Meine Herren, meine Damen von der sächsischen CDU, das reicht nicht. Das sind leider nichts weiter als wohlfeile Worte, Herr Ministerpräsident. Was Ihnen fehlt, ist der Wille, die Haltung der sächsischen Union zum Thema extreme Rechte zu ändern. Für viele innerhalb der sächsischen CDU steht der Feind links und nicht rechts. Sie negieren ein vorherrschendes Problem seit vielen Jahren. Sie kriminalisieren lieber zivilgesellschaftlichen Protest, und darin sind Sie echt spitze.
Da Sie bei der CDU in dieser Angelegenheit an Gedächtnisschwund leiden, helfe ich Ihnen noch einmal auf die Sprünge. Der europaweit größte Nazi-Aufmarsch wurde im Jahr 2010 von 12 000 Menschen gestoppt, die sich denen entgegenstellten. Jahr für Jahr missbrauchte dieser Aufmarsch das Gedenken an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg. Jetzt raten Sie einmal, wer den zivilgesellschaftlichen Protest als kriminell bezeichnet hat. Na klar, die CDU Sachsen. Oder Stichwort Extremismusklausel, der von der CDU Sachsen gepflegte Generalverdacht gegen zivilgesellschaftliche Initiativen und Institutionen. Jeder Protest, der über einmal kurz „an der Gardine wackeln“ hinausging, wenn sich Nazis irgendwo breitmachen wollten, wurde von der sächsischen CDU für kriminell erklärt und als linksextrem stigmatisiert.
Die CDU war es, die sich oftmals verweigerte, vor allem wenn es darum ging, sich breiten Bündnissen anzuschließen und gemeinsam gegen Nazis irgendwo Gesicht zu zeigen. Jeder Protest gegen rechts ist bei Ihnen links. Da kommt dann Ihre Extremismusdoktrin dazwischen, und deshalb können Sie nicht dabei sein. Es waren vor allem die CDU-Bürgermeister, die am liebsten nicht darüber sprechen wollten, wenn es rechte Vorfälle in ihrer Kommune gab. Es hat ja dem Tourismus geschadet. Letztendlich sind es die CDU-Innenminister gewesen, denen jedes Mittel recht war, wenn es um die Vorwegkriminalisierung linker Demonstranten und Demonstrantinnen ging, wenn es um die Einschüchterung vor Ort auf Demos ging.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an Wurzen vor einem Jahr. Eine SEK-Mannschaft in militarisierter Vollmontur hat an der Route der Demo Aufstellung genommen. Wenn es also gegen links geht, ist man in Sachsen schon in der Lage, alles aufzubieten, was man hat – im Gegensatz zum letzten Montag in Chemnitz.
Weil wir gerade bei diesem Polizeieinsatz sind, Herr Ministerpräsident: Ob Sie es nun wahrhaben wollen oder nicht, es war kein erfolgreicher Polizeieinsatz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Regierungserklärung lautet: „Für eine demokratische Gesellschaft und einen starken Staat“. Ja, wir brauchen einen Staat, der die demokratische Gesellschaft schützt. Die Bekämpfung, Aufklärung und Bestrafung von Kriminalität gehört dazu; denn jedes Opfer von Verbrechen ist ein Opfer zu viel.
Auch mich hat der Tod von Daniel in Chemnitz betroffen gemacht. Mann oder Frau darf sich darüber auch empören. Daniel H. war nach allem, was wir bisher wissen, ein lebensfroher und freundlicher Mensch. Er war 20 Jahre jünger als ich. Er sollte also eigentlich noch sehr viel Leben vor sich haben, ein Leben mit Liebe, Freude miteinander, aber auch mit vielen geteilten Erlebnissen. Dieses Leben wurde ihm entrissen und damit auch seiner Frau, seinem Kind und allen, die gern mit ihm zusammen gewesen sind.
Was aber seit diesem Verbrechen durch AfD, Pegida, Pro Chemnitz und andere Rechte auf den Straßen und Plätzen in Chemnitz veranstaltet wurde, ist einfach nur ekelerregend. Sie sind verantwortlich dafür, dass ein rechter Mob Angst und Schrecken verbreitet und Jagd auf anders aussehende Menschen gemacht hat.
