Gibt es in dieser zweiten Runde weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Bitte, Herr Urban. Sie sprechen für die AfD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Noch ein paar Gedanken zu dem Stichwort „moderne Bürgergesellschaft“. Das klingt gut. Aber wahrscheinlich stellen sich die GRÜNEN darunter etwas vor, was weniger mit Bürgerwillen und Bürgerbeteiligung, sondern mehr mit Bürgerbevormundung zu tun hat.
Meinen Sie mit „moderner Bürgergesellschaft“ den friedlichen Straßenprotest von Pegida, bei dem mündige Bürger von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen?
Oder meinen Sie gewalttätige Gegendemonstrationen, die zum Teil mit Steuermitteln finanziert werden und deren Straftäter dann als „Aktivisten“ oder sogar als „aufrechte Demokraten“ bezeichnet werden?
Übrigens habe ich heute von Herrn Richter von den LINKEN zum ersten Mal den Begriff „Sprengstoff(poli- tische) Bildung“ gehört – sehr interessant!
Meinen Sie mit „Bürgergesellschaft“ eine politische Kunst, die von den Regierenden bezahlt wird und dann die Regierenden anpreist?
Meinen Sie Schulen, in denen die Ansichten der Regierungsparteien verbreitet werden – aus Angst, die Elternhäuser könnten ihre Kinder falsch erziehen?
Oder meinen Sie mit „moderner Bürgergesellschaft“ die steuerfinanzierte Zensur von sozialen Netzwerken, weil man die Bürger für zu dumm hält, die gewünschten und die ungewünschten Fake-News auseinanderzuhalten?
Wenn Sie eine neue politische Kultur etablieren wollen, dann können Sie hier im Landtag damit anfangen: Beantragen Sie eine Bundesratsinitiative für bundesweite Volksentscheide! Lassen wir die Bürger über den VeggieDay abstimmen! Lassen wir die Bürger über das Ende des Verbrennungsmotors abstimmen! Oder: Lassen wir die Bürger abstimmen, ob sie Windkraftanlagen in ihren Gemeinden haben wollen! Oder: Lassen wir die Bürger
Das war Herr Urban, AfD-Fraktion. Bevor wir die dritte Runde eröffnen, kommt eine Kurzintervention. Bitte, Herr Kollege Homann.
Ich finde, es gehört zur politischen Kultur dazu, dass man Behauptungen, die in Redebeiträgen geäußert wurden und die nicht stimmen, nicht unwidersprochen im Raum stehen lässt. Jetzt könnte ich auf viele Sachen, die Sie aufgezählt haben, eingehen. Das von Ihnen gezeichnete einseitige Bild von den friedlichen Pegida-Demonstranten auf der einen Seite und den gewalttätigen Gegendemonstranten, die auch noch staatlich bezahlt würden, auf der anderen Seite ist falsch. Sie machen das ganz bewusst – das ist in Ihren beiden Redebeiträgen in dieser Aktuellen Debatte wieder klar herausgekommen –: Sie als AfD stilisieren sich als einzige Partei, die hier das Volk und den Volkswillen repräsentiere. Sie vergessen dabei, dass Sie hier nicht einmal 10 % repräsentieren.
Sie sollten eingestehen, dass auch die CDU Wählerinnen und Wähler als Unterstützer hat, dass auch die GRÜNEN Wählerinnen und Wähler als Unterstützer haben, dass auch die LINKEN Wählerinnen und Wähler als Unterstützer haben, dass auch wir Wählerinnen und Wähler als Unterstützer haben. Deren Anliegen werden durch uns repräsentiert. Deren Anliegen sind genauso legitim wie die Anliegen Ihrer Wählerinnen und Wähler. Ich finde, das sollten Sie uns nicht absprechen. Das hat nämlich am allerwenigsten mit der politischen Kultur gemein, die uns hier eigentlich miteinander verbinden sollte.
Das war eine Kurzintervention von Kollegen Homann. Darauf reagiert jetzt der Vortragende des vorhergehenden Redebeitrags. Bitte, Herr Urban.
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Homann, zur politischen Kultur, auch zur Debattenkultur, gehört es natürlich, dass man seinem Gegenüber – in diesem Fall: demjenigen, der am Pult steht – zuhört.
Dazu gehört, dass man nicht nach jedem Zuhören mit frei Erfundenem ein Bashing der AfD veranstaltet.
Natürlich nehmen wir zur Kenntnis, dass wir hier im Landtag eine kleine Oppositionspartei sind. Das stelle ich gar nicht in Abrede.
Was ich aber in Abrede stelle, ist, ob die Mehrheitsverhältnisse in diesem Parlament den Mehrheitswillen der Bevölkerung bei vielen Einzelentscheidungen wirklich repräsentieren. Ich habe sie aufgezählt: Ich glaube nicht, dass der Veggie-Day mehrheitsfähig ist.
