Protocol of the Session on January 29, 2015

Ich sage auch Augen auf, Herr Innenminister, mit wem Sie da in den Dialog treten. Große Demonstrationszahlen begründen doch noch lange keinen Anspruch auf ein Kooperationsgespräch mit einem Innenminister. Wenn ab sofort all diejenigen ein Gesprächsangebot bekommen, die am lautesten brüllen, läuft das doch auf die Zerstörung des offenen Diskurses hinaus.

(Christian Piwarz, CDU: Es gibt doch keine Gesprächsverbote!)

Nachdem ein rassistischer Hitler-Imitator hier mit 25 000 Leuten durch Dresden spaziert ist, signalisieren Sie plötzlich Dialogbereitschaft. Für mich offenbart dieser Reflex vor allem, wie unterentwickelt die demokratische Streitkultur hier in Sachsen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich unterstelle nicht, dass Sie bisher den Dialog verweigert haben. Aber dass hier mehr als zwei Jahrzehnte über die Köpfe hinweg regiert wurde, das werden viele bestätigen, und was erwünschtes und unerwünschtes Bürgerengagement ist, das haben viele in Sachsen auch schon zu spüren bekommen. Menschen, die sich zum Beispiel für demokratische Kultur in den Kommunen engagieren, die sich zum Schutz von Flüchtlingen einsetzen oder gegen rechte Gewalt engagieren, wurden bisher mit fragwürdigen Gesinnungskontrollen konfrontiert. Wer sich in Sachsen zum Beispiel streitbar für Naturschutz einsetzt, steht in der Gefahr, ganz schnell als Querulant oder als gemeinwohlgefährdender Verhinderer diskreditiert zu werden. Demokratische Streitkultur, meine Damen und Herren, sieht anders aus.

Eines steht fest: Pegida-Demos leisten keinen Beitrag zu einer besseren demokratischen Streitkultur. Sie schaffen vielmehr eine Stimmung im Land, die für Menschen bedrohlich ist. 25 Jahre nach der friedlichen Revolution muss demokratische Kultur in Sachsen erst noch entwickelt werden, meine Damen und Herren. Bürgerdialog gelingt nur, wenn alle Seiten die Grundsätze demokratischer Auseinandersetzung auch wirklich einhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Mit Kollegen Zschocke sind wir am Ende der ersten Rederunde angekommen und können eine zweite Runde eröffnen. Für die einbringende CDU spricht jetzt Herr Kollege Rohwer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gerade viel über Frank Richter gesprochen worden. Ich kenne Frank Richter seit vielen, vielen Jahren.

(Zurufe: Ich auch!)

Ich denke, dass ich hier in diesem Hohen Hause nicht der Einzige bin, der ihn so lange kennt – um es anders zu umschreiben. Ich bin aber auch Vorsitzender des Kurato

riums der Landeszentrale für politische Bildung. Ich möchte zur Person Frank Richter natürlich unbedingt etwas sagen. Wenn wir nur darüber sprechen, was Frank Richter in diesem Jahr getan hat, werden wir ihm nicht gerecht.

Herr Homann, kennen Sie die Arbeit von Frank Richter, die er in den letzten Jahren im Zusammenhang mit Asylbewerberheimen und deren Ansiedlung beispielsweise in Riesa geleistet hat? In dieser Zeit haben wir hier noch gar nicht über dieses Thema gesprochen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Herr Homann, Sie wissen ganz sicher, dass Herr Richter beispielsweise in Schneeberg einer der wichtigen Menschen war, als es darum ging, die schwierige Situation, die die NPD für sich benutzen wollte, in unser aller Interesse zu lösen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD – Zuruf von der SPD: Das bestreitet überhaupt niemand! – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wir haben das nicht gelöst, Herr Rohwer!)

Herr Homann, ich frage Sie: Haben Sie das Gespräch mit Frank Richter gesucht?

(Zuruf von der SPD)

Herr Homann, Sie schweigen. Ich nehme an, Sie haben nicht das Gespräch mit ihm gesucht.

(Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE: Es geht nicht um Frank Richter und seine Leistung, die er hier vollbringt! Es geht um Ihre Politik! – Unruhe)

Wenn ich eine Person kritisiere, halte ich es für richtig, mit ihr zu sprechen. Dasselbe gilt für den Genossen Krüger aus Berlin von der Bundeszentrale für politische Bildung: Auch er hat sich öffentlich positioniert, ohne mit Frank Richter gesprochen zu haben. Ich habe Frank Richter dazu befragt, ob es einen Kontakt zu diesem Thema gegeben hat.

Frank Richter ist für mich ein Menschenfreund. Ihm vorzuwerfen, er sei ein Steigbügelhalter für Rassisten, ist für mich unbegreiflich.

