Protocol of the Session on March 13, 2019

Wir werden den ÖV attraktiver machen, vor allem für diejenigen, die über Verbundgrenzen wollen oder über Verbundgrenzen müssen. Alle diese Aufgaben sind von landesweiter Bedeutung, und so mancher hat sich in den letzten Jahren gefragt, wozu es denn dann überhaupt noch fünf Zweckverbände braucht. Ich gehöre auch dazu; ich war aber auch der Meinung, dass man nur durch Strukturänderungen an sich zunächst noch gar kein Problem löst; dieser Meinung bin ich immer noch. Aber wenn man sich die Verhandlungsrunden der letzten Zeit ansieht, so hat dies natürlich nicht gerade dazu beigetragen – das gehört zur Wahrheit dazu –, diese Frage in den Hintergrund zu drängen. Ob aber die Gründung einer Landesverkehrsgesellschaft die richtige Antwort darauf ist, das können wir gern diskutieren. In Stein gemeißelt ist das für mich nicht, aber ausgeschlossen eben auch nicht.

Deshalb ist die Einführung einer Koordinierungsstelle für die landesweit bedeutsamen Themen jetzt der richtige Schritt. Hier können das SMWA, die Zweckverbände und weitere Institutionen und Behörden den nötigen Ausgleich suchen. Je enger und erfolgreicher diese Koordinierungsstelle arbeitet, umso mehr werden die Strukturfragen eher in den Hintergrund treten oder eben anders herum. Es liegt also an den Beteiligten selbst, wie die Diskussion in den nächsten Monaten und Jahren weiterläuft.

Mit der jetzt verabredeten Umsetzung dieser ÖVMaßnahmen aus dem Katalog der Strategiekommission werden in der sächsischen Verkehrspolitikzentrale Wahlversprechen des Koalitionsvertrages in dieser Legislaturperiode erfüllt. Sie können aber naturgemäß auch nur der Anfang sein; denn der Abschlussbericht der Strategiekommission listet noch viele andere Aufgaben auf. Darüber hinaus bleibt bei Ersatzinvestitionen, bei Barrierefreiheit, bei den wachsenden Bedarfen in den großen Städten, in den Ballungsräumen, bei Digitalisierung, bei neuen Bedienformen und vor allem bei der multimodalen Verknüpfung der einzelnen Verkehrsträger viel zu tun, aber eben auch bei dem zunehmend erkennbaren Prinzip, das sich Individual- und öffentlicher Verkehr immer stärker vermischen. Das ist auch kein allein sächsisches Thema.

Mancher wird sich heute vielleicht gewundert haben, warum ich nicht von ÖPNV, sondern eher von ÖV geredet

habe. Diesen Unterschied habe ich auf der Reise des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in die Schweiz, nach Tirol und Südtirol kennengelernt. Dort gelten andere verkehrliche Voraussetzungen. Allerdings waren sie dort natürlich erstens anders traditionell unterwegs, und zweitens sind sie wirtschaftlich sehr viel leistungsstärker, als wir das sind.

Aber dort wird eben auch anders gedacht. Es wird nicht über Unterschiede zwischen Fernverkehr, Nahverkehr, Bussen und Bahnen nachgedacht, sondern dort führt man alles zusammen. Das ist eine Sache, die wir uns durchaus in den nächsten Jahren abgucken können, wenn es darum geht, den sächsischen Verkehr noch attraktiver zu machen. Da wird es auch Druck auf den Bund brauchen, um eben einen integralen Takt, der in Sachsen existiert, dann auch auf die entsprechenden Fernverkehrsangebote ordentlich abzustimmen.

Guter ÖV ist eine zentrale Zukunftsfrage unseres Landes. Dieses Thema wird uns also wahrscheinlich auch im 7. Sächsischen Landtag erhalten bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Auf Herrn Kollegen Nowak folgt jetzt für die miteinbringende SPD-Fraktion Herr Kollege Baum.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition hatte ja wie erwartet inzwischen reichlich Gelegenheit, sich darüber auszulassen, was wir noch nicht geschafft haben, wo wir Fehler gemacht hätten und was man in den vergangenen Jahren bei diesem Thema alles hätte besser machen können. Nun, das ist ihr gutes Recht, und auch ich muss zugeben: Ich wäre heute ebenfalls gerne weiter, als wir es derzeit beim Thema Nahverkehr sind.

