Protocol of the Session on May 30, 2018

Wenn sich Siemens nach hartem Ringen entschließt, den Standort Görlitz zur weltweiten Zentrale für das Dampfturbinengeschäft zu machen und einen Verkauf des Standortes Leipzig zu prüfen, dann ist das ein Erfolg;

denn beide Standorte waren von Schließung bedroht, auch wenn noch einige Unsicherheiten bestehen – es wurde hier genannt – und vor allen Dingen nach wie vor Arbeitsplatzverluste drohen. Die Staatsregierung hat mit einer aktiven Rolle in zahlreichen Gesprächen – Herr Beger, so ist Politik, auch hinter den Kulissen – dazu beigetragen, diesem Standort eine Zukunft zu geben, vor allem den Betriebsräten. Der IG Metall möchte ich ausdrücklich danken und selbstverständlich für die anstehenden Verhandlungen viel Erfolg wünschen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese wenigen Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, dass die Staatsregierung nicht nur im Krisenfall schnell und überlegt handelt, sondern auch langfristig wirksame Strategien erarbeitet. Wir unterstützen sowohl die traditionellen Branchen bei den notwendigen Transformationsprozessen, um sie zukunftssicher aufzustellen, als auch neu entstehende Branchen und Geschäftsmodelle bei ihrem Wachstum und ihrer Entwicklung. Industriepolitik erlebt in diesen Tagen auf nationaler wie auf europäischer Ebene eine Renaissance. In Sachsen haben wir einen stark dialogorientierten Weg gewählt, mit allen Stakeholdern im Rahmen der Strategiewerkstattindustrie der Zukunft zu diskutieren, wie eine sächsische Industriestrategie im Zeitalter der Digitalisierung aussehen muss, und auf dieser Basis werden wir unsere Industriestrategie weiterentwickeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass diese Politik für eine hochproduktive Industrie und für intelligente Dienstleistungen schon heute Früchte trägt.

Herr Lippold, das ist ein bisschen Schwarz-Weiß-Denken, was Sie präsentiert haben. Wenn ich mir einmal anschaue, was im letzten Jahr passiert ist, dann sage ich mit Stolz und Freude, dass sich allein 19 Unternehmen in Sachsen angesiedelt bzw. erweitert haben, darunter 15 aus Deutschland, zwei aus Südkorea und je ein Unternehmen aus den USA und Kanada. Das Investitionsvolumen lag bei 1,45 Milliarden Euro, 1 807 Arbeitsplätze wurden neu geschaffen. So schlecht ist also der Standort nicht, ganz im Gegenteil. Lassen Sie ihn uns auch nicht schlechtreden, denn hier sind gute Fachkräfte und wir haben eine exzellente Forschungslandschaft. Wir kämpfen darum, dass diejenigen, die für Neugier und Weltoffenheit sind, die das anständige Sachsen repräsentieren, auch die Mehrheit sind.

(Beifall bei der SPD)

Diese guten Werte zeigen auch, dass das der Höchstwert seit dem Jahr 2010 ist. Es belegt, dass der Freistaat als Standort attraktiv ist.

Lassen Sie mich eines klar sagen: Unsere Ansiedlungsfaktoren heute sind nicht billige Löhne oder machtlose Beschäftigte, ganz im Gegenteil. Wer heute will, dass Unternehmer investieren, der braucht gut ausgebildete, engagierte Mitarbeiter, exzellente Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie gute Arbeit zu fairen Löhnen. Die Männer und Frauen von Siemens in Görlitz stehen nicht nur für eine beeindruckende Solidarität in der

gesamten Region und für die Beschäftigten eines Werkes weit über die direkt und indirekt Betroffenen hinaus; sie sind auch Teil eines neuen Arbeitslandes Sachsen, in dem ehrliche Arbeit endlich anständig bezahlt wird.

Nun wissen wir: In der Marktwirtschaft kann die Regierung nicht die Entscheidung von Unternehmen fällen und auch keine Löhne festlegen, aber sie kann dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen so geschaffen werden, dass die Werte von guter Arbeit sich in allen Regionen weiter

entwickeln können. Das ist mein Ziel, auch als Wirtschafts- und Arbeitsminister.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Wir kommen nun zur zweiten Aktuellen Debatte, beantragt von der Fraktion DIE LINKE.

Zweite Aktuelle Debatte

„Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ – 73 Jahre nach dem

Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa – Sachsen braucht

eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Es beginnt die einreichende Fraktion, danach folgen die CDU, SPD, AfD, GRÜNE, Herr Wild und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. – Herr Gebhardt, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ ist der Titel dieser Aktuellen Debatte, die meine Fraktion vorgeschlagen hat. Sie wissen wahrscheinlich, dass diese Textzeile einem Gedicht aus dem Jahre 1961 entspringt.

