Protocol of the Session on July 4, 2019

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich unterbreche unsere Aktuelle Stunde an dieser Stelle und gebe Ihnen das Ergebnis des ersten Wahlgangs der Nachwahl eines Sachverständigen des Medienrates der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien bekannt.

Abgegeben wurden 122 Stimmscheine. Ungültig waren 22 Stimmscheine.

Es wurde folgendermaßen abgestimmt: Dr. Fabian Magerl 83 Stimmen, Herr Prof. Dr. Arend Flemming 2 Stimmen, Torsten Tannenberg keine Stimme, Marko Suchy 4 Stimmen, René Falkner 2 Stimmen, Michael Hiller 1 Stimme, Prof. Dr. Hubertus Gersdorf 7 Stimmen, Dr. Katja

Henschler 1 Stimme.

Ich erinnere noch einmal daran, die erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln hätte bei 84 Stimmen gelegen. Da kein Kandidat die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht hat, wird ein weiterer Wahlgang erforderlich. Den werden wir jetzt gleich in Angriff nehmen.

Ich darf Ihnen eine Veränderung in der Wahlkommission bekannt geben. Anstelle von Herrn Sodann, Fraktion DIE LINKE, wird Herr Böhme fungieren.

Ich bitte nun den Leiter unserer Wahlkommission, Thomas Colditz, seines Amtes zu walten, und zwar in der

Art und Weise, wie Sie es immer wieder erlebt haben. Bitte.

Meine Damen und Herren! Das Verfahren ist das gleiche wie vorhin. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass Sie eine Stimme haben und auch nur ein Kreuzchen setzen sollten, sonst sind die Zettel ungültig. Bitte, achten Sie darauf.

(Namensaufruf – Wahlhandlung)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, befindet sich jemand im Saal, der noch nicht aufgerufen worden ist?

Ich schließe die Wahlhandlung und bitte die Wahlkommission, das Ergebnis festzustellen. Ich schlage Ihnen wiederum vor, dass die Wahlkommission die Auszählung außerhalb des Plenarsaals im Saal 2 vornimmt und wir in der Zwischenzeit mit der zweiten Aktuellen Debatte fortfahren. Nach Feststellung des Ergebnisses durch die Wahlkommission wird dieser Tagesordnungspunkt erneut aufgerufen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Zweite Aktuelle Debatte

Ist die Freiheit der Kunst eine Einbahnstraße?

Antrag der Fraktion AfD

Als Antragstellerin hat zunächst die AfD-Fraktion das Wort. Es ergreift Frau Kollegin Wilke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Ist die Freiheit der Kunst eine Einbahnstraße?“ – das ist das Thema dieser Debatte. Dabei geht es nicht um Vorschriften oder Führungsansprüche. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Freiheit des Diskurses, nicht nur auf dem Feld von Kunst und Kultur, sondern überall, denn ohne Freiheit ist alles nichts. Ohne Freiheit gibt es keinen technischen, keinen gesellschaftlichen und auch keinen kulturellen Fortschritt. Das ist keine gewagte Behauptung, sondern es wird tagtäglich von der Realität bestätigt – ob es die Feinstaubgrenzwerte sind, eine an der Vernunft orientierte Energieproduktion oder eben auch die Vorgänge um die Leipziger Jahresausstellung.

Da wird von Künstlern auf freiwillige und demokratische Art eine Auswahl von Künstlern und Bildern zusammengestellt – und schon beginnt das Chaos, weil der Vorstandsvorsitzende des Vereins der Leipziger Jahresausstellung mit Protesten überschüttet wurde, die sich gegen den AfD-freundlichen Maler Axel Krause richteten. Zunächst wurde deshalb die ganze Ausstellung abgesagt, dann erneut zum Leben erweckt, nun aber ohne den bekannten Künstler. Eine Provinzposse ohne Beispiel rauschte durch den Blätterwald.

„Die Bilder von Axel Krause sind unverfänglich und haben nichts mit Politik zu tun, aber ich glaube, das interessiert nicht.“

Mit diesen Worten brachte Rainer Schade im Deutschlandfunk ein bundesweit einmaliges Ereignis auf den Punkt: den Protest gegen die Teilnahme des Malers Axel Krause an einer Ausstellung, zu der er demokratisch legitimiert wurde, was unser Debattenthema förmlich herausforderte.

