Das war jetzt also von Ihnen ein Geschäftsordnungsantrag, den Sie unmittelbar aus Ihrem Schlusswort abgeleitet oder anstelle Ihres Schlusswortes formuliert haben.
Herr Präsident, vielen Dank. Zum Geschäftsordnungsantrag möchte ich mich gern äußern. Wir werden diesen Geschäftsordnungsantrag ablehnen. Wir haben eine Enquete-Kommission, die am Montag tagt. Am Montag stehen – zumindest nach meinem Kenntnisstand – auch Änderungsanträge der AfD auf der Tagesordnung. Da fragt man sich, wer dann diese Änderungsanträge in die Enquete-Kommission einbringt. Fakt ist eines: Der Antrag kann gern als Änderungsantrag oder Ergänzungsantrag am Montag in der EnqueteKommission gestellt werden. Im Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz hat er zu diesem Zeitpunkt aus unserer Sicht nichts zu suchen.
Das war ein Geschäftsordnungsantrag. Wir hatten jetzt eine Positionierung. Gibt es weitere Äußerungen, Redebedarf zum Geschäftsordnungsantrag? – Das kann ich nicht feststellen. Dann müssten wir zuerst über den Geschäftsordnungsantrag abstimmen. So dieser Geschäftsordnungsantrag, gestellt von der AfD-Fraktion, abgelehnt würde, würden wir über den Antrag abstimmen. So würden wir jetzt verfahren.
Ich stelle zunächst den Geschäftsordnungsantrag Überweisung an den Sozialausschuss zur Abstimmung. Wer dem zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen ist der Geschäftsordnungsantrag abgelehnt worden.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über diesen Antrag. Wer dem Antrag in der Drucksache 6/14750 seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Einige Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt und die Drucksache 6/14750 nicht beschlossen.
Zunächst kommen wir zur Reihenfolge. Schon eilt der Redner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Rednerpult. Es geht dann weiter mit der CDU, der Fraktion DIE LINKE, SPD, AfD, Staatsregierung, wenn gewünscht. – Bitte, Herr Kollege Zschocke, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weltweit arbeiten zahlreiche Kommunen und Regionen am Ziel Zero Waste. Zero Waste, also null Abfall, heißt Schluss mit Müllverbrennung, heißt Schluss mit Giftmülldeponien, heißt Schluss mit Plastik im Bauch von Fischen und Vögeln. Es heißt Schluss mit dem Transport gefährlicher Abfälle quer durch Europa und rund um die Welt. Der Weg dahin führt über Müllvermeidung, über die Wiederverwendung von Gegenständen und Bauteilen, über stoffliche Umwandlung von Abfällen in Wertstoffe, über Kompostierung und Humusaufbau, über intelligentes Produktdesign und über neue, abfallarme Produktionsprozesse. Es geht im Kern darum, die eingesetzten Materialien getrennt nach technischen und biologischen Kreisläufen immer wieder zu nutzen. So wird unsere heutige Wirtschafts- und Konsumweise Schritt für Schritt von der weithin noch immer praktizierten Materialverschwendung befreit. Das stärkt Wettbewerbsfähigkeit und Unabhängigkeit von teuren Rohstoffimporten.
Schöne Utopie von grünen Träumern, werden jetzt manche von Ihnen meinen, oder denken, das können wir doch von Sachsen aus gar nicht beeinflussen, das ist ja alles viel zu teuer, und das geht nicht. Darauf sage ich Ihnen: Doch, es geht. San Francisco zum Beispiel zeigt, wie sich dies in kurzer Zeit erreichen lässt. Dort werden nur noch 10 % des Hausmülls deponiert. Es wird nichts mehr verbrannt. Dort leben auch ungefähr vier Millionen Menschen, und die Bruttowertschöpfung ist wesentlich höher als in Sachsen. 90 % des Abfalls wird dort wiederverwendet, recycelt oder kompostiert. In zwei Jahren soll in San Francisco die Restmülltonne ganz abgeschafft werden.
