Protocol of the Session on April 10, 2019

Viertens: Bei den Regelungen zu den demokratisch gewählten Gremien dachte ich ehrlicherweise, dass Sie Ihren Gesetzentwurf tatsächlich noch einmal nachbessern. Denn Sie verlagern die Entscheidung über alle wichtigen Fragen dorthin zurück. Das ist auch völlig richtig. Aber das grundsätzliche Problem der strukturellen Mehrheit der Professor(inn)enschaft bei allen Entscheidungen – also

nicht nur in Forschung und Lehre, wo wir es tatsächlich auch so sehen – sind Sie tatsächlich gar nicht angegangen. Von einer Parität bei Senat und Fakultätsrat, wie Sie sie fordern und bisher eigentlich immer begrüßt haben, haben Sie sich mit Ihrem Gesetzentwurf verabschiedet.

Ein letzter Punkt: Die Idee, das Gesetz im generischen Femininum zu verfassen, ist wirklich sehr innovativ. Allerdings dann bitte auch konsequent! In § 60, der die Berufungen von „Professor(inn)en“ regelt, heißt es in Abs. 1, dass die „Professor(inn)en vom Rektor“ berufen werden. Das könnte dann in der Praxis tatsächlich für große Konfusionen sorgen.

Ich möchte nochmals betonen, dass wir die Arbeit, die in Ihrem Gesetzentwurf steckt, wirklich zu würdigen wissen und in vielen Punkten auch inhaltlich nah bei Ihnen sind. Allerdings gibt es auch die genannten Schwächen und Widersprüche. Deswegen werden wir uns enthalten.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es spricht jetzt Frau Abg. Dr. Muster.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE träumt von einer neuen Gesellschaftsordnung und heute von einem neuen Hochschulfreiheitsgesetz. Für mich ist dieser Gesetzentwurf linke Anarchie. Die Staatsregierung konnte sich zu einer grundlegenden Reform des Hochschulfreiheitsgesetzes nicht durchringen. Wer aufmerksam den Koalitionsvertrag gelesen hat, konnte es schon daraus entnehmen. Tatsächlich kam es nur zu allernötigsten Änderungen.

Die LINKEN entwickelten in diesem Gesetzentwurf ein neues Gesellschaftsbild, und genau dieses Gesellschaftsbild, Herr Jalaß, lehnen ich und auch die Abgeordneten in der blauen Partei ab.

(Zurufe von den LINKEN)

Deshalb lehnen wir auch Ihren Gesetzentwurf ab. Unstreitig ist das Hochschulfreiheitsgesetz stark reformbedürftig. Nicht umsonst haben die Rektoren der Universitäten sehr ausgiebig eigene Änderungsvorschläge erarbeitet. Es ist mir aber unklar, warum die LINKEN nicht die Veröffentlichung dieser Vorschläge abgewartet haben, schließlich sind die Rektoren die Anwender und Hauptbetroffenen dieses Gesetzes. Für mich ist dieser Gesetzentwurf über weite Strecken pure Ideologie.

Hier ein paar Ziele, die die Abgeordneten der blauen Partei vollständig ablehnen.

Erstens: Abschaffung des Lehrstuhlprinzips, stattdessen kollegiale Zusammenarbeit.

Zweitens: Einführung der Zivilklausel, Fokussierung auf zivile Forschung. Herr Jalaß, mich würde ja mal interessieren, wie Sie dort die Abgrenzung machen und welche Kriterien Sie erarbeitet haben. Dazu haben Sie noch

nichts ausgeführt, dazu habe ich auch Ihrem Gesetzentwurf nichts, aber auch gar nichts entnommen. Das ist eine wichtige Frage.

Drittens: Schaffung des Amtes eines Friedensbeauftragten.

Viertens: Abschaffung aller Studiengebühren, auch für Zweitstudium und Langzeitstudenten.

Fünftens: Stärkung der studentischen Selbstverwaltung. Die Abschaffung der Austrittsmöglichkeit aus der Verfassten Studierendenschaft ist eines Ihrer Ziele.

Sechstens: Einführung des Promotionsrechts für Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Es wird Sie nicht wundern, auch das möchten wir nicht.

