Protocol of the Session on April 25, 2018

Wir als Freistaat müssen zum Beispiel an unseren Straßen endlich wieder ordentliche Alleen hinsetzen und mit unseren Flächen – ich sage nur: Zentrales Flächenmanagement – vorbildhaft vorangehen. Dass es beim Biotopverbund – was Herr Kollege Winkler angesprochen hat – vorangehen würde, davon höre ich nichts. Man muss ganz klar sagen: Kein Mensch wirft jemandem vor, dass gar nichts gemacht würde.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Kollegen Wild?

Bitte.

Danke, Herr Präsident! Herr Kollege Günther, glauben Sie ernsthaft, dass die Windkraftanlagen mit ihrem Infraschall und allen anderen Nebenwirkungen keinerlei Auswirkungen auf das Artensterben haben? Glauben Sie das ernsthaft?

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Glauben Sie ernsthaft, dass der massive Landumbau mit den Monokulturen, um Energiepflanzen zu gewinnen – nicht, um Lebensmittel herzustellen –, keinerlei Auswirkungen auf das Artensterben hat? Glauben Sie das ernsthaft? Das ist meine Frage.

Herr Kollege Wild, niemand sagt, dass diese Dinge keine Auswirkungen hätten. Es ist immer eine Frage der Statistik, was die größte Auswirkung hat, und das kann man sich durch den Umkehrschluss überlegen.

Reicht es aus, nur Windkraftanlagen abzuschalten und bestimmte Flächen umzusteuern, wo Monokulturen stehen? – Nein. Windkraft ist sicher der geringste Hebel bei alldem. Es geht um Vielfalt in der Fläche und um Vielfalt im Anbau. Genau dort müssen wir hinkommen, gemeinsam mit den Landwirten.

Keiner macht den Vorwurf, dass nichts passiert, aber ganz offensichtlich passiert nicht genug, dass wir eine Trendwende hinbekommen. Das ist doch die Aufgabe, vor der wir stehen – auch wenn wir nachher vielleicht noch lauter Einzelmaßnahmen hören. Selbst in der Sachverständigenanhörung zu dem Thema, was in der Landwirtschaftsförderung passiert – etwa über Greening-Maßnahmen –, hat der eine Sachverständige deutlich den Unterschied dargestellt zwischen dem, was die Landwirte dort immer gern machen, und dem, was naturschutzfachlich die höchste Wirkung hat und was gemacht wird: in über 68 % der Fälle Zwischenfruchtanbau, bei 11 % Hülsenfruchtanbau, die ökologisch eher sehr geringe Auswirkungen haben, aber bei nützlichen Blühstreifen nur 1,2 % Umsetzung, und Landwirtschaftselemente dauerhaft, wo man wirklich den größten Hebel hätte, 2,4 %.

Dort sehen wir doch die Aufgabe: Wir müssen die Landwirte dazu bringen, die Dinge zu tun, die nützlich sind – da ist auch schon das Wort mit dabei –, damit auch die Nützlinge für die Landwirte wieder da sind: diejenigen, die bestäuben, und die, die auch Schädlinge beseitigen, die den Boden lockern. Die Landwirte brauchen das.

Deswegen müssen wir zu dem Punkt kommen, dass wir nicht mehr mit irgendwelchen Kleinstmaßnahmen agieren – hier ein bisschen mit Agrarumweltmaßnahmen, dort ein bisschen mit dem Greening und vielleicht da mal auf dem Naturschutzgebiet etwas machen –, sondern wir brauchen eine Wende im großen Maßstab,

(Beifall bei den GRÜNEN)

da wir auch im großen Maßstab in unseren Lebensgrundlagen bedroht sind. Das muss langsam auch hier als Erkenntnis ankommen, und ich würde mich sehr freuen, wenn die Kollegen in dieser Hinsicht einmal zu einem neuen Schritt gelangen würden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Jetzt gibt es eine Kurzintervention durch Herrn Kollegen Urban, bitte.

Herr Dr. Günther, Sie haben es wieder auf die Windkraft reduziert. Die Energiewende ist natürlich viel mehr als die Windkraft, und das wissen Sie auch. Gerade wenn es um unsere Greifvögel geht, ist die Windkraft tatsächlich eines der größten Gefährdungspotenziale für unsere Greifvögel. Aber zur Energiewende gehört eben auch die Landwirtschaftsfläche, und das haben Sie wieder ausgelassen, weil Sie genau wissen, dass es an dieser Stelle brennt.

Raps- und Maismonokulturen sind eben alles andere als eine häufige Fruchtfolge und eine reichhaltige Landschaft, und das gehört zur Energiewende, hinter der Sie ja stehen, dazu.

