Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die CDU- und die SPD-Fraktion setzen heute das Thema Fahrradwegebau auf die Tagesordnung. Warum auch nicht, denn bisher hat das Thema weder in den Ausschüssen noch in der Öffentlichkeitsarbeit des Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr einen besonderen Platz eingenommen. Wir können diesmal wohl davon ausgehen, dass Herrn Nowak der Berichtsteil nicht zu einseitig ist, obwohl er die Verkehrsthemen ja gerne etwas breiter mag, wie wir den Ausführungen in der 59. Plenarsitzung zum Thema Fußverkehr entnehmen konnten; dort kritisierte er diese Sache. Aber heute als Mitglied einer einbringenden
Fraktion nimmt er das wahrscheinlich nicht so genau. Herr Colditz hat ja einige Kritik geübt, wie es im ländlichen Raum mit dem Radverkehr aussieht.
Meine Damen und Herren, eine lange Zeit war es bei den einbringenden Fraktionen üblich, Berichtsanträge zu stellen, sodass die Staatsregierung ihre Erfolge noch einmal im Plenum dokumentieren durfte. Beim vorletzten Mal wurde dann eine Kleine Anfrage zum Berichtsantrag gekürt. Das war der Antrag mit der Drucksachennummer 6/10754, Antrag zur Stärkung der Industrieforschung. Heute gibt es immerhin einen mehrstufigen Antrag; das ist ein echter methodischer Fortschritt.
Dass Sie zum vorliegenden Antrag nicht vorab die Stellungnahme der Staatsregierung einholen, ist verständlich. Andernfalls hätten Sie Punkt I für erledigt erklären müssen. Oder gab es Anzeichen der Staatsregierung, dass diese zu Ihrem Antrag nicht Stellung nehmen möchte? Das glaube ich nicht.
Zurück zum Antragsinhalt: Ein Bericht über den Ausbaustand des sächsischen Radwegenetzes ist durchaus sinnvoll. Die vom SMWA bereitgestellte Karte des Radwegenetzes ist mit ihrem Stand von April 2014 nicht wirklich aktuell. Folgerichtig sind Informationen zum Umsetzungsvollzug des Radwegekonzeptes, zum Planungsvorlauf und -ablauf angezeigt. Gegen den Berichtsteil ist insoweit inhaltlich nichts einzuwenden.
Beim Prüfungsteil wird es dann schon etwas interessanter. Geprüft werden soll, wie der Mittelabfluss beschleunigt werden kann, ob Notwendigkeiten bestehen, Förderrichtlinien zu vereinfachen, und ob in den dafür zuständigen Behörden ausreichend Fachpersonal für die Angelegenheiten des Radverkehrs vorhanden ist. Anknüpfungspunkt an den Mittelteil sind die Empfehlungen für die Radverkehrsanlagen 2010, die die Empfehlungen von 1995 ersetzt haben. Interessant sind die Forderungen deshalb, weil wir jetzt das Ende des Jahres 2017 einläuten.
Meine Damen und Herren, nach sieben Jahren wollen Sie prüfen lassen, ob entsprechende Förderrichtlinien für Radwege zu komplex sind und diese über die Anwendung der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen 2010 vereinfacht werden können. Sie wollen prüfen lassen, ob es genügend Fachpersonal gibt. Ich glaube, der Joghurt ist hier über dem Verfallsdatum. Wenn die Staatsregierung diese Informationen bis heute nicht hat, sondern erst ermitteln muss, was hat sie dann in den letzten Jahren getan?
Meine Damen und Herren von den einbringenden Fraktionen, ersetzen Sie das Wort „prüfen“ durch das Wort „berichten“. Dann ist die Forderung nicht ganz so peinlich.
Frau Kollegin Grimm, ist Ihnen bekannt, dass wir in Bezug auf die Haushaltsaufstellung für 2017/2018 uns im Doppelhaushalt jetzt mit Ende des Jahres in der Mitte befinden und dass wir in der Haushaltsaufstellung einen hohen zweistelligen Millionenbetrag genau für den Fahrradwegeausbau eingestellt haben und dass es da natürlich deutlich andere Veränderungen als in den Jahren zuvor gibt, als die Mittel noch nicht in diesem Umfang vorhanden waren? Von Verfallsdatum können Sie da sicherlich nicht sprechen. Ist Ihnen das bekannt?