Vor 73 Jahren endete in Europa der opferreiche Kampf der Alliierten. Er endete mit besonders großen Opfern in der Sowjetarmee gegen Hitlerdeutschland, gegen millionenfaches Morden, gegen millionenfaches Morden an den europäischen Juden, gegen Folter und Zwangsarbeit, gegen Versklavung und Unterdrückung.

Auch 73 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa müssen wir das Erbe – nie wieder Krieg – aktiv pflegen. Deshalb nehmen wir mit großer Besorgnis zur Kenntnis, dass die Politik gerade in Westeuropa, aber auch in Teilen von Osteuropa, immer mehr von den antirussischen Vorurteilen in der Außen- und Wirtschaftspolitik, vor allem aber auch in vielen Massenmedien beherrscht bzw. geschürt wird. Wir teilen deshalb die Einschätzung der Leipziger Bürgerinitiative „Gute Nachbarschaft mit Russland“, die im Konfrontationskurs des Westens die Gefahr eines neuen Krieges sieht.

Ich freue mich besonders, dass der frühere Fraktionsvorsitzende der SPD, Prof. Cornelius Weiss, im Sächsischen Landtag dieser Initiative maßgeblich seinen Stempel aufdrückt. Damit komme ich zu einer ersten sächsischen Bedeutung dieser Aktuellen Debatte: Die Kaserne in Frankenberg bietet US-Soldaten nach eigener Darstellung eine – Zitat: „Zeit der Pause und des Auftankens, der Ruhe und des Ausspannens“. So kann man es zumindest nachlesen.

Für die Bevölkerung des angrenzenden Wohngebietes ist die besagte Ruhe leider des Öfteren vorbei, wenn sich die

lärmenden US-Militärfahrzeuge durch enge Wohnstraßen zwängen – ganz im Gegensatz zu den Gepflogenheiten der Bundeswehr, die bei ihrer Einfahrt in die Kaserne das Haupttor verwendet. Deshalb haben sich auch Menschen aus dem Wohngebiet aus Frankenberg an unsere Fraktion gewandt. Auch in der Berichterstattung der „Freien Presse“ in den letzten Tagen und in sozialen Netzwerken sind Probleme der Belästigung durch Militär und der Beschädigung von öffentlicher Infrastruktur zu entnehmen – ganz zu schweigen von den zahlreichen Militärkonvois auf sächsischen Autobahnen, die in letzter Zeit wieder verstärkt wahrzunehmen sind. Ziel ist ein bevorstehendes NATO-Manöver in Polen – Sie kennen das alle.

In einem Zeitungsbeitrag heißt es von einem Sprecher der Bundeswehr – Zitat: „Die Hoheitszeichen an den Fahrzeugen der US-Streitkräfte seien in Ostdeutschland noch gewöhnungsbedürftig.“ – Ich sage Ihnen ganz offen: Wir wollen uns daran gar nicht erst gewöhnen. Denn es sind nicht vor Jahrzehnten die Streitkräfte einer Weltmacht abgezogen, damit nun die Streitkräfte einer anderen Weltmacht ein Aufmarschgebiet Richtung Osten haben. Das kann nicht das Erbe der friedlichen Revolution sein.

Was Europa jetzt braucht, sind keine Truppenverlegungen, sondern eine neue Entspannungspolitik. Es würde Sachsen gut zu Gesicht stehen, wenn die Staatsregierung hierbei klar Farbe bekennen würde.

(Kerstin, Köditz, DIE LINKE: Die Staatsregierung ist gar nicht da! – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Dazu hat ihr bisher im Zusammenhang mit den fatalen Sanktionen gegen Russland, die auch der sächsischen Wirtschaft Schaden zufügen, der Mut gefehlt. Sachsen hat selbst leidvolle Erfahrung als Schlachtfeld des Krieges gemacht. Dass nun durch Sachsen Truppen für die Übung einer Schlacht gegen einen Feind im Osten geführt werden, ist historisch bodenlos dumm und ein Affront gegen die Bevölkerung.

Zum Schluss von meiner Seite: Es geht nicht darum, wer der beste Putin-Versteher ist oder nicht. Ich habe an der Politik von Präsident Putin viel zu kritisieren. Wer jedoch wie der CDU-Fraktionsvorsitzende Kupfer dem Grundrechteverächter Orbán in Ungarn zur Wahl gratuliert und mit ihm Gespräche führt – ob nun privat oder auf Staatskosten –, soll sich mit Kritik an dieser Aktuellen Debatte zurückhalten.

(Beifall bei den LINKEN)

Es geht uns um friedenspolitische Vernunft. Es wäre doch etwas, wenn die Sächsische Staatsregierung ihre Abneigung gegen die aktuellen Truppentransporte durch Sachsen ebenso zum Ausdruck bringen würde, wie es die Landesregierung in Brandenburg getan hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Hinweis auf das Ende des Krieges, eines der schrecklichsten, den Europa erlebt hat, ist durchaus angemessen. Wenn man es mit Russland in Verbindung bringt, dann muss man auch daran denken, dass die Hauptlast dieses von Deutschland ausgegangenen Krieges von Russland getragen worden ist: mit 27 Millionen Toten – 6,5 Millionen in Deutschland und 6 Millionen in Polen, in vielen europäischen Staaten, aber auch in anderen Staaten in der Welt.

