Protocol of the Session on November 15, 2017

Hier besteht die Möglichkeit von Aufwertungen und Abwertungen. Die Aufwertungen haben Deutschland in den Jahren vor der Einführung des Euro nicht geschadet. Unsere Wirtschaft passte sich an eine starke Währung an, wie auch die schweizerische Wirtschaft dies tut.

Eine starke Währung hat für die Verbraucher viele Vorteile. Die Importe werden preiswerter und Urlaubsreisen ins europäische Ausland ebenfalls.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Ach, Urlaub wollen Sie machen? – Zuruf von der AfD: Sie können ja mitfahren, Frau Köditz! – Starke Unruhe)

Natürlich, was haben Sie denn gedacht!

Den Arbeitsplätzen in der Exportindustrie wird eine starke Währung langfristig ebenfalls nichts anhaben können, wenn sie flexibel und innovativ ist, wie dies in den Jahren vor der Euro-Einführung auch der Fall war.

(Mario Pecher, SPD: Asylanten bei der Mark der DDR! – Heiterkeit – Zuruf von der CDU)

Lehnen Sie daher die Beschlussempfehlung des Europaausschusses ab. Dazu beantragen wir Einzelabstimmung zu Ziffer 5 der aufgerufenen Sammeldrucksache.

Vielen Dank.

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Das war Herr Beger. Er hat damit seine 10 Minuten Redezeit fast ausgeschöpft.

(Unruhe im Saal – Glocke des Präsidenten)

Jetzt haben die Fraktionen die Möglichkeit, ebenfalls das Wort zu ergreifen. Ich sehe, die CDU-Fraktion ergreift das Wort.

Die Redezeit beträgt in einem solchen Fall 10 Minuten je Fraktion. Sie muss nicht unbedingt von jeder Fraktion in Anspruch genommen werden. – Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Aber es lohnt sich, auf so viel Unfug einzugehen und

zunächst einmal an das Thema zu erinnern, das Überschrift war, nämlich den Euro-Austritt. Sie haben aber weithin über Finanzsysteme gesprochen, über alles Mögliche, und haben den Austritt aus dem Euro-Verbund gefordert.

Vorweg: Sowohl der Haushalts- und Finanzausschuss als auch der Europaausschuss, die beiden beteiligten Fachausschüsse, haben mit 17 : 1 gegen Ihren Ansatz gestimmt. Das reicht Ihnen nicht. Sie möchten das hier also noch einmal als lahmen Gaul vor die Öffentlichkeit zerren. Das haben Sie nun einige Jahre lang gemacht.

Ich möchte zunächst sagen: Bitte bleiben Sie verfassungstreu, auch wenn Sie AfD sind. Währungsfragen sind ein Thema für die Bundespolitik. Da ja auch in Ihrem Rahmen sowie in Ihrer Splittergruppe

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU)

zwei Doppelverdiener und Doppelkassierer abgeschoben wurden,

(Lachen des Abg. Carsten Hütter, AfD)

die meinen, auch auf Bundesebene Verantwortung tragen zu können, sollten Sie das vielleicht mit diesen Kollegen besprechen, damit sie es dort einbringen. Dann würden wir nicht so sehr davon malträtiert.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Weil das Thema aber so wichtig ist, möchte ich doch auch inhaltlich einige Kommentare dazu geben. Ich halte diese Empfehlung ausdrücklich für richtig. Sie ist mit 17 : 1 demokratisch beschlossen worden. Sie ist also nicht falsch, sondern das war eine richtige Entscheidung, nicht nur fachlich – dazu komme ich noch –, sondern erst einmal auch formal.

Nur mit einer Binnenkonjunktur und einem konsumtiven Einkaufsverhalten, wie wir es in den privaten Haushalten haben, ist Wohlstand in Sachsen nicht zu erreichen und auch nicht zu halten. Notwendig für unseren Wohlstand ist vielmehr der Export von Gütern und Dienstleistungen, dem ein Import von Einkommen gegenübersteht. Von diesem Einkommen, liebe Kollegen, leben auch Sie – zumindest wir in Sachsen leben davon – und eben nicht nur die Exportfirmen im Freistaat, sondern auch alle anderen Betriebe, die in diesen Wertschöpfungsketten eingebunden sind, leben als Zulieferer davon.

