Protocol of the Session on April 10, 2019

Ich habe es Ihnen doch gerade vorgetragen, Herr Kollege Pallas.

(Albrecht Pallas, SPD: Jetzt wird es ernst!)

Ich habe noch das Wort, Frau Präsidentin?

Ja.

Herr Kollege Pallas, Sie sind Polizeibeamter, ein engagierter, mit Expertise.

(Albrecht Pallas, SPD: Ich bin auch Abgeordneter! Wollen Sie mich eigentlich veralbern, Herr Bartl?)

Nein, ich will Sie nicht veralbern. Sie wissen ganz genau, unter welchem Drängen, welchen Zwängen und welcher Hektik, mit Überstunden, Mehrarbeitsstunden

etc. ein Polizeibeamter im Freistaat Sachsen seinen Dienst tun muss. Stellen Sie sich doch jetzt einmal vor, da trifft er in einem Moment eine Entscheidung, in dem er meint, es liege im Interesse der Gefahrenvorsorge – nicht der konkreten Gefahr – jetzt notwendige Daten bei dem betreffenden Arzt bezüglich eines Patienten zu erheben. Dann soll er nach der von Ihnen aufgeschriebenen Bestimmung – die er dann wahrscheinlich immer mitführen muss – Ermessen ausüben? Das ist doch absurd.

(Rico Anton, CDU: Wir haben hier einen Richtervorbehalt!)

Wenn er das Geheimnis verraten hat, dann hat er es verraten, Herr Kollege. Mein Gott, da kann der Richter hinterher feststellen, was er will.

Herr Bartl, gehört das noch zur Beantwortung der Frage?

Dann ist die Diagnose bei der Polizeiakte.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Sind Sie jetzt mit der Fragebeantwortung fertig, Herr Bartl?

Nein. Noch einmal. Wenn das wirklich jetzt vom Datenschutzbeauftragten, so wie es jetzt drinsteht, gebilligt wäre, verstehe ich die Welt nicht mehr.

(Albrecht Pallas, SPD: Sie waren da, Herr Bartl!)

Nein.

(Albrecht Pallas, SPD: Sie waren als Ausschussvorsitzender anwesend! Ist das jetzt mutwillig?)

Nein. Ich habe noch eine Weile zu trainieren, bis ich den Text auswendig kann. Ich will es gern versuchen. Aber jetzt von meiner Ebene her gesehen: Die Formulierung kann ein Polizeibeamter nie sachgerecht anwenden. Wie soll das gehen? Aber Sie greifen in das Berufsgeheimnis, in das Arztgeheimnis, in das Anwaltsgeheimnis etc. ein,

(Zuruf von der LINKEN)

ins Journalistengeheimnis, ins Sozialarbeitergeheimnis – alles.

Herr Bartl, es gibt noch eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Meyer. Ist das in Ordnung?

Gern, ja.

Gut.

(Zuruf von der AfD: Das verkürzt die Redezeit! – Unruhe bei den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

(Anhaltende Unruhe)

Sie müssen schon zuhören. Herr Bartl, geben Sie mir recht, dass die Plenarbefassung in erster Linie dazu dient, der Öffentlichkeit und den Abgeordneten dieses Hauses nachvollziehbar Anträge und Gesetze darzustellen, und dass diese Diskussion in dieser Tiefe, wie Sie sie hier führen, besser hätte im Fachausschuss geführt werden sollen?

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei den LINKEN – Lebhafte Unruhe)

Nein, Herr Dr. Meyer, passen Sie mal auf.

(Zurufe von der CDU)

Seitdem wir im Landtag sind, seit 1990, fordern wir die Öffentlichkeit der Ausschüsse – nebenbei auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es gibt ja auch Länder, die das machen, Bayern zum Beispiel. Diese haben die Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen,

(Martin Modschiedler, CDU: Das hätten Sie ja machen können!)

weil sie nämlich sagen, Parlamentsarbeit ist res publica.

(Beifall bei den LINKEN)

Die Bürgerin, der Bürger soll die Möglichkeit haben, am Prozess der Erkenntnisgewinnung seiner Volksvertreter teilzuhaben.

Wir haben dazu Anträge gestellt, nicht nur zur Geschäftsordnung, sondern sogar formelle Anträge. Sie haben die Anträge, das in öffentlicher Sitzung zu machen, alle abgelehnt.

(Carsten Hütter, AfD: Die werden alle abgelehnt, knallhart, kenne ich!)

Jetzt müssen Sie sich schon gefallen lassen, dass ich res publica dann im Plenarsaal versuche. Exegese geht nicht. Ich kann es im Detail nicht vermitteln, aber ein paar Schlaglichter zum extremsten Teil bringen. Das steht auch den Wählerinnen und Wählern, den Bürgerinnen und Bürgern, denen, auf die Ihr mit dem Gesetz abzielt, sehr wohl zu.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Das ist doch kein Schlaglicht!)

Das ist meine feste Überzeugung.

(Beifall bei den LINKEN)

Die Zeit müssen Sie sich nehmen, Herr Dr. Meyer.

Ich berufe mich nochmals auf meine Berufskollegen vom Anwaltsverband Sachsen, die summa summarum das neue Polizeigesetz mit den Worten bewerteten – Zitat –: „Im Allgemeinen greift auch der Freistaat Sachsen die

Tendenz zur polizeilich-rechtlichen Low-and-Order

Politik auf Kosten der Freiheitsrechte auf.“

Dieses Prinzip und die Kategorie der „Sicherheitsgefühle“, die auch heute wieder eine Rolle spielte, wie sie auch in den letzten Tagen der Ministerpräsident in Hülle und Fülle gebracht hat, diese Kategorie der Null-ToleranzKonstellation, war einmal Gegenstand einer Doktorarbeit einer Doktorandin an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität im Jahr 2007. In dieser Doktorarbeit heißt es: „Was konkret unter diesem Begriff Sicherheitsgefühl zu verstehen und inwieweit hierin ein rechtlich fassbarer Terminus zu sehen ist, bleibt in der Diskussion um die innere Sicherheit offen. Demzufolge ist zweifelhaft, inwieweit dem Sicherheitsgefühl die Eigenschaft eines durch den Staat zu schützenden Rechtsgutes zukommen kann.“

Weiter heißt es: „Das Polizeirecht verlangt das Vorliegen einer konkreten Gefahr zur Rechtfertigung eines Eingriffs, auch wenn dieser der Prävention von Unsicherheiten und Furcht dient. Über das Bestehen einer konkreten Gefahr hinausgehende Bedrohtheitsgefühle in der Bevölkerung sind durch Informationen auszuräumen. Eingriffsmaßnahmen, die nur der Abwehr solcher irrationalen Ängste dienen, sind grundsätzlich unverhältnismäßig.“ Das genau ist die Ansage.

Deshalb – lange Rede, kurzer Sinn, meine Damen und Herren – –

(Heiterkeit bei allen Fraktionen – Zuruf von der CDU: Das war das Beste!)

Sie haben mich mit allen möglichen Anfragen über zwei Gläser Wasser gebracht.