Ein zentrales Thema der zukünftigen Regionalpolitik, so Kommissar Barnier, soll die Mobilisierung unternehmerischer Innovationspotenziale und die Schaffung von Innovationsnetzen insbesondere zugunsten junger Unternehmer sein. Die haben wir. Lassen Sie uns gemeinsam sensibel darauf achten, dass sie uns auch erhalten bleiben.
Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht hat noch viele Handlungsfelder, denen wir uns widmen sollten. Deswegen möchte ich vorschlagen, dass beide Drucksachen in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten zur federführenden Beratung überwiesen werden und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Wirtschaft und Arbeit, für Finanzen, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie, auf besonderen Wunsch und weil es so wichtig ist, in den Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Wybrands. - Frau Grimm-Benne, Sie haben jetzt die Möglichkeit, Ihre Frage zu stellen.
Frau Kollegin Wybrands, Sie haben in Ihrer Einbringungsrede am Anfang gesagt, es liege jetzt an uns, die 25 Zimmer einzurichten. Nach Ihrer Einbringungsrede ist mir aber nicht ganz klar, wie Sie unser Zimmer einrichten möchten. Was packen Sie hinein, damit wir die EUStrukturpolitik inhaltlich sinnvoll fortführen können? Ich habe mir fast alles aufgeschrieben, aber inhaltlich stecke ich da nicht so drin. Was für ein Zimmer richten Sie uns ein?
Ich darf dazu auf unseren Antrag verweisen. Darin geht es um eine Vereinfachung der Strukturpolitik, damit wir schneller arbeiten können. Es geht um die Nutzung von Synergien zwischen den einzelnen Fonds und Initiativen, um besser wirksam sein zu können. Und es geht um eine Förderung, die mit einer Reform des Arbeitsmarktes und anderen Reformen einhergeht, damit Wachstum und Beschäftigung in Sachsen-Anhalt weitere Impulse bekommen, damit unsere jungen Leute sich hier wohlfühlen und bei uns bleiben und damit insgesamt die sozialen Disparitäten weiter vermindert werden. Ich denke, das war eigentlich sehr deutlich.
Vielen Dank, Frau Wybrands. - Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in eine Zehnminutendebatte ein. Zunächst hat für die Landesregierung Staatsminister Herr Robra um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 18. Februar 2004 hat die Europäische Kommission endlich den dritten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt vorgelegt. Neben einer umfassenden Analyse über den Stand und die Wirkung der Kohäsionspolitik in Europa werden in den Schlussfolgerungen detaillierte Vorschläge zur künftigen Ausgestaltung der Strukturpolitik in den Jahren 2007 bis 2013 unterbreitet. Gleichzeitig werden durch den Kohäsionsbericht auch die am 10. Februar 2004 verabschiedeten Vorschläge der Kommission über die Finanzperspektive nach dem Jahr 2006 im Bereich der Kohäsionspolitik inhaltlich untersetzt.
Mit den weiteren Verhandlungen über diese Unterlagen entscheidet sich auch die äußerst wichtige Frage, ob und in welchem Maße unser Land in der Förderperiode nach dem Jahr 2006 aus den europäischen Strukturfonds Unterstützung erhält und wie wir diese Mittel einsetzen können. Angesichts der äußerst komplizierten Lage unseres Landeshaushalts bedarf es keiner detaillierten Ausführungen darüber, wie wichtig dieser Mittelzufluss für Sachsen-Anhalt ist, um auch in Zukunft die Entwicklung unseres Landes mit einer aktiven Struktur-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik positiv gestalten zu können. Deshalb bin ich den Antragstellern dankbar, dass sie dieses Thema aufgegriffen haben.
Im laufenden Förderzeitraum erhält Sachsen-Anhalt rund 3,5 Milliarden € aus den europäischen Strukturfonds. Hiermit werden im Land tausende Arbeitsplätze geschaffen bzw. erhalten und ein Investitionsvolumen von mehr als 9 Milliarden € umgesetzt. Nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch europaweit hat die EUStrukturpolitik einen äußert hohen Stellenwert bei der Bekämpfung von wirtschaftlichen Entwicklungsrückständen und von Arbeitslosigkeit.
