Protocol of the Session on September 28, 2017

(Carsten Hütter, AfD: Jawohl, Herr Präsident!)

Ich kann hier nichts erkennen.

(Carsten Hütter, AfD: Von hinten geht es schlecht!)

Sprechen Sie bitte weiter, Herr Jalaß.

Dann werde ich das tun.

Ich freue mich, dass die AfD mittlerweile gelernt hat, wie das Gesetz heißt, nämlich Netzdurchsetzungsgesetz und nicht Netzdurchsuchungsgesetz, wie es noch von Frau Muster eingebracht wurde. Aber ich glaube, dass wir hier eine reine Fake-Debatte führen und einem Laienschauspiel zusehen. Ich glaube, es geht Ihnen überhaupt nicht darum, sich über das Netz-DG zu unterhalten. Ich glaube, es ist eine reine Fake-Debatte. Sie wollen hier eine Meinungsdiktatur durchsetzen. Ich glaube, diesbezüglich werden wir noch viel von Ihnen hören.

(Zuruf des Abg. André Barth, AfD)

Vorab kann ich sagen, dass DIE LINKE tatsächlich für Meinungsfreiheit und Pluralismus steht. Das wird Sie nicht überraschen. Wir wollen eine offene und plurale Gesellschaft.

(Zuruf von der AfD: Mit Fäusten oder was?)

Das soll und muss sich auch im Netz widerspiegeln. Dazu gehört natürlich, dass wir diesen AfD-Schund sehr oft ertragen müssen, auch im Netz.

Das Netz-DG verfolgt tatsächlich ein richtiges Anliegen, nämlich Hassbotschaften in sozialen Netzwerken zu bekämpfen. Allerdings gibt es einige Schnitzer in diesem

Gesetz. Kleinere sind, dass es beispielsweise zwar soziale Netzwerke betrachtet, es aber ein paar Ausschlusskriterien gibt. Das steht alles im § 1: Nutzerkenngrößen, Gewinnerzielungsabsicht usw.

Klar ist, dass der Gesetzgeber regeln musste, was als rechtswidrig erachtet wird. Auch da gab es eine Entwicklung. Man kann feststellen, dass zwischen der ersten und der vierten Version die Verunglimpfungstatbestände des StGB herausgefallen sind. Wenn Sie sich hinstellen und zum Beispiel sagen, dass das hier Zensur sei, dann ist das ganz schöner Bullshit. Das ist überhaupt nicht mehr haltbar.

Dass diese Regelung enthalten ist, dass die Tatbestände eingeführt sind, ist vielleicht vor dem Hintergrund sinnvoll, dass wir sonst einen Mischmasch in den allgemeinen Geschäftsbedingungen hätten. Das kann man insoweit hinnehmen.

Ziemlich begrüßenswert finde ich die Berichtspflicht, die erklärt wird. Allerdings gibt es ein großes Problem im Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Das hängt uns bitter an. Und zwar ist das der Einstieg in die private Rechtsdurchsetzung. Wahrscheinlich ist das diesem Spurt durch das Gesetzgebungsverfahren geschuldet. Der erste Referentenentwurf lag im März dieses Jahres vor. Verabschiedet wurde es in der vierten Version im Juni dieses Jahres.

Wir reden also effektiv über drei Monate. Dazwischen gab es noch eine EU-Notifikation, und es gab eine Rechtsanhörung im Ausschuss. Es haben zehn Sachverständige teilgenommen. Fast alle haben Kritik geübt und die Hälfte hat sogar verfassungs- und europarechtswidrige Bedenken geäußert.

Das Problem der privaten Rechtsdurchsetzung – das heißt, die privaten Portale entscheiden, was rechtswidrig ist – bricht im Ergebnis den Grundsatz der Gewaltenteilung. Das geht nicht; das muss weg. Es kann nicht sein, dass Private darüber entscheiden, was rechtmäßig und von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Da müssen die sich wahrscheinlich noch hinsetzen und Rechtfertigungsgründe eruieren, weil erst dann eine Löschung stattfinden darf. Die Möglichkeit, dem sogenannten Delinquenten noch einmal eine Stellungnahme einzuräumen, ist eine Kannmöglichkeit. Auch das hätte vielleicht verpflichtend hineingenommen werden können. Aber im Grunde ist es absolut schwierig und demokratisch überhaupt nicht erklärbar.

Der Schwerpunkt des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes liegt zusätzlich noch auf der Löschung. Leider befindet es sich daher spezial- und generalpräventiv eher im Flachwasser. Es ist zwar schön, wenn wir solche Sachen auch von Ihnen nicht mehr lesen müssen – ich muss sie ja hier oft genug hören –, aber es bringt uns nichts, wenn wir sie nicht verfolgen können, da sie weg sind.

