Das Problem ist nur, dass diese Arbeit keine gut bezahlten Tätigkeiten sind. Vielmehr wurde zunehmend der Niedriglohnsektor ausgeweitet, was dazu führt, dass die Menschen trotz Arbeit weiter auf Hartz IV angewiesen sind, also aufstocken müssen. Die Aufstockung hat seit Einführung von Hartz IV bis 2014 zugenommen. Im Jahr 2007 bezogen 1,2 Millionen Erwerbstätige Hartz IV. Im Jahr 2014 waren es schon 1,3 Millionen Personen. Nur der guten Konjunktur ist es zu verdanken, dass es mittlerweile wieder 1,1 Millionen Personen sind.
Seit 2016 macht sich aber verstärkt die Auswirkung der Armuts- und Asylmigration bemerkbar. Seit 2016 steigt die Zahl der arbeitslosen Hartz-IV-Bezieher wieder stark. Etwa ein Drittel der Hartz-IV-Bezieher sind Ausländer. Von den ausländischen Kindern sind sogar 44 % auf Hartz IV angewiesen. Wir brauchen also eine aktivierende Grundsicherung, die es schafft, Menschen in gut bezahlte Beschäftigungen zu bringen und die dafür notwendigen Anreize zu setzen.
Dazu braucht es vor allem eines: Arbeit muss sich wieder lohnen. Derjenige, der arbeiten geht, muss mehr in der Tasche haben als derjenige, der es nicht tut. Ein einfaches Beispiel hierfür: Ein Verheirateter mit einem Kind muss im Bundesdurchschnitt etwa 1 900 brutto pro Monat verdienen, um aus Hartz IV herauszukommen. Das entspricht in Sachsen so ziemlich dem Durchschnittslohn im Gastgewerbe. Es braucht also einen höheren Selbstbehalt von Erwerbseinkommen als bisher, um den Anreiz zu Mehrarbeit zu erhöhen.
Zum Thema Sanktionen. Sicherlich kann man über deren Höhe diskutieren. Grundsätzlich jedoch muss fehlende Mitwirkung sanktioniert werden können. Sanktionen fallen nicht aus heiterem Himmel. Sie erfolgen immer erst nach einer Rechtsfolgenbelehrung. Dass Sanktionen notwendig sind, zeigen Daten des sozialökonomischen Panels. Dort wurde ermittelt, dass 12 % der Hartz-IVEmpfänger keine Arbeit mehr annehmen wollen. Bei Ausländern sind es sogar 20 %. Soll diese Einstellung noch gefördert werden? Ich sage Nein. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich würde gern die Gelegenheit zur Kurzintervention nutzen, um etwas klarzustellen. Ich beziehe mich auf den Redebeitrag der AfD jetzt gerade. Es gibt einen Grundsatzprogrammentwurf aus dem Jahr 2016. Da heißt es auf Seite 35 in Zeile 17 unter der Überschrift Arbeit, ALG I, maßgeschneidert: „Wir wollen das Arbeitslosengeld I privatisieren. Arbeitnehmern steht dann der Weg offen, mit eigenen und individuell maßgeschneiderten Lösungen für den Fall der Arbeitslosigkeit vorzusorgen. Dabei können private Versicherungsangebote ebenso eine Rolle spielen wie die Familie oder der Verzicht auf Absicherung zugunsten des schnelleren Abbaus von Ersparnissen.“
Frau Neuhaus-Wartenberg, ich darf Sie erinnern. Ich bin hier vorn der Tagungsleiter und habe den nächsten Redner aufzurufen. Er steht schon am Rednerpult. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abg. Zschocke. Bitte sehr, Herr Zschocke, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Hartz IV bedeutet für viele Menschen Demütigung, Demotivation und Degradierung. Hartz IV löst Ängste aus und vergiftet auch das Klima zwischen den Menschen. Ich will es vorwegschicken. Die oft geäußerte Unterstellung, wir GRÜNEN würden unsere Mitverantwortung aus der Agenda 2010 nicht kritisch aufarbeiten, ist schlichtweg falsch. Seit vielen Jahren bringen wir regelmäßig Anträge in den Bundestag ein, um dieses entwürdigende System zu reformieren, die Regelsätze anzuheben und die Sanktionen zu beenden.
