Protocol of the Session on June 27, 2018

(Beifall bei der AfD)

Das war die Kurzintervention. Jetzt kommt die Reaktion von Herrn Kollegen Hartmann, wieder an Mikrofon 5.

Ich weiß ja nicht, wer Ihnen gerade copy and paste den Satz auf den Zettel gedruckt hat. Ich versuche es noch einmal ganz einfach. Das eine ist die Frage einer europäischen Lösung. Das ist etwas, was Ihnen artfremd ist. Aber es geht um eine europäische Interessenvertretung, und Deutschland ist Teil dessen. Wir erkennen derzeit, dass wir in Teilfragen wie beispielsweise der Asylpolitik und Migrationspolitik in einer Situation sind, aus der wir aus Überzeugung sagen: Wenn es derzeit keine europäische Lösung gibt, müssten wir die nationalen Interessen und damit die deutschen Außengrenzen sichern. Dann ist das der fünfte Frühling Ihrer Fantasiewelt, die Sie bedienen. Ich will aber einmal deutlich sagen: In Polen und Tschechien ist die Situation eine völlig andere, als wir sie beispielsweise zu dem Einzugsbereich nach Österreich und Italien erleben. Insoweit geht es auch um Brennpunkte. Es geht auch nicht um die Fantasie der Errichtung von Zäunen.

Ich weiß ja nicht, was Sie abends manchmal machen und sich ins Weiße Haus wünschen, damit Sie große Zaunfantasien entwickeln, sondern es geht darum, dass wir mit entsprechenden Grenzsicherungsmaßnahmen – das sind durchaus auch Schleierfahndungsmöglichkeiten, Kontrollstreifentätigkeiten – auch eine höhere Intensität an den Punkten erreichen, wo es um Grenzsicherung geht. Insoweit ist es eine schlichtere Welt, in der wir mit klaren Maßnahmen reagieren können. Da geht es nicht um Zäune und Schutzwälle, da geht es auch nicht darum, Ihre Fantasien zu bedienen. Es geht darum, einfach dem geltenden Recht mit erforderlichen Maßnahmen Rechnung zu tragen.

(Beifall bei der CDU – Jörg Urban, AfD: Wir werden Sie an den Taten messen!)

Das war die Reaktion. Ich frage in die Runde: Gibt es in der dritten Rederunde weiteren Redebedarf aus den Fraktionen heraus? – Das kann ich nicht erkennen. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Das Wort ergreift unser Staatsminister des Innern, Herr Prof. Wöller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Artikel 3 Abs. 2 des Vertrages über die Europäische Union heißt es: „Die Union bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen, in dem – in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Kontrollen an den Außengrenzen, das Asyl, die Einwanderung sowie die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität – der freie Personenverkehr gewährleistet ist.“

Die Entscheidung der Bundesregierung, am 4. September 2015, die Grenzen aus humanitären Gründen zu öffnen und massenhaft Flüchtlinge aufzunehmen, hat diesen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nicht gestärkt, im Gegenteil. Der Schritt war umstritten – in Deutschland und in Europa. Weder der Deutsche Bundestag noch die Europäische Kommission waren an dieser Entscheidung beteiligt. Deutschland hat einen Alleingang riskiert mit gravierenden Folgen. Schon damals sagte Helmut Kohl, der Schrittmacher der europäischen Integration: „Einsame Entscheidungen, so begründet sie im Einzelnen erscheinen mögen, und nationale Alleingänge müssen der Vergangenheit angehören.“

Der gemeinsame europäische Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist heute gefährdet. Die vorgesehene und faire Verteilung der Lasten stößt auf den Widerstand anderer EU-Mitgliedsstaaten. Die Migrationskrise erschüttert das europäische Verbundgefüge. Die Sächsische Staatsregierung will den europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Deshalb unterstützen wir jeden Versuch, der diesem Ziel dient.

Meine Damen und Herren! Die Grundzüge unserer Asyl- und Flüchtlingspolitik sind klar: Flüchtlinge, die Schutz vor Verfolgung und ernsthafter Bedrohung suchen, erhalten unsere Unterstützung. So erfüllt Sachsen seine humanitäre Verpflichtung. Kollege Hartmann hat darauf hingewiesen, dass wir mit 1,4 Millionen Flüchtlingen und Asylbewerbern unserer Verpflichtung in eindrucksvollem Umfang nachgekommen sind.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Besonders Sachsen!)