(Carsten Hütter, AfD: Schauen Sie sich doch bitte auch Ihre Partei an!)

Das mache ich. Ich lese alles gerne.

(Aha! von der AfD)

Ein Problem ist auch noch, dass zum Beispiel die jetzige Regelung im Netz, das sogenannte Overblocking – die potenzielle Tendenz, vorsichtshalber mehr zu löschen, damit man nichts falsch macht –, noch bestärkt wird. In der Konsequenz – –

Die Redezeit ist zu Ende.

Das ist schade. – In der Konsequenz sorgt das dafür, dass die Meinungsfreiheit gefährdet wird. In der zweiten Runde erkläre ich Ihnen, warum Sie Meinungsdiktatoren sind.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Herr Jalaß für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt spricht Herr Baumann-Hasske für die Fraktion der SPD.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte damit einsteigen, dass ich erkläre, worüber wir eigentlich sprechen. Ich denke, dass es in dieser Debatte noch nicht so richtig deutlich geworden ist, um welches Verfahren es hier eigentlich geht.

Das Gesetz reformiert das Telemediengesetz und adressiert soziale Netzwerke mit mehr als zwei Millionen Nutzern im Inland. Sie werden verpflichtet, Beschwerden über strafbare Inhalte, die bei ihnen veröffentlicht werden, schnell zu bearbeiten. Ist es offensichtlich, dass der beanstandete Inhalt strafbar ist, werden sie verpflichtet, ihn binnen 24 Stunden zu löschen. Ist die Strafbarkeit der Inhalte nicht so eindeutig, gilt eine Sieben-Tages-Frist zur Prüfung der Inhalte. Dann soll in der Regel spätestens entschieden sein, ob der Inhalt zu löschen ist oder nicht.

Hängt die Entscheidung davon ab, wie der Kontext einer Äußerung zu beurteilen ist, kann der von der Beschwerde betroffene Autor dazu gehört werden. Der Anbieter des Netzwerkes kann die Entscheidung einer besonderen Institution, einer Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle vorlegen. Diese Einrichtung bedarf der Zulassung durch das Bundesamt für Justiz.

Hält sich der Anbieter nicht an diese Regel, ist das mit einem empfindlichen Bußgeld bis zu 50 Millionen Euro bedroht. Das klingt gewaltig, ist aber angesichts der Umsätze, die diese sozialen Netzwerke erzielen, nachvollziehbar – auch angesichts der Tatsache, dass es hier eine Vorphase gab, in der derartige Kontrollen auf freiwilliger Basis stattfinden sollten und man feststellen musste, dass das eben nicht funktionierte.

Meine Damen und Herren! Zugegebenermaßen klingt das alles ziemlich bürokratisch. Wozu brauchen wir das? Schränkt dieses Gesetz nicht die unternehmerische Freiheit und die Meinungsfreiheit unangemessen ein? Entlastet der Staat die Justiz nicht von Aufgaben, die von ihr zu lösen wären, zulasten der Anbieter sozialer Netzwerke? Alle diese Fragen haben wir heute schon gehört. Das

Gesetz richtet sich, anders als oft behauptet wird, nicht gegen Falschbehauptungen sondern ausdrücklich nur gegen strafbare Veröffentlichungen.

(René Jalaß, DIE LINKE: Wer entscheidet das denn?)

Das richtet sich zum Beispiel gegen verfassungsfeindliche Symbole. Wer seine Posts damit schmückt, verhält sich offensichtlich in strafbarer Weise. Ich glaube, das wird hier kaum jemand bestreiten können. Das Gesetz enthält einen Katalog von Straftaten, auf die es sich bezieht. Bei vielen kann man sicherlich auch darüber streiten, und deshalb ist das soeben von mir genannte Verfahren ja auch eingeführt worden. Das wurde in der Tat im Prozess der Gesetzgebung beanstandet, und der Gesetzgeber hat auf diese Beanstandungen reagiert.

Es bedürfte eines solchen Gesetzes nicht, wenn wir nicht das, was wir heute schon ausführlich gehört haben – die Eskalation von Fake News im Internet –, hätten. Früher war es so: Wenn in einer Zeitung etwas veröffentlicht wurde, was möglicherweise beleidigend war, dann konnte man dagegen im Wege der einstweiligen Verfügung vorgehen und verhindern, dass es wieder veröffentlicht oder weiterhin behauptet wurde, und man konnte eine Gegendarstellung erstreiten. Das dauert aber Wochen. Bei der Zahl der Veröffentlichungen und angesichts der Tatsache, dass es den Filter des Journalismus in diesem Zusammenhang nicht mehr gibt, sondern dass heutzutage jeder in sozialen Netzwerken herumrüpeln kann, wie er will, ist es notwendig, das einzugrenzen.

