Vielen Dank. - Von den Fraktionen liegen insgesamt vier Wortmeldungen vor. Die Beiträge erfolgen in der Reihenfolge FDVP-, CDU-, PDS- und SPD-Fraktion. Ich bitte jetzt Frau Wiechmann, für die FDVP-Fraktion das Wort zu nehmen. Bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Kulturrat als Spitzenverband von 217 Bundesverbänden des Kultur- und Medienbereiches legte vor rund zwei Jahren kulturpolitische Positionen vor, die dann, in Fragen gekleidet, den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien zur Beantwortung vorgelegt wurden. Ich will an dieser Stelle nicht auf die Antworten der Parteien eingehen, sondern nur anmerken, daß der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, daß die damalige SPD als Herausforderin die Fragen kurz, knapp und ein wenig lustlos beantwortete.
Uns bleibt der Trost der Vorahnung, daß der vorzulegende Kulturwirtschaftsbericht Sachsen-Anhalt nach den bisherigen Erfahrungen sicherlich nicht kurz und knapp ausfallen wird. Aber über den Seelenzustand der Verfasser zu urteilen wird schwieriger. Ob der Bericht dann lustlos oder freudvoll gefertigt wird, warten wir, denke ich, ab.
In den genannten kulturpolitischen Positionen wird zu Recht hervorgehoben, daß Kulturpolitik auch Wirtschafts- und Ordnungspolitik ist. Weiter heißt es:
„Die in den letzten Jahren entstandene Kulturwirtschaft hat inzwischen an ökonomischer Stärke traditionelle Wirtschaftsbereiche übertroffen. Am Beispiel der Kulturwirtschaft ist der Strukturwandel von der Industrie- über die Dienstleistungs- zur Wissenschaftsgesellschaft anschaulich nachzuvollziehen.“
Meine Damen und Herren! In diesem Hause dürfte Einigkeit darin bestehen, daß Kultur keine Nebensache, nicht einmal die schönste Nebensache der Welt ist, sondern für viele Menschen - nicht für alle - bedeutungsvoll und aus deren Leben nicht wegzudenken ist. Das mag auch daraus erklärbar sein, daß Kultur einen hohen Stellenwert im Wertesystem einnimmt und schwer verdrängt werden kann. Aber die Erfahrungen dazu sind sehr unterschiedlich und auch vielfältig abhängig.
Meine Damen und Herren! Die Verfasser eines Kulturwirtschaftsberichtes sollten allerdings nicht einerseits eine kleinkarierte Denkweise bei der Anpreisung der Attraktivität dieses Landes aufkommen lassen, wenn andererseits lächerlich und dümmlich anmutende Boykottaufrufe im Hinblick auf Tourismus, Kunst und Kultur des EU-Mitgliedstaates Österreich unterstützt werden. Die Landesregierung sollte bedenken, daß es auf dieser Welt auch noch andere und weitaus anerkanntere politische Kulturformen gibt als die im Land Sachsen-Anhalt regierende Minderheit der SPD im durch die PDS gnadenvoll gesetzten Handlungsrahmen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte in bezug auf den Antrag allerdings auch nicht meine Meinung verhehlen, daß bei aller Notwendigkeit eines umfassenden Berichts sichergestellt werden sollte, daß die Fertigstellung natürlich nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag erfolgt. Ich erinnere auch daran, daß die im Oktober 1999 im Landtag beratenen Anträge zu Leitlinien der Kulturpolitik, zur Kulturrahmenplanung und zu einem Landeskulturkonzept nach der Beratung über die Verfahrensweise im Ausschuß für Kultur und Medien erst in dem Stadium vor einer Anhörung stehen. Das heißt, es muß genügend Zeit eingeplant werden, um auch, aber nicht nur auf statistische Erhebungen zu bauen.
Meine Damen und Herren! Bei aller Notwendigkeit, sich einen Überblick über die Kulturwirtschaft und über gegenseitige Abhängigkeiten zu verschaffen, warne ich davor, Kulturwirtschaft als rettenden Strohhalm für die destruktive Wirtschaftspolitik dieser Landesregierung etablieren zu wollen. Denn das wären dann nur die kulturpolitischen Potemkinschen Dörfer. Allerdings kommen die größten Architekten dieser Baukunst aus der Landesregierung des Herrn Dr. Höppner.
