Ich will gleich am Anfang noch einmal klarmachen, was eine Große Anfrage ist und was deren Grenzen sind; denn, lieber Herr Böhme, wenn Sie aus einer formalen Antwort auf eine Große Anfrage die politische Haltung herauslesen wollen, haben Sie schlichtweg nicht verstanden, was eine Große Anfrage ist. Sie ist nämlich formal ziemlich eng bemessen. Dazu haben zum Beispiel viele Gerichtsurteile beigetragen, die auch durch Sie herbeigeführt wurden – gar keine Frage. Bei der Beantwortung einer Kleinen oder Großen Anfrage ist sehr genau definiert, was das Auskunftsrecht der Staatsregierung ist. Das heißt nicht,
dass alles, was wir wissen, mitgeteilt wird, sondern wir antworten in dem formalen Rahmen, der uns gesetzt ist. Darüber können Sie mit Ihren PGFs einmal reden. Liebe Frau Meier, das gilt für Sie genauso.
Selbst wenn wir Studien kennen, heißt das nicht, dass wir in einer Großen Anfrage Studien von Dritten zitieren. Selbst wenn wir wissen, was die kommunale Ebene macht, können wir nicht Daten Dritter preisgeben. Sie müssen ein wenig die formalen Grenzen von Anfragen bedenken und nicht verwechseln, dass das keine politische Grundsatzdebatte ist.
Politische Grundsatzdebatten können wir hier gern führen – mit Anträgen, mit Gesetzen, mit Fachregierungserklärungen. Aber zu unterstellen, dass eine formale Beantwortung einer Großen Anfrage die politische Haltung wiedergibt und damit spekuliert, ob eine Regierung für das Thema Interesse hat oder nicht – das ist wirklich weit hergeholt und wird der Sache nicht gerecht.
Denn ich nehme für mich und für diese Koalition in Anspruch, dass es die erste Koalition ist, die von einer verkehrsträgerbezogenen Verkehrspolitik weggeht hin zu einer Mobilitätspolitik. Das ist die erste Koalition. Ich bin der Verkehrsminister, der das Thema Radverkehr nicht nur in Konzepten beschreibt, sondern tatsächlich auf den Weg bringt, und zwar nicht damit, wie viele Kilometer man freigibt, sondern wie viele Kilometer man beauftragt. Sie wissen doch auch, dass wir inzwischen beim Radverkehr Planungszeiten haben, die mit dem Straßenverkehr vergleichbar sind. Wir sind die erste Koalition, die es geschafft hat, für den ÖPNV Planungs- und Finanzierungssicherheit hinzubekommen. Erzählen Sie uns nicht, dass wir nichts tun! Ganz im Gegenteil. Wenn eine Koalition und wenn ein Verkehrsminister das Thema Mobilität voranbringt, dann diese.
197 Fragen der Großen Anfrage zu wirklich verschiedensten Punkten sowie weitere neun nachfolgende Kleine Anfragen wurden gestellt. Das zeigt zumindest das Interesse für das Thema. Ich darf Ihnen versichern, auch wir sind bei diesem Thema mit vollem Einsatz dabei.
Sehen Sie es mir trotzdem nach, dass ich heute nicht auf jeden einzelnen Punkt der Großen Anfrage eingehen kann, sondern eher wieder bei dem Thema bin, das uns schon bei der Debatte zur Fachregierungserklärung gezeigt hat, nämlich – –
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Herr Staatsminister, vielen Dank für Ihre Ausführungen zu Möglichkeiten und Grenzen von Großen und Kleinen Anfragen im Sächsischen Landtag. Ist Ihnen § 57 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtags bekannt? Ich darf kurz zitieren: „In Angelegenheiten von erheblicher und grundsätzlicher politischer Bedeutung“, Herr Staatsminister, „können Große Anfragen an die Staatsregierung gerichtet werden.“
Ich habe Ihnen doch nicht das Recht abgesprochen, eine Große Anfrage zu stellen! Das beschreibt doch der § 57.
Entschuldigung! Da müssen Sie schon aufpassen! Es geht darum, inwieweit Sie aus einer Antwort, wozu es formale Kriterien gibt, was eine Regierung antworten kann und was nicht, eine politische Grundhaltung herauslesen. Das war die Unterstellung,
die Herr Böhme bei der Debatte hier gegeben hat. Darauf habe ich hingewiesen. Jetzt von Ihrer Seite zu konstruieren, ich würde Ihnen die politische Bedeutung von Großen Anfragen absprechen – das finde ich ein wenig lächerlich.
