Dialog ist richtig, Dialog muss immer sein, wir müssen ihn als Politiker suchen, aber bitte nicht nur mit den Lauten, Schrillen und Aggressiven. In der Politik darf es nicht darum gehen, wer am lautesten ist, sondern wer die besten Argumente hat. Lassen Sie uns also auch den leisen Kritikern zuhören, lassen Sie uns den Minderheiten zuhören, lassen Sie uns denen zuhören, die kein oder noch kein Stimmrecht bei Wahlen haben, wie Kindern oder Migrantinnen und Migranten. Auch das gehört dazu.
Wir müssen auch im Bereich der politischen Bildung – damit meine ich nicht nur die Landeszentrale – an vielen Stellen noch einmal überlegen, was wir besser machen können. Ist es zum Beispiel richtig, dass der – ich nenne es jetzt so, wie es alle Leute noch immer nennen – Gemeinschaftskundeunterricht erst in der 9. Klasse beginnt und jemand, der nach der 9. Klasse die Schule verlässt, nur ein Jahr Gemeinschaftskundeunterricht hatte? Wir haben große Probleme damit, dass es vielen Leuten schwerfällt, im Internet seriöse von unseriösen Quellen zu unterscheiden. Da werden Verschwörungstheorien verbreitet.
Lassen Sie uns über Möglichkeiten reden, dass der Freistaat Sachsen nicht nur das Gute betont, sondern auch zeigt, dass wir noch besser werden wollen.
Kollege Homann sprach für die einbringende SPD-Fraktion. Als Nächstes ergreift für die Fraktion DIE LINKE Frau Köditz das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzten Worte von Herrn Homann, die politische Bildung betreffend, waren richtig, aber der Ehrlichkeit halber müssen wir doch dazusagen, dass wir seit 25 Jahren in Sachsen mit einem Prozess der Entpolitisierung der Gesellschaft leben. Politik hat an Schulen nichts mehr zu suchen, Probleme im Land werden ausgesessen oder die Verantwortung für Probleme wird an andere abgeschoben. Selbst im Wahlkampf versucht man, dem Dialog mit dem Konkurrenten aus dem Weg zu gehen.
Zum Bildungsurlaub gab es im letzten Landtag eine Debatte, aber da war man nicht mal bereit, darüber nachzudenken. Stattdessen kam in der Debatte immer wieder: Was hat denn der Arbeitgeber davon, wenn sich der Arbeitnehmer politisch weiterbildet? Jetzt haben wir die Problematik. Wir haben über Jahre eine Entpolitisierung der Gesellschaft zugelassen und wundern uns jetzt, dass wir anfangen müssen, demokratische Kultur in Sachsen zu entwickeln. Jetzt fragen wir uns, wie der Bürgerdialog funktionieren kann. Jetzt wollen wir den Bürgerdialog anhand von Pegida.
Herr Hartmann, es gab in den letzten Jahren genügend Proteste im Freistaat Sachsen. Da gab es nie Dialogangebote. Es hieß immer sofort, die Entscheidung ist alternativlos, das geht nicht anders. Für uns als LINKE, das will ich sehr deutlich sagen, gibt es auch Positionen, die alternativlos sind. Das ist zum Beispiel das Recht auf Asyl, das ist die Achtung aller Menschen, die hier leben, und nicht nur die Bürgerschaft. Es geht um die Menschen. Das gegenseitige Akzeptieren ist für uns alternativlos, aber wir erleben immer wieder, dass alternativlos verwendet wird im Sinne von „es wird gemacht, was die Mehrheit sagt“. Herr Hartmann, Sie haben gestern in der Debatte mehrfach ausgeführt, dass es um Mehrheiten gehe und dass man sich um Mehrheiten bemühen müsse.
Wenn es wirklich Ihre Überzeugung ist, dass man es darauf reduzieren kann, dann brauchen Sie sich über die Probleme im Land nicht zu wundern.
Wenn wir wollen, dass der Bürgerdialog gelingt, wenn wir demokratische Kultur wollen, sollten wir bei uns
selbst anfangen, hier im Parlament. Sie haben selbst vorhin davon gesprochen, dass man sich gegenseitig zuhören soll, dass man sich gegenseitig respektieren soll, dass man Argumente austauschen und dann abwägen soll. Ein Abwägen von Argumenten findet doch hier überhaupt nicht mehr statt. Es steht von vornherein fest, hier Koalition, da Opposition. Der Dialog ist doch nie ergebnisoffen. Das Ergebnis steht aufgrund von Mehrheiten von vornherein fest.