Herr Urban, Herr Hütter, Sie und Ihre blau-braune Truppe haben meine ganze Verachtung, insbesondere gerade, wie Sie den Tod eines Menschen missbraucht haben. Sie reden von Sicherheit und verbreiten Unsicherheit. Sie schüren Ängste und missbrauchen diese für Ihre Zwecke. Sie rufen nach dem Rechtsstaat, wenn es angemessen erscheint und wollen ihn doch abschaffen.
Ihr politisches Geschäftsmodell ist die Zerstörung unserer Zivilgesellschaft. Das werden wir Ihnen auf keinen Fall durchgehen lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie erinnern sich vielleicht, es gab einmal in Dresden für einen Tag ein totales Versammlungsverbot, weil es darum ging, PegidaGründer Bachmann vor einem Terroranschlag zu schützen. Also, wenn Pegida nicht auf die Straßen darf, dann dürfen auch alle anderen nicht auf die Straße, die gegen diesen Rassisten protestieren wollen. So geht sächsisch.
Etwas untergegangen ist in den letzten Tagen der Vorgang mit dem ZDF-Team am 16. August 2018 in Dresden. Es sieht immer nach einem Einzelfall aus, gehört aber in eine lange Kette von Vorfällen, die Sachsen genau in diesem Licht stehen lässt. Sachsen scheint ein Land von Pegidisten und Rassisten zu sein, und dazu kommt noch eine Hand voll Deppen. Das aber ist falsch.
Es gibt glücklicherweise auch das andere Sachsen. Das haben wir nicht zuletzt an diesem Montag in Chemnitz bei dem Konzert, das „Kraftklub“ organisiert hat, erlebt. Da waren 65 000 Leute dabei, 65 000, die ein Zeichen gesetzt haben – einfach großartig.
Mein Problem ist schon lange nicht mehr der einzelne Polizeibeamte, der einzelne Verwaltungsmitarbeiter oder der einzelne Demonstrant. Mein Problem ist eine CDUStaatsregierung, sind die CDU-Abgeordneten, die endlich
Denn Sie akzeptieren, Sie verharmlosen, Sie negieren, Sie zeigen mit dem Finger auf andere. Dabei sind Sie es, die das Bild von Sachsen in der Öffentlichkeit prägen. Ihre Einstellung, Ihre Haltung sind das, was das Bild von Sachsen ausmacht.
Gerne nehme ich, Herr Ministerpräsident, Ihre Bitte auf, es möge nicht alles schlechtgeredet werden. Man möge bitte zum Wohle der Menschen in Sachsen zusammenarbeiten. Ich habe schon einmal Ihrem Vorgänger und der Koalition ein Bündnis für Humanität angeboten, damals, als die sogenannte Nein-zum-Heim-Bewegung überall Unfrieden und Hass verbreitete und den Nährboden für Gewalt gegen Geflüchtete legte. Ich habe angeboten, dass wir gemeinsam parteiübergreifend vor Ort für eine humane Gesellschaft ohne Ausgrenzung kämpfen. Aber es war Herr Kupfer, der als CDU-Fraktionsvorsitzender ein solches gemeinsames Bündnis für Humanität ausgeschlagen hat. Er pflegt stattdessen lieber sein Mantra, die Sachsen seien – Zitat – „skeptisch vor dem Fremden. Das ist aber auch ihr gutes Recht.“ Diese Erklärung ist seit 2016 offenbar das Dogma der sächsischen CDU, dem sie alles unterordnet.
Da ich aber ein unerschütterlicher Optimist bin, erneuere ich mein Angebot. Es gab aus meiner Sicht zwischenzeitlich ein positives Beispiel in Sachsen: „Dresden Respekt“, bei dem wir von Prof. Ehninger parteiübergreifend zusammengebracht wurden. Sie erinnern sich, Herr Ministerpräsident: Sie haben als General für die sächsische CDU und ich als Vorsitzender der sächsischen LINKEN unterschrieben und an einer gemeinsamen Pressekonferenz teilgenommen. Es geht also, wenn Sie wollen. Also fordern Sie nicht die Menschen auf, sich einen Ruck zu geben, sondern fangen Sie bei sich selbst an. Geben Sie sich einen Ruck!
