Sie ist in der Tat nicht der Auffassung, die die Sozialdemokraten in Deutschland und die meisten Sozialdemokraten europaweit vertreten. Wenn sie sagt, keine Regierung wolle in Nordirland einen neuen Konflikt entfachen, dann kann man nur sagen: Sie haben noch nie gesagt, dass sie das wollen. Aber das, was gerade dort passiert und sich in ersten Terrorakten äußert, zeigt deutlich, wohin es steuert.
Eine Rückkehr des Nationalismus führt zu einer Rückkehr von kriegerischen Auseinandersetzungen, meine Damen und Herren. Wir können die Augen nicht davor verschließen, dass sich dort gerade die Fronten verhärten. Wir haben auch deshalb bisher keine Akzeptanz des BrexitAbkommens, weil sich diese verhärteten Fronten, weil sich die harten Leute in Großbritannien im Moment durchsetzen wollen. Darauf läuft es hinaus.
Wir können nur hoffen, dass es zu diesem Abkommen kommt. Wir können auch hoffen, dass es ein zweites Referendum geben wird. Man muss aber sagen, die Demagogie, mit der für das erste Referendum argumentiert wurde, hat gezeigt, dass ein Teil der britischen Öffentlichkeit nicht bereit ist, fair zu argumentieren.
Die AfD hat kürzlich ein Europaprogramm verabschiedet. Sie hat gesagt, wenn bestimmte Reformbedingungen nicht durchgesetzt werden, solle Deutschland aus der Europäischen Union austreten, wobei – wenn man genau hinschaut – gerade diese Forderungen, die als Reformforderungen formuliert werden, durchaus geeignet sind, eine Beendigung der Europäischen Union herbeizuführen. Wenn man genau hinschaut, stellt man fest, dass das EUParlament abgeschafft werden soll. Der Euro soll abge
Es ist sehr spannend, was an Forderungen aufgestellt wird. Ich meine, wenn man die EU kritisiert, dann aber sagt, man wolle das demokratischste Organ der Union – das Parlament – abschaffen,
Es findet sich kein Wort darüber, wie man im Rahmen der bestehenden Verträge die Europäische Union reformieren möchte. Das will man gar nicht, man will sie abschaffen.
Sie haben gerade mit dem Satz geendet: Es gibt ein Leben nach der EU. Ich kann dazu nur sagen: Es gibt ohne EU ein Ende von Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa. Dagegen sollten wir uns wehren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sorge um die EU ist berechtigt. Ich teile sie mit allen, die sich ernsthaft um den Bestand der EU und den Bestand des Friedens in Europa sorgen.
Kurz eine Erinnerung: Wer hätte nach 1989/1990 gedacht, dass in Europa noch einmal Völker übereinander herfallen? Es hat nur zwei Jahre gedauert, bis das der Fall war. Wer hätte gedacht, dass es im Osten der Ukraine zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommt? All das, meine Damen und Herren, sollte uns mahnen, dass der Frieden nicht so leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf.
Lassen Sie mich aber auch sagen, dass der Brexit kein Schicksal ist, das über uns kommt. Kollegin Maicher, Sie haben in die richtige Richtung gewiesen. Der Brexit ist als Entscheidung auch ein Ergebnis, ein Ergebnis von Prozessen in der Europäischen Union. Völlig klar ist, dass die Lehren, die wir aus dem Brexit ziehen müssen, weiter reichen, als Frau Dr. Petry uns weiszumachen versucht –
Zum Brexit haben andere Konstruktionsfehler in der Europäischen Union geführt. In diese Konstruktionsfehler konnten in Großbritannien und anderen Mitgliedsstaaten der EU Rechtspopulisten hineinstoßen und ihr Gift in Europa offenbar sehr erfolgreich verspritzen.
Meine Damen und Herren! Jean-Claude Juncker hat es einmal kurz auf den Nenner gebracht und gesagt: Die Union ist in keiner guten Verfassung. Wie recht er hatte! Ich darf aus der neuen „Aus Politik und Zeitgeschichte“, der Beilage zum „Parlament“, auf Seite 19 Gisela MüllerBrandeck-Bocquet zitieren. Da steht: Dass die Reformen neue Horizonte erreichen, ist bitter nötig, „denn in den vergangenen Jahren hat es die EU nicht vermocht, tatkräftig und mutig die heutigen und künftigen Herausforderungen anzupacken und sich Zukunftsperspektiven zu eröffnen, die auch Europas Bürgerinnen und Bürger von ihrer Unverzichtbarkeit überzeugen können. Dies hat in großem Maße zu den bedrohlichen Entwicklungen beigetragen, die es derzeit all den dezidierten EU-Feindlichen quer durch die Mitgliedsstaaten ermöglichen, das europäische Einigungsprojekt zu unterminieren. Der Brexit und breitgefächerte Angriffe auf die uns bekannte multilaterale Weltordnung erzwingen nun, dass die EU verstärkt Selbstbehauptungs- und Überlebenswillen entfaltet.“
Meine Damen und Herren! Dem ist fast nichts hinzuzufügen. Aber ich habe noch eine Minute vierzig. Das ist auch selten.
