Protocol of the Session on June 29, 2001

(Beifall bei der FDVP)

Meine Damen und Herren! Zu diesem Tagesordnungspunkt ist ebenfalls eine Fünfminutendebatte in der Reihenfolge CDU-, PDS-, DVU-, SPD- und FDVPFraktion vereinbart worden. Es liegt allerdings nur eine Wortmeldung der CDU-Fraktion vor. Der Abgeordnete Webel ist angemeldet. - Es spricht Herr Jeziorsky. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich kurz fassen. Das Besprühen von öffentlichen und privaten Gebäuden mit so genannten Graffiti - das wissen wir alle, das haben wir alle gesehen - hat in den letzten Jahren stark zugenommen und mancherorts die Grenze des Erträglichen überschritten, wenn man sich das optische Erscheinungsbild unserer Orte anschaut. Das ist das eine.

(Zustimmung von Herrn Wiechmann, FDVP)

Das Zweite: Die Beseitigung dieser Kunstwerke von den Wänden kostet Millionen, und zwar Millionen derer, denen die Häuser gehören. Insoweit kann auch jeder nachvollziehen, dass es sich bei Graffiti-Sprühereien, beim Graffiti-Unwesen nicht um Bagatellfälle handelt mit dem Problem, dass ein effektiver strafrechtlicher Schutz gegen Graffiti-Schmierereien und auch eine Ahndung derartiger Taten zurzeit nicht gewährleistet ist.

Das hat für mich zweierlei Folgen: Zum Ersten: Das Unrechtsbewusstsein bei den Tätern ist ohnehin nicht vorhanden; es wird aber auch nicht erzeugt, wenn ihre Taten nicht geahndet werden. Und zum Zweiten: Für die Betroffenen ist es frustrierend, und ich kann mir vorstellen, dass eine Verunsicherung in der Richtung eintritt, dass man an das Funktionieren der Rechtsordnung nicht mehr so richtig glauben kann.

Vor gut zwei Jahren wurde auf Antrag der CDU-Fraktion in diesem Hause mit großer Mehrheit eine Initiative gefordert, die durch die Landesregierung auch umgesetzt worden ist, in diesem Bereich strafrechtliche Veränderungen vorzunehmen. Leider ist dies an den Mehrheiten auf Bundesebene gescheitert, sodass wir immer noch mit diesem Zustand leben müssen.

Aber in den letzten Tagen - das macht einem doch wieder etwas Mut - haben sich die Justizminister der neuen Länder in Greifswald getroffen und auf Anregung von Berlin erneut über dieses Thema gesprochen. Wenn ich die Pressemeldung richtig gelesen habe oder wenn sie richtig übermittelt worden ist, geht es um eine Änderung des Strafgesetzbuches, und zwar dergestalt, dass die

Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes gegen den Willen des Eigentümers als Sachbeschädigung zu ahnden ist.

(Herr Dr. Sobetzko, CDU: Selbstverständlich!)

Wenn das zu erreichen ist, sind wir dort, wo wir hin wollen.

Der Antrag der FDVP-Fraktion geht in die Richtung, erst einmal mit den Möglichkeiten des Landes etwas zu tun, aber natürlich auch die Initiative, die von Berlin erneut gestartet worden ist, zu unterstützen. Wir stimmen deshalb diesem Antrag zu.

(Zustimmung bei der CDU - Beifall bei der FDVP)

Die Ministerin Frau Schubert hat gebeten, ihren Beitrag zu Protokoll geben zu dürfen.

(Zustimmung bei der CDU)

(Zu Protokoll:)

Nach gegenwärtiger Rechtslage ist für die Sachbeschädigung in den Fällen von Graffiti eine Substanzverletzung des Untergrundes erforderlich. Der Nachweis einer solchen Substanzverletzung ist von den Strafverfolgungsbehörden nur unter einem hohen Ermittlungs- und Kostenaufwand zu führen. Im Regelfall ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich.