Ja, Herr Heidan. Aber es ist natürlich auch erstaunlich, dass Sie jetzt ein Jahr nach dem Beschluss der Haushaltsmittel gebraucht haben, bis die Stellen im LASuV besetzt werden konnten. Wenn dies, wie Herr Baum vorhin gesagt hat, Ende dieses Jahres passieren wird, dann ist das schon erstaunlich, und die Kommunen werden in vielen Sachen alleingelassen.
Mit der Einholung einer Stellungnahme der Staatsregierung hätte sich Ihr Antrag in den Punkten I und II allerdings komplett erledigt gehabt. Was bliebe von dem Antrag dann übrig? Das ist der Punkt III, ein schmaler Achtzeiler mit den Forderungen, den Radverkehr voranzutreiben und die Verkehrssicherheit zu stärken sowie die Kommunen bei der Förderung des Radverkehrs zu unterstützen.
Wenn ich mich an die letzten Debatten zu den Verkehrsthemen richtig erinnere, dann sind die Forderungen nicht neu. Sie sind aber auch nicht falsch. Leider sind die pauschalen Forderungen, den Bau von Radverkehrsanlagen voranzutreiben oder Arbeitsgruppen zu gründen, wenig ergiebig. Sagen Sie uns konkret, wie die Staatsregierung vorgehen will, und definieren Sie vor allem Umsetzungszeiträume. Herr Colditz hat ja selbst gesagt, direkte Ziele stünden nicht darin.
Ich weiß jetzt, dass im Landkreis Görlitz zurzeit eine Radwegekonzeption erstellt wird. Sie soll im Sommer nächsten Jahres fertig sein. Da bin ich einmal gespannt, inwieweit das Land die Landkreise und Kommunen bei der Umsetzung dieser Konzeptionen unterstützt; denn die Landkreise haben nicht genügend Geld. Es reicht gerade aus, um die existierenden Radwege erhalten zu können. Wenn hier Neubau für den Alltags- und Tourismusverkehr passieren soll, müssen die Landkreise und Kommunen dabei auf alle Fälle unterstützt werden.
Hätten Sie das Ergebnis des Berichtsteils Ihres Antrages abgewartet, wäre hier und heute ein sinnvoller Änderungsantrag Ihrerseits gut gewesen, der den Fahrradwegebau in Sachsen wirklich voranbringt. Das haben Sie
verpatzt. Deshalb und aufgrund der mageren Antragsqualität werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bereits 2014 hat die Koalition aus CDU und SPD die AGFS, die „Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Städte“, in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Ein Jahr später, 2015, gab es einen Antrag mit der Forderung der Gründung einer „Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Städte“. Jetzt, zwei Jahre später, gibt es erneut einen Antrag, der hier im Plenum zum Beschluss vorliegt, zur Gründung einer „Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Städte“. Wie muss ich es denn verstehen, wenn es drei Anläufe braucht, um diese AGFS zu gründen?
Für mich ist das ein Misstrauensvotum, das die Koalition gegenüber dem geschäftsführenden Verkehrsminister ausspricht. Es ist doch ein Zeichen, dass er offensichtlich das Haus nicht im Griff hat, wenn es dieses Antrages bedarf. Warum braucht der Minister drei Jahre, um dieses Anliegen aus dem Koalitionsvertrag endlich gegen den Abteilungsleiter im SMWA umzusetzen? Offensichtlich sind die Hinterlassenschaften der FDP viel größer, als wir zu glauben wagen.
Ich habe wirklich einen großen Optimismus, dass Ihnen der Radverkehr durchaus am Herzen liegt. Aber ich glaube, in Ihrem Ministerium ist das keine Chefsache. Vielmehr wird der Radwegebau im SMWA mit großer Kreativität blockiert, obwohl – und das ist uns, glaube ich, allen klar – es einen Riesennachholbedarf in den Kommunen gibt, was den Radwegebau angeht. Gerade die kleinen Kommunen, in denen die Verwaltungen überlastet sind und das Personal ausgedünnt ist, ist es zwingend notwendig, dass es hier Unterstützung braucht.
