Protocol of the Session on March 1, 2001

Wir haben mit aufgenommen, dass der Datenschutzbeauftragte des Landes angerufen werden kann, wenn eine Antragstellerin oder ein Antragsteller der Ansicht ist, dass sein Informationsersuchen zu Unrecht abgelehnt wurde. Aus diesem Grunde mussten wir das Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger in § 22 ergänzen, da diese Aufgabe dem Landesdatenschutzbeauftragten bisher zwangsläufig noch nicht oblag.

Wir gehen davon aus, dass der vorliegende Gesetzentwurf das gesamte Verfahren des Informationszuganges bürgernah und bürgerfreundlich gestaltet. Durch zahlreiche Regelungen wird verhindert, dass die Verwaltung das Informationsrecht durch verzögerte Bearbeitung, durch missbräuchliche Berufung auf Ausnahmetatbestände oder durch Versagung der erforderlichen sächlichen und technischen Voraussetzungen einschränkt.

Die Verwaltung ist Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger. Dazu gehört aber auch deren politische Informiertheit.

Lassen Sie uns gemeinsam in den Ausschüssen für Inneres sowie federführend im Ausschuss für Recht und Verfassung im positiven Sinne über den vorliegenden Gesetzentwurf streiten, um im Interesse der Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt die von allen geforderten gläsernen Verwaltungen zu verwirklichen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Tiedge. - Im Ältestenrat ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Bevor wir dazu kommen, möchte ich zunächst Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Kreisvolkshochschule aus Wittenberg begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Die Debatte wird in der Reihenfolge DVU-FL, CDU, SPD, FDVP und PDS durchgeführt. Vorher hat der Minister des Innern Dr. Püchel um das Wort gebeten. Bitte, Herr Minister.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit einem allgemeinen Informationszugangsrecht will die PDS Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen erhöhen - ein sehr sympathisches Anliegen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die Möglichkeit haben, informiert und aktiv an der Gestaltung des Gemeinwesens teilzunehmen, so in der Begründung nachzulesen.

Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen, die Möglichkeit einer umfassenden Informiertheit und die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung des Gemeinwesens sind Errungenschaften, die wir uns im Herbst 1989 erkämpft haben und die wir nicht hoch genug einschätzen können.

Außer Frage steht, dass die öffentliche Verwaltung großes Interesses daran haben muss, dass ihr Handeln in der Öffentlichkeit bekannt ist und vor allen Dingen auch von dieser akzeptiert wird. Die Verwaltungen müssen sich dieser Aufgabe ständig aufs Neue stellen und sie tun es auch. Denken Sie an die zunehmende Präsenz öffentlicher Stellen im Internet. In naher Zukunft wird der Bürger sogar in vielen Angelegenheiten auf elektronischem Wege interaktiv mit der Verwaltung in Verbindung treten können.

Es stellt sich die Frage, ob wir ein allgemeines Informationszugangsgesetz überhaupt benötigen. Seit zum ersten Mal über die Einführung eines solchen Gesetzes diskutiert wurde, wird diese Grundsatzfrage immer wieder gestellt. Erste Erfahrungen mit einem allgemeinen Akteneinsichtsrecht liegen aus Brandenburg, Schleswig

Holstein und Berlin, wie wir bereits hörten, vor. Wie sehen diese aus?

Diejenigen, für die dieses Recht vorrangig geschaffen wurde, also die Bürgerinnen und Bürger, nehmen Rechte nach solchen Gesetzen in der Praxis kaum oder sehr selten in Anspruch. Eine Vergleichszahl zur Veranschaulichung: Nach ersten Nachfragen ist die Zahl aller Anträge von Brandenburger Bürgerinnen und Bürgern auf keinen Fall höher als die Zahl Kleiner Anfragen des Abgeordneten Gärtner allein zu meinem Geschäftsbereich im gleichen Zeitraum.

Meine Damen und Herren! Interessiert zeigen sich zum Beispiel Wirtschaftsunternehmen, die das Behördenverhalten in allen Einzelheiten auskundschaften wollen, um Erfahrungen für eigene unternehmerische Zwecke zu gewinnen. Auch Stellen, die keiner privilegieren will, zum Beispiel Sekten oder radikale Gruppierungen, berufen sich auf ein allgemeines Informationszugangsrecht.

Wenn man über die Erfahrungen der Einführung eines allgemeinen Akteneinsichtsrechtes diskutiert, muss man über den Tellerrand des Gesetzes hinausschauen und prüfen, welche Auswirkungen es auf andere, schon existierende Regelungen hat.

In Sachsen-Anhalt ist der Zugang zu amtlichen Informationen bereits durch eine Vielzahl von Einzelvorschriften geregelt. Diese gewähren dem Einzelnen jeweils Zugang zu all jenen Informationen, die er für die Wahrnehmung seiner Rechte und für die Teilhabe an der staatlichen Gemeinschaft benötigt. Der Interessenlage des Einzelnen wird nach Bedarf Rechnung getragen.