Es geht dabei um hohe Beträge. Allein im ersten Quartal haben unsere Betriebe in der Eurozone 3 Milliarden Euro umgesetzt. In den EU-Staaten waren es 5 Milliarden Euro allein im ersten Quartal 2017. Stellen Sie sich bitte einmal vor, wie viele Arbeitsplätze das betrifft. Diese Arbeitsplätze wollen wir nicht riskieren.

Grundlage für eine erfolgreiche Export- und Wirtschaftspolitik sind nämlich verlässliche Beziehungen und Rahmenbedingungen für die Leistungs- und Handelspartner. Wir sind eingebunden in internationale Produktionsprozesse. Auch diese Partner erwarten berechenbare Rah

menbedingungen. Dabei gibt es nicht nur um Gewinner. Aber die Gewinner müssen auch bereit sein, in einem vernünftigen Rahmen durch Transfers diejenigen zu unterstützen, die es in diesem Verbund nicht selbst schaffen. Das sind derzeit Griechenland, Italien und auch einige andere.

Das ist selbstverständlich kein Fass ohne Boden, liebe Kolleginnen und Kollegen, und darf uns auch nicht überfordern. Das ist aber auch noch nicht der Fall. Wie gesagt: Wir werden nicht allen importierten Wohlstand für uns allein behalten können. Wir können nicht nur kassieren, wie Sie das tun – Sie haben ja solche Doppelkassierer –, sondern wir müssen auch etwas abgeben. Manchmal ist das erzwungen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

So, wie Sachsen in die Bundesrepublik Deutschland eingebettet ist, so gehört Deutschland in internationale, zunächst in europäische Gemeinschaften. Der Euro ist dort die große Verrechnungseinheit. Aber auch international wird wegen seiner Verlässlichkeit und Stabilität immer stärker in Euro fakturiert, investiert und angelegt.

Diese Euro-Gemeinschaft zu verlassen würde sehr weitreichende Folgen haben. Einige davon sind vordergründig positiv, darauf haben Sie in Ihrer Kurzsichtigkeit hingewiesen. Wenn man sich das aber auf lange Sicht anschaut, überwiegen doch sicherlich die negativen Folgen.

Meine Damen und Herren! Es überwiegen die positiven Erfolge einer Gemeinschaft. Es gibt ausreichend Instrumente, um auch den Südländern in ihren Systemen zum Gegensteuern zu verhelfen, für die wir ansonsten in einem gewissen Maße Opfer zu tragen und zu geben bereit sind. Aber die Südländer müssen diese Chancen im bestehenden System selbst sehen und andernfalls auch selbst die Konsequenzen ziehen.

Wir sind überzeugt, dass der Euro als Gemeinschaftswährung ebenso wie die Freizügigkeit von Personen, Waren und Dienstleistungen den Wohlstand in Sachsen sichern. Deswegen halten wir die Empfehlung, die die beiden Fachausschüsse getroffen haben, für richtig. Ich empfehle Ihnen, dem Hohen Haus, die Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das war Herr Kollege Patt, CDU-Fraktion. Ich sehe keinen – – Doch, ich sehe weiteren Redebedarf. Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Kollegen Brünler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun haben wir hier den dritten Antrag der AfD vorliegen, der auf die Abschaffung des Euro abzielt. Haben Sie es bisher durch die Hintertür versucht, so geht es diesmal direkt um die Auflösung der Eurozone.

