Herr Hütter, ich habe Ihnen ja zugehört. Aber Ihre Abgrenzung war nur jene zu Neonazis, die Sie beschrieben haben mit „sie laufen dem Führer hinterher“; und Sie sind der klassischen Annahme, das seien Skinheads und dergleichen mehr und zudem gewalttätig. Sie haben bewusst eine Abgrenzung zu jenen Akteuren der neuen Rechten vermieden, die mit Ihnen zusammen eines der entscheidenden rechten Netzwerke in Deutschland bilden.
(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN – Carsten Hütter, AfD: Es geht um Rechtsextremisten! Können Sie nicht unterscheiden?!)
Natürlich, Herr Hütter! Sind denn Identitäre, die von Ihren Bundestagsabgeordneten beschäftigt werden, keine Rechtsextremen? Diese Frage sollten Sie sich stellen, wenn Sie rechtsextreme Netzwerke bekämpfen wollen.
Ich fahre in meinem Redebeitrag fort. Werte Kolleginnen und Kollegen, eines zeigt sich leider viel zu häufig – leider ist der Herr Ministerpräsident nicht mehr da –: Wenn es um die Bekämpfung rechtsextremer Netzwerke in Sachsen geht, gibt es gerade in der Staatsregierung viel zu häufig so eine Art Wettlauf um sehr klare, wortgewaltige Allgemeinplätze. Dabei wäre es notwendig, tatsächlich zu handeln.
Bei jedem Ereignis erleben wir letztendlich dieselbe Folge: Es gibt ein schlimmes Ereignis. Dann ist die Empörung groß, und dann passiert leider herzlich wenig.
Ich erinnere Sie daran, dass am Folgetag der Aussage des Ministerpräsidenten die Koalition mit – es tut mir herzlich leid – wirklich fadenscheinigsten Argumenten unseren Antrag zum Zurückdrängen von Neonazi-Immobilien im Freistaat Sachsen abgelehnt hat. Das zeigt dann ungefähr, wie nachhaltig die Aufforderungen des Ministerpräsidenten sind. So leid es mir tut, auch die große Ankündigung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Martin Dulig seinerzeit, man möge sich einmal des Themas PegidaNähe der sächsischen Polizei annehmen, hat in der Folge gezeigt, dass davon nicht so furchtbar viel übrig geblieben ist.
Das ist genau das Problem: Wenn wir über die Bekämpfung rechtsextremer Netzwerke reden, dann braucht es Taten statt permanenter Worte. Dieses Auseinanderklaffen von Worten und Taten ist im Freistaat Sachsen momentan eines der größten Probleme, wenn es um die Bekämpfung einer der größten Gefahren für unser Zusammenleben geht.
Gestatten Sie mir deshalb kurz darzulegen, was wir GRÜNE für zwingend notwendig halten. Zum einen wäre es hilfreich, wenn Teile der Staatsregierung verstehen würden, dass, wenn man rechtsextreme Netzwerke zerschlagen will, aber permanent mit rechtspopulistischer Rhetorik den Nährboden für rechte Brandstifter legt, man offensichtlich den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nicht ganz verinnerlicht hat. Das wäre aber an dieser Stelle hilfreich.
Wer rechtsextreme Netzwerke zerschlagen will, der muss ihnen den gesellschaftlichen Nährboden entziehen. Das heißt, Haltung gegen Rassismus, gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und gegen rechte Hetze zu zeigen und sich eben nicht irgendwelchen Verfassungsfeinden anzubiedern.
Darüber hinaus gilt es, die Polizei in die Lage zu versetzen, Nazis nicht unnötig die Straße zu überlassen. Wer in Chemnitz durch polizeiliches Planungsversagen den Nazis den Erfolg auf der Straße überlässt und als Ministerpräsident ihnen auch noch den kommunikativen Erfolg organisiert, indem man behauptet, dass es keinen rechten Mob gegebenen habe, der macht sich leider zum Katalysator des Problems und sollte sich an die eigene Nase fassen.
