Protocol of the Session on March 15, 2018

Auf Herrn Urban folgt jetzt noch einmal die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Kollege Günther, Sie ergreifen erneut das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann ja erst einmal feststellen, dass wir uns eigentlich relativ einig sind. Niemand will die Dieseltechnologie als Antriebstechnik abschaffen – das habe ich von keinem gehört. Ich habe auch von niemandem gehört, dass wir im Prinzip wollen, dass der Verbraucher oder der Handwerker irgendwie die Kosten für betrügerische Sachen tragen muss, die in der Industrie passiert sind, und für das

Versagen aufseiten des Staates, dies zu kontrollieren. Darüber sind wir uns eigentlich auch alle einig. Niemand will Fahrverbote. Das wollen wir alle nicht, wir sind uns darin alle einig.

Vor diesem Hintergrund ist es relativ müßig, das dem anderen auch immer zu unterstellen und dann so eine Pseudodebatte aufzumachen. Also wir GRÜNEN wollen das nicht, ich habe es auch von keinem anderen gehört. Dann möchte ich aber einmal darum bitten, dass wir bestimmte Dinge auch ernst nehmen.

Möchten Sie eine Zwischenfrage genehmigen?

Bitte, Herr Urban.

Herr Günther, geben Sie mir recht, dass Mobilität ein Kostenfaktor ist und dass Grenzwerterhöhungen und verbesserte Technologien am Ende Mobilität teurer machen?

Ich verstehe erst einmal die Frage nicht. Es kann keiner bestreiten, dass Mobilität ein Kostenfaktor ist. Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen. Wir diskutieren gerade auch nicht darüber, dass wir Grenzwerte anheben wollen. Deshalb verstehe ich Ihre Frage nicht. Mir fehlt ein bisschen der Bezug zu dem, was wir hier debattieren.

Gestatten Sie eine weitere, vielleicht aufklärende Zwischenfrage?

(Heiterkeit)

Ja, helfen Sie mir.

Bitte.

Ich mache es ein bisschen einfacher.

Mit dem Urteil stehen Umrüstungen für Dieselfahrzeuge an und eventuell Neukäufe, wenn Fahrverbote in Innenstädten erlassen werden. Feinstaubgrenzwerte für Benziner werden im Herbst kommen. Wir werden noch neue Probleme haben.

Stimmen Sie mir zu, dass diese Umrüstungen und Neufahrzeugkäufe eine finanzielle Belastung für die Bürger und Handwerker sind, die dazu gezwungen werden?

Wir haben mehrere WennDann. Das Bundesverwaltungsgericht hat weder ausgesprochen, dass es Fahrverbote gibt, noch dass bestimmte Fahrzeuge abgeschafft werden müssen. Dafür müssen einige Dinge passieren. Es gibt jetzt gewisse Handlungszwänge und Spielräume seitens der Kommunen, aber auch die Möglichkeit für uns, etwas zu gestalten.

Es ist völlig klar: Ja, es werden Kosten entstehen. Deshalb gibt es die grüne Forderung, dass die Kosten von dem getragen werden, der sie verursacht hat. Das ist die

Industrie. Genau das wollten wir als GRÜNE in den Koalitionsverhandlungen im Bund durchsetzen.

Gestatten Sie noch eine dritte Zwischenfrage? Ich weise aber noch einmal darauf hin, dass es kein Rede- und Antwortspiel zwischen dem Vortragenden und dem Zwischenfrager werden darf. Das ist mein Hinweis.

Ich versuche, mich wirklich zu beschränken. Aber es wurde, wie schon im vorigen Beitrag, wieder auf den Schuldigen verwiesen.

Herr Günther, geben Sie mir recht, dass die EUGrenzwerte existieren und dies in der Verantwortung der Politik liegt und nicht in der der Autokonzerne?

Grenzwerte fallen nicht vom Himmel. Da gibt es keinen Grund für eine große Verschwörungstheorie, dass jemand es jemandem

schwermachen will. Vielleicht wünschen Sie sich Grenzwerte für Chemtrails oder so etwas. Da würden wir genau umgekehrt diskutieren.

(Lachen bei den LINKEN – Carsten Hütter, AfD: Sehr sachlich, Herr Kollege!)

Diese Grenzwerte sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern das Ergebnis eines hoch fachlichen Prozesses, bei dem versucht wurde, Zielkonflikte in den Griff zu bekommen.