Siebentens: Verwendung einer gendergerechten Sprache. Diese Ziele lehnen wir rundweg ab. Aus Zeitgründen – als Juristin schmerzt mich das außerordentlich – werde ich jetzt nicht zur Verfassungswidrigkeit einiger Ihrer Punkte Ausführungen machen können.

Ich möchte nicht unterschlagen, dass der Gesetzentwurf auch Ziele nennt, die wir unterstützen: Hilfsangebote für leistungsschwache Studenten, Verbesserung der Hochschuldidaktik und Verringerung der befristeten Arbeitsverhältnisse im Mittelbau, das sind richtige Ziele. Die handwerklichen Fehler hat der Juristische Dienst in epischer Breite bereits dargestellt, und auch meine Kollegen haben darauf hingewiesen. Aus all diesen Gründen können wir Ihren Gesetzentwurf nur ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich jetzt Frau Staatsministerin Dr. Stange.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erneut liegt uns ein Gesetzentwurf zur Novellierung des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes vor. Ich möchte ausdrücklich den Oppositionsfraktionen danken, dass sie sich in dieser Legislaturperiode erneut sehr intensiv mit dem wichtigsten gesetzlichen Rahmen für unsere Hochschulen auseinandergesetzt haben. In mehreren Expertenanhörungen – schon das war es wert – wurden Anregungen und Hinweise zur Weiterentwicklung der hochschulgesetzlichen Regelungen

gegeben. Auch das SMWK, die Landesrektorenkonferenz und die Konferenz der Studierendenschaften haben sich auf meine Anregung hin mit Vorschlägen für eine Weiterentwicklung unseres bewährten Hochschulgesetzes auf den Weg gemacht.

Das aktuelle Hochschulfreiheitsgesetz wurde letztmalig, sieht man von der Einführung der sehr nützlichen TenureTrack-Professur ab, 2012 novelliert. Die wesentliche Grundlage dafür wurde allerdings 2008 mit der damaligen großen Novelle gelegt. Allein diese Novelle hat eine Zeit von vier Jahren beansprucht.

Allein daran sehen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, lieber Herr Jalaß, dass das Hochschulgesetz nicht nur Regelungen für die Studierenden enthalten muss, sondern sehr wohl auch die Balance halten muss zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Verantwortung für die Hochschulen auf der einen Seite und Selbstverwaltung und Demokratisierung innerhalb der Hochschulen auf der anderen Seite. Wir haben spätestens in der letzten Expertenanhörung gehört, dass es mindestens drei Gruppen gibt, die vollkommen unterschiedliche Vorstellungen – dabei rede ich nicht von Parteien, sondern von der inneren Demokratie der Hochschule – von der Weiterentwicklung und von ihren Aufgaben innerhalb der Hochschulen haben. Daher ist es in der Tat nicht trivial, ein Hochschulgesetz zu machen oder zu novellieren. Am Ende des Tages muss der Körper Hochschule in seiner Selbstverwaltung funktionieren, und das spreche ich Ihrem Gesetzentwurf ab. Ich könnte Ihnen ganz viele Beispiele dafür nennen.

Ich möchte zunächst noch einmal auf Ihre Überschrift eingehen – ich hatte das bereits an verschiedenen Stellen gesagt –: Gesetz zur Einführung der Selbstverwaltung der Hochschulen. Ich möchte deshalb aus dem § 6 unseres derzeit gültigen Hochschulgesetzes zitieren. Es ist versehen mit der Überschrift „Selbstverwaltung und Auftragsverwaltung“. In Abs. 1 heißt es: „Die Hochschulen haben das Recht der Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze. Sie unterliegen, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, bei der Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben der Rechtsaufsicht des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst“ – der Rechtsaufsicht und nicht der Fachaufsicht!

