Protocol of the Session on September 6, 2018

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Baum, Sie haben in Ihrer Rede, wie bereits Herr Nowak, jetzt versucht, den Dialekt meiner Kollegin zu verhohnepipeln. Das ist völlig unsachlich. Es ist geschmacklos, und ich denke, die Wähler in der Lausitz werden es mitbekommen und Ihnen sagen, wie Sie sich lustig machen über einen Dialekt, den wir im Land haben. Das hat mit sachlicher Debatte nichts zu tun.

(Beifall bei der AfD – Staatsminister Martin Dulig: Da sind Sie aber überempfindlich, Herr Urban! – Weitere Zurufe von der CDU)

Möchte darauf geantwortet werden? – Das sieht nicht so aus. Als Nächste spricht Frau Meier, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der AfD geht am Problem vorbei und orientiert sich nicht an den Bedürfnissen der Fahrgäste.

Das beginnt schon bei der Beschränkung einer kostenfreien Nutzung des Nahverkehrs auf den eigenen Landkreis. Ob Schulbesuch, Einkaufsmöglichkeiten oder Freizeitaktivitäten, für die meisten spielt doch die Kreisgrenze überhaupt keine Rolle mehr. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum sich die AfD überhaupt nur auf die Kreise beschränkt – wir haben es von Herrn Nowak gehört – und die kreisfreien Städte außen vor lässt und ausschließt. Auch hier gibt es dünn besiedelte Stadtränder. Auch in Großstädten sind Einkaufsmöglichkeiten und Schulen manchmal nicht zu Fuß erreichbar. Einkommensschwache Seniorinnen und Senioren, die von günstigen Tickets profitieren könnten, gibt es sowohl in der Stadt als auch in den Landkreisen.

In diesem Antrag vermisse ich auch – das haben wir jetzt schon mehrfach gehört – jeglichen Vorschlag zur Finanzierung. Der AfD sollte die finanzielle Lage hier ja bekannt sein. Selbstverständlich muss der öffentliche Verkehr leistbar und finanziell attraktiv sein. Aber wenn der Bus, der wegen mangelnder Mittel nicht mehr fährt, jetzt auch noch kostenlos fahren soll, dann ist doch hier wirklich niemandem geholfen.

Sinnvoller wäre es, wenn jetzt endlich einmal – wie schon seit Jahren versprochen – das Bildungsticket eingeführt werden würde. Aber dafür muss der Freistaat selbstverständlich das entsprechende Geld in die Hand nehmen, anstatt jährlich über 100 Millionen Euro in den Straßenbau zu stecken.

(Beifall bei den GRÜNEN – Andreas Nowak, CDU: Auf den Straßen fahren auch Busse!)

Davon einmal abgesehen, haben weder Schülerinnen noch Schüler noch autofreie Seniorinnen und Senioren etwas davon. Vielmehr fördert die Koalition damit die Zersiedelung und macht es Kindern und Jugendlichen so noch schwerer, selbstständig mobil zu sein.

(Frank Heidan, CDU: Also wollen Sie doch keinen Straßenbau!)

Kurzum: Geben wir den jungen Menschen in diesem Land etwas mehr Freiheit und Selbstständigkeit. Das Bildungsticket muss jetzt endlich kommen. Das Geld, das im Haushaltsentwurf dafür eingestellt ist, muss dafür tatsächlich genutzt werden. Wenn ich mir aber die Deckungsvermerke im Haushaltsentwurf anschaue, dann schwant mir hier Schlimmes.

Meine Damen und Herren! Wir GRÜNE fordern ja schon seit Jahren – und das ist ein Punkt, den die AfD hier aufgreift –, die Kleinstaaterei der Verkehrsverbünde zu beenden und den Tarifdschungel damit zu lichten. In der Stellungnahme hat die Staatsregierung ja dargestellt, dass Sie sich diesem Problem annimmt und es endlich verstanden hat, dass fünf Verkehrsverbünde in diesem Land zu

viel sind. Allerdings setzt die Staatsregierung darauf, dass sie sich von selbst zusammenschließen. Ich denke, es ist eine naive Hoffnung, eine Initiative zur Abschaffung der Kleinstaaterei würde von den Fürstentümern selbst ausgehen. Mit Ausnahme des Landkreises Bautzen hat bisher noch kein Kreis versucht, hier mit einem größeren Pfund beizutreten. Oft scheint die Sorge um den Machtverlust in den größeren Entscheidungsgremien gegenüber dem Interesse an einem fahrgastfreundlichen Nahverkehr zu überwiegen. Ich denke, hier muss die Staatsregierung selbst aktiv werden, um eine Fusionierung der Verkehrsverbünde zu erreichen.

