Meine Damen und Herren! Jetzt noch einmal die Frage an die Fraktionen: Wird das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Schenk, bitte sehr. Sie haben das Wort.
Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich zum Ende der Debatte die suggestive Frage aus dem berühmten Gedicht von Jewtuschenko schon beantworten soll, würde ich gern noch zwei Fragen anfügen, um das für Sachsen zugegebenermaßen politisch wichtige Thema wieder etwas auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
Als Erstes möchte ich gern auf die Frage eingehen: „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ Meine Antwort: Darum geht es gar nicht. Es geht nicht um das Gefühl oder um das Meinen. Es geht um die Fakten. Es bleibt dabei: Die Annexion der Krim durch Russland ist schlicht völkerrechtswidrig.
Deshalb steht die Staatsregierung zu den von der EU verhängten Sanktionen – abgesehen davon, dass, wie
Sicher streben wir eine Verbesserung der Beziehungen mit Russland an. Voraussetzung dafür ist aber die Umsetzung der Minsker Vereinbarung, und zwar durch Russland. Das ist der erste Schritt zu einer friedlichen Lösung des Konfliktes zwischen der Ukraine und Russland.
Meine zweite Frage: Was sind „normale Beziehungen“? Nun, für mich gehört dazu, dass man sich an die internationalen Gepflogenheiten hält, dass man Völkerrecht und Menschenrechte achtet. Wenn hier nun von „Normalisierung der Beziehungen zu Russland“ gesprochen wird, dann kann ich das nur so verstehen, dass wir beide Augen zudrücken und so tun sollen, als ob nichts wäre. Das geht aber nicht. Wer als Land Meinungsfreiheit und Demonstrationsfreiheit unterdrückt, kann nicht auf Normalität setzen. Hans-Dietrich Genscher hat einmal gesagt: „Es geht nicht um das Recht des Stärkeren, sondern um die Stärkung des Rechts.“ Oft zitiert, immer richtig.
Wie sollen wir die Unterstützung der Separatisten im Donbass, die russischen Aktivitäten in Süd-Ossetien und Transnistrien oder die russische Rolle im AbchasienKonflikt nennen? Oder das Säbelrasseln mit angeblich unbesiegbaren Raketensystemen? Die Nachbarn Russlands sind jedenfalls sehr sensibel, vor allem unsere europäischen Freunde im Baltikum und in Polen. Sie sind NATO-Partner geworden, weil sie Sicherheit suchten und in der NATO gefunden haben. So wie die Bundeswehr Garant für Sicherheit und Stabilität in unserem Land ist, ist es die NATO für Europa und seine transatlantischen Partner. Ich sage ausdrücklich: auch an der Ostgrenze von EU und NATO.
Polen und die baltischen Staaten – Estland, Lettland, Litauen – haben sich wie die Menschen hier in Sachsen 1989 auf den Weg in die Freiheit gemacht. Diese Freiheit und ihre wiedergewonnene Unabhängigkeit sehen sie durch die NATO gewährleistet. Dieser kollektiven Sicherheit sind auch wir verpflichtet. Sie wird an der Ostflanke der NATO durch die Operation „Enhanced Forward Presence“ gewährleistet.
Wenn wir in diesen Tagen wieder vermehrt Truppen – auch der US-Army – durch Sachsen fahren sehen, dann deshalb, weil Truppen der „Enhanced Forward Presence“ ausgetauscht werden. Übrigens waren von Mitte letzten Jahres bis Anfang dieses Jahres auch Soldaten aus Sachsen – konkret: vom Panzergrenadierbataillon 371 aus Marienberg – Teil dieser Initiative und in Litauen stationiert. Ich bin ihnen für ihren Einsatz außerordentlich dankbar.
Die Truppen bewegen sich auch deshalb durch Sachsen, weil die NATO Mitte Juni in Estland, Lettland, Litauen
und Polen ein Manöver abhalten wird, an dem USamerikanische Streitkräfte und die Bundeswehr beteiligt sind. Das ist selbstverständlich, meine Damen und Herren. Sicherheit ist kein Wunschkonzert. Wir sind Mitglied der NATO und verlassen uns auf ihren Schutz, der uns Freiheit und Wohlstand ermöglicht. Dann muss man aber auch seinen Bündnisverpflichtungen nachkommen.