Wer einfach denkt, redet bei Mobilität über Autos und Straßen, aber auch Eisenbahn und Fernverkehr, gelegentlich über Radverkehr und oft über Elektromobilität. Doch Mobilität ist viel mehr als das. Mobilität beschreibt das Bedürfnis der Menschen, über den unmittelbaren Raum ihres Erlebens hinaus miteinander in Beziehung zu treten. Mobilität ist ein Netzwerk vielfältiger Verbindungen. Mobilität ist Innovation, ist natürlich Elektromobilität, aber auch intelligente Verkehrssysteme. Mobilität ist aber auch Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarktpolitik, und sie ist gerade in der heutigen Zeit Digitalisierung.
Deshalb sehen wir im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Mobilitätspolitik als das übergreifende Thema an. Um die Mobilität darzustellen
und zu beschreiben, verwenden wir eine Reihe von ganz weltlichen Indikatoren: Bedarfsorientierung, Wegelängen, Zuverlässigkeit oder Bezahlbarkeit sind Ausdruck des technischen Fortschritts und der wirtschaftlichen Entwicklung. Diese werden beispielsweise von der ÖPNVStrategiekommission aufgegriffen. Ein kundenfreundlicher, leistungsfähiger, innovativer und wirtschaftlicher öffentlicher Nahverkehr ist eine Herausforderung, der sich die Kommission angenommen hat.
Auf sehr hohem fachlichen Niveau werden Vorschläge erarbeitet, wie wir im Freistaat Sachsen den öffentlichen Personennahverkehr weiter verbessern können. Es geht um Investitionen, die Barrierefreiheit, den Sachsentarif, das Bildungsticket und darum, den ÖPNV für die Bürgerinnen und Bürger noch besser zu gestalten. Zurzeit arbeitet die Kommission sehr intensiv an der Bündelung und Zusammenfassung und erarbeitet Handlungsempfehlungen. Im Dezember wird der Abschlussbericht fertiggestellt, beschlossen und dem Sächsischen Landtag übergeben. Ich bin mir sicher, dass die Kommissionsergebnisse uns auch Antworten auf eine Vielzahl von Fragen geben werden. Dies gilt unbenommen davon, dass natürlich die politische Bewertung uns obliegt. Die Kommission erarbeitet Vorschläge. Was wir damit anfangen, ist unsere Aufgabe. Darauf wurde bei den letzten Haushaltsverhandlungen hingewiesen.
Mobilität im ÖPNV funktioniert jedoch nur mit einer Finanzierung, die der Erwartungshaltung gegenüber dem ÖPNV Rechnung trägt. Mit dem bereits am 15. Dezember 2016 beschlossenen Doppelhaushalt für die Jahre 2017 und 2018 ist es dem Freistaat Sachsen gelungen, den kommunalen Zweckverbänden langfristig die Planungs- und Finanzierungssicherheit auf sehr hohem Niveau zuzusichern. Mit der aktuellen Mittelausstattung können die Zweckverbände künftig SPNV-Verkehrsleistungen auf qualitativ und quantitativ hohem Niveau bereitstellen.
Herr Böhme, Sie sprechen nur von negativen Dingen. Ich verweise auf das Kundenbarometer, bei dem beispielsweise die Stadt Dresden im bundesweiten Vergleich von 50 Großstädten Platz 3 belegt hat. Chemnitz und Leipzig liegen im oberen Mittelfeld. Das sind immer noch deutlich positive Ergebnisse. Es geht um die Kundenzufriedenheit. Wir sind schon ein gutes Stück vorangekommen, wenn es um die Frage der Attraktivität des ÖPNV geht. Ich weiß auch, dass wir noch genügend Hausaufgaben zu erledigen haben – das gilt gerade mit Blick auf das Thema Finanzierung und dessen Sicherstellung. Wir haben es noch nicht geschafft, die seit März dieses Jahres bestehende Diskussion zur Fortschreibung der Finanzierungsverordnung zu Ende zu bringen. Wir arbeiten daran.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ganz am Anfang sprach ich von Mobilität als ein Netzwerk vielfältiger Verbindungen. Eines der anspruchsvollsten Themen in diesem Zusammenhang ist zweifellos das autonome oder automatisierte Fahren. Was viele Menschen lange für Science-Fiction gehalten haben, ist eines der spannendsten technologischen Entwicklungen. Nicht zuletzt ist es
ein Kerntreiber für Mobilität. In den letzten Jahren erfolgte ein beispielloser technischer Fortschritt. Bei vielen Fahrzeugherstellern wird autonomes oder automatisiertes Fahren zunehmend Realität – das gilt sowohl beim Auto als auch oder ganz besonders im ÖPNV. Ich erwarte dort den meisten Drive und die meiste positive Entwicklung bei diesem Thema.
