Protocol of the Session on March 5, 2004

- Ich kenne doch die grundsätzliche Positionierung. Ich weiß auch, wie das entstanden ist. Wir müssen aber, so glaube ich, in diesem Parlament endlich einmal akzeptieren, dass es gerade bei diesen Themen eine andere Debatte und eine andere Klärungsmöglichkeit bzw. eine andere Lage gibt als einen solchen plakativen Schlagabtausch. Wie gesagt, der Kompromiss ist aus meiner Sicht erst nach dem 13. Juni 2004 möglich.

Für mich ist aber viel wichtiger: Frau Wybrands, Sie haben den Versuch unternommen, der zumindest für mich - ich nehme an, auch für Frau Grimm-Benne - nicht zufriedenstellend war. Sie wollte gern wissen, wie das Zimmer aussieht. Ich würde die Inhalte auch ganz gerne kennen. Sie schreiben zwar, „der Landtag von SachsenAnhalt fordert“ und nennen dann eine Reihe von Allgemeinplätzen, die auch schon in anderen Beschlüssen des Landtages stehen. Das reicht jedoch nicht.

Wir, Herr Thiel, Frau Klein und ich, haben, wenn es um die EU-Strukturfonds ging, mehrmals den Versuch unternommen, insbesondere im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, aber auch im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, nach der Halbzeitevaluierung inhaltlich zu debattieren und zu fragen: Welche Konzepte, Wirtschaftsförderungskonzepte und Strukturentwicklungskonzepte, stehen jetzt dahinter? Welche Schlussfolgerungen müssen wir daraus ziehen? Wie muss es weitergehen? Das hat bisher nicht stattgefunden.

(Zustimmung von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Es kamen immer nur gute Sprüche wie: Ja, werden wir, müssen wir. Wenn ein Antrag gestellt wurde, ist er abgelehnt worden. Ich denke, es ist zwingend notwendig. Wenn wir eine vernünftige Kompromisslinie finden wollen, dann müssen wir sowohl der Bundesregierung als auch der Europäischen Union Inhalte anbieten.

Es geht nicht, dass wir in diesem allgemeinen Bereich bleiben. Wir haben früher in den Ausschüssen über die operationellen Programme, über die Inhalte der jeweiligen Blöcke beraten. Ich denke, wir müssen zu einer solchen Ausschussarbeit zurückkommen, und zwar bereits jetzt, im Vorfeld. Es ist noch genügend Zeit, wenn es um die EU-Strukturfonds ab 2006 geht.

Da ich im Grunde ein gutwilliger Mensch bin, habe ich mir gedacht: Vielleicht liegt dieses Anliegen diesen Anträgen zugrunde. Am Anfang war ich mir nicht ganz klar darüber, warum wir nun noch einmal einen Beschluss fassen müssen; denn es gibt einen Beschluss von Mai des vergangenen Jahres, der von der Tendenz her genau das Gleiche aussagt.

Man kann natürlich in einem Landtag, der auch ein gewisses Selbstverständnis hat, über den Kohäsions

bericht debattieren. Das ist richtig. Wenn es aber tatsächlich mehr sein soll und über die bisherige Auseinandersetzung hinausgehen soll - - Ein Beispiel: An einem Tag sagen die drei Ministerpräsidenten in Mitteldeutschland: Der Bundeskanzler muss alles machen; wir brauchen die EU-Strukturfonds in Gänze. Am nächsten Tag sagt der Ministerpräsident: Herr Paqué hat Recht, wir können nicht alles kofinanzieren. Wenn wir über diese Debatte hinauskommen wollen und in die inhaltliche Debatte gehen wollen - -

(Minister Herr Dr. Daehre: Das ist doch alles nicht allein EFRE!)

- Es ist aber ein großer Block.

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

- Herr Daehre, der EFRE ist ein großer Block von Strukturfonds.

(Minister Herr Dr. Daehre: Stellen Sie sich vor, das habe ich auch schon begriffen!)

- Sie sollten ein großes Interesse daran haben, dass die Strukturfonds, insbesondere der EFRE, gut ausgestattet sind,

(Minister Herr Dr. Daehre: Ja!)

weil die Bauminister eines gern tun: Sie greifen gern auf diese Fonds zurück und wollen von den Mitteln etwas abhaben.

(Minister Herr Dr. Daehre: Ja! Das hätten Sie doch viel eher machen können! Sie haben es nicht gemacht!)

Insofern sollten wir besser in eine inhaltliche Allianz eintreten, als dass wir uns hier plakativ auseinander setzen.

(Minister Herr Dr. Daehre: Sie haben es doch als Schnullifax ausgegeben!)