Vor 15 Monaten legte die Strategiekommission ihren Abschlussbericht vor. Darin ist nicht nur eine grundlegende Analyse des sächsischen Nahverkehrs enthalten, sondern auch eine ganze Reihe konkreter Handlungsempfehlungen und vor allen Dingen deren Kosten. Wir waren uns einig, dass wir eine Angebotsoffensive brauchen, verbunden mit einem einfachen Tarifsystem. Wir waren uns ebenfalls einig, dass der ÖPNV auch in den großen Städten weiter massiv ausgebaut und der Investitionsstau abgebaut werden muss, und wir waren uns einig, dass wir zügig einen Sachsentarif und das Bildungsticket für Schülerinnen und Schüler sowie Azubis auf den Weg bringen wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, klar war natürlich auch, dass all diese Ideen und Maßnahmen nicht zum Nulltarif zu haben sind. Deshalb stellten wir als Gesetzgeber für die vereinbarten prioritären Maßnahmen sehr viel Geld zusätzlich im aktuellen Doppelhaushalt bereit. Wir wissen, dass ein attraktiver Nahverkehr eben auch Geld kostet, und wir sind bereit, dieses Geld zu investieren, weil es dort gut angelegt ist.

Doch leider sind dann im vergangenen Jahr einige Vertreter der kommunalen Ebene auf die Bremse getreten. Plötzlich wurden die von der Strategiekommission – im Übrigen ohne Gegenstimme – beschlossenen Maßnahmen zum Teil wieder infrage gestellt. Fakt ist, dass wir dadurch fast ein ganzes Jahr verloren haben. Wir könnten also heute in der Tat schon weiter sein. Ich gebe auch zu: Damit bin ich nicht zufrieden, vor allem deshalb, weil ich eher in Lösungen als in Problemen denke. Doch ich möchte nun lieber nach vorn schauen als zurück. Deswegen sage ich auch an dieser Stelle: Wir müssen damit leben, wenn es Rückschläge gibt; aber wir dürfen deshalb nicht aufgeben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der jetzt gefundene Kompromiss zwischen der kommunalen Ebene und dem Verkehrsministerium ist positiv und ein guter Schritt in die richtige Richtung. Aber die Einigung von Mitte Februar bleibt genau das, was darauf steht: ein Kompromiss. Nicht, dass wir uns da falsch verstehen. Ich halte es für gut, dass die Vorsitzenden der Verkehrsverbünde sich endlich dazu bereit erklärt haben, ein PlusBus- und ein TaktBus-System für ganz Sachsen aufzubauen, das untereinander und mit dem Schienenverkehr vertaktet ist.

Wenn wir uns zum Beispiel – Kollege Nowak sprach es an – die Schweiz anschauen, dann können wir sehen, wohin die Reise am besten auch bei uns gehen soll. Dort gibt es vertaktete Angebote bis ins letzte Tal. Als genauso gut – das will ich an dieser Stelle auch sagen – empfinde ich das Bekenntnis der hiesigen Gesprächspartner zur Einführung eines Sachsentarifs.

Als ehemaliger Sprecher der Arbeitsgruppe Tarif und Vertrieb der Strategiekommission weiß ich, dass dort die Fallstricke im Detail liegen. Klar ist aber auch, dass die Einigung zum Azubi- und Bildungsticket für meine Fraktion und für mich nur ein Zwischenschritt sein kann. Unser Ziel bleibt ein sachsenweit gültiges, einheitliches und kostengünstiges Bildungsticket für alle Schülerinnen und Schüler.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Klar ist für meine Fraktion, wir müssen den ÖPNV und seine Struktur in Sachsen weiter modernisieren. Deshalb stehen wir weiterhin hinter der Gründung einer sächsischen Mobilitätsgesellschaft. Diese soll in Zukunft nicht nur zuständig sein für die Bestellung des gesamten SPNV, sondern auch für die landesbedeutenden Buslinien der PlusBus- und TaktBus-Verkehre.

