Protocol of the Session on April 10, 2019

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Der heute vorliegende Antrag der LINKEN ist weder ausgereift, noch ist er wirklich konsensual mit den Hochschulen vereinbart. Ich lehne ihn deshalb ab und empfehle dies dem Parlament gleichermaßen.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Aufgerufen ist das „Gesetz zur Einführung der Selbstverwaltung der Hochschulen im Freistaat Sachsen“, ein Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. Wir stimmen über diesen Gesetzentwurf ab. Änderungsanträge liegen nicht vor.

Ich würde die beiden Artikel gleich zusammenfassen, wenn es keinen Widerspruch gibt. – Da dies nicht der Fall ist, beginne ich mit der Überschrift, danach folgen Artikel 1 Gesetz über die Selbstverwaltung der Hochschulen im Freistaat Sachsen und Artikel 2 Inkrafttreten, Außerkrafttreten. Wer diesen Artikeln und der Überschrift die Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe Stimmenthaltungen und eine Reihe von Stimmen dafür; dennoch sind die Artikel mit Mehrheit abgelehnt worden. Wird noch eine Gesamtabstimmung gewünscht?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Nein!)

Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt und Tagesordnungspunkt 3 abgeschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 4

Zweite Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Neuordnung der Schutzgebietsverwaltung im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/9993, Gesetzentwurf der Fraktionen

DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 6/17257, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE, danach folgen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, AfD und Herr Wild als fraktionsloser Abgeordneter sowie die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Ich erteile nun Frau Abg. Kagelmann das Wort.

Danke schön. Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! „Es sieht aus wie Wald, ist aber kein Wald!“ – so einfach und treffend karikierte Freiherr von Rotenhan, Waldbesitzer unter anderem in der brandenburgischen Lausitz, während einer Veranstaltung an der Forstuniversität in Tharandt einmal den Unterschied zwischen Wald und Forst. In beiden stehen Bäume, aber der Forst ist anders entstanden, ist weniger struktur- und damit artenreich und dient überwiegend anderen Zwecken.

Auch wenn der Waldumbau gerade diesen sichtbaren Unterschied bearbeitet, bleibt der grundsätzliche Zielkonflikt zwischen naturnaher Forstwirtschaft und natürlicher Waldentwicklung bestehen. Wer nämlich Forstwirtschaft betreibt, will zuerst und hauptsächlich Holz erzeugen – als einen sehr wichtigen, weil vielseitigen nachwachsenden Rohstoff. Dafür wird er pflanzen, jagen, kalken, sprühen, entnehmen – also eingreifen –, und wenn er kann, wird er kaum etwas dem Zufall überlassen.

Diese zielgerichteten menschlichen Eingriffe unterbleiben im natürlichen Ökosystem Wald. Dort regelt die Natur das selbst und wir können – mal großflächig, mal kleinflächiger – Phasen des Zerfalls neben Phasen des Aufwuchses erleben. Fachleute nennen das Mosaik-Zyklus-Theorie. Weil gerade die verschiedenen Waldentwicklungsstadien zwischen Aufwuchs und Zerfall und ihre reichen Randstrukturen die hohe Artenvielfalt hervorbringen, gibt es in Naturschutzwäldern häufig schutzwürdige Gebiete.

Beides ist weder gut noch schlecht. Die angestrebten Ziele sind einfach verschieden. Schlecht ist nur, wenn dieser Zielkonflikt ignoriert wird. Das ist die Krux in der Debatte um Forstpolitik, um Struktur und Aufgaben eines sächsischen Staatsbetriebes.

Es geht und ging nie darum, irgendwem Sachkompetenz abzusprechen, nicht den Forstleuten, aber auch nicht den Naturschützern, die im Übrigen vielfach ebenso eine universitäre Ausbildung durchlaufen haben. Aber beide Ziele auf derselben Fläche gleichermaßen verwirklichen zu wollen, das muss schiefgehen, noch dazu, wenn man dem Staatsbetrieb vor der Übernahme der Großschutzgebiete im Jahr 2008 noch eine Hungerkur in Gestalt eines

Personalabbauprogramms verpasst hat, was – wie überall in Verwaltungen zu beobachten – immer dazu führt, dass an der Basis die Hände für die ganz praktischen Arbeiten noch knapper werden. Dafür schreibt der Staatsbetrieb nun verstärkt Leistungen aus, was die Qualität forstlicher Eingriffe nicht zwingend erhöht.

Wie schief die Entwicklung läuft, ist objektivierbar, weil es gemessen wird: mittels der Evaluationen der Managementpläne der Schutzgebiete. Danach sind seit Jahren die mit den FFH-Managementplänen in den frühen 2000er- Jahren festgelegten Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen weit überwiegend noch nicht einmal zur Hälfte erfüllt, und das, obwohl im Staatswald vorbildlich gewirtschaftet werden soll.

