Ich habe vorhin vom Treppenwitz der Geschichte gesprochen. Nach 1990 ist in einem juristisch komplizierten Verfahren – ich habe es beschrieben –, das im Einzelfall sicher zu Verletzungen und Enttäuschungen geführt hat, eine rechtsstaatliche Grundlage gelegt worden, die Rechtssicherheit geschaffen hat. Wir haben heute hier Rechtssicherheit. Es ist sehr durchsichtig, dass Sie alte Wunden aufreißen wollen, die Sie selbst damals, nach 1945, gelegt haben, und jetzt mit Unzufriedenheit unterwegs sind. Wir weisen das selbstverständlich zurück.
Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion ist an der Reihe. Für die Fraktion spricht der Abg. Herr Baumann-Hasske. – Sie haben das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sind komplizierte Rechtsverhältnisse. Sie werden mir Recht geben: Das ist Übergangsrecht in mehreren Stufen: deutsche Einheit – Vorstufe der deutschen Einheit – Übergangsrecht – vorher DDR. Das alles kommt hier mehr oder weniger zum Tragen. Ich möchte versuchen, das zu sortieren.
Wir hatten eine Situation, wie Herr Bartl sie zutreffend beschrieben hat. Es gab das Eigentum innerhalb der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften; dieses Eigentum war beschränktes Eigentum. Es durfte nur vererbt, aber nicht anderweitig belastet oder verkauft werden. Dann ging es auf das Ende der DDR zu. Es kamen die Modrow-Gesetze, auf die Sie gerne zu sprechen kommen wollten. Das Modrow-Gesetz hat relativ klar festgelegt: Die Beschränkungen dieses Eigentums
werden aufgehoben. Dann kamen die deutsche Einheit und anschließend die Vermögensrechtsänderungsgesetze, in denen unter anderem auch in Artikel 232 EGBGB Regelungen eingeführt wurden, die die Regelungen der Modrow-Gesetze – zumindest in dieser Absolutheit – zurückgenommen haben. Es war nicht mehr unbeschränktes Eigentum, sondern Artikel 232 EGBGB sagt heute: Das DDR-Recht wird nachgezeichnet; es kann nur das im Eigentum bleiben, was nach DDR-Recht im Eigentum geblieben wäre, wenn die DDR-Behörden das alles ordnungsgemäß vollzogen hätten.
Jetzt kann man sich darüber streiten, ob nach der deutschen Einheit die Bundesrepublik Deutschland das Recht hatte, die Modrow-Gesetze wieder abzuändern. Dazu ist zu sagen: Das Bundesverfassungsgericht, vor dem es gelandet ist, hat gesagt, dass das Vermögensrechtszuordnungsgesetz ein Gesetz zur Ausformung von Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz sei, also eine Ausformung des grundsätzlich garantierten Eigentumsrechts.
Entgegen Ihrer Auffassung ist mit diesem Gesetz keine Enteignung vorgenommen worden. Worüber man sich streiten kann, ist, ob die Entscheidungen, die aufgrund dieses Gesetzes gerichtlich getroffen worden sind, Enteignungen waren und wenn keine Entschädigung erfolgt ist, ob es eine entschädigungslose Enteignung war. Ich glaube, dort wird man hinkommen müssen. Ich glaube, das Bundesverfassungsgericht hat es gehalten, dass diese Rechtslage verfassungskonform ist. Darüber kann man natürlich sehr theoretisch streiten, aber ich denke, wir müssen uns an die Rechtslage des Bundesverfassungsgerichts halten.
Was praktisch in der Umsetzung geschehen ist, ist, dass es eine Vielzahl von Verfahren gab. Sie haben mit Ihrem Antrag die Zahlen noch einmal genannt. Wir stellen fest, dass es in Sachsen über 5 000 Fälle gegeben hat, in denen das Grundstück den Antragstellern nicht zugesprochen wurde und sie demzufolge das Grundstück im Zweifel dem Freistaat Sachsen zu übertragen hatten.
Was mich ein wenig verblüfft – sowohl bei dem Antrag aus Brandenburg als auch bei dem Antrag, den Sie hier stellen – ist: Es wird eine ganze Menge ausdifferenziert, aber am Schluss kommt man eigentlich zu einer Regelung, die hier gefordert wird, die da lautet: Jeder, der einmal eingetragen war, soll Eigentümer sein oder entschädigt werden. Das ist die Regelung, die Sie eigentlich anstreben. Sie wollen im Prinzip eine Entschädigung, einen Fonds – wie auch immer – für diejenigen, die ihr Eigentum nicht mehr bekommen können. Da die Rechtskraft im Zweifel eingetreten ist, weil die Verfahren alle abgeschlossen sind, soll jetzt im Nachgang noch ein Entschädigungsfonds geschaffen werden.
