Die Beratungen über den Haushalt 2004 haben wir alle noch in Erinnerung. Ich will jetzt als Haushälter nicht der Versuchung erliegen, diese Diskussion noch einmal zu wiederholen. Wir waren alle relativ ermattet, mancher mehr, mancher weniger. Der Minister hat daran gearbeitet, ihn zu veröffentlichen. Drei oder vier Tage später kam dann das Okay, und zwar aus den Diskussionen heraus, die wir kurz zuvor geführt hatten über die Frage, inwieweit die Ansätze realistisch sind, inwieweit Risiken berücksichtigt wurden.
Wir reden über Risiken von insgesamt rund 300 Millionen €. Hinzu kommen Steuermindereinnahmen in Höhe von rund 50 Millionen €, die aufgrund des Kompromisses im Vermittlungsausschuss zu erwarten sind. Diesen Kompromiss tragen wir zwar mit, trotzdem beträgt die Summe der Risiken ohnehin ca. 300 Millionen € plus das zu erwartende Defizit plus der heute noch nicht abschätzbaren Risiken im Vollzug plus den zu erwartenden Mindereinnahmen, die aller Voraussicht nach gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung eintreten werden.
Insofern ist an dieser Stelle schon die Frage erlaubt, inwiefern diese Haushaltsberatungen wirklich sinnvoll und nachvollziehbar waren. Politisch, meine ich, hätte man sich wirklich viel sparen können. Das betrifft gerade diejenigen, die um Beträge im Bereich zwischen 10 000 € und 100 000 € gerungen haben, deren Auszahlung jetzt davon abhängig ist, was im Finanzministerium entschieden wird.
Deswegen ist es schon wichtig - darauf haben Sie, Herr Scharf, sehr oft gedrungen -, dass man Haushaltsberatungen im Kontext eines vernünftigen Umfeldes durchführt. Ansonsten sollten wir im September etwas Besseres tun und einfachen sagen: Wir verabschieden den Haushalt in einer Lesung und warten ab; denn es gibt im Januar ohnehin eine Sperre; und dann begleiten wir das Ganze regelmäßig in den Landtagssitzungen.
Alle wissen, dass ein Nachtragshaushalt kommen wird. Das ist eine Grundforderung. Man könnte jetzt unterstellen, dass man bewusst damit wartet, bis die Kommunalwahlen vorbei sind; denn es muss jedem klar sein, dass es nur zwei Wege gibt, diesen Nachtragshaushalt zu untersetzen: Ein Weg ist - ich hoffe, dass dieser Weg nicht der Ihre ist -, die Nettoneuverschuldung noch einmal drastisch erhöhen.
Ich höre immer wieder, dass Sie umgesteuert haben. Aber darüber zu sprechen, ist jetzt wirklich müßig. Darüber werden wir im Finanzausschuss so lange diskutieren, bis es auch mir irgendwann so langsam zum Hals heraushängt.
Sie klopfen sich in der Öffentlichkeit immer wieder selbst auf die Schultern, indem Sie sagen: Wir haben konsolidiert; denn wir sind an die Kinderbetreuung herangegangen - auch wenn das nicht unsere Sternstunde war: auch wir waren daran Schuld -; wir haben den Kommunen zugetraut, mit abgesenkten Kommunalfinanzen umgehen zu können.
Ich sage einmal an dieser Stelle: Auch uns ist damals in manchem Punkt nichts anderes eingefallen als Ihnen. Die Instrumente, um einen solchen Nachtragshaushalt insbesondere in dieser Größenordnung auszugestalten, sind also relativ begrenzt.
Sie wissen, bei einem Risiko von 300 bis 400 Millionen € können Sie zwar die ganzen kleinen Programme kurz und klein hacken, Sie werden aber dieses Defizit dadurch nicht auffangen. Deswegen glaube ich, dass Ihre bisherigen Äußerungen, die besagen, dass Sie diesen Nachtragshaushalt jetzt nicht vorlegen werden, einfach der Tatsache geschuldet sind, dass Sie die Konsequenzen scheuen.
Sie wollen den Leuten jetzt nicht sagen, was jede andere Regierung - auch wir - den Leuten sagen müsste, nämlich an welcher Stelle auf der Ausgabenseite letztlich gekürzt werden müsste.
Dass es jetzt schon möglich wäre, den Nachtragshaushalt vorzubereiten, wissen Sie doch nur zu gut. Setzen Sie für die Steuermindereinnahmen statt der 50 Millionen € einen Betrag von rund 200 Millionen € ein - damit sind Sie, so glaube ich, relativ auf der sicheren Seite -, addieren Sie diesen Betrag zu den von Ihnen selbst bisher eingeräumten Risiken und legen Sie dann den Nachtragshaushalt im Mai vor.
