Protocol of the Session on September 5, 2018

weil wir in der Mitte der Gesellschaft stehen.

(Beifall bei der CDU)

Künstlerische Freiheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Wesenskern unserer Gesellschaft. Sie werden aber auch verstehen, dass ich so manchen Text nicht gut finde und dessen Inhalt nicht teilen werde und deswegen nicht bereit bin, das zu unterstützen, ohne damit künstlerische Freiheit in diesem Land in Abrede zu stellen.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Müssen Sie doch gar nicht!)

Im Übrigen möchte ich deutlich machen: Der Feind steht an allen extremistischen Rändern. Wir müssen uns mit allen extremistischen Rändern auseinandersetzen. Dann fällt es relativ dünn aus, wenn Sie die Extremismusklausel bemühen, die im Übrigen abgeschafft wurde, ohne dass wir den Grundsatz, nämlich das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, in Abrede stellen, der der Kern des Ganzen ist.

Kriminell ist übrigens in diesem Land immer noch – egal von welcher Seite –, wer versucht, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit anderer zu beschränken, und zwar durch Gewalt und Übergriffe. Da ist es egal, welches Ziel und welche Haltung er hat. Er bleibt kriminell, wenn er die Rechte anderer mit Gewalt verletzt.

(Beifall bei der CDU, der AfD und der Staatsregierung)

Insoweit gehört zur Wahrheit auch ein klares Bekenntnis aller Seiten dieses Hohen Hauses – und da schließe ich Sie ganz klar ein, Herr Gebhardt – zur Abkehr von allen extremistischen Rändern dieser Gesellschaft und ein klares Bekenntnis zur Mitte. Wenn Sie ein solches Bündnis der demokratischen Kräfte wollen – das ist übrigens ein Kern der Diskussion, die wir führen müssen –, dann muss es eine klare Grenze zu rechten und linken Rändern geben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung –

Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE

In der Tat – das hat vielleicht etwas mit der Demonstrationskultur in unserem Land zu tun – vermisst die Mitte zurzeit den Raum, in dem sie ihre Position klar artikulieren kann. Die demokratische Gesellschaft – da werden wir uns sehr schnell einig werden, meine sehr geehrten Damen und Herren, da haben wir keinen Dissens – beruht auf dem Willen zu einem Leben in Freiheit, einem Bekenntnis zu Grund- und Menschenrechten, zur demokratischen Teilhabe, zur Gewaltenteilung und dem Willen, Menschen in Notlagen zu helfen, egal, ob sie hier zu Hause sind oder ob sie aus anderen Ländern zu uns kommen.

Mancher mag einwenden, dass es sich um Gemeinplätze handelt. Aber das sind sie nicht. Es betrifft insbesondere die Teilung der staatlichen Gewalt und erst recht die gelebte Hilfe für Notleidende, die Solidarität oder – so können Sie es auch altmodisch christlich nennen – die Barmherzigkeit.

Richtig ist, dass sich die repräsentative Demokratie nicht im Parlament erschöpft. Es besteht Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. Sie findet jedoch dort ihre Grenzen, wo sie in Selbst- und Lynchjustiz übergeht oder Rechte anderer beschränkt. Der Staat hat das Gewaltmonopol. Er muss es bewahren und durchsetzen. Insofern sollte jeder Protestierende seine Verantwortung dafür wahrnehmen. Für welche Versammlung er sich entscheidet, obliegt letzten Endes ihm selbst. Aber er muss schon definieren: Macht er sich mit denen gemein, die Flaschen werfen und Hitlergrüße zeigen, oder mit denen, die rechte oder linke Parolen skandieren? Da muss klar eine Grenze gezogen werden. Das ist kein Kavaliersdelikt.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Ist „Nazis raus!“ eine linke Parole? – Carsten Hütter, AfD: Aber „Deutschland verrecke!“ ist richtig?)

Wir sind in der Verantwortung, in der demokratischen Mitte Protesträume zu entwickeln. Protest, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nämlich legitim.

Ich will vor diesem Hintergrund als Innenpolitiker der CDU betonen, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern zuhören, wenn sie zweifeln. Dies betrifft ausdrücklich auch die Fragen zu Vorstellungen, wie man Notleidenden helfen kann, zu Grundlinien der bundesdeutschen Migrationspolitik, zu politischen Vorstellungen über die Möglichkeiten und Grenzen der Integration zugewanderter Menschen und nicht zuletzt zum Aufbau und zur Arbeitsweise unserer Sicherheits- und Staatsverwaltung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion und der Protest auch zu den Fragen von Asyl- und Migrationspolitik in unserer Gesellschaft sind Teil unserer verfassungsmäßigen Ordnung.

(André Barth, AfD: Genau!)

Solche Zweifel und abweichenden Haltungen zu häufig optimistischen Äußerungen der politischen Leistungsträger und Elite unseres Landes sorgen für Stimmungsspan

nungen, sorgen auch für entsprechende Repräsentationslücken. Ich sage das mit Blick auf einen großen Teil der Protestierenden. Es bedarf dieses Dialoges, um zu erklären, um zu verstehen und die Probleme aufzuarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist die Wahrheit, und der Ministerpräsident hat es deutlich gesagt: Die Mehrheit in unserem Land will Menschen in Not helfen. Sie ist bereit, Unterstützung zu geben. Dazu bedarf es klarer Regeln. Es bedarf der Durchsetzung der entsprechenden Verfahren. Es bedarf des Vertrauens der Bürger in den Staat und seine Handlungsweise.

Es sind immer zwei Seiten ein und derselben Medaille. Es geht um die Frage, ob ein Mensch hierher kommen kann und Hilfe erhält oder ob er, wenn er den Anspruch nicht hat, in die Heimat zurückkehren muss. Die Menschen in diesem Land erwarten, dass diese Entscheidungen getroffen und vollzogen werden. Sie erwarten zu Recht, dass wir den Menschen, die eine Perspektive haben, helfen wollen. Man kann aber auch zu Recht erwarten, dass diese sich an die Regeln der Gesellschaft halten. Wenn sie es nicht tun, muss es entsprechende staatliche Konsequenzen geben.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Das Recht auf Meinung, das Recht, auch andere Meinungen zu haben, auch Meinungen, die mir nicht gefallen, auch Meinungen, die kritisch zur Migrationspolitik stehen, sind Teil unserer verfassungsmäßigen Norm. Sie sind Teil des Grundkonsenses aus Freiheit, Menschenrechten, Demokratie, Gewaltenteilung, Solidarität und Barmherzigkeit. Wenn dies nicht infrage gestellt wird, ist Meinungspluralismus möglich. Nur – meine sehr geehrten Damen und Herren, diesen Satz sage ich in aller Deutlichkeit –: Die freiheitliche demokratische Grundordnung ist die Schmerzgrenze unseres politischen Gehörs, nicht die politische Liebsamkeit. Doch diese Grenze besteht. Sie ist nicht verhandelbar, und wir werden sie halten.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Lassen Sie mich zum zweiten Punkt kommen, dem starken Staat. Eine demokratische Gesellschaft braucht einen starken Staat. Gemeint ist damit ein Staat, der es versteht, die Freiheit und die Rechte seiner Bürger zu schützen und vor allem auch für deren Sicherheit zu sorgen. Hierzu leistet die sächsische Polizei seit Jahren Großartiges. Die derzeit zum Teil geäußerte Pauschalkritik an der sächsischen Polizei ist nicht hinnehmbar.

Dennoch ist auch die Polizei nicht frei von Fehlern. Nicht jeder Einsatz kann hundertprozentig gelingen. Damit möchte ich aber nicht gesagt haben und stelle dies ausdrücklich klar, dass ich Kritik am Einsatz am 27. August oder an folgenden Einsätzen hätte. Die Polizei hat im Rahmen des Kräfteeinsatzes der verfügbaren Strukturen die Lage und den Einsatz ordnungsgemäß geführt. Aber zur Ehrlichkeit gehört eben auch, zu sagen, dass wir in Sachsen in unseren polizeilichen Strukturen weiter an der Führungsfähigkeit, der Lagebeurteilung, den Kommuni

kations- und Informationsstrukturen und vor allem auch am Kräfteansatz arbeiten müssen. Wir brauchen eine lebendige Fehlerkultur, die nicht gleichzeitig als Pauschalkritik verstanden wird, und eine Differenzierung in der Beurteilung sowohl polizeilicher Einsätze als auch journalistischer Betrachtung und politischer Bewertung.

Vor diesem Hintergrund erinnere ich noch einmal daran, dass so manche überzogene Kritik der Legitimität unserer demokratischen Ordnung schwer geschadet hat. Es braucht nämlich neben Leidenschaft auch Augenmaß. Ich sage das auch vor dem Hintergrund der Pauschalität – darin teile ich ausdrücklich die Auffassung des Ministerpräsidenten –, dass man, je weiter entfernt man von den Ereignissen war, umso pauschaler in der Beurteilung wurde und eine gesamte Stadt in die Kritik gebracht, jeden Demonstranten pauschal als Rechten verunglimpft und den Eindruck vermittelt hat, dass der Mob in Form von Hetzjagden und Pogromen durch Chemnitz zog. Das ist ein überzeichnetes Bild, das den historischen Bezügen solcher Ereignisse überhaupt nicht gerecht wird, sie schon fast konterkariert und die Menschen diskreditiert. Es bleibt dabei: Die Ereignisse, die wir dort vorgefunden haben, waren schlimm genug. Sie benötigen keine zusätzliche Skandalisierung, sondern eine objektive Aufarbeitung auf einer vernünftigen Gesprächsebene, gerade im Interesse der mehr als zweihunderttausend Chemnitzer, die sich mit der Mitte dieser Gesellschaft identifizieren und seit 1990 die ruinierte Stadt wiederaufgebaut und zu dem gemacht haben, was sie heute ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Noch schlimmer ist meines Erachtens aber so manche Äußerung von Politikern, die zumindest als grob fahrlässig einzuordnen ist. Dabei gewinnt man den Eindruck, dass aus berechtigter Kritik heraus der Bogen überspannt und eine politische Instrumentalisierung gefördert wird. Es ist nicht in Ordnung, gewaltförmige Proteste und Demonstrationen zu schüren oder Menschen und Städte pauschal zu bewerten und zu diskreditieren. Dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD, müssen Sie sich zumindest für den vergangenen Samstag schon die Frage gefallen lassen, wie Sie es mit einer klaren Abgrenzung zu rechten und sich als rechtsextrem bekennenden Strukturen halten. Wenn man sieht, was Sie zum Schluss alles in Ihre Versammlung aufgenommen haben, so fällt da schon eine Maske – was Sie nicht mehr so ganz mit dem Saubermann-Image in Verbindung bringt, das Sie sonst ja so gern für sich in Anspruch nehmen.

Das lässt mich noch einmal zum Kern der demokratischen Gesellschaft kommen. Demokratie lebt nicht nur vom Streit, sondern sie provoziert ihn sogar. Deshalb sind wir schließlich auch alle hier, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir streiten nicht nur gern, sondern auch notwendigerweise, denn die Demokratie lebt vom Widerspruch. Sie lebt vom Pluralismus und von der Bereitschaft, unterschiedliche Meinungen gegeneinander in den Wett

bewerb treten zu lassen. Dies tun wir jedoch auf der Basis des vorhin von mir skizzierten Grundkonsenses; aber wir tun es. Zwar muss weder die AfD noch sonst eine Protestbewegung auf Kuschelkurs mit der Regierung und unserer Fraktion sowie diesem Hohen Hause gehen; denn selbstverständlich streiten wir uns auch mit jenen und setzen uns mit den Argumenten der Bürger auseinander, doch wir tun dies in der Absicht, den Grundkonsens unserer Demokratie zu leben und zu wahren.

(Beifall des Abg. Geert Mackenroth, CDU)

Diese Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD, müssen Sie sich an der einen oder anderen Stelle schon gefallen lassen, wie auch das klare Bekenntnis zu den Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Grundkonsens unserer Gesellschaft ist.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Ich und meine Fraktion werden jedenfalls dafür werben, dass wir in Sachsen freundlich und kritisch miteinander über kontroverse politische Positionen im Interesse der Mitte unserer Gesellschaft streiten und sie weder von links noch von rechts vereinnahmen lassen. Es geht um ein Land, das sich seit 1990 wirtschaftlich und strukturellorganisatorisch erfolgreich entwickelt hat – mit vielen Herausforderungen, die es zu bestehen hat, und großen gesellschaftlichen Umbrüchen, wenn ich nur an die Braunkohle in der Lausitz denke. Dafür brauchen wir die gesamte Kraft und die Gemeinsamkeit. Es ist keine Zeit für politischen Klamauk und politische Instrumentalisierung, sondern es geht darum, ernsthaft für dieses Land nach vorn zu blicken. Ich bin dem Ministerpräsidenten für sein gezeigtes Engagement sehr dankbar. Wir sind mit unserer Fraktion dabei. Auf diesem Weg gehen wir weiter voran.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Für die CDU-Fraktion sprach Herr Kollege Hartmann. Für die SPD-Fraktion ergreift nun Frau Kollegin Hanka Kliese das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während mir in meiner Heimatstadt Chemnitz gerade etliche Menschen erklären wollen, Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik seien schuld daran, dass Menschen auf der Straße derart entgleisen, denke ich zurück an die 1990er-Jahre in Sachsen und was danach folgte.

Es war noch kein Flüchtling zu sehen, als es bereits Rassismus gab – übrigens nicht nur in Sachsen. Im Jahr 2004 bereits ging ein Aufschrei durch die Republik, als die NPD mit 9,2 % in dieses Haus gewählt wurde. Der Satz von Kurt Biedenkopf ist 20 Jahre alt – das ist richtig –, und er war damals schon nicht zutreffend. Früher hatten wir Ausländerfeindlichkeit ohne Ausländer, heute

haben wir Ausländerfeindlichkeit mit Ausländern. Wir haben kein Problem mit Trauernden, wir haben auch kein Problem mit Spinnern und Chaoten. Das trifft es nicht. Exakt muss es heißen: Wir haben ein Problem mit Rechtsextremismus; und ich danke dem Ministerpräsidenten, dass er das heute so klar formuliert hat.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Wer das heute noch leugnet oder als Sachsen-Bashing abtut, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Ich finde es gut, dass wir beginnen, aus Fehlern zu lernen. Eine Analyse der Vergangenheit ist wichtig; denn sie ist die Grundlage, um die Dinge besser zu machen. Dabei müssen auch wir als SPD uns fragen: Sind unsere Strategien und Instrumente im Kampf gegen Rechtsextremismus noch zeitgemäß? Das können wir gemeinsam mit den vielen Akteuren und Initiativen tun, die in den letzten Jahren an dieser Front hart gearbeitet haben, nicht immer – mit Verlaub, Herr Ministerpräsident – mit Unterstützung der Staatsregierung. Wer allerdings die Zeit nutzen will, um die Fehler der Vergangenheit hoch- und runterzubeten, muss sich fragen lassen, ob er ernsthaft an einer Veränderung der Verhältnisse interessiert ist oder sich bereits im Beklagen eingerichtet hat. Auch das kann bequem sein, und die Rede von Herrn Gebhardt war dafür der beste Beleg.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Der Ausgangspunkt der Geschehnisse in Chemnitz ist ein Tötungsdelikt, das uns tief betroffen macht, so wie es bei jeder Tötung der Fall sein sollte, ob das Opfer jung oder alt, schwarz oder weiß, reich oder arm, männlich oder weiblich ist. Wir müssen alle in uns gehen und uns fragen, ob wir diesen wichtigen Grundsatz der Gleichheit des Menschen tatsächlich in jedem Fall durchhalten. Ich wünsche mir, dass wir das schaffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben sicher in den letzten Tagen ebenfalls unheimlich viele Nachrichten bekommen, besorgte Nachrichten, was hier in Sachsen los sei, aber auch andere. Nicht wenige Leute schrieben mir: Es ist schlimm, wie Sachsen in der Presse dargestellt wird. Kann man denn dagegen nichts machen? Darauf möchte ich erwidern: Ich bin sehr glücklich, in einem Land zu leben, in dem Politik dagegen nichts machen kann.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Pressefreiheit ist für mich nicht verhandelbar. Wir brauchen in diesem Problembereich auch keine Schaffung ungarischer Verhältnisse.

Geärgert habe ich mich freilich auch ab und zu. So sagte am Samstagnachmittag in Deutschlandradio Kultur ein Studiogast, man müsse doch jetzt auch über die Demonstrationen hinaus an die armen Menschen denken, die in der Stadt Chemnitz leben müssen. Dazu muss ich Ihnen – als erste Chemnitzerin, die hier sprechen darf – sagen: Ich