Frau Wilke, wir haben hier eine Debatte über Schulsozialarbeit. In dem Begriff „Schulsozialarbeit“ steckt der Begriff „Schule“. Wenn Sie mir zeigen, welches zweijährige Kind in eine Schule geht, dann beantworte ich auch Ihre Frage, sehr geehrte Kollegin.
Ich möchte gern noch einmal auf die Praxis und die Realität zu sprechen kommen, auch wenn Ihnen das vielleicht gerade nicht gefällt. Natürlich geht es darum,
dass sich die Schulsozialarbeiter um Probleme kümmern, selbstverständlich. Es wurde gesagt, dass auch die Schnittstelle zwischen Schule und Elternhaus verbessert werden muss. Genau das sind doch die Geschichten, die mir die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter erzählen, dass sie genau an dieser Stelle mithelfen, einmal ein Gespräch mit dem Elternhaus zu führen, das nicht unbedingt etwas mit dem Unterricht zu tun hat, was Aufgabe des Lehrers wäre. Aber was noch viel besser ist: Es geht eben nicht nur um Probleme, sondern Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter helfen vor Ort, Potenziale und Talente zu heben. Die machen zum Beispiel zusammen mit dem Schülerrat Projekte und stärken damit die demokratische Bildung in Schulen.
Das ist genau das, was ich mir erhoffe: auf der einen Seite dort zu helfen, wo es Probleme gibt, und auf der anderen Seite zu unterstützen, wo es Talente und Chancen zu heben gibt. Beides im Blick zu haben ist doch die große Chance, die wir in dieser Gesellschaft den Kindern geben müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Deshalb glaube ich, dass es, wenn man ein so großes Programm einführt, an der einen oder anderen Stelle Probleme gibt. Zu behaupten, so etwas würde nicht vorkommen, ist Quatsch. Uns das vorzuwerfen ist auch Quatsch. Wenn man solche großen ambitionierten Dinge anpackt, muss man auf dem Weg immer noch einmal schauen, wo man nachstellen muss. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir aktuell schauen, wie wir das Problem mit der einen ganzen Stelle an den Oberschulen lösen und was wir bei der Klärung der Unfallversicherung machen müssen. Aber das ist etwas, das wir in unseren Fachgremien miteinander besprechen können, zum Beispiel im Landesjugendhilfeausschuss. Das ist richtig.
Deshalb – letzter Satz, Herr Präsident – ist es mir wichtig, dass wir weiter ambitioniert bleiben. Lassen Sie uns nicht nur die kleinen Dinge machen, die auf Anhieb richtig klappen, sondern lassen Sie uns ambitioniert an die Dinge herangehen; denn eine ambitionierte Politik ist das, was dieses Land braucht.
(Zuruf von der SPD: Genau! Jawohl! – Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU – Beifall bei der Staatsregierung)
Wir gehen jetzt weiter in der Rednerreihe. Frau Kollegin Pfau, Sie haben erneut das Wort für die Fraktion DIE LINKE.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schreiber, natürlich ist es ein Problem, dass wir nicht genug für die Stellen finden, weil viele nicht Vollzeit arbeiten wollen.
Aber das liegt ganz einfach an dem Problem, dass viele gern Arbeit und Familie in Einklang bringen wollen. In die Altersarmut kommen sie mit guter Bezahlung nicht hinein.
Also kann ich auch weniger Stunden arbeiten. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Wenn die Staatsregierung schon keine Zahlen hat, weil die Kommunen nichts melden, dann ergibt sich daraus auch ein Problem für den Landesjugendhilfeausschuss. Ich werde es beim nächsten Mal anbringen, und wir können gern noch einmal nachfragen. Auch was die Vergabe in den Kommunen betrifft, gab es durchaus einige Probleme. Wir können das gern das nächste Mal im Landesjungendhilfeausschuss noch einmal besprechen.
Herr Homann, natürlich haben wir keinen perfekten Staat. Ich glaube, den bekommen wir auch nicht hin. Das Problem ist nur, dass es nicht sein kann, dass immer noch Kinder aufgrund der sozialen und wirtschaftlichen Grundvoraussetzungen der Eltern eine schlechtere schulische Ausbildung haben, obwohl wir so ein reicher Staat sind. Das geht doch einfach nicht, dass immer noch Kinder aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Eltern schlechtere Bedingungen und Ausgangspositionen haben.
