Protocol of the Session on February 1, 2018

Wir haben uns in diesem Hohen Hause schon einmal mit der Problematik Verwaltungsvereinfachung, Entbürokratisierung beschäftigt. Ich freue mich, dass das Konzept unseres Landwirtschaftsministeriums – als Initiative ELER-RESET bekannt – von der EU-Kommission aufgegriffen wurde und sich viele Vorschläge in der kommenden Förderperiode als Vereinfachung für Förderempfänger und Verwaltung wiederfinden werden. Wir brauchen in Zukunft Programme, die verständlich und handhabbar als Voraussetzung für die Akzeptanz der europäischen Politik sind. Hoffen wir, dass unsere sächsischen Ideen in ganz Europa Früchte tragen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Kollege Winkler sprach für die einbringende SPD-Fraktion. – Jetzt ergreift Frau Kollegin Kagelmann für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Ich war zunächst ein bisschen irritiert über den Debattentitel „Gute Ideen aus Sachsen – Agrarförderung nach 2020

beibehalten – notwendige Reformen in Interesse der Landwirte und Verbraucher umsetzen“. Nach meiner Auffassung widerspiegelt das ein wenig einen Widerspruch. Was wollen Sie nun? Wollen Sie etwas beibehalten? Wollen Sie Reformen? Wenn ja, in wessen Interesse?

Da sind wir schon mittendrin in der nun wieder heißen Debatte zur Neuausrichtung der GAP. Wir müssen feststellen, dass sehr wohl ein Riss durch die Landschaft geht, und zwar innerhalb der Agrarwirtschaft selbst, aber auch zwischen Agrarwirtschaft und Verbrauchern, was die Auffassung betrifft: Wohin soll es denn mit der zukünftigen Ausrichtung der europäischen Agarpolitik gehen? Herr Heinz, Sie haben es angesprochen und auf die Historie zurückgeblickt; das ist richtig. Es ging um Ernährungssicherung. Ja, jetzt haben wir das in Europa geschafft. Das ist kein Problem mehr, aber die Welt hat das Problem noch nicht bewältigt. Ich denke, es ist auch eine Verantwortung ganz besonders der Europäischen Union, auch hier Akzente zu setzen, dass Ernährungssouveränität gesichert und der Hunger in der Welt besiegt wird.

Nun wirft die neue GAP-Periode ihre Schatten voraus. Wir sind angehalten, an der Diskussion wieder mitzuwirken. Vielleicht können sich die älter gedienten Abgeordneten unter uns erinnern: DIE LINKE hatte ein eigenes GAP-Konzept zur letzten GAP-Periode vorgelegt. In der Substanz hat das noch Bestand. Die EU verteilt ja keine unerheblichen Mittel: 8,3 Milliarden Euro für Deutschland; insgesamt gibt die EU 60 Milliarden Euro aus; also 40 % des EU-Haushaltes gehen in die Agrarförderung. Da ist es schon berechtigt, dass sich die Parlamente in den einzelnen Nationalstaaten und auch wir in den Bundesländern darüber den Kopf machen, wie das nun verteilt wird. Phil Hogan hat auch schon gesagt, wie er sich das zukünftig vorstellt. Und siehe da, es gibt die ersten Übereinstimmungen. Auch er möchte eine stärkere Flexibilität erreichen. Er möchte die Eigenverantwortung der Nationalstaaten erhöhen, und er möchte weniger Bürokratie haben. Ich denke, das ist eine wohlfeile Ankündigung.

Ich habe aber weniger auf diese großen Ankündigungen geschaut als vielmehr auf den Subtext: Was hat er denn noch gesagt? Er sagt zum Beispiel ganz deutlich, dass er mehr Umwelt-, Klimaschutz und Tierwohl möchte. Das hält er für einen entscheidenden Beitrag, nämlich, dass die Agrarpolitik dazu beitragen soll, auch die großen umweltpolitischen Ziele der EU mit zu erfüllen. Das halte ich für sehr wichtig, weil gerade die Greening-Auflagen – Stichwort: Cross Compliance, das gefürchtete Vehikel in der Landwirtschaft – den großen Aufschrei auch in der deutschen Agrarwirtschaft hervorgerufen haben. Er kündigt schon an, dass es mit Kappung und Degression weitergehen wird. Das wird noch einmal auch hier ein richtiger Streitpunkt werden, denke ich.

