Sehr geehrter Herr Präsident! Wir stehen zu Europa, zur Freizügigkeit, zur gemeinsamen Währung, und in diesem Sinne schließe ich mich auch namens meiner Fraktion den Ausführungen meines Kollegen Patt vollinhaltlich an.
Gibt es noch weiteren Redebedarf aus den Fraktionen heraus? – Ja, bitte. Das war zwar nicht angemeldet, aber bitte, Frau Kollegin Schubert.
Ja, wir möchten als GRÜNE-Fraktion auch noch einmal das Wort ergreifen und uns positionieren, wie wir das in den Ausschüssen schon getan haben. Wir haben nicht den Eindruck gewinnen können, dass der Antrag wirklich durchdacht ist und die AfD tatsächlich ein belastbares Konzept für einen – wie hier geforderten – Austritt in der Hosentasche hat. Das haben wir im Antrag nicht finden können.
Wir haben sehr viele offene Fragen, die uns im Ausschuss und auch heute nicht beantwortet werden können. Sie lauten zum Beispiel: Wie soll das Verfahren einer geordneten Beendigung aussehen? Was ist Sachsens Rolle dabei? Welchen politischen Preis ist die AfD bereit zu zahlen? Wie kommt die AfD darauf, dass es Griechenland
helfen würde, aus dem Euro auszuscheiden? Was wird dann mit Griechenland? Welche Konsequenzen hätte das für Sachsen und für Deutschland?
Wir denken, dass hier weder die politischen noch die wirtschaftlichen Konsequenzen für Sachsen berücksichtigt worden sind. Wir haben über 70 Jahre Frieden. Eine Austrittserklärung Deutschlands wäre, denke ich, mehr als eine Sachinformation an die anderen europäischen Staaten. Wir denken, dass das, was hier wieder gefahren wird, ein Angriff auf die Solidarität der europäischen Länder untereinander ist. Wir werden, wie wir das auch in den Ausschüssen bereits mehrfach begründet haben, den Antrag ablehnen.
Ich möchte kurz aus Sicht der Staatsregierung zu diesem Antrag sprechen und begründen, warum wir ihn ablehnen. Es gibt viele Gründe. Ich möchte zwei nennen.
Erstens. Bereits in der Stellungnahme der Staatsregierung vom 6. Juli 2017 wurde darauf hingewiesen, dass Sachsen nach den Festlegungen des Koalitionsvertrages für einen stabilen Euro steht. Alle Maßnahmen zur Beendigung des Euro-Währungssystems oder zu einem Austritt Deutschlands aus der Eurozone würden die Stabilität des gesamten europäischen Binnenmarktes und seiner wirtschaftlichen Entwicklung gefährden. Diese würden vor allem Deutschland Nachteile bringen.
Als exportstarke Nation profitieren wir ganz erheblich von dem gemeinsamen Währungsraum und vom Binnenmarkt. Die Eurozone und die EU insgesamt stellen die wichtigsten Handelspartner für Sachsen dar. Der Euro unterstützt den gemeinsamen Binnenmarkt und schützt die Wirtschaft vor den negativen Folgen von Währungskursschwankungen. Er fördert damit den Wohlstand in Sachsen und Deutschland. Jede Schwächung des europäischen Wirtschaftsraumes wäre daher für Sachsen nachteilig. Im globalen Wettbewerb mit erheblich größeren Wirtschaftsräumen – ich denke an den Dollarraum oder an China – und größeren Bevölkerungszahlen als in deutschen Regionen kann Deutschland sich nur gemeinsam mit seinen europäischen Partnern in einem gemeinsamen Binnenmarkt behaupten.
Zweitens. Die Europäischen Verträge sehen grundsätzlich keine Möglichkeit und kein Verfahren zur geordneten Beendigung und Abwicklung des Euro-Währungssystems vor. Auch ein Austritt eines einzelnen Mitgliedsstaates aus der einheitlichen Währung ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Die Einführung des Euro war und ist irreversibel. Damit verbliebe für Deutschland nur die Möglichkeit eines einseitigen Austritts aus der EU und der Eurozone. Dann wäre Deutschland in der gleichen problematischen Situation wie Großbritannien nach dem Brexit.
Darüber hinaus lassen die Erfahrungen der globalen Finanz- und Wirtschaftsmärkte erwarten, dass ein solcher Schritt für erhebliche Verunsicherung auf den globalen Finanzmärkten führen würde. Die Kreditversorgung der Realwirtschaft wäre erheblich gefährdet. Ich erinnere nur an die Jahre 2008/2009, als dieses Risiko schon bevorstand. Ein Ausstieg aus dem Euro unter solchen Begleitumständen wäre also kaum geordnet zu nennen. Deshalb bleibt aus unserer Sicht nur, den Antrag abzulehnen.
Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Prof. Unland. Wir sind am Ende der Aussprache angekommen, und es ist Einzelabstimmung begehrt. Ich komme nun zu dieser Abstimmung.
Wir stimmen ab über die in der Drucksache 6/11217 unter Ziffer 5 enthaltene Beschlussempfehlung des Europaausschusses zum Antrag der Fraktion AfD in Drucksache 6/9922. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Enthaltungen? – Zwei Enthaltungen. Damit ist der Beschlussempfehlung zu diesem Antrag zugestimmt worden.
Gemäß § 102 Abs. 7 der Geschäftsordnung stelle ich hiermit zu den Beschlussempfehlungen, die wir nicht schon durch die Einzelabstimmungen behandelt haben, die Zustimmung des Plenums entsprechend dem Abstimmungsverhalten im Ausschuss fest. Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.