„Wir wollen in einer Gesellschaft leben, die solidarisch ist, offen für Neues und für andere. Es ist unsere humanitäre Pflicht, hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen. Humanität und Empathie sind stärker als Hass und Gewalt, bürgerliches Engagement stärker als Abwehr. Trotz unterschiedlicher politischer Meinungen einen uns die Grundrechte unseres Grundgesetzes. Wir wehren uns gegen die Feinde der Demokratie mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, aber wir bieten allen den Dialog an, die an einer Lösung orientiert sind! Wir stehen auf gegen Gewalt und Ausgrenzung! Wir treten ein für Toleranz und Respekt! Zeigen wir Mut und Menschlichkeit! Darin sind wir uns einig.“
Was also hindert uns daran, das gerade in Chemnitz zu probieren oder in ganz Sachsen? Was hindert uns, uns zusammenzusetzen, weitere Akteurinnen und Akteure einzuladen und nach gemeinsamen Strategien zu suchen, um eine tief gespaltene Stadtgesellschaft, ein tief gespaltenes Land wieder zu einen? Grundlage bei diesen Gesprächen und gemeinsamen Aktionen sind Toleranz und gegenseitige Achtung.
Weil manche Projekte auch Geld kosten werden, mache ich Ihnen einen weiteren Vorschlag: Lassen Sie die immer sinnloser gewordene Standortkampagne „So geht sächsisch“ auslaufen. Nutzen wir das Geld für zivilgesellschaftliche Projekte, die das Image des Freistaates langfristig und nachhaltiger verbessern,
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit Gegenwart und Zukunft bewältigt werden, muss man zunächst aber die Altlasten der Vergangenheit aufarbeiten.
Ich finde, Sie könnten sich hinsichtlich der 28 Jahre CDU-Regierung in Sachsen einmal dazu durchringen, nachdem Sie uns das seit 28 Jahren mit Blick auf 40 Jahre SED-Herrschaft regelmäßig erzählen. Wir haben uns mit dem Scheitern des real existierenden Sozialismus viele Jahre lang unter Schmerzen auseinandergesetzt.
(Lachen bei der CDU, der AfD und den fraktionslosen Abgeordneten – Carsten Hütter, AfD: Aber nichts verstanden! – Susanne Schaper, DIE LINKE: Im Gegensatz zu Ihnen haben wir das getan! – Zuruf von der AfD: Ja, ist klar! Stuhlkreis!)
Sie hingegen, meine Damen und Herren von der CDU, stehen bei der Aufarbeitung Ihres Scheiterns im Umgang mit rechten Tendenzen noch nicht einmal am Anfang.
Herr Ministerpräsident Kretschmer, Sie sagten: „Wir führen einen entschiedenen Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Dieser Kampf geht uns alle an. Wir brauchen einen Ruck in Deutschland, auch in der sächsischen Gesellschaft. Wir brauchen die breite Unterstützung aus der Bevölkerung, um diesen Kampf zu gewinnen.“
„Wenn sie jetzt verzweifelt nach einer mutigeren, aktiveren Zivilgesellschaft rufen, ist das zynisch“, schreibt meine Fraktionskollegin Kerstin Köditz dieser Tage in der „taz“. Recht hat sie.
Deshalb wäre zunächst einmal eine echte, ehrliche, umfassende Entschuldigung fällig – selbstverständlich nicht bei meiner Partei, aber bei der Zivilgesellschaft hier im Freistaat Sachsen. Diese reißt sich seit Jahren ein Bein aus, um Schlimmeres zu verhindern, und bekommt dabei
von der CDU durchweg Stöcke in die Speichen geworfen. Die sächsische CDU war es, die uns in Sachsen seit Jahren immer weiter in diesen Strudel gerissen hat. Biedenkopfs Aussage zur Immunität der Sachsen dem Rechtsextremismus gegenüber ist ja nun wirklich genügend zitiert worden. Viele weitere sächsische CDUPolitiker haben sich in den letzten Jahren aber ebenfalls mit drastischen Positionen zu Wort gemeldet.
abgeordneten Henry Nitzsche, der 2005 den Patriotismus als nötig angesehen hat, um „endlich“ vom „Schuldkult“ herunterzukommen und damit „Deutschland nie wieder von „Multi-Kulti-Schwuchteln“ in Berlin regiert werde.
Ich erinnere an den CDU-Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz, der bis 2007 dem Studienzentrum Weikersheim angehört hat, einer Denkfabrik der neuen Rechten.