Die Forderung bezogen auf den April ist sicherlich sehr mutig. Ich unterstütze das prinzipiell. Aber in diesem Punkt wollten wir der Regierung entgegenkommen und haben gesagt: Na gut, dann macht es im Juni. Aber die Planungen und regierungsinternen Diskussionen könnten in diesen Wochen schon laufen. Dann können Sie, wenn Sie das wollten, die Ergebnisse der Steuerschät
Wenn wir Glück haben und die Mindereinnahmen nicht ganz so hoch sind, dann können Sie entweder die Nettoneuverschuldung etwas absenken oder vielleicht die Ausgaben wieder erhöhen. Wenn es schlimmer wird, können Sie sich immer noch überlegen, ob Sie im Vollzug sparen wollen oder das vielleicht doch noch in den Nachtragshaushalt einarbeiten. Aber praktisch ist das machbar. Es ist also eine politische Entscheidung, ob Sie den Nachtragshaushalt vor den Kommunalwahlen vorlegen oder danach. Deswegen wollen wir eine klare Entscheidung von Ihnen.
Jetzt zu dem Doppelhaushalt. Ich habe gelesen - Herr Tullner, das meine ich jetzt nicht böse -, dass Sie sich recht stark auf das Versuchen kaprizieren. Beim Doppelhaushalt heißt es also: Versuchen wir es einmal. Bei den Islamic Bonds heißt es: Versuchen wir es einmal. - Das ist beim Haushalt bei Ihnen anscheinend wie in einem Labor.
Richtig ist, glaube ich, dass in der Zukunft die Haushaltssystematik - dabei meine ich nicht einmal eine grundsätzliche Änderung, wie Sie in Hessen gerade vorgenommen wird - und die Haushaltsbeweglichkeit im Sinne der Durchführung auch durch einen Doppelhaushalt erleichtert wird.
Aber Sie müssen mir wirklich einmal erklären, wie Sie in Zeiten der größten Unsicherheit, in Zeiten, in denen ein Haushalt noch nicht einmal richtig trocken ist, Sie aber schon eine Haushaltssperre ausrufen müssen, auf die Idee kommen, einen Doppelhaushalt auszurufen. Wenn ich das einmal hochrechne, dann werden wir innerhalb dieser Zeit über drei Nachtragshaushalte reden.
Wir werden auf der Einnahmenseite wirklich nur von Spekulationen ausgehen müssen. Ich sagen Ihnen: Wenn Sie mir nachher stichhaltig erklären, was Sie dazu bewegt - diese Frage hat nicht nur damit zu tun, dass ich Ihnen unterstelle, dass man mit der Bewirtschaftung dieses Doppelhaushaltes über die Landtagswahlen kommen will -,
dann werde ich in meiner Fraktion um Unterstützung für diesen Doppelhaushalt werben. Aber, bitte, geben Sie mir ein Argument. Das haben Sie bisher nicht liefern können. Das wird ein Mensch, der logisch an diese Thematik herangeht, nicht nachvollziehen können, weil man so etwas nur dann macht, wenn man relativ überschaubar aufgrund der mittelfristigen Finanzplanung abschätzen kann, dass man zum Beispiel bei den Steuereinnahmen in jedem Jahr einen Aufwuchs von vielleicht 200 Millionen € und bei den Personalausgaben einen Aufwuchs von 100 Millionen € oder einen bestimmten Rückgang zu verzeichnen hat. All das findet aber nicht statt.
Es ist insofern schon sehr schwierig zu verstehen und politisch nicht nachvollziehbar, warum Sie gerade in diesem Moment auf diese Idee kommen. Es sei denn, Sie hoffen - ich glaube, die Praxis würde Sie an dieser Stelle
überholen; ich bin zwar gespannt, aber ich gehe einmal davon aus, dass Sie das durchsetzen -, dass wir im Herbst einen Doppelhaushalt beschließen und Sie im Januar wieder eine Haushaltssperre verhängen können. Allerdings müssen sich dann wirklich alle, auch die, die treu und brav die Hand gehoben haben, etwas blöd vorkommen. Deswegen möchte ich diese Debatte heute führen, lange genug vor den Haushaltsberatungen.
Ganz praktisch sage ich einmal: Die Regierungsfaktionen können sich jetzt überlegen, ob Sie sich nunmehr völlig überflüssig machen; denn ich kann Ihnen eines versprechen: Sie hätten dann im September über einen Nachtragshaushalt zu reden, der ein großes Defizit auffangen muss, und dann noch über einen Doppelhaushalt zu beraten, bei dem Sie auch die mittelfristige Finanzplanung noch einigermaßen erklären müssen - es sei denn, es ist die gleiche mittelfristige Finanzplanung wie beim letzten Mal.
Übrigens hat der Finanzminister bei den spannenden Themen nämlich überlegt - das gab es, so glaube ich, bisher noch nicht -: Wir könnten jetzt aufgrund der Mindereinnahmen einerseits die konsumtiven Ausgaben verstärken - das hat er seitenlang ausgeführt - oder andererseits als zweite Variante die investive Seite stärken. Auf die Frage hin, was man denn nun machen sollte, blieb aber alles offen.