Ich sage auch vorweg: Wir werden den Antrag der LINKEN unterstützen. Er bleibt allerdings die Antwort schuldig, wie eine sanktionsfreie Grundsicherung konkret aussehen und finanziert werden soll. Die Frage müssen wir aber beantworten, denn ein Beschluss des Sächsischen Landtags, das bestehende Hartz-IV-System unverzüglich abzuschaffen, bringt den Betroffenen rein gar nichts und auch den Mitarbeitern in den Jobcentern nichts; denn, meine Damen und Herren, auch für sie ist es demotivierend, Menschen zu sanktionieren und eine Flut von Widersprüchen bearbeiten zu müssen. Sie würden viel lieber ihre Zeit und Kraft dafür einsetzen, Menschen zu ermutigen und sie dabei zu unterstützen, neue Perspektiven zu entwickeln.
Hartz IV abzuschaffen und zu dem System davor zurückzukehren wäre auch grundfalsch. Ich habe damals als Sozialarbeiter in dem alten System der Sozialhilfe gearbeitet. Auch damals fielen Menschen durchs Netz, wurden hart sanktioniert und oft weit bis in das Existenzminimum hinein gekürzt. Es gibt keinen Weg zurück. Der Weg in die Zukunft führt, und das möchte ich ganz deutlich sagen, über ein neues Grundsicherungssystem, das dem rasanten Wandel der Arbeitswelt, der Armutsentwicklung und den Veränderungen von Familie und Lebensmodell gerecht wird.
Erstens. Wir brauchen eine Garantiesicherung, die Menschen davor bewahrt, in Würdelosigkeit zu fallen. Zentrale Elemente eines neuen Garantiesystems sind nach unseren Vorstellungen Anreize statt Bestrafung, und der Zwang, jeden schlechten Job annehmen zu müssen, soll entfallen. Zweitens. Die Grundsicherung wird auf der Grundlage eines geprüften Bedarfs gewährt. Drittens. Die Regelsätze werden angehoben. Viertens. Die Zuverdienstgrenzen und das Schonvermögen werden deutlich angehoben, damit Menschen von ihrer Arbeit profitieren. Fünftens. Alle existenzsichernden Leistungen werden in einem System gebündelt, nicht mehr einzeln beantragt und einzeln bewilligt. Viel Bürokratie kann dadurch entfallen.
Diese Weiterentwicklung ist doch längst überfällig, weil der Wandel der Arbeitswelt bereits jetzt viele Berufsgruppen betrifft. Viele Arbeitsfelder haben sich bereits jetzt durch die Digitalisierung grundlegend verändert. Prekäre Arbeitsbedingungen weiten sich immer mehr aus. Statt die Angst vor der Arbeitslosigkeit, vor sozialem Abstieg
und Ausgrenzung weiter zu verstärken und Menschen in irgendeine Arbeit oder Maßnahme zu zwingen, braucht es doch vielmehr Anreize für Weiterbildung und berufliche Neuorientierung. Es braucht garantierte und wirklich passgenaue Qualifizierungsangebote und auch das Recht, ein Angebot mal ablehnen zu können.
Eine Garantiesicherung muss zudem eine echte Existenzsicherung sein. Dafür braucht es ein klares und ehrliches Verfahren für die Berechnung des soziokulturellen Existenzminimums. Das gilt eben auch für Kinder. Deshalb kämpfen wir seit Jahren für eine Kindergrundsicherung. Menschen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, müssen spürbar bessergestellt werden. Wer heute so wenig verdient, dass er mit Hartz IV aufstocken muss, der bekommt 80 bis 100 % des gerade eben selbst verdienten Geldes auf Hartz IV angerechnet. Das ist doch das Gegenteil von einem Anreiz. Wenn der Zwang abgeschafft ist, jede Arbeit annehmen zu müssen, wird das zu Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt führen. Die ganzen heute schlecht bezahlten Jobs müssten dann zwangsläufig attraktiver bezahlt werden.