Des Weiteren braucht es dringend ein Gesamtkonzept zur besseren Information über rechte Strukturen im Freistaat Sachsen. Es darf nicht vorkommen, dass Bürgermeister überrascht sind, dass Neonazis in ihren Orten Großveranstaltungen durchgeführt haben, und sie davon aus der Zeitung erfahren, obwohl dem Verfassungsschutz diese Informationen schon Tage zuvor vorlagen. Zivilgesellschaftlicher Widerstand, wie er jetzt auch von Kollegen Anton und Kollegen Homann zu Recht angesprochen worden ist, verlangt Wissen. Dieses Wissen verlangt, dass die Behörden im Freistaat Sachsen, die die Information haben, diese auch offenbaren. Falsche Geheimniskrämerei nützt Neonazis.
Zu guter Letzt sei gesagt: Wer rechtsextreme Netzwerke zerschlagen will, muss bei sich selbst anfangen. Es ist nicht akzeptabel, wenn Erkenntnisse über mögliche Misshandlungen ausländischer Gefangener in der JVA Dresden erst nach Monaten verfolgt werden oder Polizisten, die Informationen an Rechtsextreme weitergegeben haben sollen, nach wie vor im Dienst sind. Egal, ob Reichsbürger oder Identitäre: Rechtsextreme haben im Staatsdienst nichts verloren, und daran darf auch durch keinerlei Handeln ein Zweifel aufkommen.
Zur Frage, welche Rolle der Verfassungsschutz in dieser Situation spielen sollte und warum wir nach wie vor der festen Überzeugung sind, dass er zum Schutz der Verfassung besser abgeschafft werden sollte, folgt in der zweiten Runde mehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich ernsthaft, wann Sie es endlich begreifen und wie oft wir das wiederholen müssen: Extremismus kann nur dann erfolgreich und effektiv bekämpft werden, wenn man den Extremismus an sich bekämpft, und zwar ohne ideologische Scheuklappen. Sie fordern in aller Ernsthaftigkeit die Abschaffung des Landesamtes für Verfassungsschutz und öffnen damit Extremismus Tür und Tor.
Ich versuche es heute einmal mit einem etwas einfacheren Bild, vielleicht verstehen Sie das besser. Stellen Sie sich bitte vor: Unsere Gesellschaft ist ein Haus mit sehr vielen Zimmern, und in diesem Haus brennen auf der Etage des Extremismus einige Zimmer. Wenn wir die Feuerwehr rufen, was macht dann die Feuerwehr? Sie ist nicht so
dumm und löscht nur eines dieser Zimmer, sondern sie wird alle löschen; denn sie geht davon aus, dass, wenn man nur ein Zimmer löscht, der Brand trotzdem aufs ganze Haus übergreift. Die Kameraden der Feuerwehr sind eben Menschen der Tat und reden nicht nur den ganzen Tag.
Vielleicht noch eine Information, die hier total zu kurz gekommen ist: Wir reden wieder nur über Rechtsextremismus, den es zweifelsohne gibt und der bekämpft gehört – ganz richtig.
Auf der Homepage des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist zu lesen: Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellt 2017 fest, dass es bei der LINKEN ein extremistisches Personenpotenzial von 30 000 Personen gibt und davon circa 9 000 gewaltorientierte Personen.
Also fassen Sie sich bitte als Erstes an die eigene Nase, und bitte tun Sie mir einen Gefallen: Löschen Sie alle Zimmer auf der Extremismusetage, denn nur dann macht das Ganze wirklich Sinn.
Das war Kollege Wurlitzer. Wir eröffnen jetzt die zweite Rederunde. Das Wort ergreift für die einbringende Fraktion DIE LINKE erneut Frau Köditz.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verlauf der Debatte hat genau unser Dilemma gezeigt. Wenn wir nicht endlich anfangen, die Probleme beim Namen zu nennen, sondern immer nur von Extremismus sprechen, werden wir keine Konzepte entwickeln können, um Rassismus, Ideologien der Ungleichwertigkeit, Chauvinismus, Homophobie, Geschichtsrevisionismus und autoritäre Politikmodelle zu bekämpfen.
