Das gehört dazu. Dennoch sind wir natürlich entschlossen, diese Probleme gemeinsam anzupacken. Aber lassen Sie uns bitte trennen zwischen einer berechtigten Kritik, deren Anlass inzwischen auch von Herrn Richter eingeräumt wird, und dem Vorwurf einer Generalkritik. Das ist ein Unterschied, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wenn wir an dieser Stelle sauber unterscheiden, werden wir in diesem Plenum eine bessere Debattenkultur haben.
Wir befinden uns sozusagen mitten in der zweiten Runde. Ich erinnere noch einmal an das Thema: Demokratische Kultur in Sachsen – Wie kann der Bürgerdialog gelingen?
Jetzt besteht die Möglichkeit für die Fraktionen, in der Rednerrunde fortzufahren. Für die Fraktion DIE LINKE ergreift jetzt Herr Richter das Wort.
Jetzt spricht der andere Richter. – Ich beginne mit dem Artikel 1 der Universellen Menschenrechte: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ Das, was wir hier in Dresden und anderen Städten der Bundesrepublik gerade erleben, ist das Gegenteil davon.
Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht nicht um die Verteidigung des Abendlandes, es geht um die Verteidigung der Universellen Menschenrechte. Wir haben hier gestern die Debatte geführt zu dem Pogrom 1991 und in diesem Zeitraum mit seinen ganzen unsäglichen politischen Folgen, die es danach gegeben hat. Ich möchte nur sagen, dass es für uns wichtig ist, nicht wieder in dieser Weise politisch auf das zu reagieren, was auf der Straße lautstark eingefordert wird. Wir brauchen Vernunft in der Debatte und wir brauchen nicht, dass der recht hat, der am lautesten brüllt und am meisten Leute mobilisieren kann. Es geht darum, dass auch das leise Argument zählt, und das vermissen wir allzu oft.
Pegida ist die Allianz der Nationalkonservativen, der Wütenden und der Rechtsradikalen gegen unten. Das muss man ganz klar sagen. Es sind die Signale aus Sachsen, die wichtig sind. Wenn im „Spiegel“ steht, „Frank Richter ist der Pegida-Versteher“, dann kann uns das im Einzelfall nicht gefallen, aber es ist das Signal, das aus Sachsen in der Bundesrepublik ankommt. Deshalb müssen wir uns damit beschäftigen. Wenn man in den ZDFNachrichten sieht, dass aus diesem Dialog Bilder gesendet werden, auf denen man bekannte Neonazis sieht, dann ist das ein falsches Signal aus Sachsen. Sie kennen sich ja gut aus mit Twitter, haben sich in den letzten Jahren damit beschäftigt. Über Twitter gingen viele dieser Bilder in die ganze Bundesrepublik hinaus. Ich halte das für das falsche Zeichen.
Wenn wir die Überschriften der letzten Wochen und Monate lesen, dann lesen wir Folgendes: „N 24“ – „Ursula von der Leyen setzt auf Dialog“. „Die Zeit“ – „Kretschmann setzt auf Dialog“. Ebenfalls „Die Zeit“ – „Tillich plädiert für Dialog mit Pegida“. „Die Welt“ – „Genossen rüffeln Gabriel für seinen Pegida-Dialog“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Spitzenpolitiker in dieser Bundesrepublik, Sie spalten das Land. Merken Sie das nicht? Ich muss Ihnen sagen, eine Stimme der Vernunft kommt aus Bayern. Gerade Sie in der CDU schauen ja immer so gern nach Bayern. Ja, Horst Seehofer sagt dazu: „Ich halte nichts davon, dass man sich mit den
Leuten zusammensetzt.“ Man müsse sich nur einmal die Lebensläufe der führenden Leute von Pegida anschauen. Man muss schon wissen, mit wem man es zu tun hat.
Sie schauen so gern nach Bayern, weil Sie immer wieder sagen, da gibt es ein Land, in dem es keine wesentliche Partei rechts von der CSU gibt. Nehmen Sie sich wenigstens, was diese Frage anbelangt, ein Beispiel an der CSU, die zumindest dazu eine klare Stellungnahme abgibt.
