Herr Wirtschaftsminister, es ist richtig, bei der Gemeinschaftsaufgabe haben wir in diesem Jahr Mittel in einem ausgewogenen Verhältnis eingestellt und gebunden. Aber wo sind die Ausgabenreste für die Gemeinschaftsaufgabe?
Wir kennen eine Menge Beispiele, dass Unternehmen im eigenen Interesse, damit es endlich vorangeht, Förderleistungen vorfinanziert haben. Ich will hier keines nennen, weil dies tatsächlich immer rufschädigend ist. Aber es ist in der Tat für die Landespolitik und für die Landesregierung rufschädigend, wenn wir nicht in der Lage sind, denjenigen, die in Vorleistung gegangen sind, um Investitionen tätigen zu können, wirklich zu helfen, die Förderung zu realisieren und mit ihren Haushalten planvoll umzugehen.
Meine Damen und Herren! Wir registrieren mit großem Interesse unter der Rubrik Investitionen, dass Sie im Krankenhausbau und bei der Dorferneuerung die Mittel, um die wir beim letzten Haushalt gekämpft haben, nun in den Haushalt eingestellt haben. Wir werden, was die Kofinanzierung betrifft, noch manche Frage stellen müssen.
Nur, meine Damen und Herren von der SPD und von der Landesregierung, ich habe noch im Ohr, wie Sie bei diesen investiven Anträgen der CDU auf unsere Sozialpolitiker und Landwirtschaftspolitiker eingedroschen haben, indem Sie zum Ausdruck brachten, wie unseriös wir seien, was für Dummköpfe wir seien, solch eine Forderung zu stellen, was wir für eine Oppositionspolitik machten - nicht konstruktiv, nichts dahinter und so weiter. Alle diese Schmähungen habe ich noch im Ohr.
Herr Finanzminister, ich stelle fest: Ganz falsch können unsere Vorschläge nicht gewesen sein, Sie holen sie nur verspätet nach. Insofern trifft die Kritik Sie, meine Damen und Herren.
Die Haushaltslage, die Mühlsteine Schuldenlast und Personalkörper zwingen auch dazu, dass noch immer in einer Rubrik zugelangt wird, die eigentlich für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes wichtig ist. In der Enquetekommission „Zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt“ haben wir gerade in der letzten Beratung Besorgnis erregende Zahlen über die Abwanderung junger Menschen aus Sachsen-Anhalt bekommen. Wir sind jetzt in einer Situation, in der geburtenschwache Jahrgänge die Ausbildung durchlaufen und aus der Ausbildung auf den Arbeitsmarkt treten. Sie finden hier nicht die Chancen, die sie eigentlich gesucht hatten. Insofern erlebt unser Land einen Verlust an Humankapital, der sich nach dem Jahr 2010 verhängnisvoll auswirken wird.
Ich weiß natürlich, dass es dafür keine Patentrezepte gibt. Aber es gibt immerhin Ansatzpunkte, die man ernst nehmen muss. 3,3 % der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland leben in Sachsen-Anhalt, aber nur 1,7 % der Studenten, die es in der Bundesrepublik Deutschland gibt, studieren in Sachsen-Anhalt. Es studieren mehr Sachsen-Anhalter in anderen Bundesländern, als Studenten aus anderen Bundesländern zu uns kommen.
Meine Damen und Herren! Gerade die akademische Ausbildung bietet eine große Chance, Humankapital in unserem Land zu binden. Vor diesem Hintergrund war es ein Frevel, dass in den zurückliegenden Jahren die Hochschulen durch immer wieder überraschende Haushaltskürzungen verunsichert wurden, deren Ergebnis Demonstrationen waren, was für die Attraktivität des Hochschulstandortes Sachsen-Anhalt natürlich verhängnisvolle Auswirkungen hat.
Meine Damen und Herren! Ich habe schon mit vielen Leuten gesprochen, die in der Wirtschaft oder der Verwaltung tätig sind und aus einem anderen Bundesland zu uns gekommen sind, die sich nicht entschließen können, ihre Familien nach Sachsen-Anhalt nachzuholen, weil sie sagen: Die Schulpolitik dieses Landes wollen wir unseren Kindern nicht antun.
Auch hieran wird deutlich - Sie schütteln den Kopf; Sie sind aus einer Region - - ich denke an Lützen oder andere -: Wie viele Eltern in den grenznahen Regionen haben sich angesichts unserer Schulpolitik entschlossen, ihre Kinder im Freistaat Sachsen oder in Thüringen eine Schule besuchen zu lassen, um der Förderstufe zu entgehen?
Das alles ist doch nicht zu bestreiten. Das heißt, auch vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, verdient Bildungspolitik eigentlich eine größere Beachtung.
Wir werden über die Haushalte der Hochschulen, über die Zahlenvorgaben - es würde jetzt im Einzelnen zu weit führen - noch eine Menge Diskussionen führen müssen. Wir werden die Frage nach der Schulbauförderung angesichts der Schulentwicklungsplanung mit allem Nachdruck und mit aller Schärfe stellen müssen.
Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes - auch das ist ein erstes Resultat, das ich aus der Enquetekommission „Zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt“ mitgenommen habe - ist nicht gefährdet - wie die Einsetzer dieser Kommission glaubten -, weil wir auf eine unhaltbare ökologische Entwicklung zugehen; sie ist nicht gefährdet, weil unsere sozialen Infrastrukturleistungen zu gering werden.
Drei Faktoren stellen die Gefährdung der Zukunftsfähigkeit unseres Landes dar: erstens die starke Abwanderung insbesondere junger Menschen, zweitens die unzureichende Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung und drittens der hohe Schuldenstand des Landes.