Von San Francisco über Kopenhagen bis Neapel gibt es eine globale Vorreiterbewegung. Berlin macht sich auf den Weg, von der Müllstadt zur Zero-Waste-Stadt zu werden. Der niedersächsische Umweltminister will sein Bundesland zu einem Cradle-to-Cradle-Land entwickeln.
Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir erreichen, dass Sachsen sich bewusst als Teil dieser weltweiten Bewegung versteht; denn unser Bundesland verfügt ja über eine leistungsfähige Kreislaufwirtschaftsbranche. Sie ist inzwi
schen volkswirtschaftlich bedeutender als der Bergbau. Es geht längst nicht mehr nur um die Beseitigung von Abfällen. Da gibt es Bereiche in der Stahl-, in der Papier- oder in der Glasbranche, wo die Stoffkreisläufe schon heute fast vollständig geschlossen werden können. Das heißt, Sachsen hat das Potenzial, zu einem Zero-Waste-Pionier zu werden. Aber für entsprechende Innovationen ist noch enorm viel Luft nach oben.
Ein großer Anteil von Kunststoffabfällen wird zum Beispiel immer noch thermisch verwertet, im Klartext, einfach verbrannt. Ziel muss es sein, nicht vermeidbare Kunststoffabfälle stofflich zu verwerten, also wieder neue Kunststoffe daraus herzustellen. Dafür gibt es auch eine Reihe Forschungspartner in Sachsen, zum Beispiel in der Bergakademie in Freiberg. Es reicht aber eben nicht, diese Potenziale nur zu beschreiben und öffentlich zu loben. Vielmehr ist ein Rahmen notwendig, damit sie sich auch richtig entfalten können.
Das heißt, wir brauchen erstens eine verbindliche und langfristig an der Perspektive null Müll ausgerichtete Landesstrategie. Sie muss gemeinsam mit den Kommunen, der Industrie, den Verbänden der privaten Entsorgungswirtschaft und Umweltorganisationen erarbeitet werden. Diese Strategie braucht überprüfbare Zwischenziele, Vermeidungs- und Recycling-Quoten und eine wirklich daran ausgerichtete landesweite Bedarfs- und Kapazitätsplanung für die vorhandenen sowie für neue Abfallbehandlungsanlagen. Diese Strategie muss mehr sein als der Abfallwirtschaftsplan in der jetzt vorliegenden Form. Wir sind davon überzeugt, dass Umweltminister Schmidt viele konstruktive Partner für die Entwicklung einer solchen Strategie in Sachsen finden wird. Neben den Universitäten und Forschungseinrichtungen gibt es nämlich hier eine vielfältige Szene im Bereich von Reparaturzentren, Secondhand-Netzwerken oder Cradle-toCradle-Gruppen. Viele sächsische KMU beschäftigen sich mit dem Thema Öko-Design von Produkten.
Zweitens braucht es mehr Kontrolle über den in Sachsen anfallenden Abfall. Das ist überhaupt erst die Voraussetzung, um die genannte Strategie umsetzen zu können. Deshalb wollen wir mit unserem Antrag sicherstellen, dass Abfälle in der Region verarbeitet und nicht durch halb Europa gefahren werden. Das macht das Land Baden-Württemberg seit vielen Jahren mit der sogenannten Autarkie-Verordnung vor. Das hat die CDU dort vor fast 20 Jahren erfunden, und es funktioniert bis heute.
Drittens geht es uns nicht nur um Autarkie, sondern um zweckverbandsübergreifende Planung und Ausnutzung der vorhandenen Anlagenstärken im Bereich der Abfall
behandlung. Die Stoffströme der verschiedenen Abfallarten sollen so optimiert werden, dass die Touren optimiert werden, die Leerfahrten reduziert werden, dass höherwertige Bioabfallverwertung in den kommunalen Anlagen ermöglicht wird. Hierzu schlagen wir ein externes Gutachten vor, damit auch wirklich eine übergreifende Betrachtung sichergestellt wird.