Weiterhin soll die Mobilitätsgesellschaft die Verantwortung für Tariffragen, vor allem für die Umsetzung des Sachsentarifs, übernehmen. Schließlich sollen dort auch die Verantwortlichkeiten für das Bildungsticket gebündelt werden. Der regionale Busverkehr wird dann zukünftig vor Ort zu regeln sein. Ich bin davon überzeugt, dass in bestimmten Fällen nur eine übergeordnete landesweite Instanz über den eigenen Tellerrand blicken kann, um das große Ganze im Blick zu halten.

Für uns ist die Mobilitätsgesellschaft Mittel zum Zweck, und dieser Zweck ist, einen modernen, komfortablen und für die Kunden preiswerten öffentlichen Nahverkehr in Sachsen zu haben. Unsere Reise ist deshalb noch lange nicht zu Ende. Wir haben noch viel vor.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Kollege Baum sprach für seine SPD-Fraktion. Jetzt spricht für die Fraktion die LINKE Kollege Böhme.

Ich fasse noch einmal den ersten Redebeitrag zusammen. Nach viereinhalb Jahren Koalition gibt es noch keinen Sachsentarif. Es gibt keinen Plan zur Barrierefreiheit, es gibt keinen Sachsentakt und es gibt bisher keinen Streckenausbau. Das habe ich vorhin ausgeführt.

Ich komme nun zu fünftens: Es gibt immer noch kein Schüler(innen)-Ticket, auch wenn das jetzt geplant ist. Es soll ja kommen, aber was für eins. Ein Schüler(innen)Ticket, das ab 14 Uhr gilt.

(Zuruf von der CDU)

Das heißt, während der Regierungszeit werden die Eltern in diesem Freistaat ihre Kinder weiterhin für bis zu 250 Euro im Jahr Elternbeitrag in die Schule befördern lassen müssen. Das halte ich für untragbar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir können ja mal nach Berlin oder in die anderen Bundesländer schauen, wo dies etwas schneller geht. In Berlin regiert die LINKE seit zwei Jahren, und jetzt gibt es ein kostenfreies Schüler(innen)-Ticket. Oder schauen wir nach Rostock, dort hat der linke Senator einen kostenfreien Schülerverkehr eingeführt.

(Zuruf von der CDU)

Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum Sie sich hier so feiern lassen für etwas, was in dieser Legislaturperiode noch nicht umgesetzt wird. Auch der Vorstoß zum Azubi-Ticket ist nach meiner Ansicht höchst unbefriedigend. Dazu gab es mehrere Anhörungen im Landtag. Wir haben das immer beantragt oder bei den Haushaltsdebatten die Sachverständigen dazugeholt. Damals wurde klargestellt, dass das Azubi-Ticket, was derzeit geplant ist, eine günstigere Alternative braucht und dass dort auch Freiwilligendienstleistende mit profitieren müssen oder auch Menschen in Weiterbildung. All das ist bisher überhaupt nicht geplant und das macht mich traurig.

Wir können auch über andere Punkte sprechen. Zum Beispiel über Beteiligungen im ÖPNV. Welches Mitspracherecht haben überhaupt Fahrgäste in diesem Verkehrssystem in Sachsen, wenn es beispielsweise um Linienplanungen, Fahrzeugeinsatz, Qualität, Service etc. geht? Es passiert viel zu wenig und es gibt viel zu wenig Beteili

gungsmöglichkeiten. Dazu haben wir Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der in zwei Wochen angehört wird, und Sie haben noch nicht einmal die Sachverständigen dazu benannt.

All das sind Punkte, über die man reden kann, aber eigentlich sind das auch nur Kleinigkeiten im Vergleich zu den Problemen, die die Menschen da draußen wirklich haben. In den Großstädten platzt der ÖPNV aus allen Nähten. Erst heute bin ich in Leipzig mit der Straßenbahn gefahren und Leute konnten nicht mit einsteigen, weil sie zu voll war.

(Zuruf von der CDU: Dann müssen sie zusammenrücken!)