Die Frage ist, ob das gerecht ist. Unter Gerechtigkeitserwägungen, wenn ich die Probleme des Einigungsvertrages weglasse und auch die Frage, warum Herr Modrow das seinerzeit getan hat. Weil er wahrscheinlich Angst hatte, dass auf einmal ganz viele aus dem Westen kommen, alles aufkaufen usw. Das mag sein. Diese Folge, die Herr
Das, was hier vorgenommen wurde, ist die Differenzierung, die nach DDR-Recht vor Modrow galt. Da sind, ich sage jetzt einmal, ohne die Einzelfälle alle prüfen zu wollen, im Großen und Ganzen gerechte Entscheidungen getroffen worden. Der von Ihnen zitierte BGH, der einen hohen moralischen Anspruch funktioniert hat, hat das wesentliche Kriterium, nämlich die Mitgliedschaft in der LPG, so weit abgeschwächt, dass es nachher ausreichte, dass jemand auch nur behaupten musste, Mitglied einer LPG werden zu wollen und dieses glaubhaft machen musste.
Wenn er das machen konnte, wenn er es irgendwie annähernd belegen konnte, dass er auch nur die Absicht hatte, zum Zeitpunkt des Stichtages Mitglied der LPG zu sein, dann reichte das aus, damit er Eigentum erhält. Das hat der BGH entschieden. Dann frage ich mich, welche Fälle übrig bleiben. – Das sind diejenigen, die offensichtlich nicht nachweisen können, keine Beziehungen dazu hatten, bei denen das Land möglicherweise schon seit Jahren oder Jahrzehnten brachgelegen hatte und eigentlich zu diesem Stichtag keine Beziehungen mehr zu diesem Land bestanden.
Ich frage Sie, ob es richtig ist, entweder denen das Eigentum zu verschaffen, oder sie nachträglich zu entschädigen. Ich meine, das wäre nicht gerecht. Deshalb bin ich gegen Ihren Antrag. Wir werden ihn deshalb ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Die Fraktion der AfD wird den Antrag der LINKEN ablehnen. Der Antrag kann in der vorgelegten Fassung nicht überzeugen. Die Fraktion DIE LINKE möchte mit ihrem Antrag erreichen, dass die Staatsregierung einen Bundesratsantrag der Landesregierung von Brandenburg unterstützt. Der Antrag Brandenburgs im Bundesrat ist leider ziemlich unbestimmt. Der Bundesrat soll die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Dieser soll die Vorschriften des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch über die Abwicklung der Bodenreform ändern. Es soll ein Ausgleich entstandener Härten erreicht werden. Das Vertrauen der Bodenreformerben in den Rechtstaat und der Rechtsfrieden sollen wieder gestärkt werden.
Meine Damen und Herren! Ich frage mich, warum das Land Brandenburg nicht gleich einen Gesetzesvorschlag vorlegt. Die Regierung eines Bundeslandes verfügt im Ministerialbereich über ausreichend qualifiziertes Personal, um einen solchen Gesetzentwurf zu schreiben.
Liegt es vielleicht daran, dass man in der brandenburgischen Landesregierung aus SPD und LINKEN selbst nicht genau weiß, welche entstandenen Härten man da genau ausgleichen will? Es ist viel leichter, einen solchen Gesetzentwurf von der Bundesregierung einzufordern.
Meine Damen und Herren! Mir drängt sich folgender Eindruck auf: LINKE und/oder SPD haben sich im Brandenburger Landeswahlkampf zu weit aus dem Fenster gelehnt. Nun möchte man ein gemachtes Versprechen einhalten und dies in Form eines unbestimmten Bundesratsantrages wieder einbringen. Auch in Brandenburg wird im nächsten Jahr gewählt. Man könnte sagen, man habe im Bundesrat eine Initiative eingebracht, aber man hätte sich nicht durchsetzen können. Seriöse Regierungsarbeit sieht wohlweislich anders aus.
Werte Kollegen! Dem Antrag der Fraktion DIE LINKE geht es offenbar nicht um die gesetzlichen Regelungen im Grundsatz. Man wendet sich gegen den Umgang mit Fällen, mit denen aufgrund nicht ordnungsgemäßen Handelns der DDR-Behörden später Nachweisschwierigkeiten für die Betroffenen bestanden. Es geht insbesondere um Menschen, die ihre Mitgliedschaft in einer LPG aufgrund mangelhafter Aktenlage der DDR-Behörden nicht mehr nachweisen konnten. Die Stellungnahme der Staatsregierung vom 19. Juli dieses Jahres weist hierzu auf eine differenzierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hin. Der BGH hat keineswegs zwingend auf den Nachweis der Mitgliedschaft in einer LPG bestanden.