Meine Damen und Herren! Wir ignorieren die enormen Probleme des derzeitigen Hartz-IV-Systems nicht, wie es die CDU-Fraktion offensichtlich tut. Wir wollen auch nicht nur an den Problemen herumdoktern, sondern das ganze System grundsätzlich neu aufstellen. Wir rufen nicht einfach nur nach dem Ende von Hartz IV. Nein, wir haben auch konkrete und durchgerechnete Vorstellungen davon, was darauf folgen soll.
Meine Damen und Herren, nun die fraktionslose Abg. Frau Kersten. Bitte, Frau Kersten, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Abgeordnete! Die LINKEN wollen Hartz IV abschaffen und eine sanktionsfreie Grundsicherung einführen. Ein klassisches Bundesthema,
aber das hatten Sie ja auch schon erkannt. Wir führen hier eine Debatte mit der falschen Zielsetzung. Zwar haben wir massive Probleme mit Hartz IV, nicht aber mit den ohnehin selten verhängten Sanktionen.
Sehr geehrte LINKE! Bitte nennen Sie mir eine Gesellschaft, in der Wohlstand dauerhaft durch Umverteilung erzeugt wurde. Das können Sie nicht – natürlich nicht, denn es gibt kein Land, in dem das jemals funktioniert hätte. In der praktischen Umsetzung sind solche Gesellschaften tendenziell immer totalitär, während freiheitliche Systeme dafür gesorgt haben, dass die Zahl derer, die unter extremer Armut leiden, so niedrig ist wie noch nie.
Hören Sie auf, den Bürgern mehr Umverteilung als Medizin zu verkaufen. In hoher Dosis ist das leider Gift und resultiert in Altersarmut, stagnierender Kaufkraft und hemmungsloser Verschuldung auf Kosten zukünftiger Generationen.
Es ist recht einfach zu verstehen: Wird Bürgern der Anreiz, arbeiten zu gehen, genommen, arbeiten weniger Menschen. Wird stattdessen der Anreiz vergrößert, wächst die Zahl derer, die arbeiten.
Ebenso gestaltet es sich beim Arbeitsmarkt: Höhere Markteintrittsschranken, überbordende Regulierung,
Abgaben und Steuern, die ein sonst profitables Unternehmen rote Zahlen schreiben lassen, verringern die Zahl möglicher Arbeitsplätze.
Teilhabe bedeutet nicht nur, dass man von den Früchten der Arbeit anderer lebt, sondern dass man sich auch selbst bemühen kann und muss, um an unserer sozialen Marktwirtschaft teilzunehmen.
Dazu gehört auch, wie es bei vielen Arbeitnehmern in Deutschland der Fall ist, dass man Arbeiten verrichtet, die nicht den eigenen Wunschvorstellungen entsprechen oder die, wenn notwendig, auch einen Umzug bedingen. Um das bestmöglich zu vermeiden – denn wer verlässt schon gern seine Heimat? –, müssen Arbeitsplätze durch niedrigere Steuern ermöglicht und muss der Anreiz geschaffen werden, sich einen Job zu suchen, statt Sozialhilfe zu beziehen.
Die Regelsätze zu erhöhen oder Sanktionsregelungen gänzlich abzuschaffen verfehlen das Thema absolut. Das würde den Bürgern nicht helfen, sondern die Lage mittel- bis langfristig verschlimmern. Das Geld muss irgendwoher kommen. Es wird jemandem weggenommen, und dadurch schwindet der Anreiz in Deutschland, Leistung zu erbringen.
Wenn leistungswillige Bürger aus der Zwangsobhut des Staates entkommen wollen, wird ihnen im derzeitigen System durch die fast vollständige Anrechnung ihres Arbeitseinkommens auf Hartz IV suggeriert: Lass es sein, es lohnt sich nicht. Wir von der blauen Partei plädieren deshalb für eine zielorientierte Sozialpolitik, die Hilfe zur Selbsthilfe gibt, verbunden mit einer vernünftigen Steuerpolitik.