Herr Staatsminister, hier müssen Sie nachlegen. Ganz klar. Wir werden Ihnen während der Haushaltsdebatte an vielen Stellen nachweisen, dass Ihre Herangehensweise fehlgeht. Wir sind der Auffassung, dass der Freistaat Sachsen und wir als Gesetzgeber für die Haushaltsdebatte miteinander in einen echten Dialog treten müssen und dass nicht die Haushaltsfragen, also das Sparen, im Vordergrund stehen müssen, sondern dass es auch um die Sicherheit der Beamtinnen und Beamten geht und im Umfeld der Betrachtungen genauso die Sicherheit der gesamten Gesellschaft und das Vertrauen der Gesellschaft durch entsprechende Handlungen ermöglicht werden muss. Dazu zählen keine Überwachungen, keine Kennzeichenerfassungen und Ähnliches. Auch dazu müssen wir uns als Freistaat bekennen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich meine Freude zum Ausdruck bringen, dass offenbar nicht nur ein kleiner Teil des Koalitionsvertrages bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Zustimmung stößt. Das ist zunächst eine gute Unterstützung gerade in dem Punkt, dass wir mit der CDU vereinbart haben, eine unabhängige zentrale Beschwerdestelle bei der und für die Polizei einzurichten. Ich will mich nicht auf den Pfad begeben, ganz genau zu beschreiben, wo die Stelle angesiedelt sein muss. Wichtig ist, wie sie arbeitet. Dazu gibt es in anderen Bundesländern schon vielversprechende Beispiele, an denen wir uns gut orientieren könnten. Ich bin mir sicher, dass das Innenministerium diese nicht zuvorderst haushaltsrelevante Aufgabe in absehbarer Zeit erfüllen wird.
Nun zurück zum eigentlichen Thema. Ich war vorhin bei der Frage der Wertschätzung und der Aufgabenkritik noch nicht zum Ende gekommen. Ja, Aufgabenkritik ist bei der SPD-Fraktion in diesem Haus nicht erst jetzt ein Thema, sondern wird schon seit einigen Jahren im Zusammenhang mit der Stellenausstattung bei der Polizei immer wieder eingefordert. Sie war neben dem Stopp des Stellenabbaus eine der Kernforderungen im Landtagswahlkampf, und wir haben diese Thematik in die Koalitionsverhandlungen mit der CDU hineingetragen. Aus der Personalproblematik bei der Polizei, aber auch im öffentlichen Dienst insgesamt, ist eine gemeinsame Vereinbarung geworden. Wir wollen uns dieser grundsätzlich nähern und sie lösen. Wir wollen weg von einer rein finanziellen Betrachtungsweise, hin zu einer aufgaben- und bedarfsorientierten Betrachtungsweise. Der Grund
Das steht schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag, und er gilt. Das ist eine Sache, die man nicht von heute auf morgen angehen kann, und jetzt öffentlichkeitswirksam zu fordern, dass noch einmal 50 Stellen mehr pro Jahr geschaffen werden sollen, führt auch nicht weiter. Wir müssen uns grundsätzlich in einer veränderten Gesellschaft mit sich verändernden Aufgaben für die Sicherheitsbehörden damit auseinandersetzen, wie viele Stellen die Polizei in Sachsen braucht, um ihre Aufgaben zu erfüllen, und was die Aufgaben der Polizei sein sollen, meine Damen und Herren.
Dazu haben wir vereinbart, dass es eine Fachkommission ausdrücklich unter Beteiligung des Personals und der Gewerkschaften geben soll, in der die Aufgabenkritik und die Bedarfsermittlung durchgeführt werden sollen. Wir wollen als SPD-Fraktion, dass sich die Stellenausstattung nicht nur an den Kriterien zur Verfügung stehender Finanzmittel, sondern auch an den Kriterien Fläche, Bevölkerung und Kriminalitätsbelastung orientiert. Mit dem Instrument der Fachkommission kann das auch so erfüllt werden. Das wird etwas Zeit brauchen. Insofern müssen wir alle ein bisschen Geduld haben. Auch die Forderung, den Stellenabbau sofort zu stoppen, beispielsweise in Form eines Moratoriums, führt praktisch nicht weiter, weil wir doch ausgebildete Polizisten haben wollen, die effektiv zur öffentlichen Sicherheit beitragen sollen – nur müssen diese erst einmal ausgebildet werden. Ich gehe davon aus, dass die Ergebnisse der Fachkommission in den nächsten zwei Jahren vorliegen werden, sodass sich diese Problematik nicht mehr stellt. Dann können wir Aussagen zur notwendigen Stellenausstattung bei der Polizei treffen.
Abschließend möchte ich nur noch einmal feststellen, dass die Polizei nicht nur in der Bevölkerung einen sehr hohen Stellenwert hat, sondern auch in der Politik. Das hat nicht zuletzt die heutige Debatte gezeigt, für die ich Ihnen ganz herzlich danken möchte. Die Bediensteten der Polizei haben einen sehr hohen Stellenwert bei der Regierungskoalition aus CDU und SPD. Ich möchte Sie alle bitten, uns bei den Maßnahmen, die ich eben beschrieben habe, zu unterstützen, damit wir schnell gute Entscheidungen treffen können, die diesen hohen Stellenwert verdeutlichen.