Sehr wichtig ist – ich hatte es angesprochen – aus meiner Sicht die Berücksichtigung dieser globalen Dimension von Landwirtschaft auf Handel, auf Migration – sehr

spannend, dass Hogan sich dazu geäußert hat – und auf Nachhaltigkeit. Das finde ich an den Bemerkungen des EU-Agrarkommissars so außerordentlich.

Jetzt haben sich die Agrarminister der Ostländer in Stellung gebracht und ein eigenes Thesenpapier herausgebracht. Meines Erachtens sind darin ein paar gute Ideen enthalten. Es gibt eine hohe Übereinstimmung, gerade was die Forderung der Entbürokratisierung betrifft. Aber ich bin da auch immer etwas vorsichtig. Das klingt aus dem Mund aller möglichen Kommissare und Minister immer sehr gut. Im eigenen Hause ist man dann stets weniger konsequent. Mir ist überhaupt noch nie ein Ministerium begegnet, das keine Richtlinien produziert, die unten an der Basis irgendwie zum Unmut führen. Das liegt in der Natur der Sache.

Die Redezeit ist abgelaufen, Frau Kollegin.

Ich habe das befürchtet. Ich habe so viele Zettel und so wenig Zeit. Ich werde also in der zweiten Runde fortfahren.

(Beifall bei den LINKEN)

Machen Sie das. – Das war Frau Kollegin Kagelmann für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt spricht Herr Kollege Urban für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema „Agrarförderung nach 2020 beibehalten – notwendige Reformen im Interesse der Landwirte und Verbraucher umsetzen“ klingt wieder einmal sehr schön im Interesse der Landwirte und Verbraucher. Aber wie ist die Situation der Landwirtschaft in Sachsen? In den letzten zehn Jahren haben in Sachsen 43 %, also fast die Hälfte der Schweinehalterbetriebe, aufgehört zu arbeiten. Bei den Milchviehhaltern haben wir 20 % verloren.

Dabei muss man auch beachten, dass es vor allem die kleinbäuerlichen Betriebe sind, die vom Markt gedrängt werden, es sind Familienbetriebe, die schließen, und oft sind es Großbetriebe, manchmal auch ohne Bezug zur Region, die das Land übernehmen und aufkaufen. Das führt dazu, dass die Arbeitsplätze verloren gehen, dass die Menschen ihren Lebensunterhalt eben nicht mehr im Dorf verdienen können und dass unser ländlicher Raum ausblutet. Und was tut unsere sächsische Regierung dagegen? Sie beschäftigt sich vor allem mit den EU-Agrarsubventionen, immer den Blick ängstlich nach Brüssel gerichtet. Es werden Analysen in Bezug auf europäische Herausforderungen erstellt. Wenn die CDU jetzt von einem ELER-RESET spricht, dann sieht man nur das altbewährte CDU-Verhalten: Es werden Symptome behandelt, anstatt die Ursachen anzugehen.

Kollege Winkler von der SPD erkannte immerhin, dass die aktuelle Preisentwicklung für landwirtschaftliche Produkte dramatisch und existenzbedrohend ist. Was war

sein Lösungsvorschlag? Er schlug Ausstiegshilfen für milchproduzierende Landwirte vor und forderte wieder eine europäische Lösung. So sieht Ihre Politik aus: Sterbehilfe für sächsische Bauern. Sollten nicht umgekehrt zuerst einmal die sächsischen Herausforderungen erfasst und anschließend europäische Maßnahmenmöglichkeiten ausgelotet werden? Die Herausforderungen der EU sind doch das Problem; denn sie gehen in der Regel an den regionalen Bedürfnissen vorbei. Das hat auch Herr Heinz schon anschaulich beschrieben.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Die ursprünglichen Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik, stabile Preise für Lebensmittel und auskömmliche Einkommen für Landwirte, sind entweder in den Hintergrund gerückt oder wurden verfehlt. Sogar der Deutsche Naturschutzring spricht auf seiner Website von einer unwirtschaftlichen und sogar umweltschädlichen EU

Agrarpolitik. Außerdem sagte er, wichtige Ziele wie ein angemessener Lebensstandard der Landwirte und der Abbau von Ungleichheiten im ländlichen Raum würden verfehlt. Ich möchte es noch etwas schärfer formulieren: Die gemeinsame Agrarpolitik der EU ist ein Fossil. In der heutigen Zeit richtet sie gerade in Deutschland mehr Schaden als Nutzen an.