Wenn man das so machen will, braucht man keine mittelfristige Finanzplanung. Ich glaube, wir sind gar nicht so weit auseinander. Wir müssen ja nicht so tief in die inhaltliche Debatte gehen. Heute stelle ich einfach die Frage: Wollen Sie in Kenntnis all dieser Bedingungen dieses Projekt Doppelhaushalt angehen oder nicht?
Ich sage Ihnen eines ganz klar: Wir werden diese Entscheidung dann auch entsprechend dem Kenntnisstand der weiteren Monate überprüfen müssen. Gerade Sie, Herr Ministerpräsident, kennen die Entwicklung und wissen, wie diese Diskussion in anderen Landtagen auch im Hinblick auf Verfassungsgerichtsurteile geführt wird. Aus der Sicht eines Parlaments ist es wirklich nicht sinnvoll, sich jeglicher Teilnahme an solchen Diskussionen dadurch zu entziehen, dass man die Zeiträume für das Handeln einer Regierung so weit vorausschiebt.
Danke, Herr Bullerjahn. - Für die Landesregierung wird der Minister der Finanzen Herr Professor Dr. Paqué sprechen. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss 2003 im Januar bereits angekündigt, dass die Landesregierung über die Aufstellung eines Nachtragshaushaltsplanes 2004 dann entscheiden wird, wenn das Ergebnis der Steuerschätzung vorliegt bzw. wenn es sich konkret abzeichnet. Hieran hat sich überhaupt nichts geändert.
Derzeit ist die Steuersituation noch nicht genau abschätzbar. Wir wissen, dass es aufgrund der Ergebnisse des Vermittlungsausschusses Mindereinnahmen von
50 Millionen € geben wird, aber die weitere Entwicklung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht belastbar zu bewerten.
Aber, lieber Herr Bullerjahn, es ist in der Tat so, dass unsere terminlichen Vorstellungen möglicherweise gar nicht mehr so weit auseinander liegen. Sie hatten damals sofort einen Doppelhaushalt gefordert.
- Entschuldigen Sie, ich meine einen Nachtragshaushalt. Ich habe mich versprochen, lieber Herr Dr. Püchel.
Sie haben einen sofortigen Nachtragshaushalt gefordert und wir haben gesagt, dass wir den Nachtragshaushalt dann avisieren, wenn wir die Steuerentwicklung konkret absehen können. Was die Zeitvorstellungen angeht, die Sie dazu angeben, kann es durchaus sein, dass wir in dieser Hinsicht gar nicht so weit voneinander entfernt sind.
Zum zweiten Punkt Ihres Antrages möchte ich sagen, dass die Forderung, wegen einer großen Prognoseunsicherheit auf die Aufstellung eines Doppelhaushalts für die kommenden beiden Haushaltsjahre zu verzichten, eigentlich nur aus Ihrer Einschätzung, lieber Herr Bullerjahn, resultiert, dass es mit dem Ausmaß der Unsicherheit hinsichtlich der Steuereinnahmen so weitergeht wie in den letzten zwei Jahren.
In der Tat war die Entwicklung in den letzten zwei Jahren ungewöhnlich, sowohl was die konjunkturelle Dramatik betrifft als auch was die Folgen der rot-grünen Steuerreform betrifft. Sie führte deutschlandweit zu Körperschaftsteuerausfällen, die uns über die Veränderungen bei den Zuweisungen im Länderfinanzausgleich auch schwere Konsequenzen hinsichtlich der Einnahmen brachten. Das wird so nicht weitergehen. Wenn wir auch noch nicht genau wissen, wie die Steuerentwicklung aussehen wird, kann man doch davon ausgehen, dass es eine solche Unsicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr geben wird.
Dieser Punkt ist keineswegs der Grund für die Unmöglichkeit, einen Doppelhaushalt aufzustellen. Den grundsätzlichen Vorteil - Sie haben auf eine Begründung für einen Doppelhaushalt gewartet - haben Sie selbst genannt: Es ist die Planungssicherheit für alle Beteiligten. Wenn man in einem einigermaßen ruhigen Umfeld mehr Planungssicherheit erreichen kann, dann soll man das tun.
Übrigens tun das alle anderen mittel- und ostdeutschen Länder. Unser Weg ist deshalb keinesfalls besonders ungewöhnlich, wie übrigens auch unser Weg, frühzeitig Bewirtschaftungsmaßnahmen durchzuführen, keineswegs ungewöhnlich ist. Das ist in den anderen ostdeutschen Ländern zum Teil, wie in Sachsen, seit Jahren üblich.
Also, ein Doppelhaushalt bringt den Vorteil der größeren Planungssicherheit. Soweit man nicht in sehr ungewöhnlichen fiskalischen Zeiten lebt - dies mussten wir in den beiden letzten Jahren tun, aber das müssen wir mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten beiden Jahren