Protocol of the Session on November 8, 2018

2016 waren es rund 800 000, also etwa 130 000 Kinder mehr. 2017 hat man ein Minus zu verzeichnen von 0,9 %. Man hat also nur wenig schlechter abgeschnitten als im Vorjahr. Trotzdem will die AfD hier wieder Panik verbreiten.

(André Barth, AfD: Panik?)

Ihre Volkstodspinnereien versteckt sie hinter wohlklingenden sozialpolitischen Forderungen und einer absurden Hetze gegen Frauen,

(André Barth, AfD: Wo ist das gesagt worden? Das ist unglaublich!)

die sich aus vielfältigen Gründen für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden.

(André Barth, AfD: Geht es noch primitiver?)

Natürlich sehen auch wir, dass in Deutschland mehr Menschen sterben als geboren werden.

(André Barth, AfD: Aha, so, so!)

Das ist problematisch. Das ist aber seit 1992 so. Schon deshalb ist das nicht mit der Fluchtbewegung oder sonst irgendwelchem Mist zu erklären oder zu vermengen, wie das die AfD auch auf ihrer Homepage macht.

Um ein Gleichverhältnis herzustellen, wären ungefähr 2,1 Kinder pro Frau notwendig. An diesen Wert reicht in der EU nur Frankreich mit 2,07 Kindern heran. Warum also bekommen Frauen in Deutschland im Durchschnitt nur anderthalb Kinder? Das kann man nicht anhand sogenannter Menschentypen mit unterschiedlichen Reproduktionsstrategien erklären, wie es Ihr Parteifreund Höcke getan hat.

(André Barth, AfD: Ach nein! – Carsten Hütter, AfD: Bleiben Sie doch mal in Sachsen!)

Nicht, woher ein Mensch stammt oder welche Hautfarbe er hat, entscheidet über seine Kinderzahl, sondern vor allem die sozialen Verhältnisse, in denen ein Mensch lebt.

(André Barth, AfD: Genau das hat Dr. Weigand vorhin gesagt.)

Das hängt unmittelbar mit der Mutter der Probleme zusammen. Das ist der Kapitalismus. Davon will die AfD wie üblich zum Vorteil der Regierenden ablenken.

(André Barth, AfD: Wollen Sie die soziale Marktwirtschaft ablehnen, oder was?)

Immer mehr junge Menschen erhalten nur befristete Arbeitsverträge und können nicht in Sicherheit eine Familie gründen. Der Mindestlohn, von dem Hunderttausende betroffen sind, reicht nicht, um Familien zu versorgen, weil die sozialen Sicherungssysteme zurückgebaut wurden. Kinder sind nach wie vor das höchste Armutsrisiko. Berufstätige müssen immer häufiger pendeln, worunter ein Familienleben leidet. Dazu zählen KitaPlätze, Schulplätze und vor allen Dingen Verkehrsanbindungen.

Manche Menschen entscheiden sich bewusst gegen eine Familie. Die Gründe sind, wie aufgezählt, vielfältig. Aber wir wissen, dass vor allem Zukunftsangst und finanzielle Unsicherheit der Familienplanung schaden. Dort müssen wir ansetzen.

Daher fordern wir zum Beispiel mehr Unterstützung für alleinerziehende Väter und Mütter, flexiblere Arbeitszeitmodelle für berufstätige Eltern, gebührenfreie Betreuungsangebote für Kinder jedes Alters, eine Grundsiche

rung und ein höheres Kindergeld. Familien müssen mehr unterstützt werden, und zwar egal, wie sie zusammengesetzt sind.

(Beifall bei den LINKEN)

Der Kampf gegen Kinderarmut ist eine unserer größten Aufgaben. Dieser Kampf muss noch weiter geführt werden, und die soziale Ungleichheit darf sich nicht weiter verfestigen. Die AfD ist in diesem Kampf definitiv kein Partner.

Als wir im Mai 2017 eine Kindergrundsicherung von 560 Euro monatlich forderten und bis zu deren Einführung eine Kindergelderhöhung auf 328 Euro vorschlugen, sagten Sie, dies sei nicht finanzierbar.

(André Barth, AfD: Ganz genau! – Carsten Hütter, AfD: Ja, richtig!)

Sie sind gegen Vermögensteuer, Sie wollen die Erbschaftsteuer abschaffen, Sie wollen Reiche bei der Einkommensteuer entlasten. Sie sind eben keine Alternative zur Regierung, am wenigsten für die Menschen, die wirklich Sorgen haben, weil am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig ist. – Mehr in der zweiten Runde.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Frau Kollegin Schaper, sie sprach für die Fraktion DIE LINKE. Nun erteile ich der SPD-Fraktion das Wort, Frau Kollegin Raether-Lordieck.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Willkommenskultur für Kinder...“ – das haben wir doch bereits, das machen wir schon erfolgreich.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Weigand, AfD)

Dies zeigt sich vor allem an den Geburtenzahlen der letzten Jahre. In Sachen Geburtenziffer, also durchschnittliche Kinderzahl je Frau, hatten wir – wir haben es gehört – in den vergangenen Jahren einen nahezu konstanten Anstieg zu verzeichnen und waren im Bundesvergleich lange Zeit deutlicher Spitzenreiter, so sagt es zumindest das Bundesamt für Statistik in einer Pressemitteilung von Ende Oktober dieses Jahres, also hochaktuell.