„Wir können nicht die Gesinnung unserer Künstler recherchieren, um zu schauen, ob sie ausstellungswürdig sind“, sagte Schade der „Süddeutschen Zeitung“. Die demokratische Abstimmung unter den Mitgliedern ergab, dass unter den 36 Künstlern im Jahr 2019 auch Krause sein soll. Doch genau das wurde zum Problem, hatte Krause doch gewagt, in einem Facebook-Statement die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu kritisieren, ebenso die einengenden Meinungskorridore, die ihn an DDR-Zeiten erinnerten. Ich zitiere: „Ich halte die illegale Masseneinwanderung für einen großen Fehler und die AfD für ein notwendiges Korrektiv im maroden Politikbetrieb.“

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Zudem sitzt der Maler im Kuratorium der AfD-nahen Erasmus-Stiftung.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Für Schade war das kein Problem. Man stelle nicht die AfD und ihre Meinung, sondern Bilder aus. Für manche Künstler und Galeristen wurde es gleichwohl zum Problem. Beispielsweise für den Galeristen Jochen Hempel, der zu Protokoll gab: „De facto hätte es Axel Krause als künstlerische Position für die Ausstellung nicht gebraucht. Das Problem ist und bleibt, dass eine einfache Mehrheit der Jury für ihn gestimmt hat. Das war und ist eine deutliche Provokation...“

Dieses Demokratieverständnis rief nicht etwa einen Sturm der Entrüstung hervor, sondern wurde im Gegenteil von anderen Künstlern bekräftigt, so von Daniel Krüger, der im Deutschlandfunk eine Trennung von Werk und Künstler für nicht haltbar hielt, denn, „… wenn man sich im Vorfeld politisch äußert, ist auch immer das Kunstwerk so rezipiert“. Von wem das Kunstwerk „so rezipiert“ sei, verriet er nicht. Die bekannte Amadeu-Antonio-Stiftung konnte sich des folgenden Satzes nicht enthalten: „Dass es gerade auch Ausdruck der Meinungsfreiheit sein kann, Krause und Co. kein Podium zu bieten, hätte früh in Betracht gezogen werden müssen.“

Das ist kein Witz, sondern transportiert die Diskussion zur Berliner Emil-Nolde-Ausstellung, wonach es inzwischen gute und böse, nämlich einerseits ideologisch richtige und andererseits nationalsozialistische Blumen gebe.

In solch einer artifiziellen Gegenwart huldigt man der Ansicht, dass Ideologie der Ästhetik übergeordnet ist. An diesem Beispiel wird deutlich, dass nicht die Gesellschaft das Zepter gegen unliebsame Querulanten aus den eigenen Reihen in der Hand hält, sondern die dem Zeitgeist huldigende Kunstschickeria. Dazu in der zweiten Runde mehr.

(Beifall bei der AfD)

Die Aktuelle Debatte wurde von der einbringenden AfD-Fraktion, von Frau Kollegin Wilke, eröffnet. Jetzt geht es weiter mit Frau Kollegin Fiedler. Sie spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kunstkritiker Hanno Rauterberg hat ein Buch geschrieben über die Freiheit der Kunst. Er sagte zu Artikel 5 unseres Grundgesetzes – ich zitiere –: „Artikel 5 bleibt unbegründet. Warum und wozu die Kunst frei ist, wird nicht gesagt. Deswegen darf man

schlussfolgern, dass sie deshalb frei ist, damit ihre Freiheit unbestimmt ist. Und unbestimmt bleibt die Freiheit der Kunst, damit wir frei über die Bedeutung dieser freien Kunst befinden können. Man könnte zugespitzt sagen: Die Kunst ist frei, damit wir frei sind.“

Die Kunst ist frei, damit wir frei sind. Das ist der entscheidende Satz. Die AfD-Fraktion kann hier noch so viele Beispiele liefern, wie sie möchte, und kann aufzeigen, wo Kunst an ihre Grenzen geraten ist, wo sie Grenzen überschritten hat, wo der Rechtsstaat Urteile gefällt hat. Aber es bleibt dabei: Die Kunst ist frei, damit wir frei sein können.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Jedes Abweichen von diesem Grundsatz nimmt uns ein Stück unserer eigenen Freiheit. Kunstfreiheit ist nicht schrankenlos. Die Bundesregierung hat dafür in einer Anfrage von Januar 2018 klare Worte gefunden. Sie findet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ihre Grenzen unmittelbar in anderen Bestimmungen der Verfassung. Bei einem Konflikt von Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit ist dem durch eine umfassende Abwägung Rechnung zu tragen, die alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigen.