Ein zweites Stichwort: moderne Landwirtschaft. Ich weiß nicht, was Sie sich darunter vorstellen, wenn ich das höre, was Sie beschreiben: viel Kleinteiligkeit, viele Feldelemente – ich warte dann nur noch auf den Pferdepflug. Wir werden eine Landwirtschaft in der Kleinteiligkeit wie vor hundert Jahren nicht mehr bekommen. Unsere Landwirte stehen heute in internationaler Konkurrenz und wir können hier so viele Subventionen auf die Landwirtschaft draufgießen, dass Naturschutz am Ende drei Viertel des Einkommens der Landwirte ausmacht, aber ob das als Gesellschaft sinnvoll ist, das ist die andere Frage.

Moderne Landwirtschaft bedeutet eben auch ein offenes Europa und einen offenen Weltmarkt und vor allem auch moderne Maschinen, große Flächen und Agrarchemie.

(Beifall bei der AfD)

Das war eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Urban. Darauf reagiert jetzt Herr Kollege Günther – immer noch ohne Doktor?

Immer noch ohne, ja.

Zu Teil eins, der Energiewende: Wir GRÜNEN haben eine ganz klare Beschlusslage auch in Sachsen, dass wir genau diese Auswirkungen, die Sie hier beschreiben, nicht wollen, sondern wir sagen, wenn energetische Erzeugung, auch von Biostoffen, dann eben aus Reststoffen. Dort muss der Schwerpunkt liegen. Da darf man durchaus auch einmal lernen, da sind Dinge angeschoben worden, und man hat bestimmte Erfahrungen gemacht, und da können Sie uns jetzt noch zehnmal vorwerfen, dass wir nichts gelernt hätten. – Wagen Sie einfach einen

Blick auf die Homepage unseres Landesverbandes, dort finden Sie den Rest dazu.

Nun zu dem anderen Vorwurf: zurück ins 19. Jahrhundert und dem Pferdepflug. Genau das Gegenteil habe ich deutlich gesagt: Es geht darum, wie man mit moderner Landwirtschaft, so wie sie heute betrieben wird, auch mit der eingesetzten Technik, Strukturelemente und auch wieder eine höhere Vielfalt im Anbau hinbekommt. Wenn man etwa am Rand Ackersäume schafft und schaut, wie man Wege gestaltet, und wenn man dazu kommt, in der Landschaft kleinteilig Biotope wieder herzustellen, die in ausreichender Anzahl und in ausreichender Nähe zueinander vorhanden sind, damit man über eine naturschutzfachliche Vernetzung sprechen kann, und wenn man dann noch in die Naturschutzflächen und insbesondere in den Auen und auf all dem, wo der Freistaat sowieso schon die Hand drauf hat, wirklich einmal gezielt etwas für den Artenschutz tut, dann könnten wir durchaus sehr viel bewegen und da müssen wir auch nicht unsere Lebensumstände umstellen. Da muss auch die Landwirtschaft nicht abgeschafft werden, sondern das würden wir für die Landwirtschaft tun, nämlich für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Bei uns geht es jetzt weiter in der Redereihe und für die CDU-Fraktion spricht erneut Herr Kollege Heinz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst ein Plädoyer für eine moderne Landwirtschaft halten. Der Lebensstandard, den wir zurzeit leben, wird nicht mit einer Landwirtschaft abzusichern sein, wie sie vor hundert Jahren üblich war. Auch die Veränderung der Landwirtschaft hat Veränderungen im dörflichen Tierspektrum zur Folge. Wer sieht heute noch Schwalbennester? Das hat etwas damit zu tun, dass wir keine Kuh- und Schweineställe mehr in den Dörfern haben. Der Biolandbau hat sich in Sachsen hervorragend entwickelt – nicht trotz der Landwirtschaftspolitik unserer Staatsregierung, sondern wegen –, weil das reichlich und gut gefördert wurde. Ich kenne aber keine Studien, die besagen – Biolandwirte dürfen ja bekanntlich keine Pflanzenschutzmittel einsetzen, außer etwas Kupfer, jedenfalls keine Insektizide –, dass auf Ökolandbauflächen deutlich höhere Insektenvielfalt wäre. Ich kenne solche Studien nicht und gehe davon aus, wenn es denn so wäre, würden die natürlich auch entsprechend vermarktet werden.

(Zuruf von den LINKEN)

Ausgeräumte Landschaften, hier muss man erst einmal feststellen: Durch die Rodung des Waldes im Mittelalter haben wir erst einmal einen riesigen Biodiversitätssprung in Mitteleuropa bekommen, ansonsten wären hier als natürliche Vegetation Waldgesellschaften, die wir auch noch haben, die entsprechend eine andere Vegetation oder Artenzusammensetzung haben. Das, was jetzt im Urwald

passiert, ist natürlich ein ganz anderer Verlust an Arten als das, was hier im Mittelalter gemacht wurde.