Aber außerhalb der Großstädte oder Ballungszentren ist der ÖPNV so ausgedünnt, dass die meisten Menschen mit dem Auto fahren müssen. Dann lese ich jetzt die Ankündigung im Landesverkehrsplan oder Mobilitätsplan – wie Sie ihn auch immer nennen –, in dem steht, dass der derzeitige Autoanteil am Gesamtverkehr 56,2 % beträgt. Dieser soll sich bis zum Jahr 2030 auf – Achtung – 55,8 % senken. Das sind 0,4 % weniger Autoanteil in zehn Jahren.

(Staatsminister Martin Dulig: Das ist doch eine Prognose!)

Ja, eine Prognose. Das ist aber schlimm, wenn wir jetzt schon davon ausgehen können. Auch zum Autoanteil sagen Sie: Von jetzt 517 Autos pro Tausend Anwohner wird dies auf 539 Autos steigen.

(Zuruf des Staatsministers Martin Dulig)

Ja, es ist aber schlimm, wenn die Prognose so aussieht. Dagegen muss man doch etwas tun. Selbstverständlich ist das schlimm. Sie haben die Energiewende „verkackt“ – Entschuldigung. Sie kommen dort nicht voran, also müssen die anderen Sektoren, um CO2 einzusparen, Dinge einplanen. Bei dem Sektor in Verkehr oder Mobilität ist es viel schwieriger, dort eine Änderung durchzusetzen als bei der Energiewende. Hierbei müssen wir uns viel mehr anstrengen. Was ist die derzeitige Prognose? In Zukunft wird es mehr Autos geben als weniger. Das ist schlimm und zeigt, dass Sie in den letzten vier Jahren leider versagt haben.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir haben von der Schweiz gesprochen. Wir waren im Ausschuss dort und haben gesehen, wie ein guter öffentlicher Verkehr funktionieren kann. Wir wollen das in Sachsen auch.

(Zuruf: Aber ohne auf die Autos loszugehen!)

Wir wollen, dass zum Beispiel gesetzlich geregelt wird, dass jedes Dorf mit dieser oder jener Anbindungshäufigkeit angebunden wird. Das ist in der Schweiz der Fall. Das kann man gesetzlich regeln. Man könnte also, wenn wir das ÖPNV-Gesetz ändern, bestimmte Bedienstandards festschreiben: beispielsweise, dass in jeder Kommune ab 500 Einwohnern im Zweistundentakt ein ÖV-Fahrzeug

fahren muss oder ab 5 000 Einwohnern im Stundentakt oder ab 10 000 Einwohnern im Halbstundentakt. Das könnte man machen, wenn man das ÖPNV-Gesetz ändert. Wollen Sie nicht.

(Zuruf von der CDU: Das muss auch bezahlt werden!)

Oder man könnte damit auch die vielen anderen Probleme anpassen. Zum Beispiel das Schüler(innen)-Ticket regeln und kostenfrei oder zumindest kostengünstig organisieren. Man könnte einheitliche Beförderungsbedingungen in ganz Sachsen schaffen. Man könnte an der Preisgestaltung mitwirken und dafür sorgen, dass die Preise nicht jedes Jahr drastisch steigen. Man könnte landesweite Sozialtickets einführen, man könnte Fahrgastbeiräte in Landesebene und kommunaler Ebene fördern und umsetzen. Man könnte Barrierefreiheit konsequent umsetzen, und man könnte endlich auch über einen ÖPNVStreckenzuwachs im Schienenverkehr nachdenken und ausbauen und das Ruder endlich rumreißen von jahrelangem Abbau hin zu einem Aufwuchs des ÖPNV. All das ist leider nicht passiert und das kritisieren wir.

(Beifall bei den LINKEN)

Jetzt spricht für die AfD-Fraktion Frau Kollegin Grimm.

Danke. Ich möchte noch einmal den ländlichen Raum betrachten. Ein guter Ansatz ist das Pilotprojekt, das derzeit im Landkreis Bautzen und Görlitz läuft. Es wird über Bundesmittel finanziert, und es soll jetzt eine Mobilitätszentrale in Görlitz eröffnet werden, die sieben Tage 24 Stunden erreichbar ist, um alternative Bedienformen im ländlichen Raum an den Bedürfnissen der Bevölkerung auszuprobieren und auszutesten. Es nützt nichts, wenn im Stundentakt leere Busse im ländlichen Raum durch die Gegend fahren.