(Jörg Urban, AfD, tritt irrtümlich ans Mikrofon. – Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Es würde helfen, die Geschäftsordnung zu lesen! – Weitere Zurufe)
ausgedrückt haben sollten und ich das nicht mitbekommen habe, dann bin ich bereit, diese Aussage, die ich getroffen habe, zurückzunehmen – wenn Sie mir die entsprechenden Beweise vorlegen. Ansonsten bleiben die Aussagen erst einmal so im Raum.
Ich habe Derartiges von keiner Partei vernommen, auch nicht Bezug nehmend auf die Anschläge auf das Haus unserer Frau Wilke und des Fraktionsvorsitzenden, Herrn Urban.
Sie sagten, dass wir von der AfD am Samstag mit Rechtsextremisten in der ersten Reihe gestanden hätten. Ich wüsste nicht, wer das gewesen sein soll.
(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ach, Mann! – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie wissen nicht einmal, wen Sie einladen!)
Meine Damen und Herren! Wir setzen die Aussprache fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Schubert. Bitte sehr, Frau Schubert, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Weltfriedenstag ist ein Gedenktag. Er erinnert an den Überfall des Deutschen Reiches auf Polen am 1. September 1939. Das ist ein Ereignis, das mittlerweile 79 Jahre zurückliegt, aber nach wie vor des Erinnerns würdig ist. Die Aktualität dieses Themas wird neu hergestellt durch die Ereignisse, die heute Morgen schon debattiert worden sind.
Der Weltfriedenstag steht für den Ausbruch eines Krieges, der von Hass, Zügellosigkeit und Grausamkeit geprägt war. Jeder Krieg ist schrecklich, und jeder sollte verhindert werden. Jedes Parlament sollte den Anspruch haben, Kriege zu verhindern.
Dieser Weltfriedenstag steht insbesondere für den Angriff des nationalsozialistischen Deutschlands auf unser Nachbarland. Damit besteht angesichts der jüngsten Ereignisse auch ein Bezug zum Hier, dem Freistaat Sachsen, und zum Heute, dem Jahr 2018.
Der Weltfriedenstag steht für die Katastrophe, die aus einer Ideologie erwachsen kann, die Menschen abwertet: aufgrund von Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, vermeintlicher Rasse oder Weltanschauung. Der Weltfriedenstag steht für das, was passiert, wenn man die Anhänger einer solchen Ideologie an die Macht kommen lässt, die nach Macht gieren, um zu vernichten, was nicht in das eigene Weltbild passt.
Der Weltfriedenstag am 1. September steht für die Ereignisse, die 1939 folgen sollten. Aber er steht auch mahnend
für deren Vorgeschichte. Er steht für das Versagen demokratischer Parteien, der Bürgergesellschaft und, ja, auch der Kirchen, im Kampf gegen den gemeinsamen Feind nicht zusammengehalten zu haben. Er steht für den fatalen Irrglauben bürgerlicher Politiker, die Nazis einbinden zu können, und für die Kumpanei rechtskonservativer Kreise mit Nationalsozialisten. Und er steht für eine Justiz, die auf dem rechten Auge blind war.
Diese Aktuelle Debatte bekräftigt die Notwendigkeit zu lernen, wie es zu diesem Anlass für den Weltfriedenstag überhaupt kommen konnte, wie schon einmal Wegsehen, Verharmlosen, Kumpanei und Feigheit es den Feinden unserer Werteordnung ermöglicht haben, diese zu beseitigen, und schließlich Krieg und Vernichtung den Weg zu ebnen.
Wenn also heute die Tatsache einer rassistischen, antidemokratischen Bedrohung unserer Gesellschaft kleingeredet wird; wenn das Engagement für Menschlichkeit und Demokratie diskriminiert wird; wenn Mitglieder dieses Hauses zusammen mit einem Björn Höcke demonstrieren, der in seiner Dresdner Rede im vergangenen Jahr nicht nur eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert hat, und mit einem Herrn Bachmann, auf dessen Demonstration gefordert wurde, Menschen – Zitat – „absaufen“ zu lassen; wenn diese Kräfte zudem den Schulterschluss mit Leuten suchen, die offen dem Nationalsozialismus anhängen und die in Chemnitz Adolf Hitler huldigen, dann ist der aktuelle Bezug zu Sachsen gegeben.
Ich bin in meinem Herzen zutiefst erschüttert, wie das Gedenken an die „Weiße Rose“, die Widerstand gegen das Naziregime organisierte und deren junge Menschen grausam ermordet wurden, von offenkundigen Rassisten, Antisemiten, Neonazis in Chemnitz missbraucht wurde. Das ist zutiefst unanständig und beschämend.
(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD sowie der Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch und Jan Hippold, CDU)
Ich empfehle einen Besuch des Geschwister-SchollGymnasiums in Löbau, wo das Gedenken an die „Weiße Rose“ in dem Licht erfolgt, wie es sich gehört.
Hier und heute sollte der 1. September uns aber daran erinnern, dass die Bedrohung von rechtsaußen über uns hinausgeht, dass auf die Zerstörung des inneren Friedens auch das Ende des äußeren Friedens folgt. Frieden, sozialer Frieden in sozialen Gemeinschaften, wird über Anstand, Mitmenschlichkeit, Sachlichkeit und Vernunft erhalten, in der Begegnung und im Gespräch. Es ist fahrlässig zu hoffen, dass dieser Hass einmal von selbst haltmachen werde. Man muss ihm entgegentreten – so wie es beispielsweise in Ostritz im April geschehen ist und wie es im November erneut erfolgen wird.