Das ist eines der wesentlichen Kennzeichen der Selbstverwaltung der Körperschaft Hochschule. 2008 wurden die Hochschulen mit mehr Eigenverantwortung und dieser Selbstverwaltung ausgestattet. Sie betrifft zum Beispiel eine der wesentlichen Aufgaben einer Hochschule, nämlich die eigenständige Regelung des Berufungsverfahrens, aber auch die Qualitätssicherung der Studiengänge, die eben nicht mehr von einem Ministerium abgesegnet wird, sondern für die die Hochschule selbst Qualitätssicherungsmechanismen entwickeln muss, des Weiteren die Umstellung auf Globalhaushalte mit einer deutlich höheren Flexibilität und übrigens einer geringeren Kompetenz des Paraments bei der Gestaltung der Hochschulen, aber auch die Einführung eines Drei-Stufen-Budgetierungsmodells des Hochschulentwicklungsplans, der Zuschussvereinbarung und der Zielvereinbarungen zwischen Hochschulen und Ministerien.

Erwähnen möchte ich auch die Experimentierklausel, die den Hochschulen begründete strukturelle Ausnahmen über die Grundordnung ermöglicht. Das gibt es nicht in allen Ländern und nicht in allen Hochschulgesetzen und ermöglicht den Hochschulen, zum Beispiel den Kunsthochschulen, aber auch der TU Dresden, davon Gebrauch zu machen und von bestimmten Strukturen abzuweichen. Ich komme darauf noch einmal zurück.

Es wurden Hochschulräte eingeführt, die von den Rektoraten in der Anhörung durchweg als positive Einrichtungen benannt wurden. Letztendlich sind viele staatliche Kompetenzen auf die Hochschulen übergegangen, was ihnen eine echte Selbstverwaltung ermöglich. Das Wissenschaftsministerium hat keine Fachaufsicht, sondern lediglich die Rechtsaufsicht. Das muss ich immer mal wieder betonen, auch bei Kleinen Anfragen der LINKEN. Insofern ist der Titel des vorgelegten Gesetzentwurfs auch irreführend. Denn statt einer Stärkung der Selbstverwaltung sollen die Hochschulen wieder stärker kontrolliert und reglementiert werden – bis an die Grenzen der grundgesetzlich verbrieften Freiheit von Forschung und Lehre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die Kritik des Juristischen Dienstes müsste dazu geführt haben, dass der seit zwei Jahren vorliegende Novellierungsvorschlag der LINKEN hätte geändert werden müssen. Ich hatte eigentlich für heute erwartet, dass es einen Änderungsantrag gibt. Den gibt es aber nicht. Also selbst diese Arbeit hat man sich nicht gemacht. Das erwarte ich schon, wenn es um die gesetzlichen Regelungen der Hochschulen geht. Gerade deshalb, weil man die Selbstverwaltung will, muss man bei der Gesetzeserarbeitung sehr genau sein.

Ich möchte nur einige Punkte aus Ihrem Gesetzesvorschlag herausgreifen. Die Aufhebung des Lehrstuhlprinzips ist ein tief greifender Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Hochschulen und es gibt keine nachvollziehbare Begründung dafür, das gesetzlich zu regeln. Denn die Hochschulen können es bereits heute auf der Grundlage des gültigen Hochschulgesetzes.

Die Einführung der Zivilklausel ist ein Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft. Das ist sogar schon ausgeklagt. Eine Selbstverpflichtung der Hochschulen bedarf eines Diskursprozesses an einer Hochschule, aber keiner staatlichen Reglementierung.

Teilzeitstudiengänge sind bereits heute auf der Grundlage des Hochschulgesetzes möglich, allerdings – da stimme ich Frau Maicher zu – stoßen sie an die kapazitiven Grenzen der Hochschulen. Das heißt, wenn wir die Hochschulen per Gesetz dazu verpflichten wollen, Teilzeitstudiengänge oder berufsbegleitende Studiengänge, die ich für noch viel sinnvoller halte, einzuführen und vorzuhalten, dann muss man auch so ehrlich sein und aufdecken, wie hoch die verbesserte Ausstattung der Hochschulen sein muss.

Sie fordern den Masterabschluss als Regelabschluss. Das ist eine klare Entwertung des Bachelors und würde eine ganze Reihe von Studierenden vor eine schwierige Entscheidung stellen. Ist das wirklich von den Studierenden gewollt, was Sie hier einfordern? Sollten nicht die Studierenden selbst entscheiden können, ob sie einen Masterabschluss überhaupt wollen? Was machen wir dann mit den zahlreichen Diplomabschlüssen? Die sind dadurch nämlich gar nicht erfasst.