Insofern glaube ich daran, dass das der tiefere Grund ist. Ich möchte es jedenfalls bisher noch glauben und würde mich meiner Kollegin anschließen. Wir würden einer Überweisung zustimmen, um eben diese Inhalte doch stärker auszuformulieren und nachher genügend Zeit haben, um vielleicht sogar - das hoffe ich - einen fraktionsübergreifenden inhaltlichen Beschluss zu den EU-Strukturfonds hinzubekommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Budde. - Für die FDP-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Kosmehl das Wort. Bitte sehr, Herr Kosmehl.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Budde, es ist Ihnen fast zum ersten Mal, seitdem ich in diesem Parlament bin, gelungen, mit ganz wenig Polemik auszukommen. Völlig haben Sie sich das immer noch nicht verkneifen können. Ich denke, der Antrag gab dazu wenig Anlass.

Ich denke auch, das, was Sie vermutet haben, was dahinter steht und was den zweiten Teil betrifft, ist völlig richtig. Wir sind daran interessiert, eine inhaltliche Debatte über die EU-Strukturfonds und deren Ausgestaltung zu führen und durchzuhalten. Deshalb fangen wir jetzt auch an. Das ist auch eine Intention des Antrages.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schon im März des vergangenen Jahres liegen dem Landtag heute zwei Anträge vor, ein Antrag der Koalitionsfraktionen und ein Antrag der Fraktion der PDS. Daher schon zu Beginn - wie auch vorher schon angesprochen - das Votum der FDP-Fraktion: Überweisung beider Anträge in die Ausschüsse, um - da gebe ich meiner Hoffnung Ausdruck - vielleicht wie im letzten Jahr eine gemeinsame Beschlussempfehlung zu erarbeiten.

Bereits jetzt weisen die Anträge gemeinsame Inhalte und eine zum Teil identische Zielrichtung auf. Dazu gehört insbesondere der Vorschlag an die Europäischen Kommission, die bisherigen Ziel-1-Gebiete, zu denen auch Sachsen-Anhalt gehört, weiterhin besonders zu fördern. Zudem fordern beide Anträge eine Einbindung des Landtages über die zuständigen Ausschüsse in den Verlauf der Verhandlungen zur zukünftigen EU-Strukturpolitik.

Was sagt aber der dritte Kohäsionsbericht, genauer der dritte Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt nun aus? - Die wichtigste, bereits angesprochene Kernaussage ist, dass Sachsen-Anhalt auch ab dem Jahr 2007 die Höchstförderung, also die Ziel-1Förderung erhalten kann.

Angesichts der Aufnahme der Regionen, die vom statistischen Effekt betroffen sind, haben sich die Bemühungen des Landtages mit der Verabschiedung des Antrages der Fraktionen, insbesondere aber auch der Landesregierung, gelohnt. Sie hat in Brüssel Gespräche geführt bzw. im Ausschuss der Regionen eine Stellungnahme erarbeitet. Sie hat auf dieses Problem - auch in einer Erklärung gemeinsam mit den anderen Regionen - immer wieder darauf hingewiesen, dass wir eine Lösung für die vom statistischen Effekt betroffenen Regionen brauchen.

Der Bericht gibt aber nicht nur Anlass zur Freude für Sachsen-Anhalt. Das Bruttoinlandsprodukt, gemessen an den Zahlen für das Jahr 2001, beträgt in SachsenAnhalt 65,3 % im Rahmen der EU 15 bzw. 71,3 % im Rahmen der EU 25. Nach dem zweiten Zwischenbericht betrug das Bruttoinlandsprodukt für Sachsen-Anhalt noch 68,4 % im Rahmen der EU 15 bzw. 75,4 % im Rahmen der EU 25. Während Sachsen-Anhalt gemessen an den Zahlen des Jahres 2000 noch vom statistischen Effekt betroffen war, liegt Sachsen-Anhalt nach den Zahlen für das Jahr 2001 deutlich unter der Ziel-1Fördergrenze von 75 %.

Auch wenn wir das regional aufschlüsseln, ist festzustellen, dass das Bruttoinlandsprodukt in den Regionen Halle von 77,2 % auf 74,9 %, Magdeburg von 76,2 % auf 72,6 % und Dessau von 70,7 % auf 66 % des durchschnittlichen Bruttoinlandsproduktes gesunken ist. Wir müssen daher leider zur Kenntnis nehmen, dass sich Sachsen-Anhalt von 2000 bis 2001 nicht weiterentwickelt hat, weder mit noch ohne Berücksichtigung des statistischen Effekts.