Obwohl die Zahlungen aus den Strukturfonds und aus dem Kohäsionsfonds zusammen nur rund 0,4 % des EU-Bruttoinlandsprodukts ausmachen, erhöhen diese Transfers die Investitionen in Spanien um etwa 3 %, in Griechenland und in Portugal um 8 % bis 9 %, in Italien im Mezzogiorno um 7 % und bei uns um immerhin 4 %.
Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass die Wirkungen dieses Einsatzes der Strukturfondsmittel weit über die jeweiligen Fördergebiete hinausreichen. Strukturinvestitionen und Strukturinterventionen haben nachweislich zu einer Ausweitung des Handels zwischen den Fördergebieten und den übrigen Teilen der Union geführt. Dieser Handel hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Die Europäische Kommission geht zu Recht davon aus, dass durchschnittlich rund ein Viertel der Strukturausgaben in Form einer Steigerung der Importe insbesondere von Maschinen und Ausrüstungsgütern in die übrige Union zurückfließt. Besonders ausgeprägt ist dieser Rückfluss im Fall von Griechenland mit 42 % der Ausgaben und im Fall von Portugal mit 35 % der Ausgaben. Auch bei einer Einbeziehung der neuen Mitgliedstaaten in die EU-Strukturfondspolitik wird dieser Trend mit Sicherheit anhalten, da schon jetzt rund 60 % ihrer Importe aus den derzeitigen Mitgliedstaaten kommen.
Ein großer Anteil der mit dem Einsatz der EU-Strukturfonds verbundenen Ausgaben wird auf Importe von Maschinen und Ausrüstungsgütern entfallen. Das kommt nicht zuletzt auch Deutschland zugute, das rund 45 %
aller derartigen Importgüter aus der heutigen EU in die Beitrittsstaaten liefert. Die Unterstützung der ärmeren Regionen der EU liegt also bei weitem nicht nur im Interesse der betroffenen Regionen selbst.
Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung diese positiven Effekte für die deutsche Wirtschaft bei den nun anstehenden Verhandlungen über die künftige Finanzierung der Europäischen Union nicht aus den Augen verliert. Die bisherigen Verlautbarungen zu diesem Thema aus dem Bundesfinanzministerium erwecken den Eindruck, dass man dort den Gesamtzusammenhang deutscher Europapolitik nur noch unter rein fiskalischen Aspekten wahrnimmt. Wenn man so will: Entlastung des Bundeshaushaltes - koste es, was es wolle.
Der Rahmen von 1,14 % für die Finanzplanung der EU, der die Obergrenzen bekanntlich nicht einmal ausschöpft, war unter dem Vorsitz der Bundesregierung im Ministerrat beschlossen worden. Die in Berlin jetzt geforderte Beschränkung auf 1 % ist insofern - milde ausgedrückt - schwer verständlich.
Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, hat sich die Landesregierung von Beginn der Debatte an aktiv für eine Fortsetzung der EU-Strukturpolitik in den problembeladensten Regionen der heutigen EU und der neuen Mitgliedstaaten eingesetzt. Im Lichte unserer bisherigen Forderungen bewerten wir die Vorschläge der Europäischen Kommission im dritten Kohäsionsbericht im Wesentlichen positiv. Der Bericht gibt eine im Kern sachgerechte Antwort auf die Herausforderungen der erweiterten Gemeinschaft.
Die Landesregierung begrüßt insbesondere, dass das neue Ziel der Konvergenz die Regionen mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner von bis zu 75 % des EU-Durchschnitts in der EU 25 und die Regionen, die vom so genannten statistischen Effekt betroffen sind, umfassen soll. Allen denjenigen, die meinen, es werde bei der Nichtberücksichtigung des statistischen Effektes eine nationale Kompensation geben können, darf man den markanten Satz des Staatssekretärs Koch-Weser aus dem Bundesministerium der Finanzen in Erinnerung rufen, der da hieß: „Eine nationale Kompensation wird es nicht geben.“
Auch die Mittelausstattung für das Ziel der Konvergenz erscheint angemessen, wenn es gelingt, für die aufgrund einer Absprache zwischen den Kommissaren Fischler und Barnier zur spezifischen Ziel-1-Förderung in den Agrarbereich umgeschichteten Mittel in Höhe von 40 Milliarden € eine vernünftige Strategie zu entwickeln. Dafür ist noch eine Reihe von strategischen Gesprächen erforderlich, die wir durch unser Verbindungsbüro in Brüssel bereits aufgenommen haben.