Der Informationszugang kann auf Verfahrensbeteiligte beschränkt werden - § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt - oder vom Nachweis eines berechtigten oder rechtlichen Interesses abhängig sein, zum Beispiel beim Datenschutzgesetz oder im Melderecht. Bestimmungen über die Auslegung von Plänen oder die Veröffentlichung eröffnen jedermann den Zugang zu amtlichen Informationen. In Umweltangelegenheiten gewährt des Umweltinformationsgesetz freien Zugang zu amtlichen Informationen.

Aber auch ein allgemeines Informationszugangsrecht kann nicht ohne Beschränkungen auskommen; denn bestimmte staatliche oder private Interessen müssen geschützt werden. Folgerichtig schließt auch der vorliegende Gesetzentwurf Informationsansprüche teilweise aus, insbesondere soweit es im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz oder zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erforderlich ist. Damit aber verspricht Ihr Entwurf mehr, als er halten kann; denn in der Praxis wird der bloße Wechsel in der Gesetzessystematik die Informationsmöglichkeiten der Bürger nicht nennenswert verbessern.

Ein allgemeines Informationszugangsgesetz kann nicht einfach, wie von der PDS vorgesehen, neben die bisherigen Regelungen zum Informationszugang gestellt werden. Es müssten all die Normen, die mit dem geänderten Regelungsansatz nicht vereinbar sind, aufgehoben oder geändert werden. Es ist deshalb unerlässlich, alle einschlägigen Vorschriften in Bund und Ländern zu erfassen und einzeln zu überprüfen.

Anderenfalls müsste der spätere Rechtsanwender das komplizierte Verhältnis des allgemeinen Informationszugangsrechtes zu allgemeinen und besonderen datenschutzrechtlichen und zu unzähligen weiteren Informationszugangsregelungen im Einzelfall klären. Das Ergeb

nis wäre nicht Transparenz, sondern Chaos und Verwirrung. Um dies zu vermeiden, hätte die einbringen- de Fraktion ein umfangreiches Artikelgesetz einbringen müssen, das dies alles bereits berücksichtigt.

Die schon im Land bestehenden Informationszugangsvorschriften - einige habe ich genannt - gehen allgemeineren Regelungen eines Informationszugangsgesetzes grundsätzlich vor. Es kann nicht Ihr Wille sein, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, zwar den Grundsatz der Aktenöffentlichkeit zu statuieren, diesen aber durch bestehendes Recht weitgehend wieder auszuhöhlen.

Meine Damen und Herren! Regelungen über den Zugang zu Informationen, die öffentlichen Stellen vorliegen, sind weitgehend dem Verfahrensrecht zuzuordnen. Dieses Recht muss im Interesse der Anwenderfreundlichkeit und der Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger im Bund und in den Ländern im Kern übereinstimmen.

Jetzt komme ich zu einem Punkt in den Ausführungen der Abgeordneten Frau Tiedge, der Einbringerin des Entwurfs. Sie sprachen die Koalitionsvereinbarung von Bündnis 90/DIE GRÜNEN und SPD an. Im Grunde genommen würden wir erst ein entsprechendes Gesetz des Bundes benötigen, um ähnliche Regelungen zu erlassen. Wir sollten nicht einen Alleingang machen, was die Gefahr mit sich brächte, dass wir bundesrechtlich vollkommen andere Regelungen bekommen könnten. Wir hätten dann Probleme bei der Umsetzung des Informationszugangsrechtes.

(Zuruf von Frau Krause, PDS)

Meine Damen und Herren! Dies gilt für das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht, für besondere Verfahrensordnungen, zum Beispiel für die Abgabenordnung und das Sozialgesetzbuch, aber auch für die unzähligen Regelungen zum Informationszugang in Fachgesetzen. Die Vorgehensweise von Bund und Ländern in dieser Frage sollte gerade auch deshalb abgestimmt sein.

Ein Wort zum Verwaltungsaufwand. Allen muss klar sein, dass das Informationszugangsgesetz bei intensiver Inanspruchnahme einen enormen Verwaltungsaufwand auslösen würde.

Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes, des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und des Schutzes des Gemeinwohls können und sollen nicht alle Informationen jedermann zugänglich sein. Bisher hat der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber die Güterabwägung zwischen den widerstreitenden Interessen am Informationszugang bzw. -ausschluss durch bereichsspezifische Regelungen abstrakt vorgenommen.

Nun würde diese Abwägung in jedem Einzelfall von der Verwaltung, also von den Mitarbeitern getroffen werden müssen. Das wäre eine Abkehr von dem Grundsatz, die Verwaltung zu vereinfachen und zu verschlanken.

Ein Beispiel dafür: Nach § 11 Abs. 1 sollen Informationen, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind oder durch deren Offenbarung den Betroffenen ein wesentlicher Schaden entstehen kann, frei zugänglich sein, wenn das Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegt.

Ich frage Sie: Wie soll die Behörde im Einzelfall feststellen, dass das Informationsinteresse eines Einzelnen mit dem überwiegenden Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit gleichzusetzen ist? Wer will dies entscheiden? Wer soll dies - vor allem auch in kleineren Verwal

tungen - entscheiden? Wer soll entscheiden, ob die zu erwartenden Nachteile für die Betroffenen hinnehmbar sind? Wer haftet für Fehler in diesen Fragen und in welchem Umfang?