Unabhängig davon, ob man die derzeitige Ausgestaltung des Euro für richtig hält oder nicht, stellt sich doch die Frage, was Ihr Antrag in der Praxis bedeuten würde. Nehmen wir an, es käme zu der von Ihnen geforderten planvollen Auflösung. Unterstellen wir, es gäbe, was zu einem planvollen Ausstieg dazugehört, eine Verständigung über Wechselkorridore – Wechselkorridore, für deren Einhaltung letztlich alle gemeinsam einstehen müssten. Praktisch bedeutet das, dass alle EU-Staaten bei Spekulationen gegen die neuen Einzelwährungen auf den internationalen Finanzmärkten nahezu unbegrenzt Sicherheiten stellen müssten, um jene Korridore zu halten.

Jeder, der in den letzten Jahren die ungezügelte Gier der Finanzmärkte und die regelmäßigen Spekulationen gegen ganze Volkswirtschaften registriert hat, weiß, dass das nicht nur eine hypothetische Annahme ist, sondern dass Attacken gegen kleine Währungen nahezu sofort einsetzen würden.

Sind Sie als AfD in dieser Situation tatsächlich bereit, hier immer wieder Milliarden von – nach Ihrem Willen, wie Sie gesagt haben, D-Mark – in Währungsspekulationen ohne Ende zu pumpen, um das Konstrukt eines planvollen Ausstiegs und der Wahrung von Wechselkorridoren zu retten? Ich habe da meine Zweifel. Hier ist der Euro in der Tat ein Schutzschirm, hinter dem ein ganzer Wirtschaftsverbund steht. Wenn Sie suggerieren, Deutschland stünde allein besser da, dann sage ich Ihnen: Nein, dieser Schutzschirm gilt auch für Deutschland.

Aber nehmen wir trotzdem einmal an, es kommt so, und die Bundesrepublik ist bereit, den finanziellen Preis für Ihr Vorhaben zu zahlen. Was bedeutet das weiter? Gleichzeitig müssten, um das Euro-Währungssystem tatsächlich aufzulösen und nicht in Form von starren Wechselkursabsprachen, die Wechselkorridore so breit sein, dass sich das unterschiedliche Leistungsniveau der einzelnen Volkswirtschaften abbildet. Das hieße eine Abwertung der neuen Währung gegenüber dem Euro und den meisten Südländern und eine Aufwertung in den Nordländern – für Deutschland nach aktuellen Schätzungen eine Aufwertung gegenüber dem Euro um bis zu ein Drittel. Das macht zwar den Griechenlandurlaub billiger, hat aber Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft, nicht nur in Europa, sondern auch gegenüber dem chinesischen Yuan, dem britischen Pfund und dem Dollarraum. Darum greift Ihre Argumentation ins Leere, wenn Sie darauf verweisen, dass sich die deutschen Handelsbeziehungen außerhalb des Euros besonders dynamisch entwickeln würden; denn das wäre damit auf einen Schlag vorbei.

Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir haben als LINKE immer Kritik an den hohen deutschen Exportüberschüssen geübt, und das zu Recht. Das sorgt für eine Schieflage und geht zulasten anderer Volkswirtschaften, die die Exporte kaufen und sich so in Deutschland verschulden. Aber was Sie hier vorhaben, hat nichts mit dem Abbau von Handelsungleichgewichten zu tun. Was Sie hier vorhaben, unterminiert die gesamten Handelsbezie

hungen, und das geht letztlich auch an den Bilanzen deutscher Unternehmen nicht spurlos vorüber. Das zieht weitere Kreise. Die Folge ist ein steigender Druck auf die Lohnkosten und letztlich die Gefährdung von Arbeitsplätzen. In der Folge sinken die Steuereinnahmen – und das bei gleichzeitig steigenden Lohnersatz- und Sozialleistungen.