Die von der Kommission vorgeschlagenen Regelungen zum statistischen Effekt geben uns die Chance, dass Ostdeutschland auch im Jahr 2006 flächendeckend insgesamt in der höchsten Kategorie der EU-Strukturpolitik förderfähig bleibt. Dies müsste eigentlich auch im Interesse der Bundesregierung liegen; denn die Rückflüsse aus den EU-Strukturfonds verbessern den viel beschworenen deutschen Nettosaldo, belasten ihn nicht.
So haben beispielsweise die nach derzeitigem Stand potenziell vom statistischen Effekt betroffenen ostdeutschen Regionen - bei uns wird das, wie schon erwähnt, möglicherweise Halle sein - einen Bevölkerungsanteil von ca. 27 % aller vom statistischen Effekt betroffenen Gebiete. Dies liegt deutlich über dem deutschen Finan
Meine Damen und Herren! Kommissar Barnier hat in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament zum Kohäsionsbericht für diese Regionen ein degressives Förderniveau vorgeschlagen. Dies wäre aus unserer Sicht ein vertretbarer Kompromiss, allerdings nur dann, wenn damit ein angemessenes Beihilfeniveau einherginge. Im Interesse einer fairen Behandlung der betroffenen Regionen darf es jedoch keine weitere Absenkung der Mittelausstattung und der Förderintensität geben. Schon jetzt erscheint die Aufstockung der Mittel für die Ziel-2-Gebiete fragwürdig. Wenn es im Zuge der weiteren Behandlung nötig ist, müsste zunächst dort gespart werden.
Zwei andere Vorschläge der Kommission erscheinen uns in diesem Zusammenhang nicht akzeptabel. Der Kohäsionsbericht sieht vor, dass es für die vom statistischen Effekt betroffenen Regionen nach 2013 keine weiteren Übergangsregelungen geben soll. Frau Wybrands hat das bereits erwähnt. Eine solche Festlegung wollen wir nicht hinnehmen, weil bisher niemals solche Begrenzungen für die übernächste Förderperiode getroffen worden sind. Bevor ein faktisches Phasing-out vorprogrammiert wird - wir kämen dann sicherlich in die Nähe dieses verpönten Phasing-out -, wäre vielmehr zunächst abzuwarten, wie sich die sozioökonomische Lage in den betroffenen Regionen bis 2013 weiter entwickelt.
Soweit es die Frage des sachgerechten Beihilferegimes betrifft, bekräftigt die Landesregierung ihre Forderung, dass die Problemlage der vom statistischen Effekt betroffenen Regionen unter Artikel 87 Abs. 3 Buchstabe a des EG-Vertrages fallen muss, weil es sich um Gebiete handelt, in denen - wie es dort heißt - die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht. Wer würde das bestreiten wollen?
Eine eventuelle Abstufung der Beihilfeintensität und der Förderhöchstsätze nach sozioökonomischen Kriterien wäre auch unter diesem Beihilferegime möglich, ohne, wie zurzeit von der Kommission vorgesehen, auf Artikel 87 Abs. 3 Buchstabe c zurückfallen zu müssen. Die Auswirkungen hat Frau Wybrands anschaulich beschrieben.
Gestatten Sie mir noch eine kurze Anmerkung zu dem neuen Ziel der europäischen territorialen Zusammenarbeit. Die von der Kommission vorgesehene verstärkte Förderung der Zusammenarbeit an den Außen- und Binnengrenzen der Europäischen Union ist wichtig und sinnvoll. Dies darf aber nicht zulasten der interregionalen Zusammenarbeit gehen, weil in diesem Fall etwa die Förderung der gemeinsamen Aktivitäten von französischen, deutschen und polnischen Regionen nicht mehr möglich wäre.
