Protocol of the Session on November 16, 2017

innerparteilichen Demokratie bei Wahlen zum Sächsischen Landtag

Drucksache 6/11223, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die Fraktion DIE LINKE. Das Wort ergreift Herr Kollege Bartl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die mit Beginn der 6. Wahlperiode dieses Landtags in der Zuständigkeit des Wahlprüfungsausschusses nach entsprechenden Wahleinsprüchen geführten Wahlprüfungsverfahren haben aus unserer Sicht zwei wesentliche Gesetzgebungsdefizite im Bereich des Sächsischen Wahlprüfungsgesetzes und des Sächsischen Wahlgesetzes deutlich gemacht, denen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf abhelfen wollen.

Zum einen geht es darum, dass nach der derzeitigen durch das Gesetz über die Prüfung der Wahlen zum Sächsischen Landtag vom 22. Juni 1994 bestimmten Rechtslage Gegenstand der Wahlprüfung durch den Sächsischen Landtag nach erfolgter Wahl und einer gegen die Entscheidung des Landtags gerichtete Beschwerde beim Sächsischen Verfassungsgerichtshof ausschließlich die

Feststellung der Gültigkeit der jeweiligen Landtagswahl ist, nicht aber die etwaige Verletzung subjektiver Rechte.

Das hat zur Konsequenz, dass Wahlprüfungsbeschwerden zurückgewiesen oder verworfen werden müssen, wenn die der jeweiligen Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalte sich nicht erweislich auf die Mandatsverteilung im Landtag, sprich auf die Wahrung des durch den Wählerentscheid hergestellten Proporzes zwischen den Parteien als Mandatsträger ausgewirkt haben können. Diese bislang auch für die Verfassungsgerichtssprechung legitimierte Beschränkung des Wahlprüfungsverfahrens auf den Schutz des sogenannten objektiven Wahlrechts bedeutet allerdings eine Begrenzung schon des Gegenstands der Wahlprüfung und führte dazu, dass auch eindeutige Verstöße gegen das subjektive Wahlrecht, die nicht zugleich auch einen Verstoß gegen das objektive Wahlrecht darstellen, überhaupt nicht gerügt werden können.

Die derart rigorose Verkürzung des subjektiven Rechtsschutzes des Bürgers stieß in der Praxis und in der

Wissenschaft seit Langem auf Bedenken, vor allem im Maßstab der Rechtsschutzgarantie des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz. Der Deutsche Bundestag hat deshalb 2012, also schon vor fünf Jahren, eine gesetzliche Neuregelung des Gegenstandes der Wahlprüfung, bezogen auf die Wahlen zum Deutschen Bundestag, vorgenommen. Dies zielte auf eine stärkere Ausrichtung der Wahlprüfung, und zwar sowohl durch den Bundestag als auch nachfolgend durch das Bundesverfassungsgericht auf die Prüfung und gegebenenfalls Feststellung der Verletzung subjektiver Rechte, insbesondere in Bezug auf das aktive und passive Wahlrecht in Artikel 38 Abs. 2 Grundgesetz.

(Unruhe im Saal)

Mit dem Gesetz zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen vom 12. Juli 2012 hat der Bundestag eine entsprechende Neufassung in § 1 des Wahlprüfungsgesetzes des Bundes dergestalt vorgenommen, dass dieser nunmehr lautet: „Sofern bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl Rechte einer einsprechenden Person oder einer Gruppe einsprechender Personen verletzt wurden, stellt der Bundestag die Rechtsverletzung fest, wenn er die Wahl nicht für ungültig erklärt.“ In die gleiche Richtung zielend wurde § 11 Satz 2 des Bundeswahlprüfungsgesetzes um einen Satz folgenden Inhalts ergänzt: „Wurden bei Vorbereitung oder Durchführung der Wahl Rechte einer einsprechenden Person oder einer Gruppe einsprechender Personen verletzt, wird dies in dem Beschluss festgestellt.