Meine Damen und Herren! Bei allen detaillierten Vorgaben im Antrag der SPD sollten die Verfasser dennoch an ein drastisch zutreffendes Wort des Schriftstellers Bernd Weinkauf denken, der gesagt hat:
„Den kulturellen Standard eines Landes mißt man nicht an seinen Opernhäusern, sondern an seinen Bahnhofstoiletten.“
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir konstatieren zunehmende Einfallslosigkeit bei den Anträgen der SPD-Fraktion. Ich habe Verständnis dafür, daß der Fraktion dann, wenn einige ihrer Initiativen der Landesregierung nicht so recht in den Kram passen und deshalb nicht durchkommen oder wenn die Regierung schneller arbeitet als die Fraktion, nur noch übrig bleibt, einen Lobgesang auf die Regierung anzustimmen. In diese Kategorie fällt wohl dieser Antrag.
Dabei sollte sich die SPD-Fraktion aber nicht nur zum Psalmisten der Landesregierung oder zum Minenhund für im Kabinett erfolglose Minister machen. Etwas mehr Kreativität täte Ihnen und uns allen sicherlich nicht schlecht.
Zum Antrag. Als mir der Antrag in die Hände fiel, erinnerte ich mich an eine Einladung zu einer Veranstaltung in der nächsten Woche in Wernigerode. Und siehe da: Alle Schlagworte aus der Einladung finde ich fein säuberlich auch in diesem Antrag. Welch ein Zufall!
Natürlich ist jedes Stadttheater ein mittelständisches Unternehmen und Arbeitgeber für nicht wenige Beschäftigte. Natürlich hängt die touristische Attraktivität einer Stadt ganz wesentlich vom Zustand der wichtigsten kulturhistorisch wertvollen Gebäude ab, und natürlich macht die Tonträgerindustrie, zum Beispiel mit klassischer Musik, mittlerweile Milliardenumsätze. Doch rechtfertigt dies alles einen Kulturwirtschaftsbericht?
Uns befällt bei diesem Antrag ein eigenartiges Gefühl. Wird hierdurch nicht die immer weiter um sich greifende Ökonomisierung der Gesellschaft im Bereich von Kunst und Kultur hoffähig gemacht? Wird dadurch nicht verzweckt, was eigentlich zweckfreies Tun sein sollte? Lenkt dieses Thema nicht von den eigentlichen Kalamitäten dieses Landes ab?
Dieses Land besitzt eine überreiche Kulturlandschaft und viele kreative und begabte Menschen. Statt sich über deren Förderung und den Erhalt der Denkmale Gedanken zu machen, wird hier Schweiß und Geld für die Vermarktung und Kommerzialisierung kulturellen Tuns hinausgeschmissen, jawohl: hinausgeschmissen.
Wenn es die Landesregierung in diesem Land für richtig hält, daß Dorfkirchen künftig nicht mehr durch die Dorferneuerung gefördert werden können oder Gemeinden gezwungen werden, sämtliche kulturellen Einrichtungen um der Haushaltssanierung willen zu schließen, dann ist Geld an diesen Stellen, denke ich, besser angelegt. Wenn Sie weiter eine solche Politik verfolgen, dann legen Sie den Quell trocken, von dessen Wasser Sie Labung erwarten.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, daß mehr Geld im Landeshaushalt für die Förderung von Kunst und Kultur zur Verfügung steht, daß professionelle, aber auch Laienkünstler das kulturelle Angebot in unserem Land verstetigen und erweitern können und daß die systematische Pflege unserer reichhaltigen Kulturdenkmale finanziell abgesichert wird.
Nur wenn uns dies gelingt, können wir für die Bauwirtschaft, den Tourismus und die Medien ein attraktiver und
auch lukrativer Partner sein. Diese Bereiche werden dann automatisch expandieren können, auch ohne Kulturwirtschaftsbericht. Mir kommt es vor, als wollten Sie eine Pipeline bauen, ohne vorher nach Öl zu bohren.