Wird das Wort von der Fraktion GRÜNE noch einmal gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann beginnen wir wieder mit der AfD.
Ich möchte auf einige Fragen eingehen, die gestellt wurden. Beginnen möchte ich mit einem Satz, der vorhin etwas untergegangen ist. Herr Gebhardt hat gesagt, es wäre ein Antrag, den wir gestellt haben. Nein, es ist kein Antrag. Was wir aussprechen
möchten, ist eine Einladung an alle Parteien, dass wir zusammen an der Überarbeitung des Sächsischen Meldegesetzes arbeiten.
Eine zentrale Frage wäre weiterhin, dass wir den Stellenplan bei der Polizei nicht allein unter fiskalischen Gesichtspunkten sehen. Das ist richtig, jedoch ein Widerspruch zu dem, was auf dem Deckblatt der Reform 2020 steht. Mich freut es aber, wenn wir das neuerdings anders sehen und auch anders machen werden.
Bei der Expertenkommission und im Zuge der Evaluation wäre es übrigens auch schön, wenn das Personal innerhalb der Polizei gefragt würde, welchen Stellenteil es braucht. In der Beschreibung der Evaluation und bei der Beteiligung der Kollegen wurde nämlich explizit die Personalfrage ausgeklammert.
Wenn wir wissen wollen, wie viel Kriminalität wir eigentlich haben, sollten wir berücksichtigen, dass wir immer nur das Hellfeld betrachten. In dem Moment, da ich weniger Polizei habe und weniger Kontrolldelikte feststelle, ist natürlich scheinbar die Kriminalität geringer. Das sollten wir nicht vergessen.
Beim Streifendienst wird das meiste Personal abgebaut, wird gesagt. Das ist nicht ganz richtig. Richtig ist, dass der Kriminaldienst der Hauptleidtragende bei dieser ganzen Geschichte ist.
Kollege Stange sagte, es gäbe 58 000 offene Vorgänge. Das ist richtig. Sie haben ja die Frage nach offenen Vorgängen bei der Polizei gestellt, und Sie haben aber nur offene Vorgänge bei der Staatsanwaltschaft beantwortet bekommen. Bei der Polizei kommen die Vorgänge dazu, die noch gar nicht an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden sind. Das sind ungefähr 65 000 gesamt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anzahl der Zettel nimmt mittlerweile zu, weil ich mir doch einige Stichworte gemacht habe.
Ich möchte jetzt nur einmal kurz etwas zu der Frage der zentralen Forderung des Meldegesetzes sagen. In einer bestehenden Gefährdungslage für Leib und Leben besteht grundsätzlich die Rechtslage für die Sperrung schon jetzt. Wenn es die konkrete Situation einer Gefährdungslage gibt, lässt es das Melderecht zu. Darüber könnten wir reden, aber das ist nun wahrlich nicht die zentrale politische Forderung, die von einer Diskussion des Stellenwertes der sächsischen Polizei ausgehen soll. Das ist eine Erleichterung in diesem Verfahren. Aber das kann doch nicht die zentrale politische Botschaft einer Debatte in diesem Hohen Hause sein.
Wenn wir über die Frage der Fürsorgepflicht des Dienstherren reden, über die wir hier schon gesprochen haben,
dann, ja, ist das ein ständiger Abwägungsprozess und ein ständiger Überprüfungsprozess zwischen den Beschäftigten der Polizei und dem Dienstherren. Aber ich glaube schon, dass wir über die Personalvertretung und über die Gewerkschaften in einem intensiven Dialog mit dem Dienstherren sind und dass der Dienstherr durchaus seine Aufgabe wahrnimmt und ernst nimmt.
Ich will nur daran erinnern, dass der Freistaat Sachsen eines der letzten Bundesländer ist, welches die freie Heilfürsorge für den Polizeibereich nach wie vor trägt, und dies ohne eigene Kostenbeteiligung. Das allein ist natürlich kein Kriterium, aber es ist ein Teilaspekt, um deutlich zu machen, dass es nicht immer nur um die Frage gehen kann, was wir hier bei uns jetzt noch verbessern und optimieren können, sondern bitte auch einen Blick auf die gesamte Bundesrepublik und auf die gesamte Situation der Polizei in Deutschland sowie auch in Europa setzen. Da glaube ich schon – bei aller berechtigten Kritik und allen berechtigten Hinweisen, die zwangsläufig die Interessenvertretung der Beschäftigten auch zu formulieren hat –, dass der Freistaat Sachsen seine Verantwortung auch als Dienstherr sehr ernst und wahrnimmt. Sich hier pauschalisierend hinzustellen, als ob der Freistaat diese Verantwortung nicht tragen würde, ist schlichtweg falsch.