Diese Gesetzeslage des Bundes in dem so sensiblen grundsätzlichen Bereich des Wahlrechtes wollen wir mit den in Artikel 1 und 2 vorgesehenen Neuregelungen in das Sächsische Wahlprüfungsgesetz bzw. das Verfassungsgerichtshofgesetz übernehmen. Aus unserer Sicht verpflichtet das Prinzip der Bundestreue, das Gebot des bundesfreundlichen Verhaltens, das auch und gerade im Bereich des Wahl- und Wahlprüfungsrechtes gelten muss, die längst geltenden bundesgesetzlichen Regelungen im maßgeblichen Sächsischen Wahlprüfungsgesetz und dem Sächsischen Verfassungsgerichtshofsgesetz unverzüglich nachzuvollziehen.

Auf diesem Weg wird nicht nur der subjektive Rechtsschutz einer Person oder Personengruppe bei der Vorbereitung oder Durchführung von Wahlen zum Landtag deutlich gestärkt, sondern zudem wird auch den grundgesetzlichen Anforderungen der Rechtsschutzgarantie aus Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes als wesentliches Fundament des demokratischen Rechtsstaates im Verfahren der Wahlprüfung entsprochen.

Ein weiterer Regelungskomplex ist in Artikel 3 dieses Gesetzentwurfes vorgesehen, abzielend auf die Änderung des Sächsischen Wahlgesetzes, betreffend die Reichweite der Handlungsfreiheit von Vertrauenspersonen. Nach der derzeit geltenden Rechtslage der Wahlen zum Sächsischen Landtag räumt § 23 Satz 1 des Sächsischen Wahlgesetzes der Vertrauensperson und der stellvertretenden Vertrauensperson die Möglichkeit und das Recht ein, einen beim Landeswahlausschuss eingereichten Kreis

wahlvorschlag einer Partei oder auch einer nach § 27 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 21 des Sächsischen Wahlgesetzes von der Partei aufgestellten Landesliste, die ihrerseits das Ergebnis eines entsprechenden demokratischen Aufstellungsprozesses einer Delegierten- bzw. Wahlvertreterversammlung ist, durch einfache schriftliche Erklärung gegenüber dem Landeswahlleiter zurückzunehmen, solange der Landeswahlausschuss noch nicht über die Zulassung dieses Kreiswahlvorschlages oder der betreffenden Landesliste entschieden hat.

Diese schriftliche übereinstimmende Erklärung der Vertrauensperson zur Rücknahme eines Kreiswahlvorschlags oder einer eingereichten Landesliste bzw. einzelner Personen hierauf ist bislang an keinerlei gesetzlich bestimmte, materiell-rechtliche Gründe oder weitergehende förmliche Verfahrensvoraussetzungen gebunden. Welche Konsequenzen das haben kann, hat erst vor wenigen Monaten das nach zweieinhalbjähriger Befassung des Wahlprüfungsausschusses dieses Hohen Hauses abgeschlossene Wahlprüfungsverfahren in Sachen Samtleben/Uhlmann gezeigt. Da es hierzu eine Entscheidung der ursprünglich die Nominierung der Kandidaten für die Landesliste und deren Reihung vornehmenden Delegiertenversammlung der AfD Sachsen gab, haben die Vertrauenspersonen allein auf entsprechende Aufforderung aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses des Landesvorstandes den besagten Beschwerdeführer von Platz 14 der Landesliste gestrichen.

Das ist aus unserer Sicht ein demokratisches Unding. Wir wollen deshalb im Gesetz über die Wahlen zum Sächsischen Landtag vom 15. September 2013 § 23 ändern, dass künftig ein Kreiswahlvorschlag und über die Verweisung nach § 27 Abs. 5 auch ein Listenvorschlag bis zum Ablauf der Einreichungsfrist nach § 19 Wahlgesetz über eine gemeinsame schriftliche, öffentlich beglaubigte Erklärung der Vertrauensperson und der stellvertretenden Vertrauensperson geändert, ganz oder teilweise zurückgenommen werden kann, dies aber nur, wenn eine neue Aufstellungsversammlung gemäß § 21 des Sächsischen Wahlgesetzes stattgefunden hat.

Die Aufstellung von Kreiswahlvorschlägen qua Erklärung der Vertrauensperson soll künftig also nur noch möglich sein, wenn diese durch eine neue Entscheidung der Aufstellungsversammlung selbst berufen werden kann, nicht aber auf Entscheidungen niedergradiger Parteigremien. Das bringt ein deutliches Mehr an innerparteilicher Demokratie im Zuge der Nominierung von Wahlkreis- und Listenkandidaten und setzt möglichem missbräuchlichen oder willkürlichen Zugriff deutliche Grenzen.