Ich möchte an dieser Stelle vor einem weiteren Irrtum warnen. Kulturpolitiker sollten nicht meinen, dadurch, daß sie auf die wirtschaftliche, soziale oder beschäftigungspolitische Bedeutung von Kunst und Kultur hinweisen, bekäme die Kultur auch im Verteilungskampf um knappe Mittel einen höheren Stellenwert. Im Zweifelsfall bekommt man für die gleichen Mittel wirtschaftlich bedeutsamere, sozial effizientere und beschäftigungspolitisch wirksamere Projekte organisiert. Was Sie auf diesem Wege nicht bekommen, ist das Lebensmittel Kultur, dieses Biotop zweckfreien Tuns, der Selbstentrückung, aber auch Selbstvergewisserung, dort wo der Mensch ganz Mensch sein darf.
Wem dieses Lebensmittel nicht mehr Wert ist als 1 % des Landeshaushalts, also im nächsten Jahr wahrscheinlich wieder 10 Millionen DM weniger, der muß wahrscheinlich zu diesem Placebo Kulturwirtschaftsbericht Sachsen-Anhalt greifen. Die CDU wird dies nicht tun und deshalb diesem Antrag nicht zustimmen.
Die Landesregierung wird - darauf vertrauen wir - diesen Bericht erstellen und ihn uns in dem erforderlichen Zeitrahmen vorlegen. Wir sind gespannt darauf. Dazu bedarf es aber Ihres Antrages nicht. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich hat Herr Schomburg recht darin, daß man sich in diesem Antrag zumindest den ersten Teil hätte schenken können. Es ist durchaus begrüßenswert, wenn die Landesregierung einen Kulturwirtschaftsbericht erstellen will, nur muß man das, wenn es bereits umgesetzt wird oder umgesetzt werden soll, nicht noch ausdrücklich parlamentarisch beschließen oder begrüßen.
Auch die beiden inhaltlichen Punkte hätten in dem Antrag eigentlich nicht aufgeführt werden müssen; denn ohne diese beiden Punkte wäre der Bericht kein Kulturwirtschaftsbericht.
Dennoch betrachtet die PDS-Fraktion dieses Anliegen der SPD-Fraktion und der Landesregierung als ein sehr ernstes. Wir wollen es auch mit dem nötigen Ernst behandelt wissen; denn auch unserer Meinung nach ist die Kulturwirtschaft in Sachsen-Anhalt ein sehr wichtiger und bisher häufig vernachlässigter Komplex, zumindest was eine Analyse dieses Komplexes betrifft.
In dem Redebeitrag von Herrn Eckel ist deutlich geworden, welche Beziehung zwischen Kultur und Arbeit existiert. Unserer Auffassung nach sollte hinter der Botschaft „Kultur schafft Arbeit“ kein Fragezeichen, sondern ein Ausrufezeichen stehen.
Dieser Komplex soll nun tiefgründig analysiert werden. Das unterstützen wir auch. Wir werden diesen Antrag direkt annehmen. Der Grundsatz dieses Antrages ist,
daß die Landesregierung die Ausschüsse über den Kulturbericht unterrichten soll. Wie Herr Dr. Harms sagte, wäre er auch bereit, jederzeit zu Zwischenergebnissen in den Ausschüssen Stellung zu nehmen.
Ich will noch einen weiteren Grund dafür anführen, daß die PDS-Fraktion diesen Antrag direkt annimmt. Wir betrachten diesen Antrag auch als eine ergänzende Erhebung zu dem von uns geforderten Landeskulturkonzept, das derzeit in den Ausschüssen beraten wird. Der Bereich Kulturwirtschaft wurde in der Vergangenheit wenig analysiert und wenig auf Entwicklungspotentiale hin überprüft. Da es in Zukunft auch in diesem Bereich konzeptioneller Vorstellungen bedarf, ist eine Erhebung in der genannten Berichtsform unserer Meinung nach sehr dienlich und auch wünschenswert.
Der Bericht könnte auch ein guter Einstieg in eine generelle Debatte über zukünftige Konzeptionen in der Kulturlandschaft sein. In jedem Fall aber ist er eine Voraussetzung, um zukünftig den Bereich der Kulturwirtschaft tiefgründiger bearbeiten zu können.