Entsprechend § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung liegt Ihnen als Drucksache 6/11218 die Sammeldrucksache „Beschlussempfehlungen und Berichte zu Petitionen“ vor. Zunächst frage ich, ob einer der Berichterstatter für mündliche Ergänzungen der Berichte das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, es liegt ein zusätzliches Verlangen der AfD-Fraktion nach Aussprache vor. Die Redezeit beträgt auch hier 10 Minuten je Fraktion. Herr Spangenberg, Sie haben für die AfD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Petitionsausschuss – das hatte ich beim letzten Mal schon ausgeführt – hat eine hohe Bedeutung; er ist ein Spiegel der individuellen Sorgen der Bürger und der Hoffnung auf Beachtung durch das Parlament, wenn Behörden, Regierungen und andere Institutionen nach Meinung des Petenten seinem Anliegen nicht entsprechend nachgekommen sind.
Wir haben auch generell das Problem mit Vertreibung und Flüchtlingen. An jedem zweiten Sonntag im September wird dieser Menschen gedacht. Aber es gibt trotzdem Menschen, die sich davon noch nicht ausreichend beachtet fühlen.
Es geht mir um eine Petition mit der Nummer 601682/6. Diese behandelt einen Vorfall an der innerdeutschen
Grenze in den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Meine Damen und Herren, die Aktion, die damals von der DDR gestartet wurde, hat den bezeichnenden Namen „Aktion Ungeziefer“, gerichtet gegen Bürger der damaligen DDR oder deutsche Staatsbürger. Dieses „Ungeziefer“ – wie die DDR diese Menschen bezeichnete – lebte im Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze, der Demarkationslinie. Die Begründung für diese Formulierung war mannigfaltig: Sie hörten Westradio, hatten Westkontakte, waren Gegner der Kollektivierung, meckerten über den Parteisekretär usw.
In einer Nacht- und Nebelaktion, meine Damen und Herren, die man nicht vergessen kann, wurden diese Menschen, die so eingeschätzt wurden, ausgesiedelt und neu angesiedelt. Es gab dazu einen Fernsehbericht. Ihnen ging der Ruf voraus, Schwerverbrecher, staatsfeindliche Gegner des Sozialismus zu sein usw., neben all den Problemen, die sie in der neuen Zwangsheimat hatten. Sie konnten nicht mehr in das Gebiet, aus dem sie kamen, einreisen, weder zur Beerdigung noch zu Familienbesuchen oder Feierlichkeiten irgendeiner Art. Damals kam auch dieser berühmte Spruch auf: Du bringst uns noch um Haus und Hof. Das war sinnbildlich dafür, wenn einer etwas sagte, was nicht im Sinne des Regimes war. Ganze Orte wurden geschliffen, teilweise wurden Häuser abgerissen.
Artikel 17 des Einigungsvertrages sagt aus, dass alle Opfer politischer Verfolgung angemessen entschädigt werden. Diese Petenten haben an den Deutschen Bundestag zweimal eine Petition gerichtet und eine Anerkennung für das erlebte Unrecht gefordert. Es ging hier nicht um die Anerkennung von Grund und Boden, sondern es ging um die Anerkennung der psychischen Belastung. Die Entschädigung nach dem SED-Unrechtsbereinigungsgesetz erfasste nur klare Vermögensschäden und nicht diese psychische Belastung.
Wissenschaftliche Studien, meine Damen und Herren, haben belegt, dass es wie bei den Haftopfern ist. Die sind genauso betroffen, wenn sie als Kinder nachts aus den Häusern geholt werden und wurden; ihr Hab und Gut wurde auf die Wagen geworfen und sie wurden weggefahren. Sie können sich den Fernsehfilm anschauen, er war ganz gut gemacht, und das wurde relativ gut dargestellt.
Der Antrag an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags wurde mit der Begründung abgelehnt, die Bundesrepublik Deutschland sei nicht Rechtsnachfolgerin der DDR. Aber bei allen anderen Dingen hat sich die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin
gefühlt. Das Besondere bei dieser Petition ist die Antwort des Petitionsausschusses: Diese Petition soll an die Landtage der neuen Länder weitergeleitet werden.
Also, wenn der Petitionsausschuss des Bundestages das ablehnt und gleichzeitig sagt, dass es an die Landtage zu geben ist, dann bedeutet das nichts anders als: Vielleicht könnt ihr etwas für diese Menschen tun.
Die Landesregierung sagt: Einen Entschädigungsfonds für diese aufgeführten Fälle gibt es nicht. Wie übersetzt man das? Wir wissen, dass es diese Fälle gibt, haben aber keinen Entschädigungsfonds. Aber eigentlich wird damit die Notwendigkeit bestätigt, etwas für die Betroffenen zu tun.
Meine Damen und Herren, wir geben Geld in Milliardenhöhe aus, und hier geht es um relativ kleine Beträge. Die Leute hatten nur vor, eine Opferrente ähnlich wie die Haftentschädigung zu bekommen. Das wurde abgelehnt. Sie hatten sich dann mit einer einmaligen Entschädigung zufrieden geben wollen; auch das wurde abgelehnt.
Es geht nicht darum, dass sie als Opfer nicht anerkannt sind. Es geht darum, dass sie auch eine bewusste Anerkennung erhalten, dass sie gleichgestellt werden mit den Opfern anderer Gruppen, für die wir so viel Geld ausgeben. Thüringen hat seit dem Jahr 1994 einen solchen Entschädigungsfonds und bezahlt daraus die Betroffenen.
Es gibt zwei Argumente des Petitionsausschusses. Das eine ist, dass es für Sachsen aufgrund der Grenzlage nicht zutrifft. Das ist nicht ganz richtig. Es geht nicht darum, wo sie heute wohnen, es geht darum, wo sie damals gewohnt haben. Und vielleicht wohnen einige hier in