Protocol of the Session on March 1, 2001

Wenn man sieht, dass in Brandenburg und in SchleswigHolstein, aber auch in gewissen Äußerungen der Europäischen Gemeinschaft eine Erweiterung der Bürgerbeteiligung, der Bürgereinsicht in Verwaltungsvorgänge anvisiert wird, dann ist das immerhin ein Thema, über das man - sicherlich nicht in einer Fünfminutendebatte, aber in einer Ausschussberatung - vielleicht weiter reden könnte.

(Zustimmung bei der PDS)

Damit Sie mich jetzt nicht falsch verstehen, will ich Ihnen auch Folgendes sagen: Ich halte das zwar für diskussionswürdig, nach meinen bisherigen Abwägungen erachte ich allerdings Ihre Erwägungen, die zu diesem Ergebnis führen, für falsch.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Ich will das anhand von nur einigen wenigen Punkten darstellen.

Zunächst einmal, um auf die Begründung einzugehen: Hier wird zwar sehr geschickt mit dem Begriff der öffentlichen Verwaltung jongliert, verehrte Frau Tiedge, aber „öffentliche Verwaltung“ heißt eben gerade nicht, dass das alles offen zugänglich sein soll, genauso wenig wie das öffentliche Recht der Gegensatz zum Geheimrecht ist. Vielmehr ist das öffentliche Recht der Gegensatz zum Privatrecht und hat also in diesem Sinne mit der Offenlegung von Fakten überhaupt nichts zu tun. Da wird schon etwas falsch argumentiert.

Das Zweite, das mich besonders nachdenklich stimmt, ist die Frage des legitimen Informationsinteresses der Bürger. Da frage ich zunächst schon einmal: Wer ist denn hier Bürger? - Die Berliner haben sogar geschrieben: jeder Mensch.

(Herr Gallert, PDS: Oh!)

Nun stellen Sie sich bitte einmal vor, die Gemeinde - von mir aus Buxtehude - wird von Anfragen aus Oberammergau überzogen, denn in beiden Gemeinden wohnen - trotz des schlechten Rufes von Buxtehude

in manchen Punkten - Menschen, so wie anderenorts auch.

Das heißt, wenn Sie jede Art von Betroffenheit des Auskunftsuchenden - nur darauf will ich hinaus - als notwendige Begründung für das berechtigte Interesse des Auskunftsuchenden ausschließen und sagen, es reicht, dass er Bürger in der Bundesrepublik ist, damit er die Verwaltung jeweils nach Informationen abfragen und das sogar systematisieren kann, dann können Sie ein Gemälde an die Wand malen, das vielleicht eine Art bürgerlicher Rasterfahndung darstellt. Es gibt den Missbrauch auch in den Grenzen eines Gesetzes, und man muss bei der Schaffung von Gesetzen sehr sorgfältig aufpassen, dass solche Missbräuche nicht auftreten können.

Ich will die Beispiele, die ich mir außerdem notiert hatte - Sekten, andere Organisationen, die dieses Recht sehr viel stärker als der normale Bürger in Anspruch nehmen würden - nicht näher ausführen. Diese ganzen Missbrauchsmöglichkeiten will ich nach den Ausführungen des Innenministers nur andeuten, weil mir sonst sicherlich die Zeit davonlaufen würde.

Ich will einen dritten Punkt nennen. So sehr ich der Meinung bin, dass manche Verwaltungen - ich will mir gar nicht verkneifen, das hier zu sagen - durchaus offener gegenüber den Bürgern sein könnten und dass diesbezüglich noch Steigerungsmöglichkeiten denkbar sind - ich glaube, darin sind wir uns auch alle einig -,

(Zustimmung bei der CDU und bei der PDS)

will ich dennoch sagen, dass ein so allgemein und ohne Betroffenheitsbezug geforderter Zugang deswegen so problematisch ist, weil das von Ihnen mit einem etwas negativen Unterton angesprochene Amtsgeheimnis - ich spreche einmal von der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit - auch damit korrespondiert, dass die öffentlichen Stellen einen Anspruch gegenüber dem Bürger haben, damit dieser ihnen die für die Entscheidungen der öffentlichen Hand notwendigen Informationen vertrauensvoll geben kann.

Wenn wir einen ganz offenen Informationsanspruch für alle ohne eigene Betroffenheit einbauen, dann schaffen wir sozusagen gleichzeitig die Basis für das Vertrauen des Bürgers in die Verschwiegenheit der Ämter, an die er sich wendet, ab. Das bitte ich ebenfalls zu bedenken.

Der vierte Punkt, den ich nur noch nennen möchte, bezieht sich auf die Erfahrungen in anderen Ländern. Sie haben Brandenburg schon genannt, und Sie haben die Schweizer Geschichte geschildert, die sehr interessant ist, weil sie mit meinen Erfahrungen aus Schweden übereinstimmt.

Herr Abgeordneter Remmers, wie Sie vermutet hatten, ist Ihnen die Zeit davongelaufen.

