Protocol of the Session on March 14, 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will es gleich eingangs vorwegschicken: In dieser Frage passt selbst zwischen CDU, SPD und LINKE kein Blatt Papier.

Aber Achtung: Wenn man sich den Titel der Debatte genau anschaut, dann spürt man, dass es in erster Linie immer wieder um die alte Botschaft geht: Die Europäische Union ist die Cashcow, die bitte schön das Geld herüberreichen soll. Wir haben schon in vielen Debatten den Kollegen Schiemann gehört. Ansonsten sollen sie uns doch mit Einflussnahme vom Acker bleiben.

Lassen Sie mich sehr deutlich sagen: Sicherlich hat die Regionalpolitik eine Unterstützungsfunktion gegenüber den Regionen, aber nicht nur. Leider wird Regionalpolitik von Ihnen nicht als aktive zweiseitige Beziehung gesehen, in der die Regionen im Sinne des Multilevel-GovernanceSystems aktiv an der Gestaltung von Regionalpolitik der Europäischen Union teilhaben und Einfluss nehmen. Das sehe ich als Problem bei Ihnen.

Notwendig – da sind wir uns einig – ist die weitere Förderung durch die Kohäsionsfonds ohne Zweifel. Im Sinne der gemeinsamen Erklärung aus Brandenburg und dem österreichischen Burgenland – diese kennen Sie mit Sicherheit, Herr Staatsminister – stimmen wir dem zu. Die Europäische Union muss trotz des Brexits die finanziellen Herausforderungen der Kohäsionspolitik ohne große Einschnitte tragen können. Das hat aber auch Folgen für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Auch darüber muss man sich einig sein.

Die Kohäsionspolitik soll nach unserer Auffassung ihren bisherigen Anteil an den Gesamtmitteln des mehrjährigen Finanzrahmens behalten. Sofern es zu einer Absenkung kommt – Kollege Mann hat das unter anderem für die Regionen Leipzig und Dresden beschrieben –, muss dies mit Augenmaß und vor allem für Regionen in verkraftbarem Umfang geschehen.

Aus unserer Sicht bleibt jedoch entscheidend, dass die Kohäsionspolitik aus der Perspektive europäischer Integrationspolitik – Kollege Mann, dafür bin ich Ihnen ebenfalls dankbar – die Frage der gegenseitigen Solidarität, Integrationspolitik in der Europäischen Union und damit in grundsätzlicher Debatte auch für die Zukunft der Europäischen Union zu betrachten ist. Beispielsweise die Weißbuch-Debatte etc. sei hier nur angerissen. Deshalb – so sind wir überzeugt – müssen die Regionen, insbesondere auch die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, sowie die Akteure der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, der Industrie, Forschung, Bildung etc. in die politischen Entscheidungsprozesse einbezogen werden, um die europäische Integrations- und Kohäsionspolitik zu gestalten. Das ist weit mehr als die einseitige Forderung nach finanzieller Förderung, Kollege Schiemann. Diese Schieflage müssen wir noch gemeinsam in der Darstellung ausdiskutieren.

Anregungen dazu lassen sich nach unserer Auffassung aus der Debatte der Taskforce Subsidiarität der Europäischen Kommission entnehmen. Ich habe es zwar nur in Englisch gefunden, aber das Erste liegt schon mal vor. Dort werden ausdrücklich die mangelnde Beteiligung und die fehlende Einbeziehung der Regionen und Kommunen in den europäischen Entscheidungsprozess bemängelt. Das muss

thematisiert werden. Es muss nach Wegen gesucht werden, dieses Defizit in allen Phasen des politischen Entscheidungszyklus zu beheben, beispielsweise im politischen Dialog usw. Das kennen Sie ja alles: das Jahresarbeitsprogramm der Kommission zur Einbeziehung bei territorialen Folgeabschätzungen, Subsidiaritätskontrolle etc. Das will ich nicht alles ausführen, aber damit Sie wissen, was ich meine.

Dann wird auch die sächsische Forderung nach den Fördermitteln als Belang einer solidarischen Europäischen Union inhaltlich durchdacht und gegenüber den Partnern in der EU und auch den anderen Bundesländern glaubhaft und überzeugend vertreten werden können. Das ist unsere feste Überzeugung. – Das Weitere in der nächsten Runde.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die AfDFraktion Herr Abg. Beger, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europäische Regionalförderung hin oder her: Margaret Thatcher würde fordern: I want my money back! Für den Bürger stellt sich grundsätzlich die Frage, warum er einen Teil seiner Steuergelder an die EU abzugeben hat, die EU diese Steuergelder mit viel Verwaltungs- und Bürokratieaufwand wieder verteilt und er sich bei der Verteilung besonders bemühen muss, einen möglichst großen Teil seiner Steuergelder, die nun Fördergelder heißen, wieder zurückzubekommen. Diese Rückgabe geht mit einem hohen Verwaltungsaufwand über Beantragungen, Bewilligungen und Abrechnungen gegenüber der EU vonstatten. Eine großartige Praxis, die einer hoch bezahlten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ähnelt, für die der europäische Steuerzahler aufkommen muss.

