Protocol of the Session on September 5, 2018

Ich erinnere an den CDU-Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz, der bis 2007 dem Studienzentrum Weikersheim angehört hat, einer Denkfabrik der neuen Rechten.

Ich erinnere auch an den sächsischen CDU-Fraktionsvorsitzenden Frank Kupfer, der 2015 das 19-PunktePapier der Pegida ein „Gesprächsangebot“ nannte, welches er sofort unterschreiben könne.

Ich möchte auch an den Meißner CDU-Stadtrat Jörg Schlechte erinnern, der 2016 linke Aktivistinnen und Aktivisten „Dreckzecken“ und „heimatlose Brüllaffen“ nannte.

Herr Ministerpräsident, waren Sie es nicht, der 2015 den Buttersäureanschlag auf die Wohnung des Justizministers Gemkow dem linken Spektrum zuordnete? Schrieben Sie nicht damals auf Twitter: „Linksextremisten erobern immer mehr Stadtraum, Stadtpolitik. Nicht wegsehen, handeln!“ Überführt und verurteilt wurde übrigens ein Nazi. Sie fordern heute dazu auf, gegen Fake News vorzugehen, und waren doch einer der Erfinder und Verbreiter an vorderster Front.

(Beifall bei den LINKEN – Widerspruch bei der CDU)

Zu Recht herrscht heute deutschlandweit Empörung, weil in Chemnitz Jagd auf anders aussehende Menschen gemacht worden ist.

(André Barth, AfD: Stimmt doch gar nicht!)

Wir haben nicht vergessen, dass das leider keine traurige Premiere war, sondern eine Wiederholung ist. Bei rassistischen Ausschreitungen 2007 in Mügeln flüchteten acht Inder nach einer Auseinandersetzung mit 50 Besuchern eines Stadtfestes, die sie bedrohten und beschimpften. Aufgrund des rassistischen Charakters der Beleidigungen wurden später mehrere Personen wegen Volksverhetzung verurteilt.

Heute ist die Stunde der Wahrheit. Springt die CDUgeführte Staatsregierung und endlich auch die von Herrn Kupfer geführte CDU-Fraktion über ihren Schatten oder führt sie Sachsen weiter in den Abgrund? Der Karren steckt tief im Dreck, es wird dauern, ihn wieder flott zu machen. Eine oder zwei Maßnahmen werden nicht ausreichen, auch nicht das, was Sie uns heute hier aufgezählt haben, Herr Ministerpräsident. Sachsen braucht jetzt

einen gemeinsamen, konsequenten Einsatz gegen menschenverachtende Denkmuster wie Antisemitismus und andere diskriminierende Einstellungen.

Geben Sie sich doch einmal einen Ruck und öffnen Sie sich unserer Idee, dem Land einen Antisemitismusbeauftragten zu geben. Notwendig sind rasche Aufklärung und konsequente strafrechtliche Verfolgung von rechten Straftätern und Hassverbrechern. Dazu braucht man aber keinen Verfassungsschutz, zumal Sie diesen seit Montag voriger Woche selbst nicht mehr ernst nehmen. Benötigt wird ausreichend fachkundiges Personal bei Polizei und Justiz. Daran fehlt es bisher.

Notwendig ist die Entkriminalisierung des vielfältigen Protestes gegen rechte Aufmärsche und Solidarität mit Opfern rechter Gewalt. Rassistische Einstellungen und Handlungen müssen als Problem benannt werden. Es ist analytisch falsch, verallgemeinernd von Extremismus zu sprechen. Zu lange hat die Politik und haben die Behörden unter Anwendung dieses Begriffs die Bedrohungslage der Rechten verkannt.

Die Sächsische Staatsregierung muss dafür Sorge tragen, dass Fort- und Weiterbildungsangebote zur präventiven Arbeit gegen extreme Rechte im Bereich Jugend- und Sozialarbeit, für Lehrerinnen und Lehrer, für die Verwaltung in den Kommunen, für Polizei und Justiz verstärkt werden. Gerade bei der Polizei, an den Gerichten und im Justizvollzug mangelt es oft an der nötigen Sensibilität für dieses Thema. Hier könnten Sie als CDU endlich Ihren Widerstand gegen ein Bildungsfreistellungsgesetz in Sachsen aufgeben.

Herr Ministerpräsident! Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion! Ihre Erklärungsmuster funktionieren nicht mehr. Nicht die Geflüchteten sind an der tief gespaltenen Gesellschaft schuld.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Das hat niemand gesagt!)

Schuld ist Ihre Politik der Spaltung der Gesellschaft, die Sie seit Jahren betrieben haben. Sie haben die Menschen verunsichert. Sie haben sie entwurzelt. Sie haben ihnen ihre Zukunft genommen.

(Zuruf von der CDU: Sie hätten Ihre Rede mal anpassen sollen! Was reden Sie denn für ein Zeug?)

In Chemnitz mussten wir erleben, dass es zu einer Allianz aus Normalbürgerinnen und Normalbürgern und rechten Gewalttätern gekommen ist. Neonazis, Hooligans und AfD-Anhänger haben sich mit Wut- und Hutbürgern verschmolzen

(André Barth, AfD: Mit wem? Mit Blutbürgern?)

und empfinden sich als „das Volk“. Das sind sie aber bei Weitem nicht. Das dürfen wir auch niemals zulassen.

Ein Wort noch an die Chemnitzerinnen und Chemnitzer. Ich weiß, dass es in Chemnitz nicht nur Nazis, Rassisten, Wutbürgerinnen und Wutbürger gibt.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: „Nicht nur“, hat er gesagt!)

Da brauche ich mich nur hier im Plenarsaal umzuschauen. Aber wer mit Neonazis und Rechtsextremen mitläuft und „Ausländer raus“ brüllt oder das mindestens in Kauf nimmt, der hat alle meine Sympathien verspielt. Toleranz und Respekt verbieten es, mit genau solchen Gruppen mitzulaufen.

Wir alle tragen Verantwortung. Wir haben die Möglichkeit, uns zu engagieren – der eine mehr, der andere weniger. Wir alle haben die Pflicht, den demokratischen Rechtsstaat, die Grundlagen unseres Gemeinwesens zu verteidigen.

Herr Ministerpräsident, jeder Versuch, bei den Rechten mit AfD-Light-Positionen zu punkten, wird scheitern. Die Rechten werden gewinnen, wenn wir uns weiterhin von ihrer Hetze ihre Themen aufdrücken lassen. Die Zeit für entschlossenes Handeln für die Demokraten in unserem Land ist reif. Wir sind dazu bereit. Herr Ministerpräsident, ich hoffe, Sie auch.

(Beifall bei den LINKEN)

Nach Herrn Kollegen Gebhardt, Fraktion DIE LINKE, spricht jetzt Kollege Hartmann für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Mitgefühl meiner Fraktion gilt auch den Opfern dieser schrecklichen Tat, die Anlass für die Ereignisse der vergangenen Woche ist – und sicherlich auch ein zentraler Teil unser heutigen Diskussion. Insoweit möchte ich am Anfang deutlich sagen: Wir sollten in einem solchen Prozess auch Ursachen und Wirkungen durchaus ernst nehmen.

Bevor ich mich dem Titel und dem Inhalt der Regierungserklärung nähere, möchte ich Ihnen zwei Dinge deutlich sagen. Die CDU steht ganz klar gegen Rechtsextremismus.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Und das nicht erst seit gestern, sondern – das ist ja auch in der Rede des Ministerpräsidenten deutlich geworden – seit Mitte der Neunzigerjahre. Gleichwohl gehört auch zur Wahrheit, dass dieses Bemühen an der einen oder anderen Stelle nicht die Erfolge gezeigt hat und sicherlich auch manchmal vielleicht ein klareres Handeln bedingt hätte.

Ich möchte hier deutlich sagen, dass die Auseinandersetzung mit Extremismus die Auseinandersetzung mit jeglichen Formen des Extremismus bedingt. Aber ich lasse nicht zu, dass versucht wird, mich auf eine Seite zu ziehen, und zwar von einer Seite, die sich nicht in der Lage sieht, sich von der anderen Form des Extremismus zu distanzieren, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Ja, in Chemnitz sind deutlich rote Linien überschritten worden, die ein gesellschaftliches Zusammenleben prägen sollen. Wir werden diese Grenzen klar ziehen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte, Ursache und Wirkung nicht ganz aus dem Blick zu verlieren: Ereignisse, die diese Prozesse beschleunigt haben.

Ich glaube schon – das ist der Kern der Aussage, Herr Fraktionsvorsitzender Gebhardt –, dass Ihr Sohn eine klare Wahrnehmung hatte, nämlich zu der Freundlichkeit des Mädchens. Ich sage Ihnen, wenn es Jassim wäre, der möglicherweise immer schubst, wäre die Reaktion eine andere gewesen. Da sind wir bei einem Kern der Diskussion. Wenn wir Menschen bei uns haben, denen wir helfen wollen und denen geholfen werden muss, können wir zwei Dinge erwarten: erstens, dass sie dieser Hilfe tatsächlich bedürfen – dafür haben wir ein Verfahren –, und zweitens, dass sie, wenn sie hier sind, auch eine gewisse Form von Respekt, Dankbarkeit und Hilfe annehmen.

(Zurufe der Abg. Sarah Buddeberg und Susanne Schaper, DIE LINKE)

Das muss Ihnen nicht gefallen. Dreidimensionalität der Betrachtung beginnt damit, dass Sie zuhören. Ihre Eindimensionalität bringt Sie gar nicht weiter.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Es gehört dazu, dass sich die Menschen an die Regeln halten. Ein Teil der Wahrheit ist, dass wir Übergriffe von Asylbewerbern in diesem Land erleben. Mit denen müssen wir uns gleichermaßen auseinandersetzen. Es ist eben nicht hinnehmbar, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir Situationen erleben, in denen sich Menschen bedroht fühlen, egal von wem, aber eben auch von Asylbewerbern. 1 200 Mehrfachintensivstraftäter zeigen, dass wir einen Handlungsbedarf haben, vor allem deswegen, weil es darum gehen muss, der übergroßen Mehrheit der Menschen, die bei uns Hilfe und Schutz suchen, eine klare Perspektive in unserer Gesellschaft zu geben. Dazu gehört, dass die Gesellschaft bereit ist, das mitzutragen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Nachdem Sie so in Wallung sind, lassen Sie mich zum Kern der Rede kommen, und zwar zum Inhalt „Für eine demokratische Gesellschaft und einen starken Staat“.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Genau!)

Ich danke dem Ministerpräsidenten für seine Rede und seine Impulse. Ich denke, er hat eine klare Botschaft gesandt. Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren von links, wundert mich Ihre Reaktion eher weniger. Gott sei Dank wird der Begriff Haltung seit 1989 in diesem Land nicht mehr durch DIE LINKE definiert, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Sie mögen es beklagen, aber es ist die Realität.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir lassen uns Haltung nicht absprechen. Haltung beginnt bei der Definition des Grundgesetzes, nämlich bei der Definition der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der

verfassungsmäßigen Ordnung. Das ist der Kern.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Wir reden hier für die Mitte der Gesellschaft. Insoweit verstehe ich, wenn der Ministerpräsident sagt: Wir haben eine klare Position. Aber ich lasse mich weder von rechten noch von linken Rändern instrumentalisieren,

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Sie will gar keiner instrumentalisieren!)

weil wir in der Mitte der Gesellschaft stehen.