Protocol of the Session on January 30, 2019

(Widerspruch bei der CDU und der Staatsregierung)

Ich finde dieses Jammern erbärmlich. Ich finde, wir sollten uns um viele andere Dinge auch kümmern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erklären Sie doch heute bitte einmal den Sächsinnen und Sachsen und auch uns, dem Parlament, welche Maßnahmen Sie tatsächlich anpacken. Wie bereiten Sie sich vor? Geben Sie einen Überblick über die notwendigen rechtlichen und weiteren Maßnahmen in allen einzelnen betroffenen Bereichen. Sorgen Sie für Transparenz und Vertrauen. Sagen Sie uns aber zum Beispiel auch, was Sie für die vielen Britinnen und Briten vorbereiten, die hier bei uns in Sachsen leben und arbeiten. Sagen Sie uns: Was haben Sie in den letzten Jahren unternommen, um kommunale Partnerschaften mit Großbritannien zu fördern? Was haben Sie vorbereitet, damit Partnerschaften tragfähig sind?

All das sind Aufgaben, über die wir hier überhaupt noch nicht gesprochen haben. Mich würde schon interessieren, wie Ihr Plan aussieht. Am liebsten wäre sicher vielen hier, dass wir aufwachen und sagen: Der Brexit und die Entscheidung darüber war nur ein Traum. Aber so ist es nicht. Er wird kommen, sehr schnell und chaotisch. Es täte gut, wenn wir uns hier in Sachsen – die Menschen, die Unternehmen, aber auch die Forschungseinrichtungen und viele andere – darauf vorbereiteten und nicht weiter dieses Thema aussäßen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Frau Dr. Maicher sprach für die GRÜNEN. Als Nächste kommt jetzt Frau Dr. Petry zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

Danke. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Brexit und der aus unserer Sicht unrühmliche Verhandlungspoker zwischen der Europäischen Union und Großbritannien zeigen uns zweierlei:

Erstens. Die Europäische Union hat einen schwerwiegenden Konstruktionsfehler. Es gibt schlicht kein klares Ausschlussszenario, keine klare Ausschlussklausel.

Artikel 50 des Vertrages über die Europäische Union ist viel zu diffus formuliert und führt zu den langwierigen Verhandlungen, wie wir seit Monaten sehen. Will also die Europäische Union in Zukunft verhindern, dass es weitere Austritte und damit verbundenes Chaos in der Europäischen Union gibt, müssen wir diesen Fehler als Mitglied der Europäischen Union schnellstens beheben.

Zweitens. Anders, als uns mancher glauben lässt, wird zwar die Umstellung nach einem Brexit die Rest-EU härter treffen als Großbritannien, aber Großbritannien wird in der Lage sein, sich davon relativ schnell zu erholen. Als kleines, einzelnes Land sind sie dazu flexibel genug. Anders als uns viele glauben machen wollen, sind wir nicht vorbereitet. Zollabkommen, Regelungen im Aufenthaltsrecht, Zusammenarbeit der Geheimdienste und vieles andere mehr, was staatlicherseits geregelt werden kann, sind ungeregelt – ganz entgegen den Aussagen der Bundesregierung. Wir können von Glück sprechen, dass Großbritannien nicht zum Euro-Währungsgebiet gehört, sonst wären die Folgen noch dramatischer.

Meine Damen und Herren, der Brexit ist keine Katastrophe. Katastrophal ist nur die Annahme, dass die Europäische Union die Briten mit No-Deal-Szenarien und weiteren Verhandlungen erpressen kann. Das sollten die Briten nicht zulassen. Sie sollten zu ihrer demokratischen Entscheidung stehen. Es gibt ein Leben nach der EU.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Als Nächste ergreift Frau Kollegin Kersten das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich recht froh, dass wir heute keine Debatte im Stil des Liebes- oder besser gesagt Jammerbriefes sogenannter prominenter Deutscher an die Briten geführt haben. Fakt ist: Großbritannien wird nach dem Brexit nicht von der Erdkugel verschwinden. Das Beängstigende an diesem Brief war aber, dass die Unterzeichner offensichtlich nicht verstanden haben, dass die Gründe für den Austritt auch bei der EU liegen könnten.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Das lässt nun befürchten, dass auf eine echte Reform der EU noch lange zu warten ist – eine Reform, die zu einem

schlankeren Verwaltungsapparat führt und dazu, dass die EU sich wieder auf Kernaufgaben wie Wirtschafts- und Währungspolitik, Außenpolitik oder Innere Sicherheit und Grenzschutz konzentriert.

Meine Damen und Herren, weder der Frieden noch der freie Handel in Europa sind durch den Brexit gefährdet. Wer das behauptet, schürt nichts als Ängste. Erinnern Sie sich noch an die Russland-Sanktionen? Der Handel wurde damals durch das dogmatische Agieren der EU massiv eingeschränkt und ist es bis heute. Damals hat sich niemand Gedanken über Frieden oder über die Wirtschaft gemacht. Frieden haben wir auch heute noch, und die Wirtschaft hat sich auch irgendwie durchgewurschtelt – trotz Exportrückgangs um 52 % seit dem Jahr 2013.

Schlussendlich, meine Damen und Herren: Auch um die Demokratie braucht sich niemand Sorgen zu machen, denn der Brexit ist gerade Ausdruck demokratischen Handelns.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Wir sind am Ende der ersten Runde angekommen und eröffnen die nächste. Für die einbringende CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Heidan.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben in einer globalen Welt, und gerade als starke Wirtschaftsnation sind wir sehr abhängig von dieser globalen Welt. Genau das ist von Ihnen, den auf – von mir aus gesehen – der rechten Seite Sitzenden, von Anfang an gewünscht, diese Kritik an der EU geschaffen zu haben.