Hätte die Landesregierung in Brandenburg eine gerechtere Lösung parat, so hätte sie wohl einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht. Im Übrigen sollte man einen nach Ablauf gesetzlicher Fristen
eingetretenen Rechtsfrieden nicht völlig ohne Not wieder aufkündigen. Dem vorgeblichen Ziel des Rechtsfriedens dient dieser Antrag bestimmt nicht. Deshalb lehnen wir ihn ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir als GRÜNE-Fraktion tun uns sehr schwer mit diesem Antrag – schon allein mit der Ausgestaltung. Wenn man sich überlegt, dass es wirklich um Fälle geht, in denen im Detail jemand etwas nachweisen muss, ob er nachweisen
konnte, dass er ein Interesse an der LPG hatte oder nicht – – Die Aufbewahrungsfristen bei den landwirtschaftlichen Betrieben sind lange abgelaufen. Wir sind uns nicht einmal sicher, wenn man so etwas umsetzen würde, ob man jeden erreicht, der sich ungerecht behandelt fühlt. Es erscheint uns noch nicht einmal umsetzbar, selbst wenn man es wollte, vor allem vor dem Hintergrund, dass wir im 20. Jahrhundert und danach mehr erlebt haben, dass Dinge zu ungerechten Verhältnissen geführt haben.
In der ersten Tranche, etwa bei der Bodenreform nach dem Weltkrieg, wurden Leute, die etwa dem Stauffenberg-Kreis nahestanden, als sogenannte „Nazis“ enteignet, die das nie wiederbekommen haben. Auch dort mag es viele betroffen haben, bei denen man moralisch sagt, ja, das kann ich gut nachvollziehen. Aber das war in seiner Gänze nicht in Ordnung. Wir wissen, dass viele nach 1990 versucht haben, sich durch Gerichte durchzuklagen, und auch nicht befriedigt zurückgegangen sind. Unsere Rechtsordnung kennt das Instrument des Eintretens in einen Rechtsfrieden. Das kennt man schon im Kleinen im Verwaltungsrecht, dass die Verhältnisse so rechtswidrig bleiben, wie sie sind, wenn man es in einem Monat nicht schafft, Widerspruch einzulegen.
Doch so ist es. Rechtsfrieden ist auch ein hohes Gut in dieser Rechtsordnung. Das ist ein permanenter Zielkonflikt.
Ich habe den Bogen so begonnen, dass ich gesagt habe, selbst wenn man hier mit gutem Willen herangehen würde, wäre es unmöglich, für alle 100 % Gerechtigkeit herzustellen. Am Ende würden immer noch welche übrig bleiben.
Vor dem Hintergrund dessen, was man erreichen kann, ist die große Frage, ob man solche alten Verhältnisse nach so vielen Jahren in dem Umfang wieder aufrühren sollte.
Daran habe ich einen großen Zweifel. Man darf nicht vergessen – darauf haben die Vorredner richtig hingewiesen –, die Rechtslage zu DDR-Zeiten war tatsächlich jene: Wenn ich es selber nicht mehr landwirtschaftlich nutzen will, muss ich es in diesen Bodenfonds der DDR zurückgeben. Dann gab es dieses kleine Zeitfenster unter Modrow, dass es auf einmal unabhängig davon vollwertiges Eigentum werden sollte. Da ist noch kein großes rechtspolitisches und gesellschaftspolitisches Vertrauen entstanden, dass das tatsächlich Eigentum ist, sondern diese Eigentumsübertragungen – angefangen von 1945 und dann wieder 1990 – waren immer politisch motiviert.
Das ist kein jahrzehntealtes Wachstum. Da könnte man sagen, die Enteignungen 1945 waren viel tragischer. Da hat es teilweise Jahrhunderte alte Rechtsinstitute getroffen. Wie gesagt, man kann sich Bodenreform – – Die Rede gab es schon in der Weimarer Republik und länger. Es mag gute Gründe dafür gegeben haben. Aber das sind
einfach Zielkonflikte. Wir müssen sagen, sowohl der Weg als auch der Anlass, das Thema Gerechtigkeit herzustellen, überzeugt uns als GRÜNE nicht wirklich – vielleicht in dem Bereich ja. Ich selbst kenne auch viele tragische Fälle, die immer wieder kommen.