Protocol of the Session on November 7, 2018

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Für die SPDFraktion Herr Pallas, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorhin wurde in der ersten Runde ein Zusammenhang hergestellt zwischen der Tatsache, dass die CDU und die SPD im Bund und auch in Sachsen regieren, und steigenden Mieten in Dresden und Leipzig. Das ist ja nun völliger Quatsch.

Wenn es einen unmittelbaren Zusammenhang gibt, dann eher zwischen der Tatsache, dass beide Städte attraktive Kommunen sind, wo Menschen gern hinziehen, weil sie dort Arbeit suchen und finden, eine Ausbildung absolvieren und weil deshalb viele Menschen aus Sachsen oder auch außerhalb von Sachsen gern in diese Städte ziehen wollen.

Wenn man trotzdem einen politischen Bezug hernehmen möchte, dann bleibe ich beim Beispiel Dresden und sage: Wenn eine Entscheidung zu heute steigenden Mieten geführt hat, dann ist es eher der vollständige Verkauf des kommunalen Wohnungseigentums in Dresden im Jahr 2006 durch CDU, FDP und Teile der damaligen PDS, der heutigen Linkspartei, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Ich möchte auf einen zweiten Zusammenhang hinweisen. Es scheint ein Denkfehler vorzuliegen, wenn gesagt wird, dass die Mittel des Bundes zweckentfremdet werden. Natürlich – das hat Kollege Fritzsche gerade angedeutet – wird nur ein Teil der Bundesmittel in dieses enge Förderprogramm gesteckt. Aber wir fördern sehr wohl auch andere soziale Zwecke, beispielsweise die Wohnraumanpassung. Ehrlich gesagt, bevor die Menschen in neu gebaute barrierearme Wohnungen umziehen sollen, finde ich es viel besser und günstiger, die Wohnungen der Menschen für nur einen kleinen Teil des Geldes hinsichtlich der Barrierearmut anzupassen und zu gestalten.

Ich bin aber froh, dass die SPD das Thema Zweckbindung und überhaupt sozialer Wohnungsbau mit Mitteln des Bundes in den Koalitionsvertrag hineinverhandeln konnte, denn es gab bundesweit tatsächlich Zweckentfremdungstendenzen. Sie dürfen sicher sein: Wir kämpfen dafür, dass wir die Wohnraumförderprogramme des Freistaates Sachsen ausreichend ausstatten.

Noch eine Reaktion auf die Rede von Herrn Wurlitzer, denn er sprach von Verschwendung von Steuermitteln: Häufig steckt hinter diesem Vorwurf eine etwas zu große Marktgläubigkeit: „Die privaten Investoren werden es

schon richten; sie machen schon das Richtige beim Wohnungsbau.“ Das glaube ich nicht. Ich halte es sogar für eine sehr unsoziale Sichtweise. Der Markt allein richtet es nicht. Das sehen wir gerade in den Städten Dresden und Leipzig. Wir haben den Effekt, dass private Unternehmen wegen eines höheren Renditeinteresses höherwertige Wohnungen errichten, da dort die Rendite noch höher ist. Es sind erfahrungsgemäß genossenschaftliche oder kommunale Unternehmen, die anders ticken. Hier wird kein Geld verschenkt oder verschwendet, aber sie haben deutlich niedrigere Renditeziele und eine Gemeinwohlorientierung. Das ist mehr als unterstützenswert.

Übrigens ist es sehr wohl möglich, im sozialen Wohnungsbau Renditen zu erzielen. Sie liegen aber bei 3 % statt bei 7, 8 oder 9 %. Auch das gehört zur Wahrheit. Deshalb bin ich sehr froh, dass der Wohnungsgipfel ein deutliches Signal zur Unterstützung kommunaler Unternehmen gesetzt hat.

Ich bin froh über zwei weitere Dinge des Wohnungsgipfels: Die Gründung kommunaler Wohnungsbaugesellschaften soll finanziell unterstützt werden. Die Gemeinden sollen in ihren kommunalpolitischen Aufgaben im Bereich Planung und Genehmigung unterstützt werden. Es geht um die Erstellung von Bauleitplänen zur Schaffung von Wohnraum, einfachere Planverfahren und bessere Verknüpfungen mit anderen Zielen der Stadtteilentwicklung, zum Beispiel dass der Hochschullehrer neben dem Arbeiter wohnen kann. Das ist soziale Durchmischung.

Dass es nötig ist, hierbei die Verfahren zu erleichtern, zeigt ein Beispiel aus der Landeshauptstadt Dresden, das ich kurz vortragen möchte: Es geht um ein Projekt im Umfeld der Offiziersschule des Heeres. Es sind zwei Bauvorhaben mit insgesamt 1 300 Wohnungen, von denen circa 190 sozialgebundene Wohnungen werden sollen. Seit dem Jahr 2015 arbeiten die Investoren und die Stadtverwaltung an diesem Projekt und es wurden bereits Millionen investiert. Diese Wohnungen hätten heute längst bezugsfertig sein können, aber wir warten immer noch auf die dringend benötigten Wohnungen. Ein Grund dafür ist, dass die Stadtverwaltung sich mit den verschiedenen Gutachtern seit nunmehr drei Jahren nicht über die Zahlen von Emissionswerten verständigen konnte. Man glaubt es kaum. Ich will jetzt nicht in die Selbstverwaltung eingreifen, aber das Beispiel zeigt, dass eine Vereinfachung der Verfahren guttun würde und langsames Verwaltungshandeln dadurch endlich beschleunigt werden könnte.

Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte zeigt, dass wir vor sehr unterschiedlichen Aufgaben beim Wohnungsbau in Stadt und Land stehen. Aufgaben wie Mieterschutz und Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum stehen vor uns. Als SPD haben wir uns dafür eingesetzt, und wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass die Staatsregierung, die schon vieles tut, dort dranbleibt,

damit Wohnraum für alle bezahlbar bleibt, in Stadt und Land.

Bitte zum Schluss kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung – Uwe Wurlitzer, fraktionslos, steht am Mikrofon.)

Für die Fraktion DIE LINKE Herr Stange, bitte. – Eine Kurzintervention? Herr Stange, Sie können trotzdem nach vorn kommen.

Sehr geehrter Herr Pallas, ich halte nichts davon, Investoren zu dämonisieren und zu sagen, dass alle diejenigen, die versuchen Geld zu verdienen, schlechte Menschen sind. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir sind nun einmal im Kapitalismus und da gehört das ein Stück weit dazu. Ich halte es für sehr schwierig zu erklären, dass das mit dem Abriss alles nicht planbar war und dass gegebenenfalls die Genossenschaften wesentlich sozialer arbeiten.

Ich sage Ihnen eines: In Leipzig haben Genossenschaften um die 2000er-Jahre in Größenordnungen mit Steuergeldern abreißen lassen, und sie haben damit ihren Leerstand reduziert. Sie haben auf der anderen Seite die Preise angehoben – ich habe in der gleichen Genossenschaft gewohnt. Die Grundstücke wurden zehn Jahre liegengelassen und jetzt wird dort wieder mit Steuergeldern auf den gleichen Grundstücken weitergebaut. Deshalb ist es nicht gut, wenn der Staat jedes Mal seine Finger im Spiel hat. Ich glaube nicht, dass es richtig ist, dass der Markt es nicht selbst regelt.

Denn wenn wir in die alten Bundesländer schauen, haben wir dort etliche Ballungszentren, wo in den Großstädten – da gebe ich Ihnen völlig recht – der Wohnraum kaum noch bezahlbar ist. Aber dort ist der öffentliche Personennahverkehr auch derart ausgebaut worden, dass im Umkreis von 30, 40, 50 Kilometern – München, Stuttgart, Frankfurt sind sehr gute Beispiele dafür – bezahlbarer Wohnraum ist. Dort sind die Leute auch in einer halben, dreiviertel Stunde in den jeweiligen Innenstädten; das funktioniert.

Die Schaffung von Infrastruktur ist eine Kernaufgabe des Staates – und die Schaffung von Wohnraum ist es definitiv nicht.

Vielen Dank.

Herr Pallas, bitte.

Danke, Frau Präsidentin. Herr Wurlitzer, Wohnraum ist genauso eine lebensnotwendige Infrastruktur wie ÖPNV, Straßen, Schulen und Kitas. Dass Sie das heutzutage noch leugnen, kann doch nur verwundern.

Im Übrigen danke ich Ihnen noch einmal für die Präzisierung, dass Sie darum bitten, dass die privaten Investoren nicht verteufelt werden. Ja, das hat auch niemand hier im Raum behauptet. Das ist doch gerade der Grund, weshalb wir das Förderprogramm für den gebundenen Mietwohnraum offengehalten haben. Es können sich natürlich auch private Investoren um entsprechende Fördermittel bewerben. Allerdings stellen wir fest, dass das Interesse im privaten Bereich erstaunlich gering ist.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt Herr Stange, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist zunächst einmal gut, dass wir nach einer ganzen Weile über das Thema sprechen. Es ist auch gut, dass die Koalition nach vielen Jahren, in denen wir in Sachsen im Grunde Wohnungsbau durch Darlehensprogramme

unterstützt haben, jetzt wieder beim Zuschuss, bei der Zuschussförderung ist, weil die Leistungsfähigkeit einer großen Zahl von Mieterinnen und Mietern – und zwar nicht nur in den Ballungszentren, sondern auch in Mittelzentren, Grundzentren oder auf dem Lande – nicht ausreicht, um solche Mietsteigerungen, wie wir sie hatten und haben, abzufedern.

Das ist das Grundproblem, an dem wir uns orientieren müssen: Reicht das Geld der Menschen aus? Wenn wir sehen, dass wir in Sachsen nach wie vor bei den durchschnittlichen Arbeitseinkommen eine deutliche Lücke gegenüber den Westländern haben – im Durchschnitt um die 900 Euro –, dann ist das im Prinzip die Kronzeugenschaft dafür, dass ein großer Teil unserer Bevölkerung die finanzielle Leistungsfähigkeit nicht hat.