Der von Ihnen als Plan B geforderte deutsche Alleingang, falls die anderen Staaten am Euro festhalten wollen, macht es nicht besser. Er ändert an den oben beschriebenen Fakten nur dahin gehend etwas, dass der Prozess nicht einvernehmlich abläuft und seine Konsequenzen noch drastischer sein werden. Wie wenig Sachverstand in Ihrem Antrag liegt, wird auch in Ihrer Begründung deutlich. Die von Ihnen genannte Verletzung der Konvergenzkriterien in über 100 Fällen ist in doppelter Hinsicht untauglich: zum einen, weil es, volkswirtschaftlich betrachtet, gute Gründe geben kann, diese Kriterien vorübergehend auszusetzen. Sie haben diese plausiblen Gründe in Ihrer Begründung sogar selbst aufgezählt, nur wahrscheinlich eben nicht verstanden. Darüber hinaus heißt Konvergenzkriterium, sich einem Wert mittel- bis langfristig anzunähern und nicht, ihn permanent und sklavisch zu unterschreiten.

Zum Zweiten – das wird in der Debatte ja regelmäßig ganz ausgeblendet – sind diese Kriterien letztlich relativ willkürlich festgelegt worden. Sie entsprachen einfach den Mittelwerten der volkswirtschaftlichen Kennzahlen der damaligen EU-Staaten zum Zeitpunkt des Vertrages von Maastricht Anfang der Neunzigerjahre. Sie beschreiben damit nichts anderes als die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen vor 25 Jahren. Hätten die Kennzahlen in der EU damals anders ausgesehen, hätten wir heute andere Konvergenzkriterien. Das macht es umso hirnrissiger, wie viel Wert Sie vorhin wieder darauf gelegt haben.

Aber lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas Grundsätzliches sagen: Auch wir haben durchaus Kritik an der aktuellen Situation der EU und an der Ausgestaltung des Euro-Systems. Wir haben aber ein grundsätzlich anderes Verständnis von europäischer Solidarität und Zusammenhalt. Unsere Vorstellungen gehen hier konsequent in eine andere Richtung als die der AfD. Sie beschwören zwar immer die Rettung des europäischen Abendlandes, aber wenn es konkret wird, gelten dann doch wieder kurzsichtige nationale Egoismen, die langfristig bei einem Kollaps des Währungssystems auch Deutschland teurer zu stehen kommen als eine Rettungspolitik, zumal diese Rettungspolitik bisher noch mit keinen wirklichen Kosten verbunden war. Die Verlierer der Rettungspolitik sind keineswegs die deutschen Steuerzahler, wie von Ihnen immer wieder behauptet. Bisher hat der Fiskus gerade an den Hilfspaketen von Griechenland sogar verdient, und darin liegt der eigentliche Skandal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den LINKEN – Carsten Hütter, AfD: Was ist denn mit den Zinsverlusten?!)

Ihre Kritik, dass die EZB nicht nur Geldpolitik, sondern auch Fiskalpolitik betreibt, geht am eigentlichen Problem vorbei. Das Problem liegt letztlich genau darin begründet, dass es zwar einen gemeinsamen Währungsraum, aber eben keine europäische Fiskalpolitik gibt. Dass die EZB in diesem Kontext die bestehenden Spielräume konsequent ausschöpft, ist eher ein Zeichen der Vernunft. Wir erachten letztlich sogar die immer wieder diskutierte Einführung von Euro-Bonds für sinnvoll. Das sagen wir hier ganz klar.

Aber kommen wir zurück zum heute debattierten Antrag. Er passt zu dem von Ihnen bereits eingebrachten Antrag zur Abwicklung der Bankenunion. Beide Anträge richten sich in der Grundsubstanz gegen ein Fortbestehen der Währungsunion. Das Problem ist: Um dieses Ziel zu erreichen, geht die AfD sogar so weit, einen nicht steuerbaren Kollaps der gemeinsamen Währung nicht nur zu riskieren, sondern, wenn man Ihre Anträge in der Summe liest, sogar gezielt herbeiführen zu wollen. Das machen Sie mit Ihrem als Variante B im heutigen Antrag geforderten deutschen Alleingang wieder deutlich.

Nach Abwägung aller vorliegenden Argumente ist es für uns eine Frage der Vernunft, diesen Unfug abzulehnen.

Vielen Dank.