Deswegen halte ich zunächst einmal die Vorgehensweise für berechtigt, obwohl ich in der Tat auch sehe, dass es verfassungsrechtliche Bedenken gibt.

Die Kritik, die darüber hinaus geäußert wurde und die auch in dem Gesetzgebungsverfahren eine Rolle gespielt hat, möchte ich in einer zweiten Runde beleuchten.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Martin Dulig)

Auf Kollegen BaumannHasske von der SPD-Fraktion folgt jetzt Frau Dr. Maicher für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in meinem Redebeitrag von der Engführung auf dieses Gesetz ein Stück weggehen und generell über das Phänomen und vor allen Dingen über unsere Verantwortung hierfür auf Landesebene sprechen.

Soziale Medien ermöglichen prinzipiell erst einmal, dass alle in gesellschaftlichen Debatten mitreden können und dass es eine breitere Beteiligung gibt. Es sichert Meinungsfreiheit, und es ist per se ein gutes Zeichen für unseren demokratischen Diskurs, wenn man in andere Regionen der Welt schaut, wie dort Meinungsfreiheit eingeschränkt wird.

Aber klar ist auch: Überall dort, wo es Möglichkeiten gibt, gibt es eben auch Schattenseiten, und auf diese muss die Gesellschaft reagieren und sie muss lernen, damit umzugehen. Hassrede, Hetze, Gewaltfantasien, Falschmeldungen, der Missbrauch von Social Bots stehen für einen Verfall der Diskussionskultur. Deshalb hat Politik selbstverständlich die Verantwortung, auf diese Tendenzen Antworten zu geben und sie mit umfassenden, entschlossenen, aber auch angemessenen, differenzierenden Vorschlägen anzugehen.

Es reicht eben nicht, nur Appelle an Nutzerinnerinnen und Nutzer und Plattformbetreiber zu richten. Selbstverpflichtungen greifen dort nicht. Wir müssen Plattformbetreiber und Diensteanbieter auch in die Verantwortung nehmen, da sie sich nicht auf einem privaten Spielplatz befinden, sondern im öffentlichen Raum. Hier müssen die Regelungen des Zusammenlebens selbstverständlich genauso durchgesetzt werden. Sie haben Verantwortung, dabei mitzuwirken, dass Meinungsfreiheit, aber auch Meinungsvielfalt geschützt werden und dass Justiz und Behörden besser als bisher Strafrechtsverstöße ahnden können.

Das Gesetz, um das es heute geht, hat Justizminister Maas im Frühjahr vorgelegt. Der Entwurf ist aus unserer Sicht völlig unzureichend gewesen, das gesamte Verfahren im Übrigen auch. Kollege Jalaß hat das schon ausgeführt.

Aus unserer Sicht ist eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit, Persönlichkeitsschutz und Schutz vor Diskriminierung und Volksverhetzung in diesem ersten Gesetzentwurf nicht erfüllt gewesen. Das Hauptproblem dabei – und das ist auch heute wieder in der Debatte deutlich geworden – ist doch die Engführung auf die Löschung von Inhalten.

Jetzt ist mit Änderungen, die noch schnell eingebracht wurden, einiges aufgenommen worden. Auch durch die harten Diskussionen von Verbänden und Organisationen – übrigens aus jedem Bereich – sind Verbesserungen hineingekommen, zum Beispiel die Konkretisierung der Löschbedingungen, die eben nicht mehr allein die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit in sozialen Netzwerken überlassen.

Wir GRÜNEN haben uns deshalb im Bund enthalten und nicht abgelehnt, aber wir halten nach wie vor den Eingriff in die Meinungsfreiheit für zu stark. Es fehlt zum Beispiel ganz deutlich ein Widerspruchsrecht für die Meinungsbeiträge, die fälschlicherweise gelöscht wurden. Es besteht immer noch die Gefahr von Overblocking, des Herausnehmens von Beiträgen, die nicht strafrechtlich relevant sind. Vor allem – das finde ich besonders wichtig – das Ziel, Hate Speech aus den Netzwerken zu verbannen, haben wir mit dem Gesetz noch lange nicht erreicht. Dazu bedarf es viel mehr,

(Zuruf von den LINKEN)

zum Beispiel eine ordentliche bzw. bessere Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte. Es ist Aufgabe der Justiz, genau zu unterscheiden und das

Grundrecht zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten abzuwägen.