Frau Kollegin Kersten, Sie haben gerade gesagt, dass es im Handel keine Einschränkungen geben wird. Doch, die wird es geben, weil allein schon die Zölle und die Abfertigung der Lkws, zum Beispiel in der Nähe von Dover, nicht zu schaffen sind und heute schon Wirtschaftsunternehmen Fähren chartern, um die Waren nach Großbritannien zu bringen und von Großbritannien nach Europa oder woanders in die Welt.

Genau das sind die Probleme, mit denen wir uns heute hier beschäftigen müssen. Ich möchte die Premierministerin von Neuseeland zitieren, die sagte: „Heute, wo die globalen Regeln und Normen erneut unter Beschuss stehen und die gemeinsame Arbeit an den großen weltweiten Herausforderungen bedroht ist, müssen Länder wie unseres noch enger mit denjenigen zusammenarbeiten, die sich auf dieselben Grundwerte verpflichtet haben.“

In dieser Beziehung sieht Neuseeland die EU und ihre Mitgliedsstaaten besonders bei drei Themenbereichen als wichtige Partner – ich zitiere wörtlich – „beim Klimawandel, bei der weltweiten Förderung von Frieden und Stabilität und beim Handel.“

Natürlich wird es Auswirkungen haben. Frau Kollegin Feiks, Sie werden es mir bitte nicht übelnehmen, –

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Nee!)

aber der Binnenhandel wird unsere Wirtschaft sicherlich auch stärken – aber nicht in dem Maße –, weil wir eine Exportquote von 60 % haben.

(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg. Rico Gebhardt und Marco Böhme, DIE LINKE)

Gerade in Sachsen sind wir von dieser hohen Exportquote sehr abhängig, weil wir mehr Produkte in die Welt liefern, weil wir mehr Produkte zu Handelspartnern bringen. Das ist die Stärke unserer Wirtschaft, und die dürfen wir nicht gefährden.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das ist die Schwäche unserer Wirtschaft!)

Nein, das ist nicht die Schwäche, lieber Herr Gebhardt. Damit haben Sie nicht recht; das ist ein Zeichen unserer Innovation,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Und die niedrigen Löhne zum Beispiel!)

unserer starken Wirtschaftsmacht, die hier in Sachsen in den letzten fast 30 Jahren aufgebaut worden ist. Das ist der Fakt.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Ich glaube auch, Frau Dr. Maicher, dass das, was Sie hier zu den Fördergeldern gesagt haben, nicht vordergründig ist. Die Staatsregierung wird vielleicht dazu auch noch etwas sagen. Deutschland als Nettozahler zahlt mehr in die EU ein, weil wir abhängig sind, weil wir wirtschaftliche Beziehungen möchten.

(Zuruf der Abg. Antje Feiks, DIE LINKE)

Das sind Dinge, die auch an uns nicht vorübergehen werden. Die wirtschaftlichen Folgen durch Zollformalitäten, durch Außengrenzen zum Vereinigten Königreich, Verteuerung der Importe und Exporte in den Hauptbranchen Automobilbau und Maschinenbau werden nicht ausbleiben. Das sage ich Ihnen ganz deutlich, meine Damen und Herren; das sollten wir uns klar vor Augen führen.

Ich bin froh, dass Großbritannien in diesem Jahr ein Honorarkonsulat in Sachsen eröffnen will. Das ist die richtige Antwort auf diese schwierigen Entwicklungen, die noch nicht abgeschlossen sind und von denen wir noch nicht wissen, wohin es geht. Letztendlich wird der Austritt des Vereinigten Königreichs als Nettozahler signifikante Auswirkungen für die EU haben, denn die EU wird die ausfallenden Mittel nicht kompensieren können. Wir werden uns dazu hier in diesem Hohen Hause verständigen müssen.

Aber – das sage ich ganz deutlich – mit dem Wegbrechen des Vereinigten Königreichs werden gerade die nördli

chen Länder in der EU die Sperrminoritäten von 35 % zu spüren bekommen. Ich denke zum Beispiel an die Lockerung der Haushaltsdisziplin, was von den Südländern in der EU durchaus nicht richtig gelebt wird. Das wird sicherlich zu weiteren Diskussionen in diesem Hause führen. Ich hoffe – wir hoffen das als CDULandtagsfraktion in diesem Hohen Haus –, dass jetzt Vernunft eintritt und eine gute Lösung kommt. Letztendlich brauchen wir sie für unsere Wirtschaft, für den Tourismus, für den Handel und für die Sicherung des Friedens.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Mit Kollegen Heidan, CDU-Fraktion, begann die zweite Rederunde, und sie wird von Herrn Kollegen Baumann-Hasske fortgesetzt. Er spricht für die SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich auf einige Ausführungen, die uns Herr Beger gerade mitgeteilt hat, eingehen. Er hat unsere ehemalige LabourKollegin Gisela Stuart zitiert.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das lohnt sich nicht, Herr Kollege!)

Sie ist in der Tat nicht der Auffassung, die die Sozialdemokraten in Deutschland und die meisten Sozialdemokraten europaweit vertreten. Wenn sie sagt, keine Regierung wolle in Nordirland einen neuen Konflikt entfachen, dann kann man nur sagen: Sie haben noch nie gesagt, dass sie das wollen. Aber das, was gerade dort passiert und sich in ersten Terrorakten äußert, zeigt deutlich, wohin es steuert.