Protocol of the Session on April 7, 2000

Nach Aussagen des Dehoga-Landesverbandes Sachsen-Anhalt sind im Bereich der Gastronomie die materiell-technischen Voraussetzungen für Behinderte nicht so optimal wie im Beherbergungsgewerbe. Auf bestehende kleine Hotels und Gaststätten darf jedoch kein Zwang zur Nachrüstung ausgeübt werden, da diese Maßnahmen oft sehr kostenintensiv sind. Ein Idealzustand wäre zwar wünschenswert, ist aber immer auch eine Kostenfrage.

Es ist auch für uns in der CDU-Fraktion ein selbstverständliches Anliegen, allen und gerade behinderten Menschen die uneingeschränkte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in allen Bereichen zu ermöglichen. Wir sollten aber auch darauf achten, daß nicht dadurch kleine Unternehmen aufgrund zu hoher finanzieller Belastungen in ihrer Existenz gefährdet werden.

Der Dehoga stellt weiterhin fest, daß bei der Errichtung neuer Existenzen den Anforderungen Behinderter immer mehr Rechnung getragen wird. Daher wäre ein stufenweises Herangehen bei der Ausrüstung neuer Beherbergungsstätten für den barrierefreien Tourismus aus unserer Sicht sinnvoll.

Es sollte des weiteren darüber nachgedacht werden, inwieweit eine Harmonisierung der Mehrwertsteuer im Hotel- und Gaststättengewerbe dazu beitragen könnte, Deutschland innerhalb der EU zu einem attraktiven und konkurrenzfähigen Tourismusstandort zu entwickeln.

Eine weitere Konkretisierung der Schwerpunkte für die Berichterstattung sollte im federführenden Ausschuß für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten erfolgen. Die CDU-Fraktion stimmt einer Überweisung des Antrages in die betreffenden Ausschüsse zu.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Krause, PDS)

Wie ich bereits vorhin sagte, hat die Fraktion der DVU-FL auf einen Redebeitrag verzichtet. - Für die PDS-Fraktion - auch wieder eine Mutation - nicht Herr Dr. Eckert, sondern Herr Kasten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es fällt mir jetzt leicht, dieses Thema abzurunden. Ich möchte folgendes unterstreichen:

Die Tourismusbranche ist eine Branche mit Beschäftigungswachstum mit zur Zeit ca. 280 Milliarden DM Umsatz in Deutschland. Das entspricht der hohen Aufmerksamkeit, die wir dieser Branche schenken sollten und

schenken. Aber wir haben, insbesondere im Deutschlandtourismus, natürlich auch Defizite.

Ich möchte erst einmal den großen Zusammenhang herstellen. Das betrifft das Thema der Verweildauer und die Auslastungsquote. Beide müssen deutlich erhöht werden. Diese Erhöhung ist durchaus mit den Angeboten bzw. mit der Beseitigung der Defizite in diesem Sektor, über den wir heute sprechen, möglich.

Dabei muß man feststellen: Rund 57 Milliarden DM beträgt zur Zeit das Defizit, wenn man die Summe, die die Deutschen im Ausland ausgeben, mit der Summe, die über den Tourismus im Inland eingenommen wird, vergleicht. Das heißt, es ist durchaus möglich, mit Hilfe dieses Bereiches auch einen Teil des Defizits abzubauen. Das würde letztlich auch Arbeitsplätze schaffen. Wenn Sie die Summe von rund 57 Milliarden DM allein auf Arbeitsplätze umrechnen würden, wären das ungefähr 500 000 Arbeitsplätze.

Was wir dazu brauchen, sind Angebote, die sowohl Natur und Landschaft als auch Kultur umfassen. Ein in irgendeiner Weise behinderter Mensch möchte nicht einen speziellen Sektor, sondern er hat genau dieselben Ansprüche und möchte einen Urlaub so erleben, wie es ihm möglich ist. Daher müssen wir das Spektrum der Angebote dementsprechend zuschneiden.