Vielleicht sollten wir darauf hinweisen, dass man das Problem, dass Grenzwerte überschritten werden, nicht dadurch löst, dass diese Grenzwerte abgeschafft werden. Diese Überschreitungen machen bestehende Probleme sichtbar und messbar. Man hat sich darauf geeinigt, dass ein Handlungsbedarf besteht, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden. Das ist sehr sinnvoll für eine große Anzahl von Schadstoffen, von denen wir umgeben sind. Das macht es uns überhaupt möglich, in unserer hoch industrialisierten Welt zu leben. Es ist ein Erfahrungsprozess seit dem Beginn der Industrialisierung, dass man für Wirkstoffe mit einer bestimmten Praxisrelevanz erkennt, dass es mögliche Gesundheitsbeeinträchtigungen gibt. Da schafft man dann Grenzwerte. Wenn diese überschritten werden, muss man handeln. Das ist dann – Kollege Böhme hat es beschrieben – der Anlass für Innovationen, weil man das technisch in den Griff bekommen will.

Grenzwerte machen Probleme nur sichtbar. Wenn ich den Grenzwert abschaffe, kann ich die Überschreitung nicht mehr mit Zahlen belegen, aber das Problem ist genauso vorhanden.

Zur Erinnerung: Wenn festgestellt wird, dass das für circa 10 000 Menschen in Deutschland die Sterbeursache ist, dann kann ich den Grenzwert verschieben wie ich will, aber das wird daran nichts ändern.

(Jörg Urban, AfD: Das ist eine Hypothese!)

Ist die Frage damit hoffentlich ein kleines bisschen verständlich beantwortet worden?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie können alles bestreiten, was sich jemand anderes ausgedacht hat.

(Jörg Urban, AfD: Nicht nur ich, das bestreitet die Wissenschaft. Dr. Klinger!)

Sie sind Fachmann für Medizin. Wir wissen doch, dass die AfD immer alles besser weiß.

Zurück zu meinem Redebeitrag.

Wenn wir uns eigentlich so einig sind, was wir alles nicht wollen und was nicht passieren soll, dann bitte ich darum, dass wir uns als Parlament in dieser Debatte auch ernst nehmen. Das sage ich auch an die Adresse der beiden Kollegen der CDU, Herrn Heidan und Herrn Pohle: Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie als CDU, als staatstragende Partei anfangen, Gerichtsurteile auseinanderzunehmen und ein bisschen lächerlich zu machen.

(Zuruf des Abg. Ronald Pohle, CDU)

Ich finde es auch nicht in Ordnung, dass wir, wenn wir rein fachlich wissen, dass zwei Drittel der Stickstoffemissionen von den Diesel-Pkws stammen, auf das andere Drittel eingehen. Da könnten wir uns tagelang unterhalten, welche einzelnen Emissionsquellen es gibt. Die Frage ist doch, wo der große Hebel liegt. Wenn es diese zwei Drittel gibt, dann gibt es logischerweise das andere Drittel, das sich aus anderen Dingen zusammensetzt.

Vor diesem Hintergrund danke ich ausdrücklich Kollegen Homann von der SPD für seinen sehr sachlichen und differenzierten Beitrag. Wir müssen das Problem mit den Stickoxiden erkennen. Dafür brauchen wir jetzt eine Lösung.

Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Herr Wild, die Redezeit war abgelaufen, wollen Sie jetzt aber eine Kurzintervention machen?

Herr Günther, ich hätte Ihnen gern die Frage gestellt, aber nun mache ich es ohne Fragestellung.

Ihr Parteikollege, der Landesgesundheitsminister Manfred Lucha aus Baden-Württemberg, sieht die Lage ein ganzes Stück anders als Sie. Ich wollte Sie fragen, wie Sie dazu stehen. Er sieht die Feinstaubdebatte völlig anders. Er hat in einem Interview mit der „Heilbronner Stimme“ gesagt: „Eine Zigarette setzt mehr Feinstaub frei als der Dieselbetrieb ohne Katalysator bei einer Stunde Laufzeit.“

(Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Er sagt: „Wir müssen alle Emissionsquellen einbeziehen.“ Er sagt: „Es darf keine Schnellschüsse geben.“

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Das ist die Meinung eines GRÜNEN aus dem MercedesLand Baden-Württemberg. Das steht im völligen Widerspruch zu dem, was Sie hier vortragen.

Danke.

Das war die Kurzintervention von Herrn Kollegen Wild. Jetzt kommt die Antwort von Herrn Kollegen Günther.