Frau Wilke, Sie haben sich wieder einmal schön demaskiert, was Schulsozialarbeit bedeutet und was es für alle Schülerinnen und Schüler bringt und wie wichtig im Gesamtkontext die Jugendhilfearbeit ist. Das haben Sie anscheinend nicht verstanden oder wollen es nicht verstehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Debatte geht es auch um Chancengleichheit. Aber Chancengleichheit wird nicht nur erreicht, indem man Schulsozialarbeit an die Schulen bringt, sondern es müssen weitere Bedingungen und Voraussetzungen geschaffen werden. Studien belegen, dass die soziale Herkunft, der Wohnort bzw. die Region, in der man wohnt, und die wirtschaftliche Lage großen Einfluss auf den Bildungserwerb von jungen Menschen haben. Der Chancenspiegel 2014 der Bertelsmann Stiftung kam zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Abgänger ohne Hauptschulabschluss in Sachsen im bundesweiten Vergleich nicht nur einer der größten ist, sondern dass innerhalb Sachsens große regionale Schwankungen bestehen. Je nach Region lag der Anteil zwischen 5,5 und 13,4 %. Schulabbrecher stammen aber auch meist aus Familien, die nicht viel Geld haben, also aus sozial schwachen Familien. Lehrer allein können dieses Problem natürlich nicht lösen, weil sie genug zu tun haben, Wissen zu vermitteln.
Zur Schulsozialarbeit gehört also auch eine vorbeugende Jugendarbeit. Mein Kollege Herr Zschocke hat es schon erwähnt, dass die offene und mobile Jugendarbeit immer mehr Probleme hat, Mitarbeiter zu finden, bzw. dass sie finanziell große Probleme hat, hier zu agieren. Ich hoffe einfach, wenn wir zum Beispiel an verschiedene Förder
mittel denken, die dieses Jahr sehr spät ausgezahlt wurden, dass in der offenen und freien Jugendarbeit im nächsten Haushalt etwas ganz Gravierendes passiert, um bessere Grundvoraussetzungen zu schaffen.
Zusätzlich gehört aber auch eine gute Berufsvorbereitung und Berufsorientierung an die Schulen, damit es nicht zu so vielen Ausbildungsabbrechern kommt. Eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für die Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen ist die von uns seit Langem geforderte Kindergrundsicherung. Dabei bleiben wir auch. Die finanzielle Ausstattung der Eltern durch eine Kindergrundsicherung ist ganz wichtig, damit die Kinder eine Chance haben, in dieser Gesellschaft ihren Platz zu finden.
Das war Frau Pfau für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt könnte die AfD erneut das Wort ergreifen. – Kein Redebedarf. Fraktion GRÜNE, Kollege Zschocke, Sie sprechen erneut. Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um noch einmal auf Herrn Homann zu reagieren. Denn die ambitionierte Ansage, an diese Sache heranzugehen, hat mir sehr gut gefallen. Es ist richtig zu sagen, dass es ein großer Schritt nach vorn ist, dass wir diese ESF-Finanzierung mit dieser schwierigen Situation für die Beschäftigten nicht mehr haben. Natürlich sind die Förderrichtlinie und das Landesprogramm ein wichtiger Schritt nach vorn. Aber – mit Ausnahme der Oberschulen – es bleibt eine Projektförderung mit 20 bis 80 %. Der kommunale Sozialverband bewilligt auch immer nur für ein Jahr. Das muss man deutlich machen. Das ist nach wie vor keine gute Grundlage, um Fachkräfte zu finden und zu halten. Diese brauchen nämlich eine berechenbare Beschäftigungsperspektive.
Hier möchte ich die Regierungskoalition noch einmal deutlich beim Wort nehmen: Sie haben im Koalitionsvertrag vereinbart, mehrjährige Förderung als Regelförderung zu etablieren. Dazu möchte ich sagen: Gehen Sie ambitioniert heran; schaffen Sie jetzt langjährige und berechenbare Zuschussverträge; ermöglichen Sie unbefristete Beschäftigungsverhältnisse; geben Sie den Kommunen und Trägern Planungssicherheit. Denn bedarfsgerechte und berechenbare langfristige Förderung ist eine zentrale Grundlage dafür, dass sich eine hohe Qualität in der Schulsozialarbeit etablieren kann.