Vor Kurzem haben wir hier im Landtag außerdem über den Anteil von Naturwaldzellen und Totholz im Staatsforst oder Kernzonen in Schutzgebieten als wichtige Elemente für einen natürlichen, artenreichen Wald gesprochen. Auch da hinkt Sachsen hoffnungslos seinen eigenen Zielstellungen hinterher und schafft Sondermodelle, die den Zielen nicht gerecht werden. Aber Sachsen hinkt doch nicht hinterher, weil die Förster im Staatswald deren Bedeutung ignorieren oder anders einschätzen. Der Förster muss in seinem riesengroßen Revier schlicht wirtschaftliche Prioritäten setzen in einem Betrieb, dessen Einnahmen die staatlichen Zuschüsse mindestens decken sollen, und das bei weiter wachsenden Anforderungen, gerade aktuell nach dem Rekorddürrejahr 2018 nach Stürmen und Bränden und vor einem Großangriff der Borkenkäfer.

Es ist daher politisch unverantwortlich, den Staatsbetrieb und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder neu in diesen Konflikt zu treiben, statt ihn aufzulösen, zumal sich der Konflikt aufgrund des Klimawandels einerseits und der zu erreichenden Biodiversitätsziele andererseits weiter zuspitzen wird. Deshalb haben wir vor einiger Zeit eine einfache Lösung in Form eines Gesetzentwurfes vorgeschlagen, nämlich: Naturschutzgebiete haben andere Funktionen für die Gesellschaft zu erbringen, unabhängig vom konkreten Waldanteil. Sie sind deshalb aus dem Staatsbetrieb herauszulösen und als eigenständige Sonderbehörde direkt der Obersten Naturschutzbehörde fachlich, personell und finanziell zu unterstellen.

Wir haben uns an dieser Stelle aufgrund der Hinweise aus der Sachverständigenanhörung sogar noch einmal selbst korrigiert und unterstellen die Behörde in unserem Änderungsantrag direkt dem Ministerium und nicht – wie noch

in der Ursprungsfassung des Gesetzentwurfes – dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. In jedem Fall soll nach unserer Vorstellung der Aufgabenübertragung an die Sonderbehörde für Großschutzgebiete das Fachpersonal aus dem Staatsbetrieb selbstredend folgen, soweit die Gebiete Wald enthalten. Dies nur zur beleidigten Attitüde, wir würden Förstern Sachkompetenz absprechen. Das schließt gerade nicht aus, dass man mit Naturschutzsachverständigen zusammenarbeitet. Es führt vielmehr dazu, dass die Prioritäten klar geregelt sind.

Im Übrigen scheint fachübergreifende Zusammenarbeit dringend geboten, wie wir in der jüngsten Anhörung zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfungen gehört haben. Ein Sachverständiger hat dort sehr plastisch dargestellt, dass es immer anspruchsvoller wird, bei solchen Prüfverfahren, in diesem Fall für Projekte, die Schutzgebiete queren oder tangieren, den naturschutzfachlichen Erfordernissen gerecht zu werden. Deshalb beschäftigt sein Planungsbüro bereits ein Dutzend Biologen, um Auswirkungen auf das Ökosystem Wald zu untersuchen. Das scheint mir der praktische Beleg dafür zu sein, dass in Naturschutzfragen selbst der studierte Förster an seine fachlichen Grenzen stößt.

Der Logik einer Trennung der Verwaltung und Bewirtschaftung von Großschutzgebieten und dem Staatsforst verschließt sich im Übrigen bundesweit nur Sachsen. Das hier ist also keine links-grüne spinnerte Idee. Das ist einfach überwiegende Praxis in den Ländern.

Keine Sorge, meine Damen und Herren, der Staatswald hat auch ohne Schutzgebiete in Zukunft noch viel zu tun.

Ich bitte Sie um Unterstützung des Gesetzentwurfes.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Günther, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Worüber reden wir überhaupt? Die Großschutzgebiete in Sachsen sind eines unserer Tafelsilber. Es sind circa 500 Quadratkilometer, das sind etwa 2,7 % unserer Landesfläche.

Wir unterhalten uns hier sehr oft über Naturschutz und unsere Probleme beim Artenschutz. Das hat natürlich auch etwas mit Flächen zu tun, auf denen das passiert. Die Frage ist, ob der Naturschutz auf den Flächen, auf denen er stattfinden soll, funktioniert.

Wir haben gerade gehört: Sachsen geht einen ganz einsamen Sonderweg, was die Organisation seiner Großschutzgebiete anbelangt. Es ist nationaler und internationaler Standard, dass diese direkt der Obersten Naturschutzbehörde, nämlich dem Ministerium, untergeordnet sind. In Sachsen sind sie jedoch dem Staatlichen Forstbetrieb untergeordnet.