Offensichtlich aus ähnlichen Erwägungen hat das Land Berlin eine analoge Regelung schon 2006 in § 35 der dortigen Wahlordnung aufgenommen. Diese hat sich offensichtlich bewährt. Dass wir die Ihnen nun vorliegenden gesetzlichen Neuregelungen im Bereich des Wahl- bzw. Wahlprüfungsrechts als Lehre aus den jüngsten Wahlprüfungsverfahren namentlich in der Beschwerdesache Samtleben/Uhlmann einbringen werden, hatten wir

bereits mit unserer Fraktionserklärung vom 21. Juni 2017 nach entsprechender Beschlussfassung des Landtags angekündigt und begründet. Wir meinen nach reiflicher Überlegung, dass der Landtag keineswegs auf den Ausgang der jetzt beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Wahlbeschwerde des Einspruchsführers Samtleben

abwarten sollte, allzumal es mit diesem Gesetzentwurf –

Die Redezeit, Herr Kollege Bartl.

– Sofort, Herr Präsident.

in der Hauptsache darum geht, wieder eine Übereinstimmung des sächsischen Landesrechts mit Wahlrechtsregelungen im Bundesrecht herzustellen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Stärkung des subjektiven Rechtsschutzes und der innerparteilichen Demokratie bei Wahlen zum Sächsischen Landtag an den Verfassungs- und Rechtsausschuss – federführend – und an den Innenausschuss – mitberatend – zu überweisen.

Wer dieser Überweisung an diese Ausschüsse seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herrn! Aufgerufen ist

Tagesordnungspunkt 5

Erste Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Weiterentwicklung der Kulturräume im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/11224, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die Fraktion DIE LINKE. Sie spricht durch den Mund von Herrn Kollegen Sodann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Vor etwas mehr als zwei Jahren, am 3. November 2015, empfiehlt die Staatsregierung dem Landtag auf Grundlage des Evaluationsberichtes die Novellierung des Kulturraumgesetzes – zwei Jahre, in denen nicht nur die Kulturräume, sondern auch die Künstlerinnen und Künstler, Kommunen und Landkreise im Unklaren darüber gelassen worden sind, was sich in Zukunft am Gesetz ändern wird; zwei Jahre Stillstand, die wieder einmal den Stellenwert der Kunst und Kultur in diesem Land seitens der Koalition abbilden.

Nun haben Sie auf unseren Gesetzentwurf, welchen ich gerade einbringe, reagiert und einen eigenen verfertigt. Er sieht allerdings nicht danach aus, als hätte er zwei Jahre Zeit benötigt. Er stellt doch eher einen Minimalkonsens dar.

Das Kulturraumgesetz gehört ganz offensichtlich nicht zu ihren Prioritäten. Das klingt nicht nach viel Vertrauen in die Wirkkraft von Kunst und Kultur für die Gesellschaft. Sich mit ihr zu schmücken, wohlfeile Worte über sie zu reden und sie zu benutzen ist einfacher, als für sie zu handeln.

Seien wir ehrlich, Kolleginnen und Kollegen der Koalition, der Evaluationsbericht verlangte nun nicht gerade nach einer Revolution des Kulturraumgesetzes, was sicher seine Zeit gebraucht hätte, sondern nach mehreren eher kosmetischen Eingriffen, welche schnell hätten umgesetzt

werden und in den vergangenen zwei Jahren durchaus positiv hätten wirken können.

Was ist denn mit der als so wichtig angesehenen Planungssicherheit für die Landeszuweisungen? Gäbe es jetzt schon ein novelliertes Gesetz, wären die Kulturräume nicht erst am Ende des ersten Quartals im laufenden Haushaltsjahr über die Höhe der Landeszuweisungen informiert worden, sondern bereits ein ganzes Jahr zuvor. Damit hätten die Kulturräume die Unsicherheit bei den Zuwendungsempfängern verhindern können.