Viertens wollen wir Start-ups und Initiativen im Bereich Zero Waste und Cradle to Cadle gezielt fördern. Es gibt jede Menge kreative Ideen und auch gut ausgebildete Menschen in Sachsen. Sie brauchen aber für neue Geschäftsmodelle Unterstützung, um für neue Produkte und Verfahren Marktreife zu erlangen.
Fünftens wollen wir, dass Sachsen sich auf der Bundesebene dafür stark macht, dass die Entsorgung von Siedlungsabfall wieder vollständig in kommunale Hand überführt wird. Nur so, meine Damen und Herren, lässt sich die Rosinenpickerei im Abfallbereich vermeiden, bei der sich private Systeme wie der Grüne Punkt die profitablen Wertstoffe sichern, den teuren Restabfall aber den Kommunen überlassen.
Das Ganze ist, unter dem Strich betrachtet, Wirtschaftsförderung im besten Sinne; denn eine solche Zero-WasteStrategie schafft zehnmal so viel Arbeitsplätze wie Deponien und Müllverbrennung. Deswegen bitte ich Sie um Unterstützung für unseren Antrag.
Unser Herr Kollege Zschocke hat den Antrag eingebracht. Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Kollege Hippold.
Kaum eine Woche vergeht ohne merkwürdige Ideen – das müssen Sie jetzt aushalten – und Verbotsforderungen, die die Öffentlichkeit mal amüsieren und mal schockieren. Zu dieser fest verankerten Ideologie kommt noch Ihr Wille hinzu, die Bevölkerung in Ihrem Sinne zu erziehen. Beim Lesen Ihres Antrags hat mich – da bin ich ganz ehrlich, Herr Zschocke – das Gefühl beschlichen, dass dies auch in diesem Fall, also bei dem Antrag zu Zero Waste – der Präsident hat es besser ausgesprochen als ich – der Fall gewesen ist, auch wenn Sie sich mit einzelnen Dingen – das muss ich neidlos zugestehen – argumentativ wirklich tiefgreifend in Ihrem Redebeitrag auseinandergesetzt haben, Herr Zschocke.
Im Gegensatz zu Ihnen sind wir aber als CDU-Fraktion überzeugt, dass Verbote und Quoten nur das letzte Mittel sein sollten. Das gilt für Maßnahmen im Klimaschutz genauso wie bei solchen zur Abfallvermeidung wie in diesem Fall. Wichtig sind stattdessen gezielte Aufklärung und die Erläuterung von Maßnahmen.
Wir sehen ja an vielen guten Beispielen, dass die Abfallvermeidung an vielen Stellen durch ureigenes wirtschaftliches Interesse und bürgerliches Engagement auch ohne zusätzliche Verbote funktioniert. Aber setzen wir uns einmal mit Ihrem Antrag in seinen einzelnen Punkten auseinander.
Als Erstes möchte ich Folgendes klarstellen: Sie reden immer von Müll. Ich habe mich dazu mit Kollegen Lichdi in der Vergangenheit auch schon oft angelegt. Es handelt sich dabei aber tatsächlich zu einem großen Teil um wertvolle Rohstoffe. Somit kann man sagen, dass Abfall – so ist nämlich die korrekte Bezeichnung nach unserer Gesetzeslage – in bestimmten Mengen zu produzieren an sich tatsächlich nichts Verwerfliches ist. Es kommt also immer darauf an, was wir mit den verschiedenen Arten von Abfall machen. Den Abfall als Wertstoff zu begreifen, das muss unser Ziel sein.
In den letzten Jahren konnten wir in Deutschland mehr als 70 % der Verpackungen recyceln, wenn auch mit sehr unterschiedlichen Quoten: 85,5 % bei Glas, 88,7 % bei Papier und 92,1 % bei Stahl, aber leider nur 49,7 % bei Kunststoff. Sie sehen, wichtig für eine funktionierende Strategie ist es also, zunächst einmal klar zwischen den unterschiedlichen Arten von Abfällen zu unterscheiden; denn jeder von uns weiß, dass es sehr wohl einen großen Unterschied macht, ob man einen Apfelgriebs oder eine Plastiktüte wegwirft.