Unsere Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen begleiten diese Themen wissenschaftlich auf höchsten Niveau. Unsere Verkehrsbetriebe sind offen für diese neuen Technologien. Das geplante digitale, urbane Testfeld in Dresden für das automatisierte Fahren ist ebenfalls ein herausragendes Zeichen dafür. Intelligente Verkehrssysteme, vernetzte Mobilität und automatisiertes Fahren – der Freistaat unterstützt diese Initiativen und ist mit seiner lebendigen Forschungs- und Industrielandschaft im stetig wachsenden Zukunftsmarkt mittendrin.
Die Menschen im Freistaat verlangen aber nach ganz irdischen Dingen. Sie verlangen nach Dingen, die im Jetzt und Hier für jeden Einzelnen eine sehr wichtige Rolle spielen: die Straße vor der Haustür, der sichere Schulweg mit Gehweg, Tempo 30, der Radweg oder der ÖPNVHaltepunkt, die Einstiegsmöglichkeit in unmittelbarer Nähe. All diese Dinge werden mir bei den vielen Gesprächen, die ich mit den Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen führe, immer wieder genannt. Mit einer Vielzahl auch sehr attraktiver Förderprogramme für alle Bereiche versuchen wir auch umzusteuern. Nehmen Sie als Beispiel die Richtlinie Kommunaler Straßenbau oder die ÖPNV-Richtlinie. Hiermit werden auf sehr hohem Niveau Investitionen gefördert.
Mit unserer Anmeldung zum letzten Haushalt haben wir es geschafft, dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr 33 neue Stellen bereitzustellen. Diese sind mittlerweile besetzt. Die Anordnung von Tempo 30 an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen sowie weiteren Vorfahrtsstraßen im Nahbereich sozialer Einrichtungen haben wir ausdrücklich begrüßt und wenden sie bereits im Landesnetz an. Es würde mir leichtfallen, noch eine Vielzahl weiterer Punkte zu nennen. Trotzdem heißt es: Nicht die Hände in den Schoß legen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir wissen, dass wir wahnsinnig viel zu tun haben. Ich fordere Sie auf: Streiten Sie nicht nur im Rahmen der ÖPNVStrategiekommission, sondern insgesamt weiter dafür, wie man gemeinsam beim Thema Mobilität für Verbesserungen in diesem Land sorgen kann.
Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Staatsminister, Sie hatten es gerade angesprochen. Es ging um die Tempo-30-Zonen. Ich dachte, dass Sie in Ihrer Rede noch einmal darauf eingehen. Wann kommt
denn die Handreichung heraus, die Sie in unserer damaligen Runde, in der es um die Kommunen ging, versprochen hatten? Das ist wirklich wichtig. Viele Kommunen und Leute, die es anordnen müssen, sind verunsichert. Sie brauchen Rechtssicherheit. Es ist geboten, dass die Staatsregierung eine Handreichung für die Kommunen erstellt.
Dazu möchte ich zwei Dinge sagen. Zum einen gibt es die Handreichung noch nicht. Sie ist tatsächlich in Arbeit. Zum anderen wird das Recht jedoch angewandt. Die Anträge werden bearbeitet. Wir ermuntern die Kommunen, dies zu tun.
Man muss ein Umsteuern im Landesamt erreichen. Die Denkweise war bisher davon geprägt, Durchgangsverkehr oder flüssigen Verkehr zu organisieren. Nun müssen wir den Schalter umlegen und sagen, dass die Anordnung von Tempo 30 gerade bei sozial sensiblen Infrastruktureinrichtungen erfolgen muss. Das möchten wir. Dementsprechend halten wie auch das Landesamt für Straßenbau und Verkehr dazu an.
Ich begrüße das natürlich sehr. Was tun Sie aber konkret dafür, um im Landeamt für Straßenbau und Verkehr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sensibilisieren? Es gab in der Großen Anfrage auch eine Frage dazu, wie viele Anträge abgelehnt wurden. Das war die Mehrzahl. Ich gebe Ihnen recht, dass das bereits angewendet wird. Das passiert in den Großstädten. Ist Ihnen aber bewusst, dass vor allem die kleinen Kommunen, die natürlich auch Grundschulen, Kitas oder andere Einrichtungen haben, Hilfe benötigen?
Natürlich ist mir das bewusst, weil das der Antrieb war, das zu tun. Das ist gar keine Frage. Sie können aber davon ausgehen, dass wir in regelmäßigen Arbeitsbesprechungen zwischen dem Ministerium und dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr alle Themen – das gehört dazu – besprechen. Wir haben natürlich ein Interesse daran, hierbei klar zu machen, dass das bei der Durchsetzung des wichtigen Ziels der politische Wille ist.