Was ist mit der auch von der Staatsregierung als systemwidrig anerkannten Mitfinanzierung der Landesbühnen Sachsen durch die Kulturräume und der von ihr empfohlenen Zurücknahme dieser Befrachtung? Diese hätte ebenso Unsicherheiten sowohl bei den Landesbühnen als auch in den Kulturräumen beseitigt und Planungssicherheit geschaffen. So ist und bleibt es ein schwebendes Verfahren.

All das regelt nun unser Gesetzentwurf. Er geht in seiner inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Weiterentwicklung der Kulturräume weitere Schritte; denn nichts anderes sollte die Evaluation laut Staatsministerin Frau Dr. Stange ja bewirken. So enthält unser Entwurf zum Beispiel Regelungen zur Demokratisierung der Kulturkonvente, indem er die Anzahl der stimmberechtigten Mitglieder ausweitet.

Die jetzigen Kulturkonvente der ländlichen Räume, in denen in der Regel nur die Landräte Stimmrecht haben, fällen ihre Entscheidungen über die Verteilung der zugewiesenen Mittel weniger aus Sachverstand denn politisch.

Mit unserem Gesetz bleibt die Konstruktion der Entscheidungs- und Mitwirkungsgremien grundsätzlich erhalten. Sie erfährt jedoch eine demokratische Aufwertung dadurch, dass das Entscheidungsrecht auf je vier gewählte Konventsmitglieder aus den Kreistagen und auf die Vorsitzende oder auf den Vorsitzenden des Kulturbeirats als stimmberechtigte Mitglieder ausgedehnt wird. Daraus folgen ein Mehr an Partizipation verschiedener Interessen, kontroversere Diskussionen zur Entscheidungsfindung auch im Hinblick auf die regionale Bedeutsamkeit und damit die Möglichkeit einer flexibleren Entwicklung der Kulturräume.

Des Weiteren schreibt unser Gesetzentwurf die Erstellung eines Kulturraumberichtes alle vier Jahre fest, in welchem alle Daten der Förderung und Nichtförderung aus den Kulturräumen samt Entwicklungsplanungen und deren Veränderungen sowie Leistungs- und Qualitätsentwicklungen transparent der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Diese Daten sind ohnehin in den einzelnen Kulturräumen vorhanden und auch das SMWK ist zumeist unterrichtet, nur eben die Öffentlichkeit nicht.

Nach der Erstellung dieses Kulturraumberichtes können alle der Kunst und Kultur zugewandten Interessengemeinschaften, Verbände, Stiftungen, Akademien etc. dieses Landes Stellung dazu beziehen. Diese Stellungnahmen werden dem Landtag zugeleitet und abschließend mit dem Bericht in den Gremien beraten. Kunst und Kultur sowie deren Entwicklung in unserem Land werden so zu einer gesamtgesellschaftlichen Gestaltungsaufgabe.

Der Kulturraumbericht bildet zudem die Grundlage für den unter Hinzuziehung externen Sachverstands alle sieben Jahre zu erfolgenden Evaluationsbericht und wird diesen aufgrund seiner breiten Datenbasis wesentlich vereinfachen.

Auch die kulturelle Bildung erfährt eine Aufwertung in ihrer Bedeutung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, indem sie gesondert in das Gesetz laut Empfehlung der Staatsregierung aufgenommen wird.

Einigen Empfehlungen seitens der Staatsregierung konnten wir in diesem Gesetzentwurf allerdings nicht Folge leisten, so zum Beispiel dem völlig realitätsfremden Vorschlag an die Kulturräume, Rücklagen für schlechte Zeiten zu bilden. Das hieße, einem nackten Mann in die Tasche zu greifen.

Andere Empfehlungen wiederum fanden Eingang, so die befristete Berufung der Kulturbeiräte für fünf Jahre, um so ebenfalls Diskussionen anzuregen. Wir begrenzen deren Wiederwahl jedoch auf zwei Legislaturen.

Ein letzter Punkt: In unserem Gesetzentwurf schreiben wir nun endlich auch einmal die Summen im Kulturlastenausgleich neu. Seit dem Jahr 2008 erfolgte keine Anpassung. Wir ziehen eine neue Untergrenze und erhöhen die Mittel um 17 Millionen Euro, um den Betrag, dessen es bedarf, um Sachsens Kunst und Kultur auch abseits der Staatsbetriebe endlich auskömmlich zu finanzieren.