Wir brauchen also insbesondere - das wäre wichtig - Zusatzinformationen und die durchgängige Nutzung der schon in unserem Land existierenden Angebote; denn barrierefreier Tourismus ist gleich altersgerechter Tourismus. Das ist vorhin bei Frau Kachel und insbesondere bei Frau Mewald nochmals angeklungen. Das sollte man deutlich sagen. Die demographischen Änderungen sind ja durchaus jedem bekannt.

Diesen Part, die geeigneten Rahmenbedingungen zu gestalten, hat auch das Land, Herr Minister. Insbesondere im Bereich möglicher Förderungen kann das Land die Entwicklung aktiv mitgestalten. Dieser Sektor ist ausbaufähig, insbesondere wenn wir Investitionen, Neuinvestitionen oder ergänzende Investitionen gleich unter diesem Aspekt strukturieren und dann auch umsetzen. Das ist aus unserer Sicht auch eine Möglichkeit, mittelfristig Wettbewerbsvorteile im touristischen Bereich für unser Land zu erlangen.

Wir denken, daß wir über den Antrag auf Berichterstattung direkt abstimmen können, Frau Mewald, und eine Überweisung nicht notwendig ist. Der federführende Ausschuß ist genannt worden.

Wir danken für die Unterstützung bzw. für die ergänzenden Ausführungen insbesondere von Herrn Gabriel, Frau Kachel und Frau Mewald zu diesem Thema. Ich denke, es wird eine sehr interessante und sachgerechte Diskussion im federführenden Ausschuß und in den mitberatenden Ausschüssen werden. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich im Namen des Präsidiums, also in eigener Sache, eine Bitte an die Fraktionen richten. Sollte aus irgendwelchen Gründen ein anderer Redner oder eine andere Rednerin, als uns mitgeteilt wurde, für die Fraktion sprechen, ersparen Sie uns bitte die Peinlichkeit, einen anderen

aufzurufen als den, der dann erscheint. Ich hoffe, das ist angekommen.

Nun kommen wir zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/2937. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen und einer Reihe von Enthaltungen wurde dem Antrag gefolgt. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 22 bewältigt.

Meine Damen und Herren! Wie vereinbart, setzen wir unsere Beratung mit dem Tagesordnungspunkt 17 fort:

Beratung

Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/2918

Der Antrag wird von der Abgeordneten Frau Dr. Sitte eingebracht. Bitte schön.

Danke schön. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Daten des von der Bundesregierung im Dezember 1999 vorgelegten 13. Berichts nach § 35 BAföG - Sie können das in der Bundestagsdrucksache 14/1927 vom 4. Januar 2000 finden - sind aus unserer Sicht besorgniserregend.

Die Quote der nach dem BAföG geförderten Studierenden hat im Jahr 1998 erneut einen historischen Tiefpunkt erreicht. Nur noch 12,6 % aller Studentinnen und Studenten erhalten überhaupt noch Leistungen nach dem BAföG. Der durchschnittliche Förderbetrag lag nur noch bei 637 DM in den alten und bei völlig ungerechtfertigten 549 DM in den neuen Bundesländern. Auch die absolute Zahl der nach dem BAföG Geförderten sank im Jahr 1998 weiter auf mittlerweile 225 000.

Die studentische Ausbildungsförderung ist in den Jahren der CDU-FDP-Koalition quasi ausgespart worden. Erhielten zu Beginn der 70er Jahre noch 40 % der Studierenden Bafög, so sind es heute eben nur noch knapp 13 %. 30 Jahre Bafög stehen im Widerspruch zu dem Grundanspruch des Gesetzes aus dem Jahr 1971 auf ein kontinuierlich steigendes Bildungs- und Sozialniveau.

Nach Angaben der 15. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes studieren heute nur noch acht von 100 Kindern aus einkommensschwachen Familien, während es bei einkommensstarken Familien 72 von 100 sind. Dabei muß allerdings in Rechnung gestellt werden, daß die Zahl der einkommensschwächeren Familien stetig zunimmt.

Der finanzielle Gesamtaufwand für das Bafög betrug im Jahr 1998 nur noch 1,653 Milliarden DM, wovon der Bund 1,074 Milliarden DM zu tragen hatte, also nur noch fast die Hälfte dessen, was im Jahr 1992 aufgewandt werden mußte.

Neben der über Jahrzehnte nur unzureichend und verspätet erfolgten Anpassung von Freibeträgen und Bedarfssätzen haben zahlreiche Gesetzesänderungen zu massiven Einschränkungen der Ausbildungsförderung geführt. So wurde bereits im Jahr 1974 von der grundsätzlichen Ausbildungsförderung durch Zuschuß abgerückt und ein Darlehensanteil eingeführt, der seit dem Jahr 1990 immerhin 50 % beträgt.

Wenn die Bundesregierung nunmehr im Januar ankündigte, anstelle der dringend erforderlichen Strukturreform

der Ausbildungsförderung eine abermalige Reparaturnovelle vorzubereiten, so muß sie sich schon den Vorwurf eines gebrochenen Wahlversprechens gegenüber 1,6 Millionen Studentinnen und Studenten gefallen lassen.

Fast anderthalb Jahre nach der Bundestagswahl leistet die Koalition damit eigentlich einen Offenbarungseid, indem sie eingestehen muß, daß ursprüngliche Ziele zur Realisierung des Rechts auf Bildung und zur Durchsetzung von Chancengleichheit im Bildungssystem aufgegeben werden sollen.

Mit dem bildungspolitischen Druck der studentischen Protestbewegung der Jahre 1997 und 1998 im Rücken hatten SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN die Forderung nach einer strukturellen Reform der Ausbildungsförderung in ihre Koalitionsvereinbarung aufgenommen. Seit dem Herbst 1998 hat die neue Bundesregierung die Chance, endlich eine seit Jahren von zahlreichen bildungspolitischen Akteuren getragene Reformdebatte mit zahlreichen konkreten Vorstellungen voranzutreiben.

Neben anderen politischen Kräften hat sich auch die PDS an dieser Reformdebatte beteiligt und favorisiert ein Modell, bei dem entsprechend den Vorschlägen des Deutschen Studentenwerkes alle ausbildungsbedingten direkten und indirekten Sozialtransfers zu einem Sockelbetrag von monatlich 500 DM gebündelt werden, der an die Studierenden direkt ausgezahlt wird, wie ihn übrigens auch andere Modelle anstreben.

Dieser Sockel wird bis zur Höhe des studentischen Durchschnittsbedarfs - nach Berechnungen des Deutschen Studentenwerkes sind es zur Zeit ungefähr 1 270 DM monatlich - aufgestockt. Kinder von Eltern mit durchschnittlichem und unterdurchschnittlichem Einkommen erhalten diesen Aufstockungsbetrag in voller Höhe als staatlichen Zuschuß ohne Rückzahlungspflicht. Studierende mit überdurchschnittlichem Elterneinkommen haben ebenfalls Anspruch auf eine volle Aufstockung des Sockelbetrages, die ihnen aber je nach Elterneinkommen ganz oder teilweise als unverzinsliches Darlehen gewährt wird.

Mittel- bis langfristig strebt die PDS, wie Sie wissen, jedoch eine soziale Grundsicherung für alle Bürgerinnen und Bürger an. Studierende sollen einen Anspruch auf ein eltern- und partnerunabhängiges Stipendium erhalten, dessen Höhe die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Die Rückzahlungspflicht würde vollständig abgeschafft. Doch das ist - das wissen wir - Zukunftsmusik. Deshalb wollen wir an dieser Stelle mit diesen Forderungen auch niemanden überfordern.

Daß der Kanzler mit einem Machtwort diese jahrelange Reformdebatte abgebrochen hat, soll aus unserer Sicht nicht unwidersprochen hingenommen werden, und dabei geht es uns nicht einmal um die Durchsetzung eines PDS-Modells. Jetzt soll das alte Bafög-System mit Geld und einigen Zugaben geliftet werden, aber die Strukturen bleiben die alten. Die Studierenden werden weiterhin entgegen allen Ankündigungen kein elternunabhängiges Bafög bekommen.

Aus nahezu allen Parteien gibt es demzufolge auf der Ebene des Bundestages entsprechende Reaktionen in Gestalt diverser Anträge. Zunächst hat am Montag eine Anhörung stattgefunden, die den Druck auf die Bundesregierung hinsichtlich einer Strukturreform quasi schon verstärkt hat. Auch dort sind diese Positionen von den 25 Anzuhörenden geteilt worden.

Die an dieser Stelle heute schon debattierte Große Anfrage zu den Hochschulen und zur Hochschulentwicklung in Sachsen-Anhalt scheint diese Position zu unterstützten, wenngleich an den Zahlen noch einiges interpretierbar ist.

Bemerkenswert ist, daß im Jahr 1998 gegenüber 1997 beispielsweise ein statistisch deutlich darstellbarer Anstieg der bis zur Abschlußprüfung nötigen Zahl von Semestern eingetreten ist. Ob dieser Anstieg ein Trend ist, wird man erst aufgrund der weiteren Erhebungen in den Folgejahren sehen können. Wenn es so ist, dann muß die Hochschulpolitik vor allem auf Bundesebene Konsequenzen ziehen.

Immerhin - so zeigen es uns jedenfalls die Erfahrungen - hat das eindeutig mit sozialen und studienorganisatorischen Rahmenbedingungen zu tun, und es ist fraglich, ob sich die durchgreifende Regelung des Landeshochschulgesetzes zur Zwangsexmatrikulation quasi zeitversetzt ausgewirkt hat. Nicht zuletzt haben die Erhebung von Praktikumsgebühren in ausgewählten Studiengängen und andere allgemein wachsende Ausgaben und Gebühren durch die Hochschulen zusätzlich verschärfend gewirkt, soweit es die Rahmenbedingungen anbetrifft.

Wir meinen also, daß es Sinn macht, auch aus SachsenAnhalt ein klares Signal nach Berlin zu senden, und bitten Sie daher um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Zu diesem Tagesordnungspunkt ist im Ältestenrat eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Vorher spricht allerdings der Kultusminister Herr Dr. Harms. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Dr. Sitte, die Landesregierung setzt sich im Bund selbstverständlich beständig für vernünftige Lösungen ein und beteiligt sich an allen Diskussionen über landesrelevante Themen mit oder ohne freundliche Aufforderung des Landtages.

Aber zur Sache: Sie haben recht, die Bundesregierung ist in der Pflicht, einen Vorschlag zur BAföG-Reform vorzulegen. Frau Ministerin Bulmahn arbeitet ja auch unter großer öffentlicher Beteiligung an dieser Angelegenheit. Sie hat dabei unsere volle Unterstützung. Es geht dabei - das muß man an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen - um eine wirkliche Verbesserung der sozialen Situation der Studierenden, und das ist nach 16 Jahren unter Kanzler Kohl auch bitter nötig.

Wenn ich heute den damaligen „Zukunftsminister“ Rüttgers oder seinen Vorgänger Herrn Möllemann reden höre, der ja gerade eine Investinitiative gestartet hat, dann sind diejenigen, die das damals zu verantworten hatten, sicherlich auch danach zu fragen, warum der Staat im Jahr 1998 genauso viel für Bafög ausgegeben hat wie vor 20 Jahren, nur eben bei der doppelten Zahl von Studierenden.