Hier besteht ein Widerspruch zwischen der Dimension des Ziels, die ausdrücklich auf die grenzübergreifende transnationale und die interregionale Ebene abstellt, und den weiteren Ausführungen der Kommission dazu. Wir werden uns nachdrücklich für die Beibehaltung der Möglichkeiten zur interregionalen Zusammenarbeit einsetzen.
Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Soweit eine kurze erste Einschätzung zu den von der Europäischen Kommission mit dem dritten Kohäsionsbericht vorgelegten Vorschlägen für die Ausgestaltung der Strukturpolitik nach 2006. Sie sehen, es gibt noch
Eine detailliertere Bewertung wird gemeinsam mit den anderen deutschen Ländern in den nächsten Wochen und Monaten erarbeitet werden. Über Einzelheiten können wir uns in den Ausschussberatungen verständigen. Wir werden uns dort zu gegebener Zeit auch gern in einen vertieften Meinungsaustausch mit Ihnen über die Programmierung begeben. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Für die SPD-Fraktion erteile ich nun der Abgeordneten Frau Budde das Wort. Bitte sehr, Frau Budde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Wybrands, als im Jahr 1990 die Wiedervereinigung relativ nahe und greifbar war, ist in den meisten Betrieben Kurzarbeit eingeführt worden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden vom Arbeitsamt qualifiziert und weitergeschult. Ich habe damals an einer Weiterbildung der Organisation Refa teilnehmen müssen. Alle Teilnehmer waren Diplomingenieure bzw. Haupttechnologen aus Betrieben. Ich habe ungefähr in der zweiten Unterrichtsstunde dem Ausbilder gesagt: Wir konnten bereits in der ersten Klasse fließend lesen. - Ich möchte das nur als ein Beispiel nennen.
Meine Damen und Herren! Die europäische Strukturpolitik hat in hohem Maße zur Verbesserung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts beigetragen. Natürlich hat insbesondere Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung sehr stark von dieser Strukturpolitik profitiert. Nun stellen sich aufgrund der weitergehenden Erweiterung um die osteuropäischen Staaten neue Herausforderungen in allen Bereichen, aber auch in der Strukturpolitik. Diese sind zum einen inhaltlicher und zum anderen finanzieller Art.
Die inhaltlichen Themen sind bisher wenig beleuchtet worden. Ich will auch zuerst auf den finanziellen Aspekt eingehen, der in der Tat gegenwärtig in der Diskussion ist.
Wir haben lange Zeit über den statistischen Effekt geredet, haben gesagt, dass wir unter die 75%-Grenze fallen und aufpassen müssen, dass die Regionen, die unter den statistischen Effekt fallen, aber in ihrer Entwicklung tatsächlich noch nicht so weit sind, auch weiterhin bedacht werden. Nun müssen wir leider feststellen - da gebe ich Ihnen Recht -, dass Sachsen-Anhalt sogar bei Einbeziehung der niedrigen Zahlen aus den osteuropäischen Ländern unter die 75%-Grenze fällt.
Ich hatte eigentlich vor, bei unserer nächsten Debatte über die Strukturpolitik darauf hinzuweisen, dass der Abstand zwischen Ostdeutschland und den anderen europäischen Regionen schon relativ stark sei, und zu fragen, wie groß dann erst der Abstand zwischen den osteuropäischen Ländern, die nun hinzukommen, und dem Querschnitt der europäischen Länder ist. Dies ist aber nun von unserer Position aus relativ schwer, da wir noch unter diese 75%-Grenze fallen. Das zeigt eigentlich, wie unterentwickelt wir sind.
Richtig ist, dass wir noch auf Jahre Hilfe und Unterstützung und vor allen Dingen Strukturentwicklung brauchen. Auf der einen Seite gibt es diese Notwendigkeiten, auf der anderen Seite aber gibt es finanzielle Zwänge. Ich will das nur kurz anreißen und ansprechen, weil ich denke, dass diese Debatte nicht so ganz einseitig geführt werden sollte.
Ich glaube, dass die Bundesrepublik insgesamt ein Problem hat, wenn sie ihre Nettozahlerposition ausweitet. Ich will das bewusst etwas unabhängig von dem Thema der Strukturpolitik für Ostdeutschland diskutieren, weil man sich einfach einmal in diese Gedankengänge hineinversetzen muss, um einen vernünftigen Kompromiss auf der europäischen Ebene finden zu können.
Die Mittel, die sozusagen in die Erhöhung der Nettozahlungen fließen, können anderweitig in Deutschland nicht mehr verteilt werden. Sie, Frau Wybrands und Frau Klein, haben Recht, wenn Sie sagen, dass nicht sicher sei, dass das Geld, das nicht zusätzlich in die Europäische Union eingezahlt wird, nach Ostdeutschland kommt.
Man muss aber einfach die Hintergründe kennen, akzeptieren und noch stärker hinterfragen, um in eine sachliche Debatte darüber eintreten zu können, wo sozusagen die Kompromisslinie ist. Diese Kompromisslinie, Herr Robra, wird es erst nach der Europawahl geben. Das ist nicht nur für Deutschland ein Problem. Das ist auch für andere Nationalstaaten, die genau in der gleichen Situation sind, ein Problem.
Deshalb ist es richtig, so lange wie möglich die Linie zu halten, insbesondere auch als ostdeutsche Länder, und die Maximalforderung aufzumachen. Von der Position werden wir nicht abweichen. Man muss aber zumindest in einer solchen Debatte auch einmal die anderen Wahrheiten sagen können und man muss sich einfach auch selbst die Frage stellen, wo schließlich die Kompromisslinien verlaufen können.
Wir müssen selbstverständlich damit rechnen, dass dann, wenn ein großer Rückfluss aus den EU-Strukturfonds nach Ostdeutschland stattfindet, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland alle anderen Instrumente hinterfragt werden. Es ist also nicht nur eine Debatte über die EU-Strukturpolitik. Ich glaube, dass nach dem Jahr 2006 eine Debatte zum Thema der Ost-West-Wirtschaftsförderung - das ist völlig parteiunabhängig - aufgemacht wird und dass auch die Debatte über die EUStrukturfonds dann in diesem Zusammenhang zu sehen ist. Das brauchen wir aber heute alles noch nicht aufzumachen oder zu Ende zu diskutieren.
Ich gebe Ihnen Recht. Das Bundesfinanzministerium vertritt eine relativ starre Position und sagt: So viel Geld müssten wir mehr zahlen, das haben wir einmal hochgerechnet, und nur ein bestimmter Prozentsatz davon fließt zurück. Auf der anderen Seite werden gegenwärtig etwa die Handelsbilanzen nicht gegengerechnet, die für Deutschland, vielleicht sogar für Ostdeutschland positiv sein werden, wenn man bedenkt, dass Sachsen-Anhalt gerade mit Tschechien eine sehr gute Handelsbilanz hat. Es kann also alles auch positiv wirken.
Wir müssen uns auf die Chancen konzentrieren und können nicht immer erzählen, wir würden die Verlierer der Ost-Erweiterung sein. Wir müssen versuchen, die Chancen zu ergreifen, damit wir in diesem erweiterten Wirtschaftsaum bestehen können.
Eines würde ich ganz gern verhindern, nämlich dass wir am Ende eine solche Debatte bekommen, wie wir sie schon einmal in der Öffentlichkeit hatten über die Verschiebung von Mitteln in Höhe von 100 Millionen € aus der Gemeinschaftsaufgabe Ost in die Gemeinschaftsaufgabe West. Das wurde in den Medien zunächst sehr plakativ abgehandelt und zum Schluss wurde hier ein Kompromiss gefunden.
Ich denke, der Wirtschaftsminister weiß, wie schmerzlich es ist, wenn man als Albatros fliegt und nachher im Sturzflug herunterpurzelt und den Kompromiss doch mittragen muss. Das war so bei der Diskussion über die 100 Millionen €.
- Ich kenne doch die grundsätzliche Positionierung. Ich weiß auch, wie das entstanden ist. Wir müssen aber, so glaube ich, in diesem Parlament endlich einmal akzeptieren, dass es gerade bei diesen Themen eine andere Debatte und eine andere Klärungsmöglichkeit bzw. eine andere Lage gibt als einen solchen plakativen Schlagabtausch. Wie gesagt, der Kompromiss ist aus meiner Sicht erst nach dem 13. Juni 2004 möglich.