustein der Systemwidrigkeit aus diesem Staatsvertrag zu entfernen. Wenn Ihnen das nicht gelingen sollte, dann - dazu fordere ich Sie hier auf, Herr Ministerpräsident - unterschreiben Sie diesen Staatsvertrag nicht, sondern werben Sie dafür, dass man sich Zeit nimmt, das Modell oder auch Alternativmodelle noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, damit wir einen Systemwechsel hinbekommen, für den wir auch bei den Bürgern um Akzeptanz werben können, und damit wir auch deutlich machen können, warum dieser Modellwechsel sinnvoll ist. - Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP - Frau Budde, SPD: Die red- liche FDP macht das in den Ländern, in denen sie mitregiert! Herr Ministerpräsident, davon bin ich fest überzeugt!)
Vielen Dank, Herr Kosmehl. Herr Abgeordneter Scharf hat eine Frage. Wollen Sie sie beantworten? - Herr Scharf, bitte.
Ich habe eine Frage zum Verständnis, Herr Kollege Kosmehl, und eine Frage aus Neugier. Die Frage zum Verständnis: Die FDP möchte offensichtlich die gesamte gewerbliche Wirtschaft von der Abgabe freistellen, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Ist das richtig?
Die Frage aus Neugier: Führen Ihre Kolleginnen und Kollegen dort, wo sie in Koalitionen stehen, dieselbe Rede gegen die Haushaltsabgabe?