(Valentin Lippmann, GRÜNE: Den hat doch gar keiner eingeführt! Was erzählen Sie denn für einen Schwachsinn?)
Ich glaube auch nicht, dass eine Pkw-Maut mehrheitsfähig ist, obwohl SPD und CDU diese im Bundestag durchgesetzt haben.
Demokratische Kultur heißt für mich eben nicht nur, den Zustand zu akzeptieren, dass alle fünf Jahre das Parlament gewählt wird. Für mich heißt demokratische Kultur: Ich schaue, was die Menschen wirklich wollen und was der Mehrheitswille ist.
Herr Urban, Sie haben vorhin eingefordert, dass man dem Vorredner zuhören möge. Deswegen will ich das jetzt von Ihnen einfordern. Sie haben nämlich dargestellt, ich habe die Worte „Sprengstoff(politische) Bildung“ in die Debatte gebracht, aber ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass es eine Veranstaltung in der Frauenkirche gibt mit dem Titel „Sprengstoff(politische) Bildung – wir müssen besser werden“. Da können Sie nicht einfach so eine Sache aus dem Zusammenhang reißen und so tun, als ob ich hier eine Wortkreation gebracht hätte, von der man nicht genau weiß, wo sie hingehört. Also, es handelt sich um eine Veranstaltung, nehmen Sie das einfach zur Kenntnis.
Danke, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Richter, da bitte ich ausdrücklich um Entschuldigung. Es war wahrscheinlich ein Freud‘scher Fehler. Ich habe diesen Begriff zusammengebracht, weil ich wahrscheinlich durch Ihre Nähe zur Antifa und die gewalttätigen Auftritte der Antifa dachte, dass das vielleicht Ihre Vorstellung von neuer politischer Bildung ist. Es tut mir leid, ich habe Sie falsch verstanden.
Ich biete jetzt an, dass wir eine dritte Rederunde eröffnen, falls Redebedarf besteht. – Es besteht Redebedarf bei der einbringenden Fraktion DIE GRÜNEN. Herr Kollege Zschocke, Sie eröffnen jetzt die dritte Runde.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keiner erwartet sofort Antworten und niemand kann Antworten alleine geben, Herr Homann, da haben Sie völlig recht. Das Potenzial für Antworten, die in die Zukunft führen, liegt eben in der Betrachtung vieler Ideen. Wie wir die Rahmenbedingungen in Sachsen dafür schaffen können, möglichst viele Ideen einzubinden, das hat Frau Meier illustriert.
Herr Urban, so wie Sie mit dem Begriff Mehrheitswille hier immer umgehen und wie auch die AfD mit dem Begriff Volkswille arbeitet, darin sehe ich wirklich eine ernste Gefahr, auch für unsere Demokratie, weil: Wer eine andere Ethnie ist, wer eine andere Religion vertritt, wer einer anderen Partei angehört, wer eine andere Meinung hat, der kann, so wie Sie mit dem Begriff Volkswille arbeiten, dann eben auch ganz schnell zum Volksfeind erklärt werden.
Dabei, meine Damen und Herren, liegt aber doch die Chance, gerade für Sachsen, in der Vielfalt, auch im Meinungspluralismus. Es findet das, was gesagt werden kann und gesagt werden darf, natürlich seine Grenzen in unserem Grundgesetz.
Herr Kirmes, die Debatte hat mir gezeigt, dass Sie offensichtlich nicht den Mut haben, gewohnte Bahnen zu verlassen, von dem Herr Tillich gesprochen hat. Die Junge Union hat in einem Papier einen neuen sächsischen Weg vorgeschlagen, um den Diskurs breiter aufzustellen, um den Bürgern wieder zu sagen, wie die Dinge funktionieren, statt ständig zu erklären, warum etwas nicht geht. Ich hoffe, dass die Debatte dazu beigetragen hat, dass Sie an dieser Stelle wirklich umdenken.
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Zschocke, Sie werfen der AfD vor, dass sie mit dem Begriff Mehrheitswille oder Volkswille arbeitet. Das tun wir ganz bewusst, weil wir das Problem sehen, dass unsere parlamentarische Demokratie, die nur alle vier oder fünf Jahre ein Parlament wählt und dann viele Einzelentscheidungen hinnehmen muss, Defizite hat. Genau deswegen wollen wir mehr Bürgerentscheide, auch auf Bundesebene, auch über Einzelentscheidungen der Politik, gerade wenn sie wichtig sind und unser Leben
über viele Jahre prägen, und Sie als grüne Partei haben vor diesem Mehrheitswillen Angst. Sie haben Angst vor Bürgerentscheiden, weil Sie genau wissen, dass Sie Ihre politischen Ziele damit niemals umsetzen könnten.