Es geht doch darum, konkret agieren zu können. Wenn ich bei der Debatte sofort beim Linksextremismus lande, dann werde ich keine Lösung finden. Wir brauchen in Sachsen endlich ein Klima, bei dem die Ächtung von Rassismus, Homophobie und Geschichtsrevisionismus an der Tagesordnung ist.
Herr Homann hat von einem Gesamtkonzept gesprochen. Ja, wir brauchen endlich ein Gesamthandlungskonzept, ein Konzept zur Zurückdrängung dieser Einstellung mit präventiven und repressiven Ansätzen auf allen Ebenen, einschließlich der proaktiven Unterstützung der Kommunen bei der Verhinderung von Nazi-Demonstrationen, von Nazi-Konzerten und von Immobilienkäufen. Das brauchen wir in allen Fachressorts. Ich will dabei nicht nur den Innenminister anschauen, ich will auch den Kultusminister anschauen, und ich will auch den Finanzminister anschauen, wenn es darum geht, steuerrechtliche Prüfungen vorzunehmen. Wir brauchen vieles in diesem Land.
Wir brauchen ein verbessertes Monitoring rechtsmotivierter Straftaten unter Einbeziehung der Opferberatung. Wir schauen jedes Jahr auf die Zahlen und stellen fest, dass sie nicht mit den Zahlen der Staatsregierung und den Menschen, die mit den Opfern konkret zu tun haben, übereinstimmen.
Wir brauchen endlich den Ausbau von Lehr- und Forschungsangeboten zu den Ideologien der Ungleichwertigkeit. Nach vier Terrorgruppen rechts in Sachsen brauchen wir auch eine Forschungsstelle Rechtsterrorismus. Wir brauchen auch endlich die lange angekündigte Entwaffnung der extremen Rechten, einschließlich der Reichsbürger.
Es ist aus unserer Sicht höchste Zeit, zentrale Projekte, wie Beratungsstellen für Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt sowie die mobilen Beratungsteams, die eine hervorragende Arbeit leisten, endlich zu entfristen.
Ich will aufgrund des bisherigen Verlaufs der Debatte klipp und klar noch einmal sagen: Es muss endlich die Singularität des deutschen Faschismus in Bildungspolitik und Erinnerungspolitik Beachtung finden.
Auch wenn das auf dieser Seite nicht so gern gehört wird: Hören Sie auf, antifaschistisch engagierte Menschen permanent zu kriminalisieren. Sie leisten eine Arbeit, die ich von anderen erwarte.
Damit ist die zweite Rederunde eröffnet. Als Nächster spricht Herr Kollege Anton für die CDU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte es zum Ende der ersten Rednerrunde schon angekündigt, dass ich in diesem Kontext durchaus noch ein paar Worte zur AfD verlieren will.
Wie gefährlich die Netzwerke der Rechtsextremisten inzwischen sind, das zeigen aktuell die Verbindungen des Christchurch-Attentäters mit der Identitären Bewegung in Österreich, die laut Verfassungsschutzbericht wiederum deutliche Verbindungen zu den Identitären in Sachsen hat.
Die AfD-Jugendorganisation wird unter anderem deshalb vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführt, weil sie gute Kontakte zur identitären Bewegung in Deutschland pflegt. Was macht der Prüffall AfD?
(André Barth, AfD: Das darf man nicht mehr sagen! – Gegenruf der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE: Herr Anton darf das sagen!)
Die sächsische AfD marschiert Seite an Seite mit der Identitären Bewegung Pro Chemnitz, dem III. Weg, Pegida und der NPD durch Chemnitz – freundlich unterstützt von ihrem thüringischen Parteifreund Björn Höcke,
der von der großen Revolution träumt. Und wer ist noch dabei in Chemnitz? – Martin Sellner, Chef der Identitären Bewegung in Österreich.
Was hört man von der AfD dazu? – Vereinzelte halbherzige Distanzierungen, aber vor allem lautes Schweigen.
Dann kommt heraus – Herr Lippmann hatte es schon angesprochen –, dass der AfD-Bundestagsabgeordnete Droese einen der Bundesvorsitzenden der Identitären Bewegung beschäftigt.