Protocol of the Session on July 4, 2019

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir stellen uns schützend vor das Grundgesetz, schützend vor die Künstlerinnen und Künstler – Kulturschaffenden dieses Landes –, in ihrem Anspruch frei, plural und offen in ihrem Wirken zu sein.

Diese von Ihnen angesetzte Debatte ist ein weiterer Versuch, Unsicherheit, Angst im Kunst- und Kulturbetrieb zu erzeugen. Sie verfolgen damit eine ganz klare politische Strategie: sich selbst als ungehörtes Opfer zu stilisieren und in der Folge Gerechtigkeit für sich einzufordern. Sie fühlen sich umzingelt von einem linksliberalen Milieu im Kunst- und Kulturbereich, und ich sage Ihnen: Ihre Meinungen und Ansichten finden im Kunst- und Kultur

diskurs zu Recht nicht statt, denn da ist kein Platz für reaktionäres, nationalistisches, völkisches Denken!

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Holger Mann, SPD)

Ihrem übergeordneten Ziel, das Rad der Geschichte zurückzustellen, steht die Vielfalt der Gedanken, die Toleranzfähigkeit, die Weltoffenheit, die Empathie in Kunst und Kultur und Soziokultur ganz einfach im Weg, und daher der Aufruf Ihres kulturpolitischen Sprechers im Bundestag – ich zitiere –: „... die Entsiffung des Kulturbetriebs in Angriff nehmen. Wir wollen die Stimmung im Land insgesamt drehen. Man müsse zunächst in die Zivilgesellschaft eindringen, die Grenzen des Sagbaren verschieben und rechte Positionen in der Öffentlichkeit normalisieren. Unser Ziel ist es, die Förderung politisch korrekter Projekte herunterzufahren.“

Sie wollen, mit anderen Worten, die Verschiebung des Diskurses – weg vom demokratischen, hin zum völkischnationalen.

(André Barth, AfD: Rechts muss nicht völkisch- national sein! Das ist eine Gleichsetzung!)

Genau das haben die Kultureinrichtungen erkannt und genau darum die „Erklärung der Vielen“ – welche wir als Fraktion in allen Punkten unterstützen.

(Beifall bei den LINKEN)

Kunst und Kultur sind frei. Sie haben das verfassungsgemäße Recht, kritisch am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen, und genau dieses Recht wollen Sie beschneiden. Sie wollen einengende Grenzen – ausgrenzen –, und alles, was nicht Ihrer Meinung ist, soll weg.

(André Barth, AfD: Nein, nur die Förderung!)

Sie verfolgen die Gewinnung der Deutungshoheit über Kunst und Kultur – gefördert wird nach Ihnen nur noch, was sich Volk und Nation verschrieben hat – und einen positiven deutschen Identitätsbeitritt.

(Jörg Urban, AfD: Einseitig links – das wollen Sie! Das haben Sie schon!)

Sie wollen bestimmen, was inhaltlich richtig und ästhetisch wertvoll ist. – Zitat Ihres kulturpolitischen Sprechers.

(André Barth, AfD: Wovon träumen Sie nachts?)

Es geht um eine Entideologisierung der Kulturpolitik, hin zur Förderung von echter Qualität und Talent. – Zitatende.

(André Barth, AfD: Genau!)

Was dann echte Qualität und Talent sind, definieren Sie!

(André Barth, AfD: Nein, das stimmt doch gar nicht!)

Und – das sage ich Ihnen – das erinnert schon sehr an die Zeit des Nationalsozialismus. Deren Ideologie wandte sich gegen die Moderne, gegen alles, was scheinbar entartet, undeutsch, dekadent, zu offen erschien.

(Zuruf des Abg. Carsten Hütter, AfD – Karin Wilke, AfD, steht am Mikrofon.)

Künstlerinnen und Künstler, welche nicht den politischästhetischen Vorstellungen entsprachen – ich erlaube keine Zwischenfrage! –, wurden verfolgt, vertrieben, ermordet, und das ist Ihre hässliche Fratze!

(André Barth, AfD: Das ist ja unglaublich!)

Sie wollen die Einbahnstraße, Sie sind verfassungsfeindlich!

(Beifall bei den LINKEN – André Barth, AfD: Unglaublich!)

Machen wir uns aber nichts vor, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Kunst- und Kulturschaffende des Landes, sondern erwidern wir die Kampfansage der AfD ebenso klar und deutlich mit dem Satz: Keine Toleranz für die Feinde der Kunstfreiheit – wehret den Anfängen!

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Simone Lang, SPD)

Meine restliche Redezeit würde ich gern noch verwenden – ich hatte, glaube ich, noch 46 Sekunden.

Es ist schon abgestellt worden.

Zählen Sie es bitte herunter, denn ich würde mich ganz gern für die tolle Zusammenarbeit bei Ihnen beiden, Frau Ministerin Dr. Stange und Frau Aline Fiedler, bedanken – für die Zusammenarbeit in meiner ersten Legislatur, die doch auf Augenhöhe geschah –, herzlichen Dank! Ich wünsche Ihnen beiden alles erdenklich Gute für die Zukunft – Ihnen für Ihren „Unruhestand“ und Ihnen in Ihrer neu gewonnenen Freiheit, zumindest erst einmal von der Politik. Vielen lieben Dank!