Meine Damen und Herren! Angesichts der fachlichen Mängel, der Fokussierung auf einzelne Betroffene und der mangelnden Weitsicht der Fraktion AfD lehnen wir diesen Antrag ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Abg. Kersten, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der AfD-Fraktion klingt – ebenso wie der gestrige Antrag der LINKEN zum Familienpass – erst einmal gut.

Es geht um kostenlose Angebote im ÖPNV für eine bestimmte Klientel. Es geht um Unterstützung für Schüler, Azubis und Rentner auf dem Land, um Personengruppen, denen im Vergleich zu Erwerbstätigen weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen und die im Vergleich zu urbanen Gebieten ein deutlich geringeres Angebot im ÖPNV nutzen können.

Ganz abgesehen davon, dass der Landtag keine Zuständigkeit für die Tarifausgestaltung hat, sondern dafür die Landkreise und Verkehrsverbünde zuständig sind, soll mit diesem Antrag ein weiteres Fitzelchen im ÖPNVTarifdschungel geschaffen werden. Der vorliegende Antrag ist ein weiterer Umverteilungsantrag. Das grundsätzliche Problem aber bleibt: Niemand interessiert sich für Ticketpreise eines Busses, der nicht fährt.

Zwei Dinge sind deshalb zu tun: Erstens sind die ÖPNVMittel in den Ausbau der Infrastruktur zu stecken. Wir brauchen häufigere Takte, mehr Busse und Fahrzeiten, die sich an den Bedürfnissen und Bedarfen der Nutzer orientieren. Die Gelder sind durch investive und nicht durch konsumtive Ausgaben zu binden.

Zweitens müssen wir endlich dafür sorgen – auch das hatte ich gestern schon gesagt –, dass unsere Bürger mehr Geld in der Tasche haben. Wir müssen Abgaben und Steuern senken, damit unsere Menschen selbstbestimmt entscheiden können, wann sie welche Verkehrsmittel nutzen. Ziel kann doch nicht sein, dass wir immer wieder für den einen oder anderen kostenlose Angebote schaffen und damit immer wieder dieselbe Klientel belasten, nämlich den Mittelstand.

Übrigens benennt der Antrag nicht ansatzweise, mit welchen Kosten durch ein solches kostenloses Basisange

bot zu rechnen ist, also in welcher Höhe der Steuerzahler belastet wird. Man braucht das nicht bei jedem Antrag im Hohen Haus zu tun, aber in diesem Fall entstehen sicherlich hohe Einnahmenverluste bei den Verkehrsverbünden, die vom Freistaat zu erstatten wären. Von daher wäre es nur seriös gewesen, dass wir zumindest grob erfahren, wie hoch diese Kostenerstattungen ausfallen würden.

(Silke Grimm, AfD: Das kommt jetzt!)

Immer mehr kostenlose Angebote sind für uns nicht die Lösung. Unser Anspruch ist eine Entlastung aller Bürger. Wer mehr Geld in der Tasche hat, kann sich sein ÖPNVTicket auch kaufen. Dieser Weg würde den ÖPNV langfristig unterstützen; denn mehr Vollzahler steigern die Einnahmen der Verkehrsunternehmen und ermöglichen damit erweiterte Angebote.

Ein Antrag wie der vorliegende könnte niemals von einer freiheitlich denkenden Partei kommen, allenfalls von einer Umverteilungspartei. Wir lehnen diesen Antrag ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Wird von der AfD noch einmal das Wort gewünscht? – CDU? – Herr Ittershagen, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf meine Vorredner kurz eingehen. Herr Böhme, sicherlich ist es ein Problem: Barrierefreiheit ist nicht überall gewährleistet. Dort haben wir einen großen Nachholbedarf. Aber bei allen Neubauprojekten, die in diesem Bereich geplant sind, ist selbstverständlich auch die Barrierefreiheit vorgesehen. Auch das ist schon ein deutlicher Schritt nach vorn.