So hat Deutschland im Jahr 2016 rund 11 Milliarden Euro mehr zum EU-Haushalt beigetragen, als es an Mitteln erhalten hat.

(Zuruf von der CDU)

So zahlte Frankreich circa 9 Milliarden Euro mehr und in Großbritannien waren es circa 6,3 Milliarden Euro. Nach dem Brexit wird auch dem Letzten klar, dass die EU eben kein Topf ist, in den alle einzahlen und am Ende jeder mehr herausbekommt, als er eingezahlt hat.

Das Juncker-Prinzip, wenn es ernst wird, muss man lügen, hat nun kurze Beine bekommen. Bereits der Historiker John Dennis Charmley nannte es die Ursünde, dass die Politik den Beitritt Großbritanniens im Jahr 1973 zur europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ausschließlich mit dem Versprechen von wirtschaftlichen Vorteilen erwirkt hat. Spätestens mit dem Brexit ist wohl auch einigen Damen und Herren in Brüssel klar geworden: Es gibt Grenzen der Lügerei und es gibt Grenzen der Geberlaune.

Dieser unerträglichen Haltung – ich zitiere wieder Herrn Junker: „Wir beschließen etwas, stellen das in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei und keine Aufstände gibt, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir Schritt für Schritt weiter, bis es kein Zurück mehr gibt.“ – sind Grenzen zu setzen.

Meine Damen und Herren, die Zeit läuft für die Bürgerinnen und Bürger und für die Unternehmen. Spätestens im Mai 2018 redet die Kommission mit. Was das für Sachsen bedeutet, dazu komme ich in der zweiten Runde.

(Beifall bei der AfD)

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abg. Günther, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es fast befürchtet, aber es ist wieder klar geworden: Die AfD hat das Prinzip der Europäischen Union überhaupt nicht begriffen.

(Beifall bei den GRÜNEN – André Barth, AfD: Doch, nur das wollen wir aber nicht so! – Carsten Hütter, AfD: Geldverteilungsmaschine!)

Man sagt, dass wirtschaftliche Erfolge, wirtschaftliche Vorteile mit Fördermitteln indentisch sind, die über die EU fließen. Es werden Sachen durcheinandergeworfen und viele Aspekte überhaupt nicht betrachtet. Die Europäische Union ist vor allen Dingen erst einmal aus einer Reaktion gegründet worden, aus Zeiten, die wir davor hatten. Aus Europa sind zwei Weltkriege hervorgegangen. Wir haben in einer Situation gelebt, in der sich Staaten gegenseitig als Erbfeinde angesehen haben. Man hat genau geschaut, ob man von den anderen etwas erobert, weil sie dort ihre Montanindustrie haben. Das war das, wo wir herkamen. Diese Situation haben wir aufgelöst und deshalb hat die Europäische Union auch einen Friedensnobelpreis bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU, der SPD und den LINKEN – Zuruf des Abg. André Barth, AfD)

Die Grundlage für Wohlstand und auch für den Wohlstand, in dem Sie fröhlich leben können, ist in erster Linie Frieden und zweitens, damit es wirtschaftlich funktioniert, der freie Austausch von Menschen und Gütern. Das organisiert die Europäische Union in mustergültiger Art und Weise.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD und den LINKEN)

Zum nächsten Aspekt: Wenn man auf dieser Basis arbeitet und vor allen Dingen europaweit den Gedanken der gegenseitigen Solidarität hat, dann bedeutet es auch, dass nicht immer jeder alles zurückbekommt, was er einzahlt, weil es manchmal noch einen Vorteil bringt, wenn in seinem Umfeld – das kennen wir auf unserer Basis – Sozialausgaben hin- und hergeschoben werden und den

Ärmeren etwas zur Verfügung gestellt wird. Das kennen wir auf jeder Ebene und das funktioniert auch in der Europäischen Union so. Das ist Grundlage von all dem. Sie verstehen das nicht, und man kann Ihnen wahrscheinlich auch nicht mehr wirklich weiterhelfen.

(André Barth, AfD: Das verstehen wir sehr gut!)

Der gesamte Wohlstand und wie sich Sachsen entwickelt hat, ist ohne Solidarität aus der Europäischen Union nicht denkbar. Es gibt kein nennenswertes größeres Investitionsprojekt, in das keine europäischen Gelder hineingeflossen sind, auch im gesamten Bereich der Wirtschaft; ob das Technologieförderung ist, ob das Weiterbildung ist für jeden Meister, überall fließt europäisches Geld hinein, wenn es um ländliche Raumförderung geht, die in den Regionen entschieden wird – sehr unbürokratisch weitgehend –, da geht viel Geld hinein. Nehmen Sie einmal teil in diesen Regionen und sehen Sie, wie das funktioniert.

Das passiert alles nur mit europäischen Geldern. Wir sollten dankbar sein, dass wir sie bekommen haben. Wir hatten es schon einmal zur GAP-Debatte: Wir sind NettoEmpfänger in Sachsen und werden es noch eine Weile bleiben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber klar ist: Wir müssen schauen, wie wir das diskutieren und wie es weitergeht. Der Topf wird nicht größer, auch nicht durch den Brexit, das ist völlig klar. Wenn wir den Punkt Solidarität und die Kohäsionspolitik ernst nehmen

(Zurufe der Abg. André Barth und Carsten Hütter, AfD)

vielleicht versuchen Sie es einmal mit einer Zwischenfrage, dann bekomme ich mehr Redezeit –, dann heißt das auch, dass es, wenn wir uns in Sachsen besser entwickeln und Erfolge haben, sicherlich nicht immer weitergehen kann, dass wir auf Höchstmaß gefördert werden.

Es gibt dabei zwei Perspektiven: unsere sächsische, dort ist immer jeder Cent gut, den wir bekommen. Verantwortung heißt aber auch, eine europäische Perspektive aufzumachen. Dort heißt es: Es nützt uns auch, wenn es in den anderen europäischen Regionen besser wird. Deshalb wird es wohl auch so kommen, und es ist für uns vertretbar, wenn bei uns die Förderung nach unten geht.

Deshalb müssen wir darüber diskutieren, wie wir diese noch zielorientierter dorthin bekommen, wo wir jetzt noch unsere Defizite haben, wie wir einen technologischen, einen industriellen Wandel hinbekommen, wie wir die Fragen des Klimawandels in den Griff bekommen, aber auch soziale Fragen. Es gibt ein weites Themenfeld, in das europäische Gelder hineinfließen können und worüber wir diskutieren müssen, sicherlich auch die Mittelvergabe.

Ich möchte noch eines ausführen: Es gibt immer das große Lamento über die bürokratische EU. Das mag in manchen Fällen so sein. Es gibt aber auch genügend Fördermittelempfänger, die sagen: Ja, man kann sich

durchaus einarbeiten. So kompliziert ist es nicht, und deswegen machen wir das auch, weil wir unter dem Strich einen großen Gewinn haben. Es ist auch nicht so, dass jedes Förderprogramm des Landes oder des Bundes nun so etwas Einfaches wäre, was auf einen Bierdeckel passt, sondern die Verantwortung und wie man etwas gestaltet, ist überall sehr heterogen. Also auch da ist es schwierig, wenn man Vielfalt erkennen will im Leben. Es ist nicht alles über einen Kamm zu scheren. Das gilt genauso für die EU-Mittel.

Man muss sagen: Es ist wohlfeil, auf die EU zu schimpfen und zu sagen, wie bürokratisch das ist, sie nehmen unser Geld weg. Erstens nimmt uns die EU in Sachsen kein Geld weg, sondern gibt es uns nur. Und zweitens hätten wir ohne Beantragung von Geld auch keine Bürokratie. Wir gewinnen unter dem Strich und wir werden auch in Zukunft weiter gewinnen in diesem Umfang. Wenn wir jetzt schauen: Bei den neuen Herausforderungen könnte man konkret werden, bisher ist das Bruttoinlandsprodukt der Hauptmarker, wofür es Geld gibt. Jetzt stellen wir in Sachsen fest, dass es noch andere Probleme gibt. Das teilen wir auch mit Ost- und Mitteleuropa. Es droht, dass in Regionen die Bevölkerung massiv zurückgeht.

Bitte kommen Sie zum Ende.

Vielleicht ist das auch ein Indikator, der da mit hineinkommen sollte. Das sind alles Sachen, die wir weiterentwickeln können. Es gibt Ideen wie LEADER oder auch lokale Arbeitsgruppen, die gebildet werden, bei denen es gut funktioniert.

Herr Günther, bitte!

Es kann ausgebaut werden, dass mehr Verantwortung vor Ort kommt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie möchten eine Kurzintervention halten?

Ich danke erst einmal für Ihre sehr engagierte und emotionale pro-europäische Rede, die Sie gehalten haben. Aus Ihrer Sicht ist das alles mit Ihrem Weltbild begründbar. Aber fangen wir einmal an: Sie haben wortwörtlich ausgeführt: Die Europäische Union ist gegründet worden, weil wir zwei Weltkriege auf dem europäischen Kontinent hatten und weil wir den Frieden durch die Europäische Union sichern wollten.

Ist Ihnen bereits bekannt, dass es zu Zeiten der Weimarer Republik bereits deutliche Vordenker gab, die eine Europäische Union, allerdings im Rahmen eines Völkerbundes, propagiert und die Ablösung der Nationalstaaten gefordert haben? Das ist meine erste Frage.

Das war eine Kurzintervention. Herr Günther, bitte.