(Beifall bei den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Beifall bei der Staatsregierung)

Das war Herr Sodann, er sprach für die Fraktion DIE LINKE. Die letzten 40 Sekunden habe ich per Hand gestoppt.

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Wir fahren in der Rederunde fort. Als Nächstes spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Hanka Kliese.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es folgen drei Zitate: „Randständige Minderheitenprojekte“, „Entstellte Kunst“,

„Linksliberale Vielfalt-Ideologie“ – das sind Begriffe, mit denen die AfD unsere derzeitige Kulturlandschaft beschreibt. Auffällig dabei ist, dass Sie Ihren Kulturbegriff ausschließlich ex negativo definieren können. Eine positive Deutung Ihres Kulturbegriffes konnte ich in keiner Ihrer Verlautbarungen finden.

Ihre Programme sind schmal und eindimensional, Kulturpolitik bezieht sich bei Ihnen auf Denkmalschutz oder – man könnte es trivial zusammenfassen – irgendwas mit Heimat. Oder wie es Ihr eigener Referent Herr Hartung einmal zusammenfasste: Kulturpolitik wird in der AfD sekundär behandelt.

Fraglich ist, woher Sie Ihren Wissensbezug über unsere derzeitige Kulturlandschaft überhaupt haben, was Ihre Datenbasis ist. Wie wir im vorherigen Beitrag von Frau Wilke schon gehört haben, ist das ja doch sehr schmal. In Festivals, im Schauspiel, in der Oper, bei Vernissagen und beim Ballett – von Annaberg bis Zittau –, ich sehe Sie dort nie.

Frau Wilke sagte unlängst in einem Interview beim Deutschlandfunk, das sächsische Theater sei links. Frage Nummer eins: Woher wissen Sie das, wenn Sie nicht hingehen oder selten da sind – vor allem nicht bei den Stücken, die Ihnen eventuell nicht gefallen könnten?

Zweitens. Was ist für Sie überhaupt links? Was ist links für eine Partei, für die doch jedes Eintreten für Menschenrechte bereits unter Ideologieverdacht gerät.

Sie verkennen dabei vollkommen, eine Neutralitätspflicht in Fragen des Humanismus gibt es nicht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN – Beifall bei der Staatsregierung)

Wir verabschieden heute zwei wunderbare Frauen, die für einen humanistischen, weltoffenen Ansatz auf völlig unterschiedliche Weise stehen, Eva-Maria Stange und Aline Fiedler. Sie stehen beide für einen positiven Ansatz, Kunst zu fördern, ohne an sie einen inhaltlichideologischen Anspruch zu stellen und, auch wenn einem nicht immer alles persönlich gefällt und es nicht alles den eigenen Präferenzen entspricht, neugierig zu bleiben, sich alles anzusehen, von Wagners Ring bis zu den Stücken auf der Bürgerbühne, die von den Flüchtlingen gestaltet werden. Wir haben alles davon gesehen, vieles davon gemeinsam, das Stück über die syrischen Flüchtlinge und die Walküre von Wagner in Chemnitz. Es waren wunderbare Erlebnisse. Genau das macht Kulturpolitik aus, dass man sich öffnet, neugierig bleibt, keine Scheuklappen und Vorurteile hat und sich inspirieren und provozieren lässt.

Der Freistaat hat in seiner Kulturlandschaft von zwei enorm starken Frauen profitiert. Besonders hervorheben möchte ich den letzten Haushaltsplan, den sie gemeinsam gestaltet haben; denn sie haben nicht den Ansatz gehabt, nach mir die Sintflut, sondern nach mir die Sicherheit – nach mir die Sicherheit für die vielen tollen Akteure, die in unserem Freistaat Arbeit für die Kultur leisten, und das nicht um ihrer selbst willen, sondern für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Mit Aline Fiedler verlässt eine Kulturpolitikerin unseren Landtag, die ein unglaubliches Arbeitsethos und eine wahnsinnig hohe Fachkompetenz mitgebracht hat. Dass solche Leute den politischen Betrieb verlassen, gibt uns

auch zu denken über den Betrieb; denn sie legt damit auch Schieflagen im Politikgeschäft ziemlich deutlich offen.

Mit Eva-Maria geht eine Frau, die, bevor sie bei der GEW war – auch das wurde schon erzählt –, Mathematiklehrerin war. Wenn wir uns als Mathematiklehrerin und Schülerin kennen gelernt hätten, dann hätten wir wahrscheinlich nicht so viel Freude aneinander gehabt

(Heiterkeit bei der SPD, der CDU, den LINKEN, den GRÜNEN und der Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange)

und uns eher ab und zu zur Verzweiflung gebracht. Nun war Eva-Maria Stange meine Lehrerin in kulturpolitischen Fragen. Dabei waren die Erfolgsaussichten ein bisschen höher. Ich möchte ihr einfach unheimlich dafür danken, für all das, was ich bei ihr lernen konnte, in Sachen Durchsetzungsfähigkeit. Ihr unermüdlicher