Lassen Sie mich noch kurz etwas zu Insektiziden sagen. Man kann das Verbot der Neonicotinoide natürlich feiern, sollte aber wissen: Bei damit gebeiztem Saatgut ist der Wirkstoff dort, wo er hingehört, nämlich am Saatgut, am Saatkorn, und kann dort schützen. Es werden jetzt andere Bekämpfungsstrategien folgen müssen, um die Kulturen zu schützen. Das heißt, es wird flächendeckend gespritzt usw. – und vielleicht auch mit mehr Mitteln. Ob das wirklich ein Erfolg ist, wage ich noch zu bezweifeln.

Vielleicht wäre es klug gewesen, beispielsweise die entsprechende Ausbringtechnik weiterzuentwickeln, um sich diesen Vorteil zu erhalten. Viele Kulturen in der Landwirtschaft bekommen überhaupt keine Insektizide ab und Raps als intensivste Form wird in der Regel mit systemischen Insektiziden gespritzt. Das heißt im Klartext, der Wirkstoff wird erst durch die Pflanze aufgenommen und das Tierchen, das an der Pflanze frisst, nimmt dann über das Pflanzenmaterial den Wirkstoff auf und geht daran kaputt. Es muss also nicht der einzelne Käfer getroffen werden bzw. andersherum: Die Käfer, die getroffen werden, sterben nicht von diesem Wirkstoff.

Lassen Sie mich jetzt noch einiges zu dem sagen, was wir bereits umsetzen. Ich kann nur darum bitten, diese Dinge zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu würdigen. Wir haben über 15 % der Landesfläche als Natura-2000Flächen, wir haben Artenschutzprogramme in vielfältiger Art und Weise – bei uns im Vogtland die Flussperlmuschel. Wir geben ungefähr 20 % unseres ELER-Geldes aus über die zweite Säule für Naturschutzzwecke. Wir haben deutlich mehr Blüh- und Naturschutzbrachen seit dieser Förderperiode, weil es entsprechend gefördert wird. 50 % der Landwirtschaftsbetriebe nehmen an Agrarumweltmaßnahmen teil, der Ökolandbau hat sich prächtig entwickelt und wird mit über 60 Millionen Euro gefördert.

Übrigens gibt es im Ökolandbau auch Zielkonflikte. Man darf dort keine chemischen Pflanzenschutzmittel einsetzen, also greift man zum Striegel. Das heißt, der Boden wird mit Eisenstäben gekämmt, um Unkraut herauszureißen, und das überlebt in der Regel kein Vogelnest. Man kann also nicht sagen, dass das besonders Bodenbrüterfreundlich wäre. Aber es hat die positive Nebenwirkung: Die Vögel können dann keine Insekten mehr fressen, denn diese wollen wir am Ende ja auch schützen. Ansonsten brauchen wir beim Ökolandbau natürlich deutlich mehr Boden für die gleiche Produktionsmenge.

Außerdem möchte ich noch einmal auf unser Programm „Biologische Vielfalt“ hinweisen, das wir seit 2009 haben und zu dem vor wenigen Tagen dem Landtag der neueste Bericht zugestellt wurde. Dort gibt es reichlich Maßnahmen, die ich jetzt aus Zeitgründen nicht mehr vortragen kann.

Ich möchte zum Schlussresümee ansetzen. Artenschutz als Teil von Naturschutz ist für uns als CDU natürlich ein hohes Gut. Wir möchten uns bedanken bei den Partnern,

Die Redezeit ist zu Ende.

wie Naturschutzverbänden oder Landwirtschaftsbetrieben. Angler und Jäger – –

Bitte zum Ende kommen!

Dürfte ich den Satz noch zu Ende bringen, um die Kurve zu bekommen?

Das wäre gut.

Ich möchte warnen vor Populismus und Überbewertung von Nebenkriegsschauplätzen, und wir wollen gern als Ziel Natur erlebbar machen, um damit dem Schutz auch ein Bild zu geben; denn nur das, was man kennt, kann man auch schützen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Das war ein sehr langer Satz.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das war Herr Kollege Heinz von der CDU-Fraktion. Jetzt sprechen Sie, Frau Dr. Pinka, erneut für Ihre Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Winkler, Sie haben vollkommen recht. Wir brauchen eigentlich nur die baden-württembergischen Vorschläge umzusetzen. Wir können zum Beispiel gleich mit der Agrarstruktur anfangen; denn die würde sich wahrscheinlich deutlich von Sachsen unterscheiden. Aber ich möchte gern noch etwas dazu sagen, was man operationell machen kann und wie wir etwas erreichen könnten.