Diese Abwägung nimmt nicht die AfD-Fraktion nach politisch eingrenzbaren Kriterien vor, sondern unabhängige Gerichte. Die Freiheit der Kunst ist seit der Weimarer Verfassung Grundmaxime unserer demokratischen Kulturpolitik.

Zwei Diktaturen haben uns mehr als schmerzlich gezeigt, was politische Beeinflussung der Kunst, was Verbote, Verfolgung oder Einschüchterung für verheerende Folgen haben. Deshalb ist die Freiheit der Kunst ein elementares Beispiel für Demokratie. Unsere Kulturministerin Monika Grütters hat es einmal wie folgt beschrieben – ich zitiere: „Gerade weil Künstlerinnen und Künstler nicht gefällig sein müssen, gerade weil sie irritieren und provozieren, beleben sie den demokratischen Diskurs und sind so imstande, unsere Gesellschaft vor gefährlicher Lethargie und damit auch vor neuerlichen totalitären Anwandlungen zu bewahren.“

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Kultur wird weiter Stellung nehmen gegen Rassismus, gegen Menschenverachtung, gegen Einschüchterung und gegen Ausgrenzung. Sie wird sich weiter einmischen, widersprechen und Farbe bekennen und nicht bevormunden lassen. Sie wird weiter Position beziehen, hat keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen, es wird mehr Farben geben als Schwarz und Weiß und mehr Worte als Gut und Böse.

Natürlich gab es auch schon Beiträge, die mich irritiert haben, die mich aufgeregt haben, die mich wütend gemacht haben, die mich an meine Grenzen gebracht haben. Aber genau das ist Kunst, weil wir Sichtweisen einnehmen müssen, die wir sonst nicht einnehmen würden.

Es gibt keinen Konsens über Geschmack und Befindlichkeiten, es gibt nur einen Konsens und der heißt Grundgesetz, und dieses gibt die Grenzen vor – keine Politik und keine Ideologie.

Die AfD führt diese Debatte ideologisch. Wer die Mittel für die Musikfestspiele, für musikalische Bildung, unsere Filmfestivals wörtlich als „Geldverschwendung“ bezeichnet – so nachzulesen im AfD-Antrag zum Haushalt – und wer in seinem Wahlprogramm schreibt – ich zitiere –: „Wir wenden uns allerdings gegen ein vorrangig politisch motiviertes, propagandahaft-erzieherisches Musik- und Sprechtheater“ –, der geht zum einen nicht ins Theater und hat zum anderen seine Maske bereits fallen gelassen.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Michael Schindhelm, der jetzt für die Bewerbung der Kulturhauptstadt in Dresden verantwortlich ist, der zuvor unter anderem in Ostberlin, Gera, Basel, Dubai war und jetzt in Dresden lebt, hat einmal gesagt: „Kultur ist ein Instrument, Unterschiede zu verdeutlichen, damit sie sichtbarer und nachvollziehbarer werden. Im Medium der Kultur können wir uns gegenseitig von uns erzählen und gleichzeitig Wege finden, diese Differenzen zu überwinden.“

Dafür müssen wir der Kultur und Kunst ihre Freiheit lassen, und sie braucht diese Freiheit, um genau das zu tun – ohne AfD, Straßen- oder Stoppschilder.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Als Nächster ergreift Kollege Sodann das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! AfD! Man kann es, glaube ich, in der heutigen Debatte nicht oft genug wiederholen: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“ – Artikel 5 Abs. 3 Grundgesetz. Soll heißen: Kunst und Kultur bestimmen ihre Inhalte selbst. Unsere Fraktion und ich werden alles in unseren Kräften Stehende dafür tun, dass dieses auch so bleibt.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)