Das Land Berlin hatte daher am 12. Juni 2001 eine Bundesratsinitiative zur strafrechtlichen Bekämpfung von Graffiti beschlossen. Angestrebt war eine Änderung der Vorschriften der §§ 303 ff des Strafgesetzbuches. Für die Strafbarkeit sollte es künftig nicht mehr auf die Substanzverletzung, sondern auf die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes gegen den Willen des Eigentümers ankommen.

Berlin hat diese Gesetzesinitiative bereits anlässlich der Konferenz der Ost-Justizminister am 14. Mai 2001 in Greifswald vorgestellt. Die Justizministerinnen und -minister Berlins und der neuen Bundesländer haben seinerzeit die Absicht bekräftigt, gemeinsam nach effektiven Möglichkeiten gegen Graffiti-Schmierereien suchen zu wollen. Bereits im Jahr 1999 hatten wir eine vergleichbare Gesetzesinitiative Berlins im Bundesrat unterstützt.

Diese Gesetzesinitiative hat die neue Berliner Regierung zwischenzeitlich zurückgezogen. Die Problematik ist aber die gleiche geblieben.

Jedes Jahr richten Graffiti-Schmierereien einen immensen volkswirtschaftlichen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe an. In Sachsen-Anhalt wurden im Jahr 1998 1 576 und im Jahr 1999 2 122 Graffiti-Delikte registriert.

Die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen richtet sich in der überwiegenden Zahl der Fälle gegen meist jugendliche Täter, sodass für den Eigentümer die Durchsetzung seiner berechtigten Ansprüche in der Regel schwierig, in vielen Fällen aussichtslos ist. Wir prüfen daher, ob die Veränderung dieses äußeren Erscheinungsbildes gegen den Willen des Eigentümers unter Strafe gestellt werden soll.

Daneben sind auch vorbeugende Maßnahmen erforderlich. So besteht das Projekt „GrafFa“ bei der Polizeidirektion Magdeburg. Mit dem Aufbau von drei Freizeit

einrichtungen an verschiedenen Schwerpunkten des Stadtgebietes soll im Zusammenwirken mit Kindern, Jugendlichen, Ausländern, sozial Benachteiligten der Versuch unternommen werden, künstlerisch orientierte Freizeit- und Interessengemeinschaften zu bilden, mit dem Ziel, illegale Farbschmierereien zu verhindern.

In Dessau engagiert sich der Arbeitskreis „Sicherheitspartnerschaft“ der Stadt Dessau, Unterarbeitsgruppe Graffiti-Schmierereien, unter Beteiligung des Jugendkommissariates im Polizeirevier. Neben analytischer Tätigkeit, Kontrolle und Behebung begünstigender Ursachen konzentriert sich die Arbeitsgruppe auf die Einleitung und Durchsetzung präventiver Maßnahmen.

In beiden vorstehend genannten Beispielen hat sich die enge Zusammenarbeit mit den Kommunen sowie den Wohnungs- und Bauträgern bewährt. Teilweise bieten die Kommunen Flächen zum Besprühen an. Hierzu zählen insbesondere sozialpädagogische Maßnahmen, die der Schaffung legaler Ausdrucksmöglichkeiten für Jugendliche dienen.

Schließlich ist die Durchführung von Beseitigungsarbeiten beim Geschädigten zu nennen, die insbesondere auch im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs erfolgen kann.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann hätte der Abgeordnete Wolf die Möglichkeit zu einer abschließenden Stellungnahme. Bitte schön.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hatte sich im März 1999 zur Unterstützung des Entwurfs eines Graffiti-Bekämpfungsgesetzes im Bundesrat entschlossen und hat das Verfahren dann im Rahmen aktiver Sterbehilfe begleitet.

In der 21. Sitzung des Landtages wurde - das hörten wir gerade - über den Antrag der CDU-Fraktion, GraffitiSchmierereien als Straftat zu ahnden, debattiert. Das taten die Sozialisten in der gebotenen Zurückhaltung gegenüber Verbrechern. Den Kommunisten verschlug es gleich die Stimme, suchen sie doch ihr Potenzial vorwiegend in gesellschaftlichen Randbereichen. Sie waren also emsig schweigsam, als es darum ging, Verbrechern auf die Füße zu treten. Andererseits können sie manchmal sehr laut sein, wenn ihnen Debatten nicht behagen.