Frau Meier, ich bin immer noch der Meinung, dass Straßenbau wichtig ist; denn auch die Busse fahren auf Straßen,

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ach!)

und nichts ist für Busse so schlecht wie schlecht ausgebaute Straßen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Es bedarf eigentlich noch mehr als das, was wir jetzt im Haushalt veranschlagt haben.

Herr Urban, jetzt seien Sie bitte nicht so ungemütlich. Es ist aber leider so, dass die Art und Weise des Vortrages, der Dialekt, das Beste an dem Antrag gewesen ist. Ansonsten kann man zu dem Antrag nicht viel sagen, weil er einfach substanzlos ist und vieles miteinander vermengt.

Er ist zum Beispiel auch ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, ohne dass in dem Antrag dargestellt wird, wie Sie das gesetzlich regulieren wollen. Die Planung und Organisation des ÖPNV ist Sache der Kommunen. Das ist so gegeben, und diese bedienen sich hierzu der Zweckverbände.

(Silke Grimm, AfD, steht am Mikrofon.)

Wenn Sie das ändern wollen, müssen Sie auch einmal konkret sagen, wie.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Ittershagen, die CDU schaut bei jedem Antrag in die anderen Bundesländer. Es gibt noch andere Bundesländer, in denen nicht alles über die kommunale Selbstverwaltung geht. In Brandenburg gibt es zum Beispiel einen Landestarif, eine Landesverkehrsgesellschaft. Man sollte auch einmal die Augen bei diesem Antrag öffnen.

Das war keine Frage.

Sehr geehrte Frau Kollegin! Ich selbst komme aus diesem Metier und hatte in Mecklenburg-Vorpommern zu tun gehabt. Auch dort gibt es eine Landesverkehrsgesellschaft, die den Verkehr zentral verwaltet. Wir haben Anfang der Neunzigerjahre einen anderen Weg eingeschlagen, und das ist nun der Weg, den wir gegangen sind. Darüber müssen wir reden. Ich komme in meinem Vortrag noch näher darauf zu sprechen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es werden, wie schon angesprochen, in diesem Antrag verschiedene Ebenen miteinander vermengt: Das ÖPNVGesetz, die ÖPNVFinAusG, die ÖPNVFinVO – alles wird in einen Topf geworfen, darin herumgerührt und versucht, irgendeinen Antrag zu kreieren. Das reicht natürlich nicht aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kommunalisierung des ÖPNV in Sachsen war gewollt, aber – darin gebe ich Ihnen recht – es gibt tatsächlich Probleme. Diese haben wir auch erkannt, und dafür hat Martin Dulig die ÖPNV-Strategiekommission einberufen. Sie ist ein zentrales Element, um diesen Problemen zu begegnen, sie zu erkennen, zu verarbeiten und eine Handlungsstrategie zu entwickeln.

Man kann mit dem Gesamtergebnis der Strategiekommission zufrieden oder unzufrieden sein, aber wir haben endlich einmal valide Daten, zum Beispiel wie viele Haltestellen wir haben und wie diese ausgerüstet sind usw. Auch das führt zu einem Ergebnis. Wir sind auch zu dem Ergebnis gekommen, dass der regionale Busverkehr am besten in der jeweiligen Region organisiert werden soll. Es hat keinen Sinn, wenn eine Zentrale zum Beispiel in Dresden eingerichtet wird, die den Busverkehr in meiner Region, in Holzhau, oder anderswo organisiert. Das macht man in der Region viel besser, weil man dort viel näher dran ist.

Eine Ausnahme mache ich: Das ist die Planung des überregionalen Eisenbahnverkehrs. Dieser braucht eine zentrale Koordinierung durch den Freistaat. Das könnten

wir theoretisch schon heute durch das ÖPNV-Gesetz realisieren.

Ein weiteres Ergebnis – das muss man auch feststellen – ist: Selbst die Landräte beginnen sich zu bewegen. Das ist wichtig, weil sie in zentraler Position sind. Die Landräte haben beschlossen, eine Steuerungsgruppe für den Themenbereich ÖPNV einzusetzen, um sich untereinander abzustimmen.

Zum Bildungsticket. Ich weiß gar nicht, warum wir da jetzt so viel drum herumreden und diskutieren. Es ist vorgesehen und die Ansätze sind im Haushalt enthalten. Wo ist das Problem? Wir müssen es einführen und institutionalisieren.