Das war Herr Kollege Zschocke für die Fraktion DIE GRÜNEN. Jetzt gibt es eine Kurzintervention von Kollegen Homann auf das eben Gesagte.
Ich wollte gern noch einmal einen Gedanken zu dem Thema langfristige Sicherheit für die Fachkräfte mit auf den Weg geben. Sie haben natürlich recht. Ich glaube, zu dem Thema zweijährige Förderung wird dann die Ministerin etwas sagen. An diesem Thema sind wir dran.
Ich möchte noch einmal sagen, dass wir es grundsätzlich mit einer Verantwortung der kommunalen Ebene zu tun haben. Ich möchte ein Beispiel bringen, das aus meiner Stadt kommt, in der ich im Stadtrat sitze. Dort schließt jetzt der Stadtrat eine Kooperationsvereinbarung mit einem freien Träger ab, in dem genau die mehrjährige, sogar im Grunde genommen unbefristete Zusammenarbeit für die Schulsozialarbeit in der Stadt geplant wird, das heißt, zusammen mit dem Landkreis, dem freien Träger und der Stadt wird genau diese Planungssicherheit geschaffen. Denn es wird erkannt, dass die Hauptverantwortung dafür bei ihnen liegt. Natürlich sehen wir uns als Land langfristig in der Pflicht, kontinuierlich zu förden. Das ist klar. Aber es zeigt: Dort, wo die Kommune ihre Verantwortung wahrnimmt, ist das, was Sie möchten, auch möglich.
Erfolg schaffen wir nur, wenn wir Schulsozialarbeit – soziale Arbeit über alle politischen Ebenen hinweg – als Verantwortlichkeit und gemeinsame Verantwortung
begreifen, anstatt sich gegenseitig für zuständig zu erklären. Das ist mir noch einmal wichtig zu sagen. Dieses Beispiel zeigt, dass es geht, wenn alle Ebenen gemeinsam wollen.
Auch wenn ich den Redebeitrag vorher nicht angemeldet habe, möchte ich etwas zu Herrn Homann sagen. Herr Homann, Selbstverwirklichung ist das eine. Disziplin ist etwas ganz anderes. Ich glaube, es ist falsch, beides gegeneinander auszuspielen. Aber das passt Ihnen ein stückweit ins Bild. Was Ihnen nicht passt, das darf nicht sein. Warum lassen Sie ausgerechnet bei der Erziehung die Eltern vom Haken? Auf der einen Seite wollen Sie, dass Eltern fernab der Empfehlung von Lehrern entscheiden können, ob das Kind aufs Gymnasium geht oder nicht. Wenn es um Erziehung geht, dann wollen Sie den Eltern ein Stück weit die Verantwortung abnehmen. Das halte ich für grundsätzlich falsch.
Herr Wurlitzer, Sie behaupten gerade, dass ich die Eltern bei der Erziehung der Kinder vom Haken lassen wollte. Hierzu möchte ich noch einmal fragen: Haben Sie wahrgenommen, dass ich bei dem Thema Schulsozialarbeit explizit darauf hingewiesen habe, dass dort die Elternarbeit – also die Gespräche mit Eltern, um die Bildungschancen der Kinder zu verbessern – Teil von Schulsozialarbeit ist? Haben Sie das zur Kenntnis genommen oder der wie kommen Sie auf solche Aussagen?
Sie haben aber auch ganz deutlich gesagt, dass wir in einer veränderten Zeit leben, dass sich die Welt verändert hat, dass sich die Jugendlichen verändert haben und dass die Jugendlichen sich jetzt selbst verwirklichen sollen, viel stärker, als das früher der Fall war. Deshalb würden wir Schulsozialarbeit brauchen. Das können Sie gern im Protokoll nachlesen.
Genau an dieser Stelle habe ich gesagt, dass ich das nicht so sehe. Selbstverwirklichung ist eine sehr wichtige Sache. Das, was Sie gerade andeuten, dass ich für körperliche Züchtigung wäre, ist völlig falsch und passt nur in Ihr Bild.