Ich komme zur dritten und letzen Frage: Wie steht es nun um Sachsen und Russland? Ich denke, es ist wichtig, in Kontakt zu bleiben – auch in schwierigen Zeiten, auch in der Krise. So hat es die Staatsregierung in den vergangenen Monaten und Jahren gehalten – wie übrigens auch die Kanzlerin, die kürzlich in Sotschi Präsident Putin getroffen hat. Ein offener Gedankenaustausch ist besser als überhaupt keiner.
Die Antwort lautet aus der Sicht der Staatsregierung: Sachsen hat gute Beziehungen zu Russland. Russland ist einer der ganz wichtigen Partner auch für die Zukunft unseres Landes. Die Staatsregierung wirkt daran aktiv mit. Es gibt vielfältige Projekte und Initiativen, vor allem in den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Bildung und Ausbildung. Das werden wir auch in Zukunft fortsetzen.
Es gibt Kontakte auf unterschiedlichen Ebenen. Der Gesprächsfaden ist nie abgerissen. Wir pflegen verschiedene Formate, beispielsweise das Deutsch-Russische Rohstoff-Forum und die Deutsch-Russische Freundschaftsgruppe des Bundesrates. Der Freistaat Sachsen unterhält Regionalkooperationen mit Sankt Petersburg, Baschkortostan und Tatarstan. Tatarstan plant sogar die Einrichtung einer Vertretung in Leipzig; es wäre die 16. tatarische Auslandsvertretung und die erste in Deutschland.
Unsere Wirtschaftsförderung führt regelmäßig Unternehmerreisen nach Russland bzw. Messebeteiligungen in Russland durch und organisiert zahlreiche Veranstaltungen mit russischen Partnern. Es gibt mehr als 90 Hochschulkontakte zwischen Sachsen und Russland. Mehr als 26 000 sächsische Schüler lernen Russisch. Das sind mehr als 20 % aller Russisch-Schüler in der gesamten Bundesrepublik. Das entspricht Platz 1 unter den Ländern. Die Sächsische Staatskapelle war vorige Woche auf Russland-Tournee in Moskau, Sankt Petersburg und Kaliningrad.
Was bleibt? Ja, es gibt Einbrüche im Handel. Das schmerzt und tut vor allem den betroffenen Unternehmen weh. Hinzu kommt eine Schwäche der russischen Wirtschaft, vor allem durch die Abwertung des Rubels. Bei allen Schwierigkeiten zeigen die genannten Fakten aber, wie eng die Beziehungen jenseits aller Probleme zwischen unseren Ländern sind.
Es wäre deshalb wirklich hilfreich, wenn die Beziehungen, die wir mit Russland haben, nicht schlechtgeredet und die Probleme, die wir mit Russland haben, nicht kleingeredet würden. Für uns bleibt ein offener Austausch gerade in schwierigen Zeiten unverzichtbar. Dazu lade ich alle ein, auch bei uns in Sachsen mitzuwirken.
Herr Präsident, vielen Dank. Ich würde gern mit einer Kurzintervention auf Herrn Staatsminister eingehen.
Vielen Dank. – Herr Staatsminister, es geht überhaupt nicht darum, Probleme mit Russland kleinzureden oder die Beziehungen schlechtzureden. Wenn Sie aufmerksam zugehört hätten, wüssten Sie, dass es mir in vielen Aussagen um eine Feststellung ging: Die Menschen in unserem Land verstehen sehr wohl, wenn der Völkerrechtsbruch einer Seite, von einer demokratisch legitimierten Regierung durchgeführt, mehr oder weniger akzeptiert wird und der Völkerrechtsbruch eines anderen Landes nicht akzeptiert wird. Das merken die Menschen. Sie wissen sehr wohl, dass Bomben, egal aus welchem Flugzeug sie fallen, sehr viel Schaden anrichten und sehr viele Leben kosten. Sie wissen sehr wohl, dass in der Folge einer Lüge, die unter Bezugnahme auf tolle Bilder durch einen Außenminister im UN-Sicherheitsrat vorgetragen wurde, ein völkerrechtswidriger Krieg mit vielen, vielen Toten und einer völlig destabilisierten Region entstand. Die Menschen merken, wenn mit ungleicher Elle gemessen wird.