Es ist aber auch klar, dass es Flüchtlinge gibt, die keinen Schutz beanspruchen können und das Land zügig wieder verlassen müssen. Unsere Flüchtlingspolitik ist dann glaubwürdig, wenn wir Schutzbedürftige aufnehmen, Menschen ohne Bleibeperspektive abschieben und Zuwanderung begrenzen. Wenn es uns gelingt, diesen Dreiklang hörbar zu machen, dann erhalten wir auch die

Integrationsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger und gewährleisten damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deshalb müssen wir die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) ausbauen. Deutschland stellt schon jetzt mit 21,8 % das größte Kontingent.

Weiter: die technische Qualität der Datenerfassung, des Datenaustauschs innerhalb der EU verbessern – ich nenne das Visa-Informationssystem –, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten begrenzen, das DublinVerfahren reformieren, aber die Zuständigkeit des Ersteinreiselandes beibehalten, einen fairen Verteilmechanismus einführen und den Grundsatz der Familieneinheit nur für die Kernfamilie beachten. Die Kooperation mit Drittländern, insbesondere mit Transitländern, ist wichtig, damit wir irreguläre Migrationsströme früher erkennen und den Zustrom von Wirtschaftsmigranten verhindern können.

Entscheidend sind hier Vereinbarungen mit Partnerländern, damit diese ihre Staatsbürger zurücknehmen. Daran hapert es noch. Wir müssen Schutzzonen in Afrika einrichten, um dort die Asylverfahren durchzuführen – eigentlich keine neue Idee. Der damalige SPD-Innenminister Otto Schily hat bereits 2004 solche Schutzzonen ins Gespräch gebracht. Wenn wir abgelehnte Asylsuchende wirksam zurückführen – dazu sollen die Ankerzentren dienen –, setzen wir ein deutliches Signal gegen die irregulären Fluchtrouten in der Europäischen Union.

Meine Damen und Herren! Wir müssen entscheiden, wer zu uns nach Europa kommt, und nicht die Schlepperorganisationen. Der Bund kann zur Sicherung der Staatsgrenzen Hoheitsrechte auf die EU übertragen. Aber wenn das europäische Grenzsicherungssystem gestört und die Dublin-Verordnung in manchen EU-Staaten unwirksam ist, dann ist der Bund verfassungsrechtlich verpflichtet, die Bundesgrenzen wirksam zu kontrollieren. Darauf hat der Bundesverfassungsrichter und Vorsitzende a. D.

Prof. Di Fabio hingewiesen. Wir müssen wieder zum Vorrang des Gesetzes kommen. § 15 des Aufenthaltsgesetzes verpflichtet die zuständige Behörde, einen Ausländer, der unerlaubt einreisen will, an der Grenze zurückzuweisen. § 18 des Asylverfahrensgesetzes verpflichtet die Grenzbehörden, ohne Einräumen eines Ermessens Ausländern die Einreise zu verweigern, wenn sie aus einem sicheren Drittstaat einreisen oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der EU für das Asylverfahren zuständig ist.

Letzte Woche hat es der Vorsitzende Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Peter

Huber, auf den Punkt gebracht: „Wenn es an den Außengrenzen nicht funktioniert, muss man Binnenkontrollen wieder einführen.“ Deshalb, meine Damen und Herren, zurück zum Recht! Sicherheit beginnt an der Grenze, nicht nur an den Grenzübergängen zu Österreich, sondern auch an unseren Grenzen zu Polen und zur Tschechischen Republik.

Es ist zu begrüßen, dass die Bundesregierung dieses gestörte Einwanderungssystem gemeinsam mit unseren

europäischen Partnern wieder ins Lot bringen will. Die Kriterien für eine solche europäische Lösung sind ein funktionsfähiges, vertragsgemäßes europäisches System der Grenzsicherung, ein System der kontrollierten Einwanderung, ein gemeinsames Asylsystem mit gleichen Standards, mit gleichen Kriterien und mit gleichen Verfahren und vor allem, meine Damen und Herren, ein fairer Lastenausgleich und ein Europa der Solidarität.