Die Union selbst begründete den damaligen eigenen Antrag mit Aussagen wie: „Die Straflosigkeit einschlägiger Handlungen kann nicht länger hingenommen werden.“

Wegen ihrer Abhängigkeit von der PDS konnten die Sozialisten dem Antrag äußerlich nicht zustimmen; denn dann ist immer gleich das Machtmodell in Gefahr. Dennoch bezogen sie hinsichtlich der Ahndung von GraffitiSchmierereien eine positionierte Position, und zwar den Rückzug. Darin liegt eben die Stärke der Schwachen.

Dennoch wurde gesagt: „Solche Schmierereien sind nicht zu akzeptieren, dagegen muss vorgegangen werden.“

Weiter wurde gesagt, es komme auch die Möglichkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs und die Heranziehung zu Reinigungsarbeiten in Betracht.

Der Vergleich zwischen Anspruch und Wirklichkeit fiel am Ende zugunsten der Schmierfinken aus und der Sturm im Wasserglas kam zur Ruhe - planmäßig.

Meine Damen und Herren Sozialisten und Kommunisten, wir haben Ihnen die Begründung unseres Antrages zu Gehör gebracht, und ich darf Sie nachhaltig bitten, zur Verbesserung des Schutzes des Eigentums gegen Graffiti-Schmierereien dem FDVP-Antrag zuzustimmen, denn der Handlungsbedarf liegt allein bei Ihnen.

Die Herrschaften von der CDU haben wahrscheinlich im Moment noch etwas andere Sorgen, aber ich präsentiere Ihnen trotzdem noch ein Foto von der Chaotenfestung in der Nähe von Bitterfeld. Die PDS wird wissen, wo das liegt.

(Der Redner hält eine Kopie hoch)

Auf diesem Foto kann gelesen werden: „Kein Gott, kein Staat, kein Vaterland!“ Die Forderungen „Kein Gott!“ und „Kein Vaterland!“ werden diesen Landtag sicherlich nicht aufregen, aber „Kein Staat!“? Da bleibt schon ein Fragezeichen.

Statt die Autonummern von Freiheitlichen aufzuschreiben, könnten die Schlapphüte hier einmal nach dem Rechten sehen. Warten Sie bitte nicht mehr länger! Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

Damit, meine Damen und Herren, ist die Debatte abgeschlossen. Bevor wir zum Abstimmungsverfahren kommen, möchte ich gern noch Damen und Herren der Caritas-Beratungsstelle für Spätaussiedler aus Merseburg unter uns begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in der Drs. 3/4665. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Keine. Somit ist dieser Antrag mit einer großen Zahl von Gegenstimmen abgelehnt worden. Damit ist die Beratung zum Tagesordnungspunkt 29 abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf:

Beratung

Wertewandel und Werteverfall in der Gesellschaft Zeichen einer Erziehungskrise?

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/4666

Dieser Antrag wird von der Abgeordneten Frau Wiechmann eingebracht. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fragen zur Erziehung stehen immer im Auf und Ab der Diskussionen. Eigentlich ist es wie bei einem Fußballspiel: Ahnungslose Spieler sind umgeben von sachkundigen Zuschauern. Dieses Bild, übertragen auf Erziehung, verdeutlicht, dass über Erziehung viel gesprochen wird, dass aber die Außensichten oder die Ansichten von Nichtbetroffenen oft von den Ansichten jener abweichen, die erziehen wollen oder erziehen müssen.

Interessant und auffällig ist, dass vor wenigen Wochen die Journalistin Doris Schröder-Köpf eine Diskussion vom Zaune brach, die sogleich stürmisch zustimmende und auch stürmisch ablehnende Reaktionen erfuhr. Sie äußerte, dass viele Kinder aufwachsen, denen zu viel Nachsicht gewährt wird, wenn sie notwendige Forderungen nicht erfüllen, Nachsicht und fehlende Sanktionen, wenn sie Normen brechen oder sich verweigern.