Die Frage für uns alle muss doch lauten: Was trage ich jeden Tag zum Frieden und auch zum Hass in dieser Welt bei? Bin ich bereit zu widersprechen, wenn Judenwitze gemacht werden? Bin ich bereit, rassistischen Äußerungen entgegenzutreten, oder rechtfertige ich mein Weghören? Bin ich bereit, dem Hass in der Sprache entgegenzutreten und zu wahren, was der Anstand gebietet? Bin ich bereit, für den gemeinschaftlichen Frieden zu arbeiten, oder reicht es mir aus, in den sozialen Medien Hass mit Hass zu beantworten?
Jeder Zentimeter, den wir dem Hass überlassen, wird auf uns selbst zurückschlagen, auf uns und die kommenden Generationen.
Frau Schubert, in Ihrem Redebeitrag kam gefühlt 50 Mal das Wort „Hass“ vor. Ich möchte Ihnen mal etwas sagen: In Chemnitz waren sowohl am Sonntag als auch am Montag als auch am Sonnabend sehr, sehr viele Menschen auf der Straße, ganz überwiegend Menschen aus der bürgerlichen Mitte, die gegen die Verhältnisse in ihrer Stadt protestierten.
Wenn Sie diese Menschen pauschal als Rechtsextremisten, Nazis oder Antisemiten bezeichnen, dann tun Sie genau das, was die Menschen von Ihnen wegtreibt. Niemand wird eine Partei wählen, die die bürgerliche Mitte permanent mit Hass überzieht, so wie Sie es machen. Aus Ihnen spricht der Hass auf das Bürgerliche. Aus Ihnen spricht der Hass auf die bürgerliche Mitte.
(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Sie sind nicht die bürgerliche Mitte! Sie sind der rechte Abgrund, Herr Urban!)
Meine Damen und Herren! Die Aussprache in der ersten Runde beendet Frau Abg. Dr. Petry. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über den Friedenstag zu reden ist richtig. Behalten wir im Blick, dass es drei Friedenstage gibt, wenn auch mit unterschiedlichen Historien. Nicht nur am 1. September, sondern auch am 1. Januar – das ist ein Gedenktag der Katholischen Kirche – und am 21. September; das ist ein
Friedenstag, ausgerufen von den Vereinten Nationen. Es gibt also viele gute Gründe, über Frieden zu reden.
Wir reden in der Tat über den Frieden innerhalb der Völker und zwischen den Völkern. Es ist bedauerlich, wenn Sie, Frau Schubert – ich höre Ihnen sonst gern zu –, am Ende selbst das Gegenteil dessen tun, was Sie vielleicht erreichen wollten. Wir müssen feststellen, dass Menschen sind, wie sie sind, mal gut und mal böse. Wir sollten aber nicht glauben, dass das Zudecken von Problemen zum Frieden und zur Problemlösung beitrage. Insofern hilft es nichts, den Frieden zu beschwören, aber nichts dafür zu tun, dass sich sozialer Friede am Ende einstellen kann. Es gibt keinen sozialen Frieden für ausgewählte Bevölkerungsgruppen. Wenn wir als Gesellschaft, als Volk zusammengehören, dann haben wir uns als Erstes gemeinsam zu akzeptieren. Das funktioniert noch nicht einmal in diesem Hohen Haus. Dann brauchen Sie sich gar nicht zu wundern, wenn es außerhalb des Parlaments erst recht nicht funktioniert.
Deswegen: Tun Sie etwas, indem Sie auf die Menschen zugehen, auch wenn sie eine Ihnen entgegengesetzte politische Meinung haben. Ich bin gespannt, wann wir die sachliche Debatte erleben, die der Ministerpräsident sich heute Morgen gewünscht hat.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. – In der zweiten Runde beginnt für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Bartl. Bitte sehr, Herr Bartl.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Hartmann, auch ich schlage den Bogen zu Sachsen; das haben Sie vorhin angemahnt. Ganz vorn in der Sächsischen Verfassung von 1992, nämlich gleich nach der Bestimmung des historischen Ortes und der historischen Zusammenhänge, in denen sie entstanden ist, finden wir in der Präambel das Bekenntnis, dass sich Sachsen – gemeint: sein Volk – „von dem Willen geleitet, der Gerechtigkeit, dem Frieden und der Bewahrung der Schöpfung zu dienen,“ ebendiese Verfassung gegeben hat.
Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der uns umgebenden Welt sind die drei grundsätzlichen Leitlinien des materiellen Inhalts der Verfassung Sachsens. So wie der Begriff „Gerechtigkeit“ in der Sächsischen Verfassung umfassend gemeint ist, Gerechtigkeit nach innen und außen, hat auch der Begriff „Frieden“ analog dem Begriff „Gerechtigkeit“ eine innere und eine äußere Komponente. Er enthält sowohl die Forderung nach Friedensstaatlichkeit als auch das Demokratiegebot, das Voraussetzung für den inneren Frieden ist.
Reichlich ein Vierteljahrhundert später, exakt 26 Jahre später, besorgt uns, dass das sächsische Volk, dem seinerzeit vielleicht sogar über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus Respekt und Anerkennung gezollt wurde, weil es