Die innerdeutsche Debatte unterstützt die Bundesregierung bei ihrer Initiative auf der europäischen Ebene, und – das zeigt die Debatte in dem Hohen Hause – es ist Bewegung in diese Frage gekommen. Der Freistaat Sachsen wird alles daransetzen, dass die Initiative der Bundesregierung im Sinne des Grundgesetzes und des europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erfolgreich ist. Lassen Sie es mich auf den Punkt bringen: Solange das System nicht wirksam ist, kommen wir um Binnenkontrollen an unseren Grenzen nicht umhin – im Sinne der Sicherheit unserer Bevölkerung und auch im Sinne der europäischen Idee.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Sebastian Wippel, AfD, steht am Mikrofon.)

Herr Kollege Wippel, Sie wollen eine Kurzintervention vortragen?

Das ist richtig, Herr Präsident.

Bitte.

Sehr geehrter Herr Innenminister, ja, es ist Bewegung hineingekommen. Da stimme ich Ihnen zu. Aber die Bewegung ist nicht wegen der CDU gekommen, sondern die Bewegung ist wegen einer anderen Partei gekommen, wegen der AfD.

(Zurufe von der CDU: Oh! Ja!)

Wenn ich mir diese Debatte, die wir führen, wenn ich die Worte, die Sie vortragen, genau anhöre, muss ich echt aufpassen, dass mir nicht der Kragen platzt.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Der ist Ihnen schon geplatzt!)

Diese Politik, die Sie machen, und das, was Sie hier vortragen, ist bigott! Ich finde es nicht schlimm, was Sie inhaltlich sagen, weil es genau das ist, was wir seit Jahren,

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Ihr habt das 2015 schon gesagt! – Zurufe von der CDU)

von Anbeginn im sächsischen Parlament immer wieder beantragt haben: Beginnen wir mit den Schutzzentren außerhalb von Europa.

(Jörg Urban, AfD: Genau!)

Das betrifft Grenzkontrollen und all diese Dinge bis hin zu einheitlichen Standards in Europa. Sie haben es immer wieder abgelehnt, und jetzt kommen Sie hier um die Ecke

und erzählen uns das, als ob das eine neue Erfindung sei! Drei Jahre nach 2015! Herr Innenminister, das ist einfach unglaubwürdig!

(Beifall bei der AfD)

Das war eine Kurzintervention. Wir sind jetzt am Ende der Ersten Aktuellen Debatte angekommen. Sie ist abgeschlossen.

Ich rufe auf die

Zweite Aktuelle Debatte

Nicht nur versprechen, sondern jetzt handeln,

Herr Ministerpräsident Kretschmer! – Möglichkeiten

und Chancen bei der Aufstellung des Landeshaushaltes nutzen

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Als Einbringerin ergreift jetzt die Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte, Herr Kollege Gebhardt.

(Jörg Urban, AfD: Oh, der Herr Gebhardt persönlich! Wow!)

Herr Landtagspräsident! Lassen Sie mich mit einigen wenigen Zitaten beginnen: „Dank der soliden Haushaltspolitik der vergangenen Jahrzehnte, niedrigen Zinsausgaben und einer günstigen Entwicklung der Steuereinnahmen wird der Freistaat auch künftig erfolgreich in Sachsens Zukunft investieren. Politische Schwerpunkte im Haushalt sind vor allen Dingen Bildung, Gesundheit und Sicherheit. Die Kommunen erhalten so viel Geld wie nie zuvor, dass Sachsen bleibt wie es ist – für die vielen Menschen eine gute Heimat.“ Übrigens ein Zitat aus dem Jahre 2016, unterschrieben von Dulig und Tillich zum Regierungsentwurf des Doppelhaushaltes 2017/2018.

Wenn ich mir die Pressemitteilungen von vergangener Woche anschaue, kann ich lesen: „Der Haushaltsentwurf ist ein Investitionsprogramm in die Zukunft unserer Heimat“. Das hat der neue Ministerpräsident gesagt, und der amtierende Finanzminister sagt: „Wir haben im Regierungsentwurf für den kommenden Doppelhaushalt deutliche Schwerpunkte in den Bereich Bildung und Innere Sicherheit gelegt, und besonders wichtig sind uns die Kommunen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie jetzt ernsthaft: Warum musste Tillich eigentlich gehen? Wieso wurde eigentlich Ulbig in die Wüste geschickt und der Finanzminister für die Sparorgien der CDU-Fraktion verantwortlich gemacht? Sie haben an Ihrer Kommunikation nichts geändert.

(Zuruf des Abg. Dirk Panter, SPD)