Ja, Herr Dr. Weigand, man kann sich natürlich eine kurze Zeitspanne herausgreifen und einen zeitweiligen Abschwung dieser Zahlen um – wir haben es gehört – 0,9 % thematisieren und eine Kampagne aufsetzen; aber das ist unredlich. Doch genau so kennen wir Sie ja.

In einem Online-Artikel der „ZEIT“ von letzter Woche heißt es: „Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung... führt die deutlichen Steigerungsraten in den Jahren 2015 und 2016 vor allem auf Zuwanderer-Familien aus nicht europäischen Ländern zurück wie Syrien oder Afghanistan.“ Das ist in leicht abgeschwächter Form auch an den sächsischen Zahlen abzulesen. Hier haben wir eine Willkommenskultur quasi im doppelten Sinne. Die

Statistiker sprechen von einer Stabilisierung der Geburtenzahl auf relativ hohem Niveau.

Weiter heißt es in dem Artikel: „In den neuen Bundesländern ist die durchschnittliche Zahl der Kinder mit 1,61 Kindern je Frau deutlich höher als im Westen.“ Über diese anhaltenden Differenzen sind Experten verblüfft. Das Geburten-Plus im Osten, so Prof. Norbert Schneider, Direktor des BiB, sei nicht auf ökonomische Faktoren oder Infrastruktur zurückzuführen, sondern es sei im kulturellen Umfeld zu finden. Es gebe hier einen deutlich geringeren Erwartungsdruck an die „gute Mutter“ und die „guten Eltern“ als im Westen.

Mit der Einführung des Elterngeldes ist der Anteil der Männer, die eine Zeit lang im Job aussetzen, um ihr Baby zu betreuen, sprunghaft angestiegen, und eine Studie belegt: Diese Väter haben nicht nur eine engere Bindung zu ihren Kindern, selbst Jahre später verbringen sie noch deutlich mehr Zeit mit ihren Kindern und arbeiten eine halbe Stunde länger im Haushalt als Väter, die durchgehend gearbeitet haben.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Gar nicht wahr!)

Über diese Fördermaßnahme fließen aktuell pro Jahr circa 6,7 Milliarden Euro an junge Familien. „Mit dem Elterngeld haben wir einen gesellschaftlichen Wandel erreicht“, so Familienministerin Giffey. Auf diese Weise ermöglichen wir es den Müttern, sich wieder um den Beruf zu kümmern. Dies lässt sich selbstverständlich auch auf sogenannte Regenbogenfamilien übertragen. Seit 2017 – mit der Entscheidung des Bundestags für die Ehe für alle – ist homosexuellen Lebenspartnern die gemeinsame Adoption eines Kindes endlich möglich. Das versteht meine Fraktion unter gelungener, zeitgemäßer Willkommenskultur für Kinder. Unsoziale Regierungspolitik sehe ich gerade hier nicht. Im Gegenteil: Ihre Pläne sind es, die zum Beispiel Alleinerziehenden die staatliche Förderung entziehen wollen. Sie tragen zu sozialen Härten, Missständen und sozialer Unruhe bei.

(André Barth, AfD: So ein Quatsch!)

Sie wollen uns in das letzte – ach, was sage ich –, in das vorletzte Jahrhundert zurückkatapultieren.

(André Barth, AfD: So ein Mist, den Sie erzählen! Das ist dumpfer Populismus, den Sie hier verbreiten!)

„Frauen an den Herd!“ – Mit welchem Selbstverständnis, Frau Wilke und Frau Grimm, machen Sie als Frauen in dieser Fraktion Politik? Mit welchem Selbstverständnis vertritt Frau Weidel – in gleichgeschlechtlicher Beziehung lebend – im Bundestag derart rechte Positionen? Streng genommen: Würden Sie Ihre politische Doktrin auf sich selbst anwenden, müssten Sie sich als gutes Vorbild nicht proaktiv selbst aus Ihrem politischen Amt entfernen?

(André Barth, AfD: Der Satz war jetzt aber schwierig! Das haben Sie gerade noch so hinbekommen!)

Das können Sie gern im Protokoll nachlesen.

Weitere aussagekräftige Beispiele dafür, was wir als SPDFraktion unter gelungener Willkommenskultur für unsere Kinder verstehen, –

Ihre Redezeit!

– letzter Satz – wird Ihnen in der zweiten Rederunde meine Kollegin Juliane PfeilZabel berichten.

(Beifall bei der SPD)

Das war Frau Kollegin Raether-Lordieck für die SPD-Fraktion. Nun spricht Herr Kollege Zschocke für die Fraktion GRÜNE. – Entschuldigung, es gibt eine Kurzintervention. Entschuldigung, Herr Kollege; Sie müssen noch ein Weilchen warten. Am Mikrofon 7 Frau Kollegin Grimm, bitte.

Ich möchte auf den vorangegangenen Redebeitrag reagieren. Ich habe zwei Kinder erzogen, sie sind mittlerweile 27 und 30 Jahre alt, und ich bin erst danach in die Politik gegangen und bin seit 1990 Unternehmerin. Also das, glaube ich, brauche ich mir hier nicht unterstellen zu lassen. – Danke.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Uwe Wurlitzer, fraktionslos)

Das war eine Kurzintervention. Frau Raether-Lordieck, wollen Sie gleich darauf reagieren?