(Heiterkeit)

Ich möchte noch zwei Bemerkungen zu machen, Herr Präsident. Ich glaube, Minister Herr Dr. Püchel hat auch etwas länger als fünf Minuten gesprochen.

Sie haben gesagt, der Berichterstatter oder der Fachmann aus der Schweiz, der dazu Stellung genommen hat, hätte gesagt, dass einige Gemeinden dazu übergegangen wären, nur noch eine Anlaufstelle zu haben.

In Schweden gibt es ein umfassendes Offenbarungsrecht. Die Bürger dort durften sogar - insbesondere die Journalisten haben das mit Liebe getan - den gesamten ein- und ausgehenden Schriftverkehr lesen. Das hat dazu geführt, dass selbst in Großbehörden nur noch ein Telefaxgerät vorgehalten wurde, weil man innerhalb der Behörden nur auf diese Weise sicherstellen konnte, dass das, was man an Informationen aus der Behörde herauslassen wollte, tatsächlich herauskam und nichts anderes. Die Ursache dafür war, dass die Informationen, die den inneren Bereich der Behörde verließen, offen waren. Ergebnis: Großbehörde, ein Telefaxgerät.

Herr Abgeordneter Remmers, ich muss jetzt darauf bestehen, dass Sie zum Ende kommen.

Letzter Satz. - In dieser Hinsicht schließe ich mich dem Minister nur an: Was das für einen Verwaltungsaufwand erfordert, müsste ebenfalls erörtert werden. Im Übrigen stehen wir Ihrer Auseinandersetzung nunmehr auch nicht weiter im Weg. - Schönen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Bullerjahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte Herrn Remmers noch ein paar Minuten von der Redezeit der SPD-Fraktion abgeben,

(Heiterkeit bei der SPD)

aber ich kam nicht zu Wort.

Ich werde mich im Gegensatz zu den Erwartungen manches CDU-Vertreters - Herr Dr. Bergner freut sich schon richtig - ganz kurz halten. Sie waren schon in den Reihen der SPD-Fraktion.

(Heiterkeit bei der SPD - Herr Dr. Bergner, CDU: Nein, ich bin völlig neutral! - Heiterkeit bei der PDS)

- Also, das habe ich auch noch nicht erlebt, dass Sie sich für neutral halten.

Ich will mich kurz fassen. Die SPD-Fraktion hat die Vorlage des Entwurfs eines Informationszugangsgesetzes zur Kenntnis genommen und sie hält ihn aus mehreren Gründen nicht für beratungswürdig.

(Zustimmung von Herrn Becker, CDU)

Es gibt mehrere fachliche Gründe; diesbezüglich schließe ich mich dem Innenminister an. Es gibt aber auch politische Gründe, über die ich hier nicht reden will.

(Herr Scharf, CDU: Doch, die wollen wir wissen! - Herr Gallert, PDS: Gucken Sie in die Zeitung, Herr Scharf!)

- Das weiß ich doch, Herr Scharf.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU)

Insofern sind Sie nicht so neutral wie Herr Dr. Bergner.

Ich denke, meine Ausführungen im Namen der SPDFraktion sind ausreichend. Ich wünsche, dass wir jetzt zur Abstimmung kommen. - Danke.

(Beifall bei der SPD - Herr Scharf, CDU: Es reicht! - Herr Gallert, PDS: Wir überlassen das nicht dem Zufall, Herr Bergner!)

Über den Austausch von Redezeiten haben wir in der Geschäftsordnung noch keine Vereinbarung getroffen. Darüber muss erst einmal an anderer Stelle gesprochen werden. - Ich bitte jetzt die Abgeordnete Frau Helmecke, für die FDVP-Fraktion das Wort zu ergreifen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Europäische Union bemüht sich zurzeit - -

(Unruhe)

Entschuldigung. - Ich bitte um Ruhe. Wir zählen das noch, Herr Kollege.

(Anhaltende Unruhe)

Bitte lassen Sie sich nicht weiter irritieren, Frau Helmecke. Sie haben jetzt das Wort.

Die Europäische Union bemüht sich zurzeit, das Informationsrecht der Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Die Richtlinie 95/46-EG des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten bildet den Rahmen, in dem die Mitgliedstaaten der EU das Datenschutzrecht entwickeln müssen. In Deutschland gibt es eine bundeseinheitliche Regelung zum Informationsrecht bisher nicht.

(Unruhe)

Zwar hat nach Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes jeder das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, bei den Unterlagen öffentlicher Stellen handelt es sich aber nicht um allgemein zugängliche Quellen. Das Grundrecht auf Informationsfreiheit begründet demzufolge keinen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Zugang zu den öffentlichen Stellen; auch aus dem Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit nach Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes ergibt sich ein solcher Anspruch nicht.

Im Übrigen ist der Zugang zu den Akten und Informationen in den Behörden herkömmlicherweise an bestimmte Verfahrensgestaltungen gebunden oder von der Dar- legung eines besonderen Interesses abhängig.