(Beifall bei der AfD – Zuruf von der CDU: Was ist die Alternative?)

Zur Zukunft der Landwirtschaft in Sachsen hat die AfD ganz klare Standpunkte. Es ist unerlässlich, die finanzielle Unterstützung der Landwirte in den nächsten Jahren vollumfänglich aufrechtzuerhalten. Aber Sachsen muss mittel- und langfristig einen eigenen Weg gehen, um die heimische Landwirtschaft zu stärken, frei von den Vorgaben und Restriktionen der EU. Die sächsische Landwirtschaft muss wieder unabhängig vom EU-Geldtopf werden. Ebenso muss unsere Landwirtschaft wieder konkurrenzfähiger gegenüber unseren europäischen Nachbarländern werden. Ein positives Beispiel dafür ist die nationale Agrarpolitik der Schweiz. Dort funktioniert das sehr gut, ganz ohne die EU.

(Beifall bei der AfD)

Die AfD fordert deshalb mehr Unterstützung bei der Produktion und Vermarktung von sächsischen, regional erzeugten Lebensmitteln, Stärkung der Rechte von sächsischen und deutschen Erzeugergemeinschaften, ein Vorkaufsrecht für ortsansässige landwirtschaftliche Betriebe und eine Spekulationsfrist von zehn Jahren analog zur Immobilienwirtschaft, damit eben auch junge Landwirte die Möglichkeit haben, eigenen Grund und Boden zu wirtschaftlich vertretbaren Preisen zu erwerben. Solange es die EU-Subventionen noch gibt, müssen wir auf europäischer Ebene einen steten Rückbau der EUVorschriften durchsetzen.

Wenn wir in Zukunft eine attraktive und vielfältige Landwirtschaft in Deutschland und in Sachsen haben möchten, wenn wir lebendige Dörfer wollen, dann brauchen wir mittelfristig eine Abkehr von der EU-Förderung

und anstelle dessen eine nationale Förderungs- und Aufbaupolitik für unsere deutschen und sächsischen Landwirte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Kollege Urban sprach für die AfD-Fraktion. Jetzt folgt zunächst Herr Günther für die Fraktion GRÜNE, danach der fraktionslose Abg. Wild.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte der AfD gleich einmal widersprechen: Bei der EU-Förderung im Agrarbereich geht es durchaus um ein sehr wichtiges Thema. Das wird allein schon an den Zahlen klar: 40 % des gesamten EU-Haushalts – wir haben es schon von der Kollegin von den LINKEN gehört –, also über die gesamte Förderperiode 400 Milliarden Euro, gehen in den Agrarbereich. Für die sächsischen Landwirte waren es allein im Jahr 2017 247 Millionen Euro. Das ist also ein erheblicher Hebel. Genau deswegen ist es auch wichtig, dass wir uns darüber unterhalten, was damit erreicht wird.

(Zuruf: Das ist nur die erste Säule!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Das ist nur die erste Säule, sind nur allein die Mittel dafür. – Danke für den Hinweis.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Bitte.

Herr Kollege, ist Ihnen bewusst, dass Deutschland als Nettozahler mehr Geld in die EU einzahlt und dass deshalb das Geld, das wir derzeit als Förderung in der Landwirtschaft austeilen, mehr als vorhanden ist? Wir könnten damit nur eigene Ziele besser umsetzen.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie sich bewusst sind, dass wir als Sachsen ein Nettoempfängerland sind

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, den LINKEN und der SPD)

und dass wir gerade so eine Quote von circa 40 % eigenen Geldes haben, das wir in diesem Land ausgeben. Wir müssen also sehr dankbar sein, dass wir Geld hierher bekommen. Sonst würde es uns allen hier und auch Ihnen ganz anders gehen.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Ich bin zunächst einmal ganz dankbar für dieses bereits angesprochene Zehn-Thesen-Papier der ostdeutschen Agrarminister, in dem deutlich zum Ausdruck gebracht ist, dass für so viel öffentliches Geld natürlich auch

öffentliche Leistung kommen soll. Genau darüber müssen wir diskutieren.

Dann ist man zunächst natürlich bei den Betroffenen, die es bekommen. Hinsichtlich der Vereinfachung der Förderung ist es ebenso wie bei allen Fördererprogrammen. Auch da bin ich erst einmal dankbar für dieses ELERRESET-Programm. Das ist durchaus ein sinnvoller Beitrag. Es kann und muss nur einfacher für die Landwirte werden.

Bei folgendem Punkt sind wir vielleicht nicht ganz so beieinander: Sie fragen, was denn damit passiert. Die Agrarförderung funktioniert ja über zwei Säulen. Es gibt erstens die Direktzahlungen, die Hektarprämie, und zudem die zweite Säule, mit der regionale Kreisläufe gefördert werden, also die Entwicklung des ländlichen Raums, aber auch mehrjährige Blühflächen und Beiträge zur Verbesserung der biologischen Vielfalt – also all die Dinge, die für die Natur wichtig sind und worin genau die öffentliche Leistung steckt, die die Landwirtschaft erbringen soll.

Wir sind nachdrücklich dafür, dass wir die Mittel deutlich dorthin umschichten. Bisher sind es 4,5 % der Förderung, die in der zweiten Säule enthalten sind. Möglich sind 15 %. Genau in diese Richtung sollte es auch gehen; denn wir müssen uns erinnern: Dieser hohe Betrag, der dafür ausgegeben wird, ist auch in der öffentlichen Diskussion. Wir diskutieren auf EU-Ebene gerade, auch im Zusammenhang mit dem Austritt Großbritanniens: Können wir überhaupt weiterhin so viel Geld dort hineingeben? Ist es weiter angemessen, 40 % des EU-Haushalts in den Landwirtschaftsbereich zu geben? Dafür muss man sich rechtfertigen. Die zweite Säule ist eine hervorragende Rechtfertigung dafür, dass das Geld gut angelegt ist.

Genauso ist es bei der ersten Säule: Wir haben auch schon über Strukturfragen gesprochen. Es gibt bisher schon eine gewisse Förderung von kleineren Betrieben. Die ersten 30 bis 46 Hektar bekommen nämlich eine höhere Förderung. Auch diese Umschichtung muss deutlich höher werden, wenn wir genau den kleinen Landwirtschaftsbetrieben das Geld geben wollen; denn man muss feststellen, dass 20 % der Betriebe 80 % der Zahlungen bekommen. Das ist nicht unbedingt eine gute strukturelle Steuerung.

Ich habe Ihrer Pressemitteilung vom 17. Januar entnommen, Herr Staatsminister, dass Sie diesem Vorschlag gar nicht ganz abgeneigt sind, sondern eben nur dafür sind, dass man es regional betrachtet; denn es ist klar: Wir haben gerade in Sachsen große Strukturen. Wenn man es EU-weit machte, bedeutete das, dass netto weniger Geld zu uns kommt. Man muss das also vorsichtig anfassen, aber trotzdem dieses Thema aufnehmen.

Auch Folgendes ist wichtig: Die erste Säule ist ja mit Greening-Maßnahmen verbunden. Damit sind im Prinzip alle unzufrieden, die Landwirte genauso wie die Naturschützer, die sagen, das funktioniere nicht richtig. Da muss man noch einmal nachdrücklich herangehen und dies deutlich verbessern, damit es zielgenau ist und einfach effektiver wird.

Ein weiterer Punkt: Wir haben uns in den letzten Jahren hier häufig über Marktpreiskrisen und Milchpreiskrisen unterhalten. Auch dafür ist Abhilfe möglich; denn es gibt eine Krisenreserve, möglich über die erste Säule. Sie müssen wir auch anpacken, um etwa für Milchmengenreduktionen strukturell voranzukommen.