Wenn man so einen Sonderweg geht, muss es gute Gründe dafür geben. Vor allen Dingen müssten dann die Ergebnisse stimmen. Man konnte aber bis jetzt noch keine

richtige Begründung dafür hören, was daran besser sein soll, als es direkt unterzuordnen. Die Ergebnisse stimmen auch nicht so richtig.

Es wurde eben angedeutet, dass die Umsetzung der Natura-2000-Ziele – diese Großschutzgebiete sind europäische Schutzgebiete – nur zu 26 bis 43 % der Erhaltungsmaßnahmen – letzter offizieller Stand 2014 – erfolgte. Bei Entwicklungsmaßnahmen sind es nur 25 bis 64 %.

Die Eingruppierung in den Sachsenforst fand für den Nationalpark Sächsische Schweiz 2002 statt, für alle anderen Schutzgebiete 2008. Das ist schon ein paar Jahre her. Es ist bisher noch nicht abzusehen, dass wir dort wirklich vorankommen.

Jetzt wird gefragt: Warum schlagt ihr auf den Sachsenforst ein? Ich möchte es noch einmal wiederholen, dass keiner etwas gegen den Sachsenforst hat. Der Sachsenforst soll seiner Aufgabe nachkommen, nämlich Forstwirtschaft, Naturschutz, aber auch die Zugänglichmachung für die Bevölkerung, also die Erholungsfunktion, unter einen Hut zu bringen. Großschutzgebiete zu betreuen ist einfach Naturschutzarbeit.

Wir können uns die Großschutzgebiete einmal anschauen. Es sind nur vier. Da wären die Gohrischheide und Elbniederterrassse. Was sind dort die Schutzgebietsziele? Binnendünen mit offenen Grasflächen, trockene Heiden, wo Sukzession und Entwicklung stattfinden soll. Was hat denn das mit Forstwirtschaft, mit Waldwirtschaft zu tun? Da geht es um etwas ganz anderes.

Oder das Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Zusammen mit dem Niederlausitzer Teil ist das die größte zusammenhängende Teichlandschaft ganz Mitteleuropas. Das ist eine einzigartige Kulturlandschaft. Da geht es um den Erhalt von Teichgruppen, um feuchte und trockene Heiden, um Feuchtwiesen, um grünlandreiche Flussauen und dann um angrenzende Waldgebiete. Was, bitte schön, hat das mit einem Forstbetrieb zu tun?

Oder die Königsbrücker Heide. Das ist ein riesiger ehemaliger Truppenübungsplatz, auf dem zu DDR-Zeiten die Atomraketen der Sowjettruppen gelagert wurden, die auf Köln gerichtet waren. Das Gebiet können wir jetzt wieder betreten. Es ist das größte Schutzgebiet in ganz Sachsen und immerhin das zwölftgrößte ganz Deutschlands. Es ist auch das erste anerkannte Wildnisgebiet Deutschlands. Dort geht es um offene Sandflächen, Sand- und Magerrasen. Dort geht es mit den Pflegemaßnahmen Heidelandschaft genau darum, das, was damals durch die militärische Nutzung freigehalten worden ist, zu belassen und diese Sukzession, dieses Zuwachsen, den Waldaufwuchs zu verhindern. Da schaut man, wie man das am besten schafft. Das ist genau das Gegenteil von Wald.

Das sind die bestehenden Schutzgebiete. Dann diskutieren wir gerade, ob vielleicht solche Großschutzgebiete noch an anderen Stellen ausgewiesen werden können. Wir GRÜNEN thematisieren, dass das, was in allen Elbanrainer-Bundesländern Deutschlands erfolgt ist – nämlich die

Elblandschaft als Elbebiosphärenreservat auszuweisen –, auch in Sachsen erfolgen soll. Das hat auch nicht sehr viel mit Forstwirtschaft zu tun.

Eine ähnliche Diskussion gibt es gerade im Osterzgebirge. Was ist dort schützenswert? Dort geht es um die Erzgebirgswiesen und die offenen Steinrücken in der Landschaft.

Wenn ich alles zusammennehme, dann frage ich mich, wie man auf die Idee kommen kann, dass das in einem Forstbetrieb am besten aufgehoben ist, und warum man das macht. Die Ergebnisse zeigen ja, dass das nicht funktioniert.

Deshalb haben wir unseren Antrag gestellt. Wir müssen zu den nationalen und internationalen Standards kommen. Diese Schutzgebiete müssen unter Naturschutzverwaltung kommen. Diese gehört, wie das überall der Fall ist, unter die oberste Naturschutzbehörde, das Ministerium.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Kathrin Kagelmann, DIE LINKE)