Insofern haben wir keinen Grund, selbstgerecht auf die letzten sechs Jahre zu verweisen. Es sind Jahre, in denen viele Chancen verschenkt wurden. Es sind Jahre, die uns ein Image eingebracht haben, das unser Land eigentlich nicht verdient. Der Haushalt ist vor diesem Hintergrund zu einem Dokument der Schuldenverwaltung statt der Zukunftsgestaltung geworden. An vielen Stellen begegnet uns eine in Zahlen gegossene Hilf- losigkeit.
Dies alles spricht dafür, dass dieser Haushalt bei seinen Beratungen Opposition verdient hat. Die wollen wir gern liefern,
das heißt, für Transparenz zu sorgen, wo der Finanzminister uns die Transparenz vorenthält - da finden wir eine Menge -, das heißt, auf Spielregeln zu drängen, wo Spielregeln verletzt werden, beispielsweise bei der dem Landtag aufgedrückten globalen Minderausgabe, das heißt vor allen Dingen, die Frage nach der Zukunft zu stellen, die in dieser Vorlage unzureichend beantwortet ist. - Vielen Dank.
Herr Dr. Bergner, Herr Gallert hat eine Frage. Sind Sie bereit, darüber hinaus noch eine Frage von Professor Trepte zu beantworten? - Bitte, Herr Gallert.
Herr Bergner, Sie sprachen zwischenzeitlich auch von der Verwaltungsreform und Sie sprachen von den Beharrungskräften, die es in der Landesregierung gibt. Ich
glaube, Herr Bergner, darin liegen wir gar nicht so weit auseinander, wobei ich immer sage: Die Beharrungskräfte gäbe es wahrscheinlich in der CDU-Regierung nicht minder.
Sie haben allerdings folgendes Problem: Gestern ist von Herrn Becker verkündet worden, dass Sie wieder auf das konservative Zwei-RP-Modell zurückgefallen sind. Ich hatte einmal die Hoffnung, Sie als CDU wären schon weiter. Meinen Sie nicht, dass Sie die Beharrungskräfte dadurch ausdrücklich gestärkt und gestützt haben?
Zunächst einmal: Beharrungskräfte wird es unter jeder Regierung geben. Das liegt in der Natur des Menschen. Das Problem ist, ob an der Spitze ein Steuermann oder ein Wünschelrutengänger steht. Das ist doch die Frage, mit der wir uns auseinander zu setzen haben.
Der zweite Punkt, Herr Kollege: Mir ist ein klares Bekenntnis zum dreistufigen Verwaltungsaufbau lieber als ein unehrliches Gewurstel zwischen den Begriffen Zweistufigkeit, Landesverwaltungsamt und was weiß ich nicht alles.
Merken Sie denn nicht, dass Sie sich im Grunde genommen bei dem Streit, den Sie mit dem Innenminister über Zweistufigkeit und Landesverwaltungsamt führen, inzwischen in Formelkompromisse flüchten? Aber gerade wenn wir Entscheidungen wollen, können wir doch keine Formelkompromisse dulden.
Ich habe gestern etwas spaßhaft das Bild vom Innenminister ausgebaut. Er sagt: Wir wollen zwei Etagen haben, aber wir brauchen auch ein Landesverwaltungsamt.
Wo gehört denn das hin? Das ist dann, wenn ich im Bild der zwei Etagen bleibe, das Klo auf halber Treppe, oder wie habe ich mir das vorzustellen, meine Damen und Herren?
Das ist doch der Punkt. Als Professor Böhmer - das wird immer missdeutet - gesagt hat: Wir müssen bereit sein, über Zweistufigkeit nachzudenken, hat er gemeint: wirklich bereit sein. Was jetzt kommt, ist im Grunde genommen keine Entscheidung für die Zweistufigkeit, das ist Wischiwaschi. Auf dieser Basis können Sie keine Verwaltungsreform aufbauen.
Herr Kollege Bergner, Sie haben einige Forderungen gestellt, die man eigentlich nur unterstützen kann: die Kürzungen im Hochschulbereich zurückzunehmen, die
Kürzungen bei den Kommunen zurückzunehmen, die Kürzungen im investiven Bereich zurückzunehmen. Sie haben darüber hinaus Ja gesagt zu der Absenkung der Steuereinnahmen, insbesondere durch das Steuersenkungsgesetz. Sie haben auch gefordert, die Neuverschuldung in der bisher vorgesehenen Weise zurückzuführen.
Wenn ich all das, was ich jetzt genannt habe, addiere, dann sind wir bei 1,5 Milliarden DM. Können Sie mir einmal sagen, wie Sie daraus einen Haushalt basteln wollen?
(Herr Prof. Dr. Trepte, PDS: Doch! - Frau Dr. Sitte, PDS: Sie haben es nicht gesagt! - Zuruf von Herrn Dr. Süß, PDS)
- Nein, nein. Ich habe von den beiden Mühlsteinen Schuldenlast und Personalkörper gesprochen, die alle Gestaltungsspielräume des Landeshaushalts kaputtmachen. Dann kommt der Satz - ich kann mich wörtlich zitieren -: Deshalb muss der Finanzminister in Bereiche greifen und sich Geld holen, die für die Zukunftsfähigkeit des Landes eigentlich unentbehrlich sind.
Ich habe ja bei all seiner Deutlichkeit, mit der er glaubt mit der CDU umgehen zu müssen, für die Problemlage des Finanzministers durchaus Verständnis.
Ich habe für die Problemlage Verständnis, dass er angesichts eines über sechs Jahre ungelösten Problems des Personalhaushaltes jetzt eigentlich gar keine Gestaltungsspielräume hat und nahezu schicksalhaft das Falsche tun muss.