Zu Ihrer Frage, wie Bürgerdialog gelingen kann, sagen wir ganz klar: mit Spielregeln. Man einigt sich auf eine Sprache, in der man den Dialog führt. Man lässt sich ausreden und hört sich zu. Man hinterfragt Begriffsinhalte, damit man über das Gleiche spricht. Und man kann und muss die folgende Spielregel beachten: Menschenverachtende und rassistische Äußerungen sind in diesem Dialog nicht erlaubt.
Frau Köditz sprach gerade für die Fraktion DIE LINKE. Als Nächster in der ersten Runde spricht für die AfD-Fraktion Herr Dr. Dreher.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU versucht es, sie möchte mit den Bürgern in den Dialog treten. Die erste Reaktion kann sein: toll! Die zweite sollte sein: warum erst jetzt? Warum nicht vorher? Ist Dialog nicht Grundlage einer jeglichen politischen Entscheidung?
Das Thema Pegida wurde angesprochen. Die Tatsache, dass dieser Dialog zunächst lange verweigert wurde und stattdessen alle Pegida-Teilnehmer pauschal mit der Nazikeule in die braune Ecke geprügelt wurden, weicht langsam der Erkenntnis, dass der Dialog geführt werden muss. Das haben wir auch gerade gehört. Das nun wird mit einem großen Medienrummel auch publik gemacht. Es zeigt, wie es mit deutscher Diskussionskultur im Augenblick noch bestellt ist.
Herr Ministerpräsident! Meine Damen und Herren von der CDU! Ich glaube Ihnen, dass Sie mittlerweile an diesem Dialog interessiert sind, und ich glaube auch, dass die Ansichten der Pegida-Demonstranten und Ihre eigenen oft gar nicht so weit auseinanderliegen.
Wie die SPD zum Dialog mit den Bürgern steht, ist uns nach wie vor nicht ganz klar. Am Anfang des Verhältnisses zwischen SPD und Pegida stand das Wort des nordrhein-westfälischen Innenministers Ralf Jäger: „Dort laufen Nazis im Nadelstreifen“, „Rattenfänger“, „Pegida muss demaskiert werden“. Das war, bevor auch nur ein einziger Vertreter der SPD mit einem Pegida-Demons
tranten gesprochen hatte. Im Gegenteil. Mit diesen arroganten und überheblichen Aussagen demaskiert sich Herr Jäger selbst und gibt den Demonstranten, die genau dieses Verhalten beklagen, recht.
Die Motive, die Tausende Bürger in Dresden auf die Straße treiben, haben nämlich genau damit sehr viel zu tun. Die mit Sorge wahrgenommene Wirklichkeit und Furcht vor zukünftigen Entwicklungen wird pauschal als rechtsextremistisches Gedankengut diffamiert.
Liebe Kollegen von der SPD! Was geht bei Ihnen in der Partei? Frau Fahimi verunglimpft alle und würde am liebsten alle Gespräche unterbinden. Ihr Fraktionschef Oppermann begrüßt dagegen Gespräche mit Demonstranten auf neutralem Boden und auch das Engagement von Herrn Richter von der Landeszentrale für politische Bildung. Herr Gabriel besucht als Privatperson Bürgerdialoge und erhält anschließend grobe Schelte aus dem eigenen Lager. Die SPD ist in der Frage, wie mit dem Phänomen Pegida umgegangen werden soll, tief gespalten.
Apropos Landeszentrale für politische Bildung. Es ist beschämend, wie deren Vorsitzender Herr Richter derzeit in das Kreuzfeuer von Linken und Grünen gerät, obwohl er nichts anderes gemacht hat, als seine Aufgabe ernsthaft und neutral durchzuführen. Mit Rücktrittsforderungen wird er konfrontiert
und das von grüner Jugend, Jusos, und die Mutterpartei sagt nichts dagegen. Dabei ist die Zentrale für politische Bildung ein Vehikel, um gesellschaftspolitische Prozesse zu fördern, aber nicht, um ideologische Experimente und Gehirnwäsche zu unterstützen, wie das dort wohl scheinbar gefordert wird. Wenn Sie jetzt die Absetzung von Herrn Richter fordern, demaskieren Sie sich selbst. Das ist ein antidemokratischer Offenbarungseid.