Noch etwas: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten hat man in Bayern den Slogan geprägt: „Mit Laptop und Lederhose“ und hat versucht, damit einen neuen Aufschwung hinzubekommen. Setzen Sie doch einmal ein Zeichen und sagen Sie, dass Sie hier mit kulturellem und demokratisch-politischem Umschwung in Sachsen anfangen wollen. Das wäre ein Zeichen, dass es mit der Demokratie in Sachsen vorangeht – ein wichtiges Zeichen für alle, die sich für Demokratie einsetzen.
Dialog macht nur dann Sinn, wenn man den Leuten einige ihrer Forderungen erfüllt. Wollen Sie das? Können Sie das? Wollen Sie das ernsthaft? Ich fürchte, Sie frustrieren die Menschen noch mehr. Dieser Frust – und das ist meine große Sorge – wird sich wieder an einigen Schwächeren entladen.
Apropos: Gab es eigentlich einen Dialog mit den Opfern eines Übergriffs in der Altmarktgalerie durch die Anhänger von Pegida nach einer Demonstration? Hat es einen Dialog gegeben? Das waren Schülerinnen und Schüler der Alevitischen Gemeinde Dresden. Diese Schülerinnen und Schüler – zumindest einige davon – haben im letzten Jahr den Sächsischen Demokratiepreis in Leipzig erhalten. Vielleicht sollten Sie sich einmal mit denen auseinandersetzen.
Wo war eigentlich Ihr Dialog mit sämtlichen Demokratieinitiativen, die sich gegen die unsägliche Extremismusklausel gewehrt haben? Gab es da einen Dialog? – Da hat es keinen gegeben. Im Gegenteil. Sie haben sich als Landesregierung aus dem Demokratiepreis zurückgezogen. Das ist das falsche Zeichen. Wenn wir einen Bürgerdialog wollen, müssen wir etwas für die Demokratie in diesem Land tun. Dann geht es um die Fragen von Schülerparlamenten, von Jugendparlamenten, von Seniorenvertretungen in den Städten und Gemeinden, aber auch im Land und von Migrantenbeiräten. Das ist ein wirklicher Beitrag zum Dialog in diesem Land. Dann können wir uns die anderen Dinge sparen.
Kollege Richter sprach für die Fraktion DIE LINKE. Möchte die AfD noch einmal das Wort ergreifen? – Bitte, Herr Kollege Dreher.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nur noch ein paar kurze Gedanken: Ich halte die Pressekonferenz von Herrn Richter für sehr
Wenn ich hören muss, dass man mit Neonazis und Mitläufern nicht reden darf, halte ich auch das für einen Fehler. Dass man sich von dieser menschenverachtenden Ideologie natürlich aufs Schärfste abgrenzt, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber wie will ich denn solche Mitläufer herauslösen? Ein jeder Straftäter hat einen Anspruch darauf, dass er resozialisiert wird. Er wird auf Bewährung aus der Strafhaft entlassen. Er bekommt einen Bewährungshelfer. Man versucht, ihn wieder in die Gesellschaft einzugliedern.
Wenn ich einen Nazi-Mitläufer habe, muss ich auch in den Dialog treten und versuchen, ihn aus dieser Ideologie, aus diesem Umfeld herauszulösen. Also muss ich mit ihm reden. Das wird hier von mancher Seite leider völlig verkannt. Darum ist es gut, wenn auch ein Innenminister auf diese Leute zugeht und mit ihnen spricht.
Wir müssen auch mit solchen Leuten sprechen, ihnen zuhören, sie zum Nachdenken bewegen, sie überzeugen und nicht ausgrenzen.
Das war Herr Dreher für die AfD-Fraktion. Möchte die Fraktion GRÜNE in dieser zweiten Runde noch einmal das Wort ergreifen? – Das ist nicht der Fall. Wir könnten eine dritte Runde eröffnen, und wir wollen das auch. Für die einbringende CDUFraktion spricht erneut Kollege Hartmann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aktuelle Debatten haben zwei Vorteile: Man hört die Argumente der einzelnen Fraktionen und hat Gelegenheit, darauf zu reagieren. Das möchte ich jetzt auch gern tun.
Ich glaube, über Frank Richter ist sehr viel gesprochen worden. Entscheidend ist – und darüber sind sich offensichtlich alle einig –, dass Frank Richter bisher eine wertvolle Arbeit für den Freistaat Sachsen geleistet hat und auch weiter leisten wird.