Ich glaube, dass dieses Kriegsende gleichsam eine Mahnung an uns sein sollte, so wie es in der Verfassung des Freistaates steht: für ein friedliches Zusammenleben in Europa zu ringen und sich dafür entsprechend einzubringen. Ich glaube, das kann ich mit Fug und Recht sagen: Der Freistaat Sachsen hat ein großes Interesse an einer friedlichen Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn, aber auch mit diesem großen Land Russland, zu dem wir seit vielen Jahren gute Kontakte pflegen.

Wir dürfen aber nicht verschweigen, dass es auch eine Begebenheit mit der Besetzung der Krim gegeben hat, die von Russland ausgegangen ist. Russland und die Ukraine müssen ihren ureigenen Konflikt lösen. Die Lösung der Ukraine-Krise kann nicht mit militärischen Mitteln stattfinden. Darum bleibt die Besetzung der Krim ein nicht zu akzeptierender Fehler Russlands. Deshalb müssen die Minsker Verhandlungen weitergeführt und die Beschlüsse entsprechend umgesetzt werden. Nur das kann zur Befriedung dieser Region beitragen.

Für den Freistaat Sachsen sind die guten Beziehungen zwischen den Staaten eine besondere Grundlage für ein friedliches Zusammenleben. Dies muss auch zwischen Russland und der Ukraine für die Zukunft gelten. Der Freistaat Sachsen hat ein großes Interesse an guten, friedlichen und sich gedeihlich entwickelnden Beziehungen zu diesem großen Land.

Diese brauchen wir besonders bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Sanktionen haben sich schädlich auf die sächsischen Unternehmen ausgewirkt. Die Außenwirtschaftsbilanz mit Russland ist massiv eingebrochen: Von 1,3 Milliarden Euro hat sich die Summe auf 600 Millionen Euro reduziert. Die deutschen Exporte haben sich von 80 auf 50 Milliarden Euro reduziert.

Wir brauchen einen Kurswechsel im Interesse der eigenen Arbeitsplätze; denn seit über 20 Jahren bemühen sich die Staatsregierung, der Sächsische Landtag und viele Verbände im Freistaat Sachsen, den Ausbau der Beziehungen mit Russland voranzutreiben. Jetzt müssen dafür neue Impulse gesetzt werden. Dafür steht zum einen die Partnerschaft zur Republik Başkortostan. Es gibt Unternehmerreisen nach Russland, die Metallverarbeitungsmesse in Moskau, die von vielen sächsischen Ausstellern genutzt wurde, und es gibt die Intec in der schönen Stadt Leipzig, die von russischen Unternehmen sehr intensiv genutzt worden ist.

Neben den wirtschaftlichen Beziehungen – schließlich war Russland der wichtigste Markt für die ehemalige DDR; das sind Beziehungen, die wir traditionell zurückgewinnen müssen – muss auch der kulturelle Austausch weitergeführt werden. Der kulturelle Reichtum des Freistaates, aber besonders jener von Russland könnte eine Bereicherung auch für unsere europäische Entwicklung sein. Wir brauchen wieder Chancen für den Maschinen- und Anlagenbau, für die Elektroindustrie und die Landwirtschaft.

Danken möchte ich der Wirtschaftsförderung Sachsen für die unermüdliche Arbeit in den zurückliegenden Jahren. Wir brauchen eine Verstetigung und einen Ausbau der Kontakte nach Russland. Dazu möchte ich die Staatsregierung auf ihrem Weg weiter bestärken. Wir müssen wieder dazu kommen, Strategien zu erkennen. Wandel durch Handel kann die beste Grundlage für eine friedliche Zusammenarbeit zwischen Staaten sein. Davon kann auch der Freistaat Sachsen profitieren. Sachsen hat ein großes Interesse, –

Bitte zum Ende kommen!

– die Beziehungen zu Russland zu verbessern, auszubauen und die bisher bestehenden Kontakte weiter zu pflegen.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr BaumannHasske, bitte; SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Aktuelle Stunde hat durch die Äußerung des Bundesaußenministers in den vergangenen Wochen und durch die aktuelle Reise des Bundespräsidenten in die Ukraine noch eine gewisse zusätzliche Aktualität gewonnen, wobei es weniger darum

geht, ob Krieg droht, sondern mehr um die Frage der Sanktionen. Ich möchte mich in meinem Beitrag darauf konzentrieren, was Gegenstand der Aktuellen Debatte unter diesem Titel sein muss: ob nämlich von Russland eine Bedrohung ausgeht.