(Beifall bei der CDU)

Frank Richter ist der beste Diplomat, den wir im Moment in Sachsen haben.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von den LINKEN)

Weil Sigmar Gabriel das wahrscheinlich erkannt hat, ist er zu einer Diskussionsrunde mit Teilnehmern von PegidaDemonstrationen gegangen, hat sich einfach hineingesetzt und zugehört. Dieses Zeichen, das er letzte Woche gesendet hat, sollte uns alle zum Nachdenken bringen.

Ja, der Dialog ist notwendig, weil wir in diesem Land doch zusammenbleiben wollen. Wir wollen doch nicht noch weitere Gräben aufmachen, wir wollen zusammenbleiben. Ich denke, dass der Dialog natürlich auch dazu führen kann, dass wir die Perspektive wechseln müssen.

Ob ich andere Inhalte dann annehme, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Aber ich muss doch einmal kurz versuchen, die Position des anderen zu verstehen. Sonst können wir den Dialog nicht erfolgreich führen.

Das ist es, was Frank Richter so exzellent tut. Dabei sollten wir ihn unterstützen. Unterstützen heißt: mit ihm sprechen, auch über unsere Sorge, dass er vielleicht Fehler macht. Darüber kann man mit ihm persönlich reden, man braucht ihn aber nicht öffentlich an den Pranger zu stellen. Das ist der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Es gibt in Deutschland – und damit will ich schließen – ein Lied, das immer wieder gesungen worden ist, immer dann, wenn es um das Gefühl ging, dass man etwas nicht ausdrücken darf. Ich weiß, dass dieses Lied von vielen auch missbraucht worden ist, aber ich möchte trotzdem am Ende meines Redebeitrags die erste Strophe zitieren: „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten? Sie fliegen vorbei wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen. Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!“

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Das war Herr Rohwer für die einbringende CDU-Fraktion. Jetzt sehe ich an Mikrofon 3 eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Zschocke.

Ich möchte klarstellen, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Arbeit und die Person von Frank Richter wertschätzt. Wir möchten zugleich aber klarstellen, dass es in einem offenen demokratischen Diskurs möglich sein muss, Entscheidungen öffentlicher Personen auch öffentlich zu kritisieren. Das verletzt auch nicht die persönliche Integrität von Frank Richter, wie von Ihrer Seite vorgeworfen wurde.

Frank Richter hat im Nachhinein selbst erkannt, dass diese Entscheidung problematisch war. Er hat eingeräumt: Hätte ich das vorher gewusst, dann hätte ich Lutz Bachmann nicht in mein Haus gelassen – nachdem bekannt wurde, in welcher Art Bachmann sich im Vorfeld rassistisch geäußert hatte.

Das wollte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich klarstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Das war eine Kurzintervention zum vorangegangenen Redebeitrag. Der Redner kann jetzt reagieren. Dazu erteile ich erneut Herrn Kollegen Rohwer das Wort.

Vielen Dank, Herr Kollege Zschocke, für diese Klarstellung. Ich denke, das war sehr hilfreich. Vor diesem Hintergrund möchte ich aber auch

daran erinnern, dass Frank Richter das, wie ich finde, wunderbar gemacht hat. Als er gemerkt hat, dass Kritik zu seiner Entscheidung kam, hat er unter der Überschrift „Kritiker erwünscht“ eingeladen und sich dieser Diskussion gestellt.

Damit hat er deutlich gemacht, dass er für diese Kritik offen ist. Er ist eben durchaus – wie es zwar nicht von Ihnen, aber von einem anderen Redner bestritten worden ist – in der Lage, Kritik anzunehmen. Er hat Kritik angenommen und er hat sich ihrer in einer eigenen Debatte gestellt. Das fand ich großartig.

(Beifall bei der CDU)

Die einbringende SPDFraktion ergreift jetzt erneut das Wort. Bitte, Herr Kollege Homann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion würdigt ausdrücklich die Leistungen von Herrn Richter in Schneeberg und in vielen anderen Kommunen, wo es darum geht, in einer schwierigen Situation für mehr Mitmenschlichkeit und Toleranz zu werben. Dies haben wir nie infrage gestellt. An dieser Stelle hatte und hat Herr Richter immer unseren Respekt und unsere volle Anerkennung.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU und den GRÜNEN)

Ich finde, es gehört zu einer demokratischen Kultur, dass man Fehler benennen kann, ohne gleich den ganzen Menschen infrage zu stellen. Genau das hat meine Fraktion in diesem Fall getan.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, wir müssen an dieser Stelle auch einmal akzeptieren, dass es in der Einschätzung einer einzelnen Entscheidung einen Dissens gibt. Auch das gehört dazu, ohne gleich das Ganze infrage zu stellen.

(Horst Wehner, DIE LINKE: Richtig!)