Hinzu kommt – das ist richtig dargestellt worden – ein rasantes Bevölkerungswachstum in den beiden großen Städten Leipzig und Dresden. Ja, damit haben viele davor nicht gerechnet, aber es ist so gekommen. Und, nein – um auf die hellblaue, dunkelblaue Seite einzugehen –, es sind nicht die Flüchtlinge und der Zuwachs von 60 000 Einwohnern in Leipzig. Das sind keine Flüchtlinge, ich darf Sie beruhigen, sondern das sind überwiegend sowohl aus Sachsen als auch aus anderen Bundesländern Zuziehende. Es sind Leute, die sogar aus dem Ausland zugezogen sind, ja, – –

(André Barth, AfD: Auch!)

Auch, richtig, auch, so wäre es richtig gewesen. Das hat etwas mit den Forschungsstandorten zu tun, das hat logischerweise etwas mit den Wirtschaftsstandorten in Sachsen zu tun.

Ja, Leipzig hat einen angespannten Wohnungsmarkt. Die Leerstandreserve, die als Fluktuationsreserve gebraucht wird, liegt mittlerweile unter den empfohlenen 3 %, und damit ist klar, dass gebaut werden muss – aber bauen,

bauen, bauen auf Teufel komm raus sorgt dafür, dass wir Gestellungspreise bekommen, die nicht mehr sozial verträglich sind. Deshalb ist es richtig, Kollege Pallas, der Markt allein richtet so etwas nicht, so wie er es in der Vergangenheit nicht gerichtet hat.

Die Abrisse waren zu einem Teil wirklich erforderlich. Ich stelle mir Borna-Gnandorf vor. Wenn wir dort alles hätten stehen lassen, was man hätte stehen lassen können, um Himmels willen, wer wollte dort wohnen, meine Damen und Herren? Das muss man sich offen und ehrlich vor Augen führen, wenn wir über den Abriss der vergangenen Jahre sprechen. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Wenn über eine Million Menschen den Osten verlassen, Entschuldigung, dann verlassen die natürlich nicht nur Zelte, sondern sie verlassen Wohnungen. Das ist ja wohl völlig logisch, und diese Wohnungen stehen dann leer. Punkt.

Wenn diese Wohnungen lange leer stehen, werden Stadtteile auch wieder stigmatisiert, auch das muss man klar zur Kenntnis nehmen. Deshalb ist auf der einen Seite Abriss erforderlich und auf der anderen Seite, wenn Neubau erforderlich ist, natürlich auch wieder Neubau. Da beißt die Maus auch keinen Faden ab. Man kann Wohnungen nicht über 20 Jahre einfach stehen lassen.

Aber wofür wir sorgen müssen, ist, dass die Fördermöglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, und die derzeit gültigen Richtlinien so angepasst werden, dass sie wirklich brauchbar sind.

Lassen Sie mich auch selbst genutztes Eigentum und Ähnliches ansprechen. Wohneigentümergemeinschaften scheuen sich davor, entsprechende Altersanpassungen zu machen – wenn zum Beispiel eine Rampe erforderlich ist –, weil sie aus dieser Richtlinie derzeit so nicht förderbar sind. Das heißt, hier müssen wir deutlich ran. Auch das ist eine Frage: Wenn ich selbst genutztes Eigentum fördere, muss ich darauf achten, was dann passiert, wenn ich nicht mehr meine nette Freitreppe einfach so hochkomme, sondern meinen Rollator auf den Buckel packen muss. Da müssen wir genau hinschauen, dass auch so etwas weit vorausgedacht wird. Auch bei jenen, die jetzt selbst genutzt in ihren Häusern wohnen – Sie haben ja als CDU 28 Jahre lang versucht, die Eigentumsquote hochzuprügeln –, ist das Problem: Wenn die Leute alt sind, bekommen sie keinen Kredit mehr und müssen trotzdem die entsprechenden Anpassungen vornehmen.

Bitte zum Ende kommen.

Da wäre es erforderlich, tatsächlich auch ihre Bedürfnisse anzupassen, um das Älterwerden in der eigenen Wohnung zu ermöglichen. – Ich hätte noch viel zu sagen, aber leider ist die Zeit vorbei. Ich habe noch viele andere Vorschläge, aber das können wir vielleicht später machen.

Lassen Sie mich noch eines sagen:

Herr Stange, Sie sind schon weit über die Zeit. Vielleicht kommen Sie noch einmal wieder.

(Leichte Heiterkeit)

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Die AfD, bitte; Herr Barth.

„Weiter identifiziertes Problem: Verschärfung der sozialen Wohnungsnot durch Untätigkeit. Die Dresdner Stadtbürgermeisterin Kaufmann schaut tatenlos zu, wie Gutverdiener weiterhin in Sozialwohnungen wohnen, während Bedürftige weiter an den Stadtrand gedrängt werden.“ – Zitat „Sächsische Zeitung“ vom 20.07.2017. „Frau Kaufmann erwägt derzeit nicht einmal die Einführung einer zwingend notwendigen Fehlbelegungsabgabe, um dieses Problem zu lösen.“