Vielen Dank. - Von der DVU-FL-Fraktion ist ein Redebeitrag nicht angemeldet worden. - Es bleibt offensichtlich dabei. Für die SPD-Fraktion spricht dann der Abgeordnete Herr Zeidler.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kürzlich war in der „Mitteldeutschen Zeitung“ zu lesen, daß sich amerikanische Investoren nach Aussage von Michael Polt, dem Gesandten an der amerikanischen Botschaft in der Bundesrepublik, bei der Standortwahl eines Unternehmens in der Regel drei Fragen vorlegen: Erstens. Kann ich Geld verdienen? Zweitens. Wie sind die Auswahlchancen des Geschäftes? Drittens. Wie geht es mir dort, und welche kulturellen Einrichtungen werden für meine Familie geboten?
Während Polt für Sachsen-Anhalt die ersten beiden Fragen positiv beantwortete, fiel sein Ja in bezug auf das kulturelle Umfeld, das heißt die weichen Standortfaktoren, deutlich zögernder aus. Auf kulturellem Gebiet und bei dem Vermarkten des Standortes sollte laut Polt das Image Sachsen-Anhalts noch viel mehr unterstrichen werden, und es sollte noch viel mehr dafür getan werden, daß es deutlich wird.
Das Thema ist nicht neu. Die Hinweise auf die Wechselbeziehungen zwischen Kultur, Wirtschaft und Arbeit, dem weichen Standortfaktor Kultur und dem Wachstumssektor Kulturwirtschaft sind zahlreich und befinden sich seit spätestens Anfang der 80er Jahre auf der kulturpolitischen Agenda.
Lassen Sie mich einige Zahlen zur Kulturwirtschaft nennen, um die beeindruckende Bilanz dieses Sektors und die Grundannahmen der Wechselbeziehungen zwischen Kultur und Wirtschaft zu verdeutlichen.
Zunächst einmal gilt die alte kulturökonomische Faustregel, daß jede öffentliche Kulturmark 1,40 DM in die Stadt zurückbringt. Im einzelnen heißt das: Das Kulturpersonal bringt Steuern, der Kulturbesucher Umsatz, das Kulturumfeld Standortvorteile und das Kulturklima Kreativität. Wichtig ist also: Die öffentlich geförderte Kultur zählt zur Kulturwirtschaft, da sie die grundlegenden Vorleistungen und Vorprodukte schafft, die der Kultur
Während sich das Kultursponsoring im Verhältnis zu den Ausgaben der öffentlichen Hand noch bescheiden ausnimmt - es stehen etwa 500 Milliarden DM 16 Milliarden DM gegenüber -, kann sich die Leistungsbilanz der Kulturwirtschaft durchaus sehen lassen.
Lassen Sie mich einige Angaben zu Nordrhein-Westfalen machen. In den Jahren 1991/92 verzeichnete die Kulturwirtschaft in Nordrhein-Westfalen einen Umsatz von 46 Milliarden DM. Die Kulturwirtschaft hatte damit einen Anteil von 3,7 % an der gesamten Wirtschaft Nordrhein-Westfalens. Im Jahr 1996 beliefen sich die Umsätze bereits auf knapp 70 Milliarden DM und im Jahr 1999 auf 85 Milliarden DM.
Verdeutlichen wir uns: Ein Land wie Nordrhein-Westfalen, das in der jüngsten Geschichte eher mit dem Bild einer Industrie- denn einer Kulturregion verknüpft wurde, setzt in seinem Strukturwandel verstärkt auf die Entwicklung von kulturellen Akzenten und die Einbindung kulturwirtschaftlicher Prozesse. Die Umwandlung von Industriebrachen in Kulturlandschaften - ich erinnere nur an den Emscher-Park - sei hier exemplarisch ebenso genannt wie die Regionalisierung der Kulturpolitik.
Wenn die Möglichkeiten und Potentiale der Kulturwirtschaft für Sachsen-Anhalt bis dato nicht in dem möglichen und nötigen Umfang ausgeschöpft wurden, dann mag das unter anderem auf die folgenden Gründe zurückzuführen sein: