Vielen Dank, Herr Präsident! Ich habe dem Antrag meiner Fraktion zugestimmt, weil ich mich noch sehr gut an die Zeit erinnern kann, als die Hartz-IV-Gesetzgebung im Deutschen Bundestag beraten und beschlossen wurde – während der zweiten Kanzlerschaft Gerhard Schröders – und bereits in dieser Phase begonnen hat, die Gesellschaft zu spalten, die Gesellschaft sehr stark aufzuwühlen und die Spaltung in der Gesellschaft in der Folge mit verschiedenen Instrumenten noch viel tiefer vorangetrieben hat, vor allem aber dann auch mit den Sanktionen.
Deshalb ist es nach meiner Auffassung richtig, an die Stelle von Hartz IV eine sanktionsfreie Grundsicherung zu stellen, die vor allem die Würde des Menschen in den Mittelpunkt rückt und nicht ein Instrumentarium, um die von Hartz IV Betroffenen zu disziplinieren.
Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen und kann damit den Tagesordnungspunkt für beendet erklären.
Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und für die Fraktion Herr Abg. Zschocke. Bitte, Herr Zschocke, Sie haben das Wort.
Meine Damen und Herren! Tiere sind unsere Mitgeschöpfe. Dieser Gedanke hat mich als junger Mensch bei meinem Engagement in der kirchlichen Umweltbewegung in der DDR geprägt. Ich stelle das ganz bewusst vornweg, weil viele hier im Hause sich sehr gern bei ihrem politischen Handeln auf christliche Ethik berufen. Aber Tierschutz ist nicht nur eine ethische Frage. Tiere haben Rechte.
Seit 2002 ist der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Im deutschen Rechtssystem kann aber nur der klagen oder Widerspruch in einem Verwaltungsverfahren einlegen, der in seinen eigenen Interessen berührt ist. Das ist ausschließlich bei Tiernutzern der Fall. So kann zum Beispiel ein Wissenschaftler gegen die Ablehnung von Tierversuchen klagen, weil er sich in seinem Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit verletzt fühlt. Ein Tierschutzverband kann aber in Sachsen zum Beispiel nicht gegen unverhältnismäßige Tierversuche klagen. Eine Klage gegen ein vermeintliches Zuviel an Tierschutz ist also zulässig, nicht aber eine Klage gegen ein Zuwenig an Tierschutz.
Genau dieses Ungleichgewicht hat eine Durchsetzungsschwäche des Tierschutzes in der Praxis zur Folge. Deshalb ist ein Klage- und Mitwirkungsrecht für Tierschutzverbände eine notwendige Konsequenz, wenn wir einen wirksamen und wirkungsvollen Schutz für Tiere erreichen wollen.
Bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz, zum Beispiel wenn Behörden die Einhaltung des Tierschutzgesetzes nicht durchsetzen und Missstände in der Tierhaltung dulden, können die davon betroffenen Tiere nicht selbst klagen. Ohne ein Verbandsklagerecht haben Tierschutzverbände dann nur die Möglichkeit, Anzeige zu erstatten. Aber wir wissen ja, dass solche Verfahren häufig eingestellt werden. Deshalb sagen wir, dass anerkannte Tierschutzverbände das Recht erhalten müssen, das Verhalten der Behörden bei der Einhaltung und Umsetzung des Tierschutzgesetzes zu kontrollieren und im Zweifel den Tierschutz auch mittels einer Verbandsklage durchsetzen zu können.
Eine bundesweit einheitliche Regelung für die Verbandsklage im Tierschutz, wie wir sie als GRÜNE 2016 im Bundestag eingebracht haben, ist zwar nicht in Sicht, aber
viele Bundesländer haben dieses Recht längst geschaffen – Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und auch SchleswigHolstein. Wir GRÜNEN unternehmen heute den erneuten Anlauf, ein Tierschutzverbandsklagegesetz auch in Sachsen einzuführen. Mit dem Gesetzentwurf, den wir hier einbringen, wollen wir nicht nur das Verbandsklagerecht, sondern auch die Mitwirkungsrechte von Tierschutzvereinen umfassend regeln und vor allem mehr Transparenz schaffen.
Anerkannten Tierschutzverbänden wollen wir bei der Planung von Verordnungen und Rechtsvorschriften oder bei allen tierschutzrelevanten Genehmigungsverfahren wesentlich mehr Informations- und Beteiligungsrechte einräumen. Die Mitwirkungsrechte sollen auch die Erteilung von Baugenehmigungen zur gewerblichen Nutztierhaltung betreffen, auch die Genehmigungs- und Erlaubnisverfahren, wenn es zum Beispiel um Tierversuche geht. Das macht viel Sinn, weil so auch der langjährige tierschutzbezogene Sachverstand in den Verbänden frühzeitig in das Verwaltungsverfahren eingebracht und so der Tierschutz von vornherein berücksichtigt werden kann.
Wir schaffen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einen Rahmen für ein insgesamt faires und rechtsstaatliches Verfahren, damit künftig ein wirklich fundierter Abwägungsprozess zwischen Tierschutzinteressen und anderen Interessen überhaupt erst einmal möglich wird.
Das Gesetz könnte zudem eine präventive Wirkung entfalten. Es ist zu erwarten, dass Veterinärbehörden auch ohne Klage frühzeitiger – ich will einmal sagen: mutiger – bei Tierschutzmängeln und -verstößen eingreifen; denn sie müssten ja immer damit rechnen, dass bei Untätigkeit eine Klage von Tierschutzverbänden eingereicht würde. Eine Prozessflut wäre daher also nicht zu erwarten; denn nach den Vorstellungen unseres Gesetzentwurfes dürfen nur diejenigen Tierschutzvereine klagen, die sachsenweit bzw. bundesweit tätig sind und seit mindestens drei Jahren bestehen. Keiner dieser Tierschutzvereine, meine Damen und Herren, wird sich dem zeit- und kostenaufwendigen Verfahren einer Klage ohne Aussicht auf Erfolg aussetzen. Auch wird kein Verband Niederlagen vor Gericht, beispielsweise durch eine schlechte Vorbereitung und Durchführung einer solchen Klage, riskieren, weil das ja auch wiederum weitreichende Folgen zulasten der Tiere haben könnte.
Tierschutzvereine werden sich daher sehr genau überlegen und sich auf wenige ausgewählte und beispielgebende Fälle beschränken, so wie das auch Naturschutzverbände
tun. In den genannten Bundesländern, die Tierschutzverbänden auf Landesebene klare Befugnisse eingeräumt haben, blieb auf jeden Fall eine Klagewelle aus. Wir kennen es auch aus Sachsen, dass das Verbandsklagerecht für die anerkannten Naturschutzverbände keinesfalls zu einer Klagewelle geführt hat.
Weiterhin regeln wir die Voraussetzungen und die Verfahren für die Anerkennung eines Tierschutzvereins. Die Anerkennung soll durch das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz erfolgen, wenn der Verein gemeinnützig ist, jedermann offensteht, laut Satzung die Förderung des Tierschutzes mindestens auf dem Gebiet eines Landes zum Ziel hat sowie Gewähr für die sachgerechte Erfüllung seiner Aufgaben bietet.
Eine Verbandsklage soll nach unseren Vorstellungen möglich werden im Falle von Verletzungen von Tierschutzvorschriften im Tierschutzgesetz und in EUVerordnungen oder bei erteilten Genehmigungen, wenn tierschutzrelevante Vorschriften entgegenstehen. Zusätzlich zum Klagemodell, der Anfechtungsklage, haben wir auch die Feststellungs- und Verpflichtungsklage im Gesetzentwurf aufgenommen. Für die Beteiligung am Verfahren haben wir Fristen festgelegt, die ausreichend Zeit zur Verfügung stellen, um seitens der ehrenamtlich tätigen Vereine eine Stellungnahme erarbeiten zu können.
Meine Damen und Herren! Ein Verbandsklagerecht verändert zunächst erst einmal nichts an den niedrigen Standards im Tierschutzrecht. Es kann zunächst immer nur helfen, geltendes Recht durchzusetzen; denn grundsätzlich haben Klagen immer nur Auswirkungen auf den
konkreten Fall. Aber richterliche Entscheidungen haben auch eine große Signalwirkung. Insofern haben erfolgreiche Klagen weit über den Einzelfall hinaus Ausstrahlung und können im Ergebnis sogar dazu führen, dass Verordnungen im Sinne der Tiere überarbeitet werden. Ein Verbandsklagerecht wird nicht nur das rechtliche Ungleichgewicht zwischen Tiernutzern auf der einen Seite und Tierschützern auf der anderen Seite aufheben, sondern auch dabei helfen, die Erreichung des Staatsziels Tierschutz in der konkreten Praxis voranzutreiben und mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf „Sächsisches Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine“ an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diesen Ausschuss zustimmen möchte, zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich kann keine Gegenstimmen und Stimmenthaltungen feststellen. Damit ist die Überweisung beschlossen, meine Damen und Herren.
der Bevölkerung an der Planung und Ausgestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs im Freistaat Sachsen
Meine Damen und Herren! Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Von daher spricht nur die Einreicherin, die Fraktion DIE LINKE, und sie ist ganz fix an der Reihe. Herr Abg. Böhme steht bereits hier vorn und wird den Gesetzentwurf einbringen. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf möchten wir für die Bevölkerung die Beteiligung im ÖPNV verbessern. Er besteht im Wesentlichen aus drei inhaltlichen Zielen. Zum einen geht es um die Stärkung der Demokratie; denn ÖPNV geht uns alle an. Wir sind alle damit irgendwie in Berührung, und auch Autofahrerinnen und Autofahrer haben damit eine gewisse Berührung, wenn sie nicht mehr im Stau stehen müssen, weil
Leute im ÖPNV fahren. Daher ist es eine Stärkung der Demokratie. Es ist aber auch eine Stärkung des ÖPNV an sich, weil es dabei um Qualitätsverbesserung geht und am Ende auch eine Stärkung der Menschen mit sich bringt, die damit fahren, die mobiler sein können oder mehr Qualitäten als Ergebnis bekommen und damit eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben können.
Mit diesem Gesetz soll vor allem erstmalig ein gesellschaftlicher oder gesetzlicher Rahmen für die Einwohnerinnen und Einwohner, für die Fahrgäste und für Interessenvertretungen von Fahrgastverbänden geschaffen
werden, damit sie sich überhaupt beteiligen können. Das geht nämlich heute noch nicht so einfach, zumindest nicht gesetzlich garantiert. Meine Damen und Herren, das wird eben höchste Zeit. Deshalb gibt es diesen Gesetzentwurf.
Die genannten Zielgruppen sollen mit diesem Gesetz in eine umfassende Beteiligung bedarfsgerechter Planung, also der Organisation und Ausgestaltung des ÖPNV, eingebunden werden.
Es ist die Frage: Wie? Im Grunde ist es ganz einfach: Es geht natürlich um die frühzeitige Information der ÖPNVZweckverbände. Davon haben wir heute noch fünf Stück. Die Informationen liefern sie heute auch schon. Es geht uns aber – zweitens – auch um eine rechtzeitige Beteiligung. Die Menschen sollen wirklich eingebunden werden, jene, die von möglichen neuen Linien, Veränderungen von Linien oder von Infrastrukturmaßnahmen betroffen sind, also die Einwohner, außerdem jene, die damit fahren oder zukünftig fahren werden, sowie die Interessenvertreter der Fahrgastverbände. Dabei sollen die Aufgabenträger des ÖPNV verpflichtet werden, diese Zielgruppen einzubinden.
Wie soll das konkret ablaufen? Zunächst soll es zu allen Punkten, die die Erschließung betreffen, eine öffentliche Beteiligungspflicht geben, wo und wie häufig ein Bus fährt, welcher Service angeboten wird, ob er barrierefrei ist, wie er ausgestaltet ist und welche Umwelteigenschaften dabei zu berücksichtigen sind. Auch bei kommunalen Nahverkehrsplänen soll diese Beteiligung auftauchen sowie bei der Tarifgestaltung und der Organisation von Schülerverkehr. Dies alles sind Punkte, die berücksichtigt werden sollen.