Sachsen-Anhalt braucht aber, mit dem oder ohne den statistischen Effekt, weiterhin europäische Mittel, um den wirtschaftlichen Rückstand im Vergleich zu anderen europäischen Regionen aufholen zu können.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal deutlich machen, dass die Erweiterung der Europäischen Union nicht zulasten des Landes Sachsen-Anhalt gehen darf. Wir begrüßen die Erweiterung nach wie vor. Es

muss aber auch noch einmal zu bedenken gegeben werden, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union eine derart große Zahl von neuen Mitgliedstaaten aufgenommen wird. Deshalb ist es notwendig, das auch in der zukünftigen Strukturpolitik zu berücksichtigen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch auf einen Punkt eingehen, in dem sich beide Anträge vielleicht ein Stück weit unterscheiden - zumindest spricht die PDS es offen an -, nämlich die Forderung, von der Politik der permanenten Absenkung des Beitrags der Mitgliedstaaten der EU zum EU-Haushalt abzugehen, diesen einzufrieren, ohne weitergehende Forderungen aufzustellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Antrag der Koalitionsfraktionen ist auf Seite 1 eine unserer Forderungen enthalten, die wir in diesem Zusammenhang noch einmal deutlich machen wollen: dass wir nach wie vor im EU-Haushalt Umstrukturierungsbedarf sehen. Wir brauchen eine konsequente Ausgabenkritik und wir brauchen strukturelle Änderungen im EU-Haushalt.

Aber wenn diese durchgeführt worden sind und es dennoch notwendig ist, dass der Beitrag der Mitgliedstaaten steigt, um das ehrgeizige Projekt der Generaldirektion Regionalpolitik umzusetzen, dann sehen wir auch die Bundesrepublik Deutschland in der Pflicht, einen höheren Beitrag zu zahlen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland hat bzw. sollte ein eigenes Interesse an der zusätzlichen Förderung der neuen Bundesländer haben; denn der Abstand zwischen der reichsten Region Deutschlands - Hamburg - und der ärmsten Region Deutschlands - Dessau - müsste, wenn wir keine weiteren europäischen Strukturfondsmittel haben, durch innerstaatliche Mittel ausgeglichen werden, wollte man einen solchen Ausgleich herbeiführen. Ich glaube, diesen Ausgleich brauchen wir immer noch.

Sehr geehrte Frau Budde, Deutschland hat kein Problem mit der Ausweitung der Nettozahlersituation; Deutschland hat ein Problem mit der Eingrenzung der Nettozahlersituation, wenn dadurch Strukturhilfemittel für die neuen Bundesländer wegfallen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage an dieser Stelle aber auch ausdrücklich, auch an diejenigen in der FDP-Bundestagsfraktion gerichtet - auch in meiner Partei gibt es diese Stimmen -, die sagen, wir wollen keine weiteren Mittel als diese 1 % ausgeben: Das ist eine Aufgabe, die auch im Interesse der Bundespolitik sein muss, damit es weiterhin strukturelle Förderung für die neuen Bundesländer gibt, damit wir dem Nachholbedarf, der da ist, wirklich entsprechen, damit wir zu einer Angleichung kommen. Das darf nicht ausgeblendet werden.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Frau Budde, ich will die Polemik nicht aufgreifen. Deshalb lasse ich das mit dem Bundeskanzler und der Chefsache Ost jetzt auch weg.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum zweiten Abschnitt des Antrages. Dieser macht den Unterschied zwischen den vorliegenden Anträgen sicherlich deutlich - vielleicht noch nicht deutlich genug, aber wir können vielleicht in den Ausschussberatungen noch untersetzen, was wir genau hinsichtlich der zukünftigen Strukturmittel und der Förderprogramme meinen. Es geht uns

schlichtweg auch darum, mitreden zu können. Wir wollen als Landtag, als Landtagsausschüsse mitreden.

(Zustimmung von Frau Wybrands, CDU)

Wir wollen uns einbringen in die Aufstellung der operationellen Programme, und ich denke, das werden wir, da es ein fraktionsübergreifendes Thema ist, schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deshalb bin ich mir sicher, dass es uns gelingen wird, zunächst einmal diese beiden Anträge zu optimieren, sie zu einem Antrag zusammenzufassen, und dass es uns dann im Nachgang auch gelingen wird, Strukturpolitik für die Jahre nach 2006 zu gestalten, und zwar auch mit einer klaren Handschrift dieses Landtages. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Nun haben noch einmal die Einbringerinnen das Wort. - Frau Dr. Klein verzichtet. Frau Wybrands, bitte sehr.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein paar kurze Anmerkungen. - Ich weiß nicht, Frau Budde, ob es Ihnen entgangen ist, aber das alles waren Eröffnungsangebote sowohl des Bundeskanzlers als auch der Europäischen Kommission. Das heißt, es ist absolut noch nichts entschieden. Deswegen ist es wichtig, dass die Stimme Sachsen-Anhalts jetzt erklingt, um uns einzubringen. Es muss allerdings schon eine souveräne Stimme sein.

Wir wollen mit diesen beiden Anträgen erreichen, dass sich im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten alle dazu noch einmal äußern können. Dann wird Herr Dr. Schneider im Ausschuss der Regionen als Berichterstatter unsere Vorstellungen einbringen können. Er wird in der nächsten Sitzung des Europaausschusses dabei sein, sodass mit Sicherheit das eine oder andere, was heute aufgezeigt wurde und was für uns große Nachteile bringen würde, noch wird eingebracht werden kann.