Damit reden wir kein Problem klein und keine Beziehung schlecht. Aber bei der Wahrheit sollte man generell bleiben. Denn die Menschen merken, wenn man das nicht macht.
Das war die Kurzintervention von Herrn Abg. Stange. Herr Staatsminister, möchten Sie darauf erwidern? – Das ist nicht der Fall. Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Urban, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Staatsminister, Ihre Worte innerhalb dieser Debatte haben mich in meiner Meinung bestärkt, dass unsere Landesregierung, genau wie die Bundesregierung, eben doch eine einseitige russlandfeindliche Politik verfolgt.
Wenn Sie in Ihrer Argumentation zur Begründetheit dieser Sanktionen und dieser auch militärischen Konfrontationspolitik auf die Umsetzung der Minsker Verträge verweisen, dann habe ich bei Ihnen nur von einer Pflicht Russlands gehört, dort vertraglich vereinbarte Dinge zu erfüllen. Wir wissen alle, dass die Ukraine einen Teil dieser vereinbarten Dinge nicht erbringt. Die Verfassungsänderung ruht seit Ende 2016, das sind schon anderthalb Jahre.
Ich erlebe von der Sächsischen und der Bundesregierung keinerlei kritische Worte hinsichtlich der Ukraine, dass sie endlich die Minsker Verträge umsetzt, damit Frieden entstehen kann.
Und ich möchte noch etwas sagen: Die Sanktionen kann man für begründet halten, aber es ist mittlerweile auch schon von Volkswirtschaftlern vorgetragen worden, dass diese Sanktionen keinerlei politischen oder wirtschaftlichen Druck ausüben, sie richten nur Schaden an. Sie halten an diesen Sanktionen fest, obwohl Sie das mittlerweile nicht nur von der AfD, sondern auch von vielen Volkswirtschaftlern gehört haben. Das ist für mich keine vernünftige und verantwortungsvolle Politik, wenn man Dinge weiterhin tut, die nur Schaden anrichten und den
Das war eine Kurzintervention des Abg. Urban. Herr Staatsminister, auch hier wieder die Frage an Sie. – Ihr Kopfschütteln zeigt mir, Sie wollen nicht erwidern.
Meine Damen und Herren! Die Zweite Aktuelle Debatte ist abgeschlossen und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Meine Damen und Herren! Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Wir beginnen mit der Fraktion DIE LINKE, danach die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion, die AfD-Fraktion, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Für die Fraktion DIE LINKE eröffnet die Aussprache Herr Abg. Böhme. Bitte sehr, Herr Böhme.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Freistaat Sachsen kann die sächsischen nationalen und internationalen Klimaschutzziele nur erreichen, wenn wir die Windenergie stärker nutzen. Der Wind ist in der Gesamtkostenbetrachtung der günstigste Energieträger und zudem derjenige mit dem größten Ausbaupotenzial. Sachsen liegt nicht nur in der Mitte von Deutschland mehr oder weniger, auch das Windpotenzial liegt in Sachsen im mittleren Bereich.
Hier gibt es keine Schwachwinde. Es lohnt sich also, hier zu investieren und diese Form der erneuerbaren Energien auszubauen. Und dass auch wir da dringend etwas tun müssen, ist nicht nur Verpflichtung, um die von der Bundesregierung geforderten Ausbauquoten für erneuerbare Energien zu erfüllen, sondern auch notwendig, um die Auswirkungen des Klimawandels durch entsprechende CO2-Einsparung zu begrenzen. Wir stecken nämlich mittendrin und spüren schon heute, dass es zu immer mehr Wetterextremereignissen kommt und es längere Kälte- und Wärmeperioden gibt, die unserer Vegetation