Das wäre ein Leckerbissen für Anwaltskanzleien, ein Beschäftigungsprogramm für Verwaltung und Gerichte.

Ein Weiteres: Soweit Informationen nicht allgemein zugänglich sein sollen, müssen sie abgeschottet werden. Dies mag bei automatisierter Verarbeitung verhältnismäßig einfach sein. Bei Aktenverarbeitung wäre die erforderliche Selektion nur mit einem erheblichen Aufwand zu leisten. Dies gilt insbesondere für all die Akten, die noch nicht unter Berücksichtigung eines möglichen allgemeinen Informationszugangsrechts strukturiert worden sind. Ich zitiere § 14 Abs. 1:

„Soweit und solange Voraussetzungen für Einschränkungen der Informationsfreiheit nach den §§ 9 bis 12 nur bezüglich eines Teils der Informationen vorliegen, besteht Anspruch auf Zugang zu den übrigen Informationen. Soweit und solange eine Aussonderung nicht möglich ist, besteht Anspruch auf Auskunftserteilung.“

Das heißt, im Einzelfall müssten umfangreiche Akten, die schon seit Jahren abgeschlossen sein können, Blatt für Blatt durchgesehen werden, und es müssten mühselig die Informationen herausgefiltert werden, die dann dem Antragsteller zugänglich gemacht werden können.

Meine Damen und Herren! Die Durchführung des Gesetzes würde die Verwaltung mit erheblichen Kosten belasten. Dies gilt in besonderem Maße für die Kommunen, die den Großteil der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zu erledigen haben. Es bedürfte einer Kostenausgleichsregelung im Sinne des Artikels 87 Abs. 3 der Landesverfassung.

Die Kosten würden wahrscheinlich nur zu einem Teil durch Gebühren und Auslagen zu decken sein. Eine Kostenregelung für den eigenen Wirkungskreis der Kommunen fehlt gänzlich. Im Übrigen haben Erfahrungen mit dem Umweltinformationsgesetz und in anderen Ländern gezeigt, dass in diesem Bereich die Erhebung kostendeckender Gebühren - sie betragen in Berlin zum Beispiel zwischen 20 und 1 000 DM - den Bürgern nicht vermittelbar ist.

Fazit des Ganzen: Ob wir wirklich ein Informationszugangsgesetz benötigen, bleibt offen. Der Gesetzentwurf ist unausgegoren und wirft mehr Fragen auf, als er klärt. Auf die Einbringung des Entwurfs sollte verzichtet werden.

(Zustimmung von Herrn Becker, CDU)

Noch eine Ergänzung zu dem vorhergehenden Tagesordnungspunkt. Bei der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes war ich fast der Auffassung, dass wir ein Informationszugangsrecht benötigen, und zwar für Abgeordnete. Dann würde nämlich der Kollege Gürth, der leider nicht anwesend ist, den § 116 des unter diesem Tagesordnungspunkt behandelten Gesetzes genau gelesen haben. Dann hätte er gesehen, dass er Unrecht hat. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Becker, CDU)

Vielen Dank. - Die DVU-FL-Fraktion hat keinen Redebeitrag angemeldet. Es scheint dabei zu bleiben. Für die

CDU-Fraktion spricht dann der Abgeordnete Herr Remmers. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja in einer solchen Situation, wenn man die Pressebegleitung anlässlich der Einbringung dieses Gesetzes einmal erörtert, ganz reizvoll, darüber nachzudenken, dass sich die Ehe zwischen PDS und SPD jetzt im siebenten, also im verflixten Jahr befindet

(Heiterkeit bei der CDU - Herr Gallert, PDS: Sind Sie jetzt Eheberater? - Heiterkeit bei der PDS)

und dass vielleicht leichte Irritationen in eben dieser Liebesbeziehung hier auch Gegenstand der Diskussion und Meinungsbildung sein können.

(Zustimmung von Herrn Becker, CDU - Unruhe)

Da wollen wir uns heraushalten, und weil wir ganz anständige Menschen sind, halten wir uns aus dem Ehekrach auch gleich so weit heraus, dass wir uns der Stimme enthalten werden. Im Grunde sind wir allerdings dagegen - auch ich persönlich halte nichts davon -, dass bei einem Thema, das immerhin spannend ist, die Diskussion einfach abgeblockt wird und man aufhört, darüber zu reden. Vielmehr sollte man schon darüber nachdenken.

Wenn man sieht, dass in Brandenburg und in SchleswigHolstein, aber auch in gewissen Äußerungen der Europäischen Gemeinschaft eine Erweiterung der Bürgerbeteiligung, der Bürgereinsicht in Verwaltungsvorgänge anvisiert wird, dann ist das immerhin ein Thema, über das man - sicherlich nicht in einer Fünfminutendebatte, aber in einer Ausschussberatung - vielleicht weiter reden könnte.