An diejenigen Vertreter der GRÜNEN und der LINKEN, die bereit wären, ein Gespräch mit einzelnen Demonstranten zu führen, sei dennoch die Frage gerichtet: In welcher Form wollen Sie denn an diese „Mischpoke“ herantreten und herausfinden, mit wem Sie sprechen werden? Sie sehen jemandem nicht an der Nasenspitze an, ob er ein besorgter Bürger ist oder ein Neonazi. Das finden Sie nämlich nur im Gespräch, im Dialog heraus.
Deswegen möchte ich noch einmal kurz auf das Dialogformat mit der Staatsregierung zurückkommen. Was ist das Ziel des Dialogs? Der öffentlichen Berichterstattung ist zu entnehmen, dass die Gesprächsinhalte gesammelt und aufbereitet öffentlich zugänglich gemacht werden. Ich hoffe, dass es dabei nicht stehen bleibt. Es müssen dann auch die politischen Prozesse beginnen und Konsequenzen daraus gezogen werden. Dann machen Sie es richtig.
Arbeiten wir daran, dass sich der Bürger noch mehr von der Politik angenommen fühlt und nicht abwenden muss!
Das war Herr Dr. Dreher für die AfD-Fraktion. Jetzt kommt die Fraktion GRÜNE zum Zug, und es spricht zu uns Herr Kollege Zschocke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich mache seit über 20 Jahren Politik, und seitdem bin ich ständig im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, mit Anwohnern oder mit Initiativen.
Viele von Ihnen sind ja auch Kreis- oder Stadträte und können sich nicht aussuchen, wie Herr Gabriel, ob Sie als Politiker oder als Privatperson in den Dialog treten. Sie sind einfach permanent im Dialog. Zur Zeit werde ich auch von vielen Pegida-Sympathisanten angerufen. Hauptproblem bei diesen Telefondialogen ist, dass das alles vermischt vorgetragen wird, was eigentlich getrennt diskutiert werden müsste. Kaum bin ich mit einem Argument darauf eingegangen, kommt mit einem kräftigen Aber das nächste Thema. Innerhalb von fünf Minuten wird da von GEZ über Zuwanderung, Russlandpolitik, Euro, Volksentscheide alles problematisiert, um letztendlich bei überhöhten Abwassergebühren zu landen, an denen der Koran nun wirklich nicht schuld sein kann. Lösungsorientierter Dialog ist schwierig in so einer Situation. Ich bin zwar Sozialpädagoge, aber Dialog bedeutet nicht nur zuhören und Sorgen ernst nehmen. Dialog bedeutet eben auch Streit, er bedeutet Widerspruch und erfordert auch Klarheit – Klarheit, wenn Grenzen überschritten werden –, und Dialog erfordert auch Regeln.
Dialog muss auch beendet werden, wenn zum Beispiel immer wieder rassistische Argumentationsmuster deutlich werden. Die Grenzen des Dialogs sind erreicht, wenn Minderheiten, Schwächere oder Fremde zu Sündenböcken für Probleme gemacht werden.
Dialog auf demokratischen Grundlagen kann auch nicht gelingen mit Menschen, die glauben, sie könnten allein für das Volk sprechen. Bei all den verschiedenen Motiven, die Menschen zu Pegida treiben, ist das verbindende Element die Ablehnung der demokratischen Institution. Jeder kann das sehen, hören und lesen. Da hat es nichts mit einem Dialogangebot zu tun, wenn die Landeszentrale für politische Bildung der Pegida einseitig ermöglicht, in einer Pressekonferenz unwidersprochen ihre Thesen in alle Kameras zu äußern. Das sage ich ganz klar mit dem neuen Song von Sarah Connor, den sie hier am Montag vorgetragen hat: Augen auf! Augen auf, lieber Frank Richter, wem Sie da das Wort erteilen.
Ich sage auch Augen auf, Herr Innenminister, mit wem Sie da in den Dialog treten. Große Demonstrationszahlen begründen doch noch lange keinen Anspruch auf ein Kooperationsgespräch mit einem Innenminister. Wenn ab sofort all diejenigen ein Gesprächsangebot bekommen, die am lautesten brüllen, läuft das doch auf die Zerstörung des offenen Diskurses hinaus.