Besonders bei Kunststoffen haben wir noch erhebliche Potenziale, die es zu nutzen gilt. Ab Januar 2019 tritt das neue Verpackungsgesetz in Kraft. Dann muss zumindest das Kunststoffrecycling der Verpackungen, die im dualen System anfallen, weiter verbessert werden. Zunächst liegt die Quote bei 58,5 %, ab dem Jahr 2022 dann bei 63 %.
Ihren Antrag habe ich deshalb mit großem Interesse gelesen, denn Abfallvermeidung und Recycling sind für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland eine der zentralen umwelt-, aber gerade auch wirtschaftspolitischen Aufgaben. Abfallbeseitigung kostet die Unternehmen und die Bürger sehr viel Geld. Angesichts der boomenden Wirtschaft und dem damit verbundenen Anstieg der Abfallproduktion ist es umso wichtiger, die Wiederverwertung und das Recycling noch zu verstärken.
Auf der anderen Seite bewegen wir uns mit großer Geschwindigkeit auf eine steigende Knappheit bestimmter Rohstoffe zu. Unsere Wirtschaft hat somit ein ureigenes Interesse daran, Abfälle zu recyceln und bestimmte Rohstoffe zurückzugewinnen. Deutschland ist beim Recycling bereits heute weltweit führend und trägt erheblich zum globalen Umwelt- und Ressourcenschutz bei. Dennoch müssen wir die heutigen Produktionsweisen und Produktgestaltungen noch stärker an der Idee des Stoffkreislaufes ausrichten. Da sind wir sicher nicht so weit auseinander.
Ziel ist es, noch mehr Primärrohstoffe wie Sand und Minerale, die häufig teuer importiert und der Natur
entnommen werden müssen, einzusparen und für eine umweltgerechte Entsorgung der Reststoffe zu sorgen.
Zum Punkt 2 des Antrages: Wir sind weiterhin der Auffassung, dass die Entsorgung der überlassungspflichtigen Abfälle einschließlich der Planung von Behandlungskapazitäten und der Kalkulation von Gebühren eine weisungsfreie kommunale Pflichtaufgabe der öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger ist. Damit erübrigt sich die Diskussion über eine vom Freistaat geregelte bzw. begrenzte Verbringungsmöglichkeit. Allein der Entsorgungsträger und die kommunalen Gremien entscheiden, wohin ihr Abfall entsorgt werden soll. Wenn Sie einmal das Protokoll unserer AUL-Anhörung vom 17. September 2013 hernehmen, dann sagt dort selbst der Experte der GRÜNEN, Herr Dr. Karpenstein, dass sich für viele recycelbare Abfälle eine Autarkieverordnung aus rechtlichen Gründen verbietet. Unabhängig davon sehe ich nichts Verwerfliches daran, sich bei der Abfallvermeidung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zusammenzutun und gegenseitig zu unterstützen.
Noch ein abschließender Punkt: Unsere Landesstrategie heißt Abfallwirtschaftsplan. Dieser wird regelmäßig – zuletzt im Jahr 2016 – fortgeschrieben. Er stellt die Ziele der Abfallvermeidung, der Abfallverwertung, insbesondere der Vorbereitung zur Wiederverwendung des Recyclings und der Abfallbeseitigung sowie aller erforderlichen Maßnahmen dar. Einer weiteren Strategie bedarf es nach unserer Überzeugung nicht.
Schließlich können wir diesem Antrag deshalb nicht zustimmen, weil darin von Ihnen weiterhin behauptet wird, dass sächsische Abfallbehandlungsanlagen auf Basis überdimensionierter Planungen errichtet worden seien und dies zu Überkapazitäten geführt hat. Dies ist fachlich und sachlich falsch. Der Untersuchungsausschuss der letzten Legislaturperiode hat keinerlei Hinweise darauf gefunden, dass gesetzliche Regelungen missachtet oder staatliche Fehler passiert wären. Ihr Antrag ist deshalb vollumfänglich abzulehnen.