Der Dialog, den wir auch hier zu führen haben, muss intensiviert werden. Dazu gehört auch das Thema der erheblichen hohen Krankenzahlen der Polizei. Das hat seine Auswirkungen in den Belastungen, hat aber auch – das ist statistisch überprüfbar – seine Begründung in einer erheblichen Anzahl von dauerkranken Polizeibeamten, die unter anderem auf der Grundlage eines höheren Lebensalters derzeit nicht in die Pensionierung gehen. Das hat einen einfachen Effekt, meine sehr geehrten Damen und Herren, und dieser ist auch verständlich.
Die Beamten im Freistaat Sachsen sind im Regelfall 1993, 1994 verbeamtet worden. Wer heute in den Ruhestand geht, geht mit Abschlägen in den Ruhestand. Da gehe ich nicht freiwillig, sondern bemühe mich auch, diesen Dienstweg solange wie möglich zu halten. Das sind Übergangsfragen, die wir so nicht beantworten konnten. Doch diese Frage wächst sich aus. Es gilt aber trotzdem, die Frage der Fürsorgepflicht und der Einsatz- und Dienstbelastung ernst zu nehmen. Da gibt es berechtigte Forderungskataloge auch der Gewerkschaftsvertreter, mit denen wir uns auseinandersetzen.
Kollegen Pallas bin ich dankbar für die Beurteilung der jetzt anstehenden Evaluierung, die er deutlich gemacht hat. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, geht es um die Evaluierung der polizeilichen Aufgaben unter Berücksichtigung des Personaleinsatzes, der Belastung und Folgewirkung für die Beschäftigten in der Betrachtung der Gesamtaufgabe.
Ja, wir müssen Prioritäten setzen und die Strukturen intensiv überarbeiten, und das müssen wir mit den Beschäftigten tun. Aber dazu gehört auch – das sage ich
ganz klar als Erwartungshaltung an die Polizei –, dass die Polizeiführungen in den Polizeidirektionen, in den Polizeirevieren und im Innenministerium aktiv an diesem Prozess mitwirken, Hinweise und Anregungen geben und den Staatsminister in diesem Prozess verantwortungsvoll begleiten, Problembereiche diskutieren, Lösungsansätze vortragen und in einem gemeinsamen Dialog anstehende Herausforderungen klären.
Dazu gehört zum einen eine Gesamtbetrachtung der Einsatzbelastung der Polizeidirektionen, zum anderen die Rolle der Kriminalpolizei in Zukunft und als dritte Komponente die Bedeutung einer Bereitschaftspolizei in der Wahrnahme der Großereignislagen wie Demonstrationen und Fußballeinsätzen.
Dann gelingt es, das Ganze noch miteinander zu verbinden und den Austausch mit den anderen Bundesländern in Vergleich zu setzen. Ich will den Freistaat nicht permanent schlechterreden, als er ist, sondern wir sollten uns gemeinsam der Verantwortung stellen, die erfolgreiche Arbeit der Polizei, die gute Ausstattung der Polizei und die verantwortungsvolle Aufgabenwahrnahme auch in Zukunft erfolgreich fortzusetzen, dann ist allen gutgetan. Die Polizei eignet sich wirklich nicht als politisches Kriterium des Wettbewerbs um bessere Taten. Hier ist verantwortungsvoller Diskurs gefragt.
Die Linksfraktion hat noch 45 Sekunden. Möchte dies noch genutzt werden? – Das sieht nicht so aus. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung.
In meiner Kurzintervention möchte ich auf den Redebeitrag des Kollegen Hartmann eingehen. Gerade weil drei Viertel aller Straftaten auf die Streifenbeamten zielen und es nicht berechenbar ist, wann und wie sie oder die Familien angegriffen werden, ist eine Änderung im Sächsischen Meldegesetz meines Erachtens wichtig. Wir sollten uns der Forderungen der Polizei annehmen und darauf hinarbeiten, dass nicht erst dann, wenn etwas passiert ist, eine Änderung erfolgt, sondern dass schon präventiv gewirkt wird. – Vielen Dank.
Als Erstes: Ich bin davon überzeugt, dass ich im Namen meiner Fraktion und auch im Namen aller anderen Beteiligten spreche: Es sind nicht 75 % aller Straftaten auf Polizeibeamte zurückzuführen! Das wäre eine erschreckende Situation für die sächsische Polizei.
Wenn es Ihnen darum geht, dass 75 % der Straftaten durch die Tätigkeit von Polizeivollzugsbeamten im Streifendienst festgestellt werden, dann mag das durchaus richtig sein. Das allein bedingt aber noch nicht die Frage einer besonderen Schutzbedürftigkeit.
Außerdem möchte an dieser Stelle richtigstellen: Es gibt kein sächsisches Meldegesetz, sondern ein Bundesmeldegesetz und dazu ein Ausführungsgesetz für den Freistaat Sachsen.
Deshalb können wir uns trotzdem mit der Frage einer Erleichterung beschäftigen. Ich bleibe aber dabei: Aus meiner Sicht ist das allein kein Thema für eine Aktuelle Debatte, sondern würde eher einer Beratung im Innenausschuss bedürfen. Daraus kann gegebenenfalls ein Antrag oder eine Initiative für eine Gesetzesvorlage hervorgehen. Für eine Aktuelle Debatte ist das einfach zu wenig.