Aber zum Debattenthema „Wie kann der Bürgerdialog gelingen?“: Von einigen Rednern wurden Punkte angesprochen, die den Bürgerdialog sehr schwierig gestalten. Denn: Was ist Pegida? Das ist eine spannende Frage, und offensichtlich haben hier einige ganz pauschale Antworten. Aus meiner Sicht liegt da schon einmal der Fehler. Wenn Sie sich die Zeit nehmen, sich mit Pegida zu beschäftigen, und sich die Frage stellen, wofür Pegida steht, komme ich zumindest zu der Erkenntnis, dass dort nicht eine Position, eine Meinung und ein Thema stehen, sondern dass die gesamte Spannbreite der Gesellschaft vertreten ist. Von Arbeitslosen über Unternehmer, über
Links-Wähler, CDU-Wähler, AfD-Wähler und vor allen Dingen von vielen Nicht-Wählern wird eine Themenvielfalt bedient, die von GEZ-Gebühren über die Europakrise, über die Finanzpolitik, über die Islamisierung, über alle Themen der Gesellschaft geht. Sie spüren eine Unzufriedenheit in sich und offensichtlich auch ein Gefühl des Nichtverstandenwerdens.
Das macht es nicht einfach, sich mit dem Thema Pegida und der Frage, wie ich damit umgehe, auseinanderzusetzen. Dann sind wir bei den Dialogangeboten. Da steht am Anfang eben nicht die Ausgrenzung. Das mag hilfreich sein, um der eigenen Klientel zu erklären, dass es Grenzen gibt, um von vornherein den Eindruck zu vermitteln, dass man sich korrekt geben möchte. Das mag vielleicht sogar für einige Parteien möglich sein, deren Klientel so organisiert ist, dass sie auch nur ein Thema bedienen müssen.
Für eine Partei wie die CDU ist das relativ schwierig, denn wir verstehen uns als Volkspartei. Genauso, wie in unserer Partei der Diskurs über die Frage Pegida und die Themen in einer großen Spannbreite stattfindet, so findet dieser Dialog und der Diskurs in der Gesellschaft statt. Das bedingt, wenn Politik sich ernstnehmen will und wenn wir der Aufgabe gerecht werden, für die wir hier gewählt wurden, dass wir in der Tat zuhören, die Themen definieren, erklären, auch erklären, warum etwas nicht geht. Der Mut gehört schon dazu. Aber es gehört auch in diesen gesellschaftlichen Diskurs – und da muss ich Ihnen jetzt einmal sagen, ganz so ist es ja nicht –, dass die Mehrheit permanent die Minderheit an die Wand drückt.
Damit bin ich bei dem Thema: Was ist Demokratie? Da bin ich bei meinem Abgeordnetenkollegen Anton. Der spricht zu Recht davon. Zum Schluss ist Demokratie die Entscheidung der Mehrheit. Das wird man wohl noch akzeptieren dürfen und müssen, zumindest, wenn man sich im Rahmen unserer gesellschaftlichen und verfassungsmäßigen Ordnung bewegt.
Dann gehört die Akzeptanz von Minderheiten und deren Positionen dazu und auch der Schutz von Minderheiten. Aber das heißt noch lange nicht – und das ist auch eine Frage von Akzeptanz –, dass Sie der Mehrheit die Minderheitenpositionen aufzudrücken versuchen unter dem Motto: Willst du ein guter oder willst du ein schlechter Mensch sein? So funktioniert es nicht und dann sorgen auch Sie für Politikverdrossenheit. Entscheidend ist immer, für Positionen zu werben.
Das gilt insbesondere für den Umgang mit Pegida. Ich hatte es schon gesagt: Pegida ist eine Plattform, auf der sich viele Menschen treffen. Ganz klar, es gibt auch für uns keine Grundlage, uns mit Nationalsozialisten, Rassisten auseinanderzusetzen. Aber mit den Themen, die in der Gesellschaft diskutiert werden, werden wir das tun. Ich will es auch deutlich sagen. Wenn Sie in Ihren Positionen es einfach formulieren und sagen: „Wer zu Pegida geht,
ist ein Rassist, da stehen nur Rassisten.“, dann werden Sie weiter in der Bevölkerung eine Unzufriedenheit erzeugen. Wir sind im Dialog auch mit Pegida-Teilnehmern mit unterschiedlichen Positionen, mit unterschiedlichen
Meinungen, die ich nicht alle teile, aber für die wir im Wesentlichen Verständnis aufbringen und über die wir uns auseinandersetzen müssen.