Es gibt auch Punkte, denen ich gerne folge. Holger Mann hat auch einiges angeführt. Ich hatte ja gesagt: Auch unser Ministerium arbeitet – genauso wie die Landesrektoren

konferenz und die Studierendenschaft – daran, Vorschläge für eine Novellierung vorzulegen.

Die Einführung von Inklusionsbeauftragten: Ja, die UNBehindertenrechtskonvention ist unterzeichnet; Inklusionsbeauftragte wären eine sinnvolle Einrichtung. Die Stärkung der Rechte der Gleichstellungsbeauftragten: Ja, auch das sollte man gesetzlich nachjustieren. Der weitere Abbau von Zugangshürden für ein Erststudium: Ja, auch daran muss man arbeiten, denn Sachsen ist das Land, in dem die wenigsten jungen Menschen ohne eine klassische Hochschulzugangsberechtigung einen Weg zum Studium wählen. Die Abschaffung der Austrittsoption aus der Verfassten Studierendenschaft – darüber ist mehrfach diskutiert worden –: Ja, darüber muss man hier im Parlament sprechen. Die Aufhebung der automatischen Befristung bei Drittmittelstellen: Ja, auch das müsste geändert werden. Eine sensible Nachsteuerung der Kompetenzverteilung zwischen Senat und Hochschulrat beziehungsweise Rektorat: Ja, aber bitte keine Radikalreform eines funktionierenden Systems.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Maicher! Auch Ihre Partei befindet sich ab und zu in Koalitionen. Ich glaube, Sie wissen, dass man in einer Koalition ein Gesetz nur dann gemeinsam novellieren kann, wenn man sich auf die Inhalte dieser Novellierung gemeinsam verständigen kann. Von daher stehen meine Anregungen, die ich gerade ausgesprochen habe, nicht im Widerspruch dazu, dass wir bis jetzt nichts geändert haben. Ich denke, sicher wird auch die CDU-Fraktion Vorschläge zur Veränderung des Hochschulgesetzes haben. Darüber muss man sich dann verständigen, und zwar möglichst frühzeitig.

Deswegen haben wir Aufträge an die Landesrektorenkonferenz und an die Studierenden erteilt. Wir prüfen zurzeit gerade das Drei-Säulen-Modell – darüber habe ich berichtet –, insbesondere hinsichtlich des Prozesses der Erstellung der Zielvereinbarung. Wir wollen von anderen Bundesländern lernen. Auch die Rektoren haben momentan keinen Vorschlag, wie es gelingen kann, eine Zielvereinbarung konsensual herzustellen, ohne dass eine Hochschule zustimmt. Dazu brauchen wir einen klugen Gedanken, vielleicht auch aus dem Parlament.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Verwunderlich ist für mich, dass die Fraktion DIE LINKE aus der Anhörung keinerlei Schlussfolgerungen gezogen hat

(Beifall des Abg. Geert Mackenroth, CDU)

und den Gesetzentwurf nach zwei Jahren trotz dieser Anhörung unverändert wieder auf die Tagesordnung setzt.

(Zurufe der Abg. Sarah Buddeberg und Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Wozu dann eigentlich Expertenanhörungen?, frage ich mich. Prof. Hilmer hat als Rektor einer Fachhochschule ganz deutlich gemacht, dass er kein generelles Promotionsrecht befürwortet. Wenigstens das hätte man doch hören können, wenn man diese Anhörung schon möchte.

Ja, das Sächsische Hochschulfreiheitsgesetz muss einer Überprüfung und zeitgemäßen Anpassung unterzogen werden; das liegt in der Natur von Gesetzen. Ich habe es als meine Aufgabe angesehen, dafür fachliche Vorarbeiten im Ministerium und zusammen mit den wichtigsten betroffenen Gruppen durchzuführen.

Letztlich war es in dieser Legislaturperiode nicht möglich, eine Novellierung auf den Weg zu bringen – das nennt man auch Demokratie. Da nun aber über fünf Jahre hinweg viele Experten angehört wurden und Vorschläge für eine Novellierung auf dem Tisch liegen, kann man mit dieser Arbeit in der nächsten Legislaturperiode zeitnah beginnen, wenn es denn politisch gewollt ist.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)