Meine Damen und Herren! An dieser Stelle sage ich ganz klar: Wenn es um diese Perspektiven geht, können wir uns nicht in Fragen erschöpfen, wie wir die Handelsbeziehungen zu Großbritannien in Zukunft weiterentwickeln, sondern wir müssen uns fragen, was die Britinnen und Briten – zumindest die, die am Referendum teilgenommen haben – in ihrer Mehrheit, auch wenn sie knapp war, dazu bewogen hat, für den Austritt zu stimmen.
Das ist die Frage. Da steht für mich an oberster Stelle ein Konstruktionsfehler. Ja, das Parlament ist die demokratischste Institution in der Europäischen Union, aber der Rat ist übermächtig. Auch das muss man der Ehrlichkeit halber sagen. Das heißt, wenn es um eine echte Zukunftsperspektive für die Europäische Union geht, müssen wir uns an diese Aufgaben machen. Das wird ohne Vertragsänderungen sicherlich nicht gehen.
Die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union müssen diese Unverzichtbarkeit erleben können. Sie müssen ein soziales Europa erleben, nicht nur ein Europa der Finanzmärkte und des Binnenmarkts, der Freizügigkeit für Waren, Güter, Dienstleistungen, auch für Personen. Sie müssen erleben, dass die Sozialunion endlich auf den Weg gebracht wird.
Das müssen sie erleben. Sie wollen nicht länger erleben, dass in der Europäischen Union Lohndumping möglich ist. Sie wollen nicht erleben – –
Letzter Satz: Sie wollen nicht erleben, dass Frauenerwerbslosigkeit in vielen Ländern gleichzeitig Frauenarmut bedeutet. Deshalb ist es wichtig, –
– die Säule sozialer Rechte der Europäischen Union endlich auf den Weg zu bringen und dies eben nicht in –
Jetzt haben Sie sich sehr viel Zeit zusätzlich genommen, aber wir rechnen das auf die Redezeit an. – Das war Herr Kollege Stange, Fraktion DIE LINKE. Jetzt spricht erneut Herr Kollege Beger für die AfD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme nun zum letzten Punkt: den Folgen für den freien Handel in Europa. Wir wissen alle zusammen noch nicht, wie es am Ende ausgeht. Scheidet Großbritannien am 29. März mit oder ohne Abkommen aus der EU aus? Auch die Abstimmungen gestern Abend im britischen Parlament haben daran nichts geändert. Wir wissen nur, man will wegen der Auffanglösung für Nordirland den sogenannten Backstop noch einmal verhandeln, und man will nicht ohne Abkommen aus der EU heraus.
Hinsichtlich Nordirlands zeigt sich die EU bislang stur. Ich bezweifle, dass das klug ist. Dann bliebe Nordirland schließlich im Binnenmarkt, der Rest Großbritanniens aber nicht. Genau dies könnte zu einer Wiederaufnahme des Konflikts führen; denn dann gäbe es zwar keine harten Grenzen zwischen der Republik Irland und Nordirland, aber viele protestantische Nordiren könnten dies wie eine Vereinigung Nordirlands mit Irland empfinden. Das könnte der Samen für neue Gewalt sein.
Ich wage eine Prognose: Die EU wird stur bleiben, und für das jetzige Austrittsabkommen wird es eine Mehrheit mithilfe der Labour Partei geben. Oppositionsführer
Jeremy Corbyn hat klargemacht, dass nach seiner Ansicht die Option eines Ausscheidens ohne Abkommen unbedingt vom Tisch müsse. Er hat es in der Hand, diese Option mittels Zustimmung zum Abkommen vom Tisch zu nehmen. So wird es trotz der gestrigen Abstimmungen am Ende voraussichtlich kommen.
Die Auswirkungen des Brexit auf den freien Handel werden sich im Rahmen des Abkommens zwischen EU und dem Vereinigten Königreich bewegen. Wenn es doch einen Brexit ohne Abkommen gibt, wird man ein Freihandelsabkommen schließen müssen, das die negativen Folgen auf den Handel so gering wie möglich hält. Aber wir hätten keine geregelten Übergangsphasen. Bei einem ungeordneten Austritt würde Londons Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt und der Zollunion schlagartig am 29. März 2019 enden. Erhebliche Verzögerungen und Zölle könnten dann den freien Warenverkehr massiv beeinträchtigen. Das kann niemand wollen. Ich appelliere ausdrücklich, in diesem Fall zu einer kurzfristigen Übergangslösung zu kommen, um dieses Desaster abzuwenden.
Meine Damen und Herren, aus deutscher Sicht ist das Ausscheiden Großbritanniens ohne Zweifel von großem Nachteil. Der bekannte Wirtschafswissenschaftler
Prof. Dr. Hans-Werner Sinn hat den Brexit als verheerend für Deutschland bezeichnet. Ohne Großbritannien verlören Deutschland und die anderen freihandelsfreundlichen Länder ihre Sperrminorität im EU-Ministerrat. Deutschland wird also künftig leichter gegen wirtschaftliche Vernunft und zu seinem Nachteil überstimmt werden können. Das, meine Damen und Herren, ist die eigentliche Tragödie des Brexit.