Deshalb haben viele andere Bundesländer, unter anderem Bayern, das für Sachsen an der Stelle unverdächtig ist, AGFS, „Arbeitsgemeinschaften Fahrradfreundliche
gegründet, aber eben nicht als 17. Kaffeerunde, bei der Kommunalvertreter zusammenkommen, sondern als
Unterstützung mit Personal, mit einer Geschäftsstelle, in der die Kommunen konkret unterstützt werden mit Weiterbildungen, mit konkreten Förderfibeln, mit BestPractice-Beispielen, wie man Radverkehrsplanungen,
wenn sie kompliziert sind, besser anlegen kann, wirklich eine Dienstleistung, ein Mehrwert für die Kommunen vor Ort.
Tatsächlich stehen seit 2015 Mittel für die Gründung einer AGFS im Haushalt bereit. Allein ist bis heute davon kein Euro abgeflossen. Aber was ist konkret passiert?
Ich habe dazu schon 2016 eine Kleine Anfrage an den Minister gestellt und gefragt, wie es mit der AGFS aussieht. Daraufhin hat mir der Minister geantwortet. Ich darf zitieren: „Der SSG“, also der Städte- und Gemeindetag, „hat die Aufgabe übernommen, herauszufinden, welche Städte und Gemeinden Interesse an einer Mitarbeit in einer AGFS haben. Zwölf Kommunen haben ihr Interesse auf die interne Anfrage des SSG bekundet. Die Namen der zwölf Kommunen liegen der Staatsregierung nicht vor. Sie wurden aufgrund der Vertraulichkeit der Abfrage vom SSG nicht benannt.“ Da frage ich mich wirklich ernsthaft, was in diesem Ministerium vorgeht.
Uns GRÜNEN liegt der Datenschutz selbstverständlich am Herzen, aber das ist doch völlig absurd. Das Ministerium beauftragt den SSG, die Kommunen zu fragen, wer Interesse an einer AGFS hat. Die machen das dann, verraten ihnen aber nicht, welche Kommunen tatsächlich Interesse haben. Radio Eriwan lässt grüßen.
Ich bin dieses Jahr durch viele Kommunen gereist und habe dort Veranstaltungen zum Radverkehr gemacht. Ich habe mit Bürgermeistern, mit Baudezernentinnen und Baudezernenten gesprochen. Neun von zehn haben noch nie irgendetwas von einer AGFS gehört. Nur einer konnte sich an dieses Schreiben vom SSG erinnern. Er hat mir tatsächlich diesen Brief gezeigt. Das war wirklich kein Werbeschreiben. Darin wurde lediglich aus dem Koalitionsvertrag zitiert und dann der lapidare Satz angefügt – ich zitiere: „Es ist zu prüfen, ob über die bestehende LAG Radverkehr im SMWA hinaus überhaupt Bedarf an einer landesweiten AGFS besteht.“ – Keine Erklärung, was der Mehrwert einer solchen AGFS ist. Die Vorteile wurden nicht genannt. Es wurde überhaupt nicht dafür geworben, keine Erläuterung, nichts.
Ich habe also im April dieses Jahres wieder nachgefragt, wie es denn jetzt mit der AGFS aussieht. Ich lasse mich da ja nicht unterkriegen. Da antworteten Sie, lieber Minister – ich darf zitieren: „Eine erste Umfrage bei den sächsischen Städten und Gemeinden hat ein geringes Interesse ergeben. Nur wenige Kommunen sind gegenwärtig bereit, in einer AGFS mitzuarbeiten und gegebenenfalls Beiträge zu entrichten.“ Das ist natürlich eine super Werbestrategie. Statt die Vorteile zu benennen, wird erst einmal klargemacht, dass es Geld kosten kann.
Ich darf Ihnen aber sagen, bei meiner Reise durch die Kommunen haben alle Vertreterinnen und Vertreter, mit denen ich gesprochen habe, ein großes Interesse an einer Mitarbeit oder an den Vorteilen, die eine AGFS hat, gezeigt, nachdem ich ihnen nämlich erklärt habe, was der
Aber wir sehen natürlich, dass dieser Antrag ein Schritt nach vorn ist und dass es nicht falsch, sondern im Gegenteil richtig ist, dass wir endlich einmal nach vorn kommen und im Sommer diese AGFS gegründet werden soll. Deshalb werden wir GRÜNE diesem Antrag zustimmen. Der Rest des Antrags sind die üblichen Prüfaufträge – dazu hat der Kollege schon etwas gesagt. Herr Colditz sagte vorhin, wir wollen die Radvision leben. Da sage ich: Ich will keine Vision leben, ich will, dass es konkret wird. Deshalb haben wir GRÜNE gestern einen wirklich umfangreichen Radverkehrsantrag eingebracht. Ich freue mich darauf, dass wir den demnächst hier diskutieren dürfen. Dann wird es nämlich konkret. Wenn Sie den auch beschließen, dann geht es mit dem Radverkehr wirklich voran.
Wir sind am Ende der ersten Rederunde angekommen. Wir kommen zur nächsten. Das Rededuell wird wieder durch die CDU-Fraktion, durch Herrn Kollegen Nowak, eröffnet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Grimm, wenn Sie im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr aufgepasst hätten, dann wüssten Sie, dass zum 01.01. 29 Vollzeitäquivalente im LASuV ankommen werden. Das hat der Minister dort mehrfach vorgetragen und den Sachstand erläutert. Es kann also keine Rede davon sein, dass an der Stelle nichts passiert sei oder dass man immer noch warten müsse. Den Unterschied zwischen Antrag und Großer Anfrage kennen Sie sicherlich auch. Insofern darf man sich, denke ich, bei Anträgen durchaus auch einmal mit Einzelthemen befassen.
Meine Damen und Herren! Beim Radwegebau haben wir vor allem ein Problem mit dem Mittelabfluss. Das liegt an den planungsrechtlichen Vorgaben. Die ergänzenden Umweltverträglichkeitsprüfungen verlängern hier unnötig Planung und Bau, vor allem bei straßenbegleitenden Radwegen. Dort wird im Rahmen des Straßenbaus geprüft bis zum Umfallen. Das ist in meinen Augen einer der Hauptgründe, warum die 11 Millionen Euro aus dem Doppelhaushalt im Sachsenradnetz und dem Radwegebau entlang der Staatsstraßen so langsam abfließen.
Ich habe mir das einmal exemplarisch vor Ort angeschaut, und zwar im Wahlkreis des Kollegen Fischer. Zwischen Großenhain und Kleinthiemig haben die Leute seit Jahren auf einen Radweg gewartet. Die Verkehrssituation war nicht ganz ungefährlich, vor allem wenn die Radfahrer auf Lkws getroffen sind. Dieser Radweg wurde gebaut. Die Situation ist entschärft, aber wir haben noch viel zu tun. Es gibt noch diverse Lückenschlüsse, auch bis an die Grenze zu Brandenburg, wo schon einiges fertig ist. Ich denke, jeder Wahlkreisabgeordnete kann aus seinem Beritt einige Strecken nennen. Die Leute warten zum Teil jahrelang. Ich denke, hier müssen wir tatsächlich heran.
Das Ziel ist klar. Wir brauchen beschleunigte Planungsverfahren. Wir müssen die Zusammenarbeit zwischen Kommunen und LASuV verbessern. Es geht um einen kontinuierlichen Mittelabfluss. Wir brauchen also wieder den Planungsvorlauf, den wir in den Neunzigerjahren schon einmal hatten. Was damals beim Straßen- und beim Eisenbahnbau galt, müssen wir wieder erreichen: volle Schubladen mit Baurecht, damit es sofort losgehen kann. Das gilt nicht nur für das LASuV, sondern auch für die Kommunen.
Radfahren ist kostengünstiger Individualverkehr und das in jedem Alter. Das Rad ist vor allem in der Stadt ein ideales Verkehrsmittel. Es spart Platz, ist flexibel nutzbar, sichert schnelle Haus-zu-Haus-Verkehre, ist leise, umweltfreundlich und verbraucht keine fossilen Brennstoffe. Hinzu kommt, dass die Investitionen in die Radinfrastruktur günstiger zu haben sind. Die Fußwege – wenn sie breit genug sind – können zum Radfahren mitgenutzt und Radfahrstreifen auf Straßen günstig eingebaut werden. Auch bei den Parkplätzen geht es kostengünstiger und platzsparender. Auf einem Pkw-Stellplatz bekommt man bis zu acht Fahrräder unter, wenn man die